wo ihr der Kopf steht (und dann auch noch diese ganzen Gedenktage… da soll nochmal einer mitkommen!), lohnt es sich, einmal jenseits all der (Geo)Politik ein nur scheinbar fernes Problem zu fokussieren, nämlich den sich inzwischen zu einer stattlichen Pandemie auswachsenden Ebola-Ausbruch in Westafrika.
Konkreter Anlaß ist die Berichterstattung bei SpOn, wo man sogar so putzig ist, den arglosen Lesern aus Wohlfühldeutschland kurz nochmal zu erklären, was das eigentlich bedeutet, “den Notstand auszurufen”. Ansonsten ist der Artikel an sich nichts besonderes und – wie die meisten aktuellen zum Thema – erwartungsgemäß nicht viel mehr als eine Paraphrase der nicht zu mikrobiologisch-fachlichen Teile des Wikipedia-Eintrags zum Ebolavirus. Behalten wir aber, um angesichts der foudroyanten Entwicklung jenseits des Mittelmeers nicht das wesentliche aus den Augen zu verlieren, eines im Sinn: Bei den Filoviren, das sind die Ebola-Arten und ihr “Cousin” Marburgvirus, handelt es sich eigentlich um Krankheitserreger, die Wildtiere als Wirte bevorzugen. An den menschlichen Metabolismus sind sie (noch) nicht angepaßt, was sich am katastrophalen Verlauf der Infektion ablesen läßt – und seien wir ehrlich: Würde man an Ebola nicht derart elendig sterben, wäre trotz der enormen Sterblichkeitsrate das öffentliche Interesse daran wohl weitaus geringer.
Gleichzeitig sollte man sich nicht wünschen, daß die Anpassung des Virus an den menschlichen Wirt schneller vonstatten gehen möge. Andere hämorrhagische Fieber, insbesondere das Gelbfieber, haben schon in den vergangenen Jahrhunderten gezeigt, daß die Prognosen trotz eines weniger furchtbaren Krankheitsverlaufs noch deutlich düsterer ausfallen können, wenn eingeschleppte Tropenviren erst einmal Tiere (insbesondere Insekten) als Vektoren benutzen und einen befallenen Menschen nicht mehr binnen weniger Tage oder Wochen ums Leben bringen. Insbesondere ist dies auf eine sich wesentlich vergrößernde Ansteckungsgefahr zurückzuführen, die wir aber auch jetzt schon bei Ebola sehen, nachdem der Erreger – wahrscheinlich – durch den Verzehr von Flughunden quasi “versehentlich” auf Menschen übergegangen ist und aufgrund lokaler Gewohnheiten rasant quer durch die ländlichen Gebiete Westafrikas weitergegeben wird.
Dem werfen sich nun internationale Ärzteabordnungen und selbst die Weltbank mit einer großen Finanzspritze entgegen. Fraglich ist allerdings, was genau dort nun geschehen soll, da es gegen die Filoviren bislang weder Heilmittel, noch Impfstoff gibt. Auch im Hinblick auf einen jüngst gemeldeten Durchbruch vermittels eines experimentellen Serums kann und sollte man eher skeptisch sein, auch wenn der Boulevard schon wieder Zeter und Mordio schreit wie weiland angesichts der Vogelgrippe.
Fest steht: Da Viren im strengen biologischen Sinne eigentlich nicht leben (da ihnen Stoffwechsel und Reproduktionsmöglichkeiten fehlen), kann man sie auch eigentlich nicht töten. Das läßt für den Kampf gegen das Virus in Westafrika nur die Möglichkeit der Isolation infizierter Menschen zu, was wiederum die Ärzte und Hilfskräfte einem – angesichts der Gesamtlage – unverantwortlichen Infektionsrisiko aussetzt. Erste Ansteckungsfälle hat es bereits gegeben, und das nach derzeitiger Kenntnislage trotz der berüchtigten Bioschutzanzüge, wie man sie aus Katastrophenfilmen kennt.
Daß infizierte ausländische Helfer in ihre Heimatländer (und nach Deutschland) ausgeflogen werden bzw. werden sollen, läßt etwa bei Facebook viele Leser unruhig werden. Das ist jedoch an sich kein Problem, da die meisten Länder der “Ersten Welt” mittlerweile in einzelnen Krankenhäusern spezielle Isolierstationen für Seuchenpatienten vorhalten; vereinzelte Krankheitsausbrüche der letzten hundert Jahre, in der BRD insbesondere der Marburg-Fall 1967, haben da immerhin für vereinzelte Sicherheitsvorkehrungen gesorgt.
Das Kernproblem liegt aber woanders, nämlich – oh Wunder – in der Globalisierung und ihren Begleiterscheinungen. Wie oben angemerkt, ist Ebola samt Verwandtschaft nicht darauf ausgerichtet, den Menschen zu befallen. Das Aufkommen innerhalb der menschlichen Population erklärt sich insbesondere durch das massive Bevölkerungswachstum in Afrika, die damit verbundene Durchsiedelung des Urwaldes und die daraus erfolgende Verschleppung der Zoonose in Ballungsräume. Viel eher als die Rückverlegung erkrankter Einzelpersonen in ihre Heimatländer könnte sich denn auch die Möglichkeit einer globalen Ausbreitung innerhalb weniger Tage zur Bedrohung entwickeln, und dem ließe sich nur durch komplette Abschottung eines ganzen befallenen Landes entgegensteuern, was in der heutigen Welt recht utopisch erscheint.
Die weitere Entwicklung verdient Aufmerksamkeit und – vor allem – eine deutlich sachlichere (das heißt auch: weniger emotionale) Berichterstattung. Nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, daß Biogefahren ganz anderer Art bereits vor der Türe warten könnten, just dieser Tage etwa die Vektoren der ebenfalls verdammt unschönen Leishmaniose. Ob eine Übertragungsgefahr hierzulande besteht, bedarf noch der Überprüfung; irgendwo wäre es aber fast eine Art Ironie, denn zu den Verbreitungsgebieten der krankheitserregenden Parasiten gehört insbesondere auch Afghanistan. Womit wir wieder bei der Globalisierung und ihren Begleiterscheinungen wären.