Denn mit diesem gehe es zu Ende: Er werde ersetzt – und sei zum Teil schon ersetzt worden – durch Drohnen, Atombomben, Spezialeinheiten und den Programmierern eines cyberwar. Den Soldaten definiert er als jemanden, »der den regulären Streitkräften eines Staates angehört« – und schon hier beginnt die lautstarke These seines 544 Seiten starken Buches zu bröckeln.
Denn auch Drohnenbediener, Bomberpiloten und Kommandosoldaten sind solche Angehörigen regulärer Streitkräfte. Selbst wenn man seine Definition des Soldaten enger faßt, sich also nur auf die normalen Männer mit ihren staubigen Gesichtern in den Gräben und Feldlagern, in Gefechten oder auf Patrouillen bezieht, wirkt Schneider wenig überzeugend. Spezialeinheiten brauchen für ihre Aktionen die äußere Sicherung, das Feldlager, den Nachschub und die Etappe: Das alles wird von normalen Soldaten gestellt. Ein kurzer Blick auf die Einsätze der Bundeswehr reicht aus, um Schneider zu widersprechen: Mit großer Wahrscheinlichkeit wird sie auch in Zukunft für »Stabilisierungsoperationen« eingesetzt werden, und diese sind ohne Fußtruppen nicht möglich.
Kurios trotz der Dürftigkeit der Hauptthese: Das Buch ist lesenswert! Schneider berichtet, wie der Krieg aus Menschenjagd und Zweikampf hervorging, wie sich dabei die Waffentechnik entwickelt hat und aus welchen Gründen Männer sich für ein Leben als Soldat entschieden. Schneider hat selbst gedient und es in der Wehrmacht bis zum Unteroffizier gebracht. Wahrscheinlich sind seine Überlegungen darüber, wofür Soldaten starben, und die Beschreibungen, wie sie »verreckten«, gerade deshalb besonders eindrucksvoll.
Mit dem Gewicht dieser Erfahrung will Scheider seine Überzeugung legitimieren, das soldatische Opfer sei für sich genommen sinnlos und die Bereitschaft dazu nur das Ergebnis von falschen, albernen oder sinnlosen Vorstellungen – was für die Idealisten unter den Soldaten bedrückend klingen muß. Die logische Konsequenz zieht er im abschließenden Kapitel, »Wie man vielleicht überleben kann«, indem er großes Verständnis für den Deserteur zeigt: Dieser handle »von den Motiven her … so verwerflich wie ein Vogel, der dem Käfig entflattert«.
Schneider erinnert gleichzeitig daran, daß der Frieden nicht der Naturzustand des Menschen, daß der Mensch kein primär friedliebendes Wesen sei, ja, daß der Frieden auf Erden – mit Carl Friedrich von Weizsäcker gesprochen – »eine der düstersten Epochen der Menschheitsgeschichte« werden könne: »So fiele denn auf die grausige dreitausendjährige Geschichte des Soldaten zuletzt doch noch ein kleiner Sonnenstrahl«, beendet er seinen Nachruf auf den Soldaten mit einem vermeintlich positiven Fazit.
Töten und Sterben also nur als abstrakt sinnvolles Opfer? Damit es keinen tyrannischen Frieden auf Erden gibt? Wenn er damit recht hätte, dann wären die Soldaten, die aus idealistischen Gründen zur Armee gehen, tatsächlich die armen Narren, die nicht für ihr Volk und dessen Ideen antreten, sondern sich unfreiwillig für die Verhinderung einer tyrannischen One World opfern, indem sie Kriege am Laufen halten. Diese Draufsicht Wolf Schneiders ist außerordentlich interessant, viel interessanter als die schwache Hauptthese des »Nachrufs«. Er gibt dem Soldaten, eigentlich jedem Kämpfer dieser Erde, eine höhere Weihe: Das ist eine gedankliche Spur, die man weiter verfolgen kann – und sollte.
(Wolf Schneider: Der Soldat – Ein Nachruf: Eine Weltgeschichte von Helden, Opfern und Bestien, Reinbek: Rowohlt 2014. 544 S., 24.95 €)
Gold Eagle
Mir leuchtet die These, dass Krieg geführt werden muß, um einen ewigen Frieden zu vermeiden oder einen "tyrannischen Frieden" nicht ein. Sehr einleuchtend finde ich die These, dass Soldaten vielleicht nicht völlig überflüssig werden, aber doch sehr weitgehend ersetzt werden. Ferngesteuerte und unbemannte Flugzeuge, Panzer, Artillerie sind doch nur noch eine Frage der Zeit. Natürlich braucht man noch Personal, die die Geräte werten und steuern und vielleicht auch Infanterieeinheiten, die diese bewachen oder sie begleiten, aber die große Zeit des Infanteristen wäre damit endgültig vorbei.