Flußbetten graben – und wie die längst vorhandenen Läufe versuchen, den Strömungen eine Richtung zu geben und möglichst viel in die eigenen Kanäle zu leiten.
Die Frage hintangestellt, ob und wie das parteipolitische Engagement der AfD auf der einen und die Protestdemonstrationen der HOGESA in Köln, der PEGIDA in Dresden oder auch der namenlosen Anti-Linken in Erfurt etwas austragen werden: Die Lage ist eine ganz andere als jene, in der wir uns vor zwei Jahren befanden.
+ Die AfD ist deutschlandweit dabei, sich stabile Strukturen zu geben. Dieser rein funktionale Vorgang wird überlagert von einer Grundsatzdiskussion über die Ausrichtung der Partei. Auch wenn die führenden Köpfe nach Außen den Burgfrieden wahren: Krieg oder Friede mit dem Establishment steht als Frage hinter jeder Positionierung. Andre Lichtschlag vom libertären Magazin eigentümlich frei hat dies mit einer Beschreibung dreier politischer Grundtypen vor einiger Zeit schon veranschaulicht:
Er sehe zum einen jene am Werk, die schon immer zum Establishment dazugehört hätten, zum zweiten solche, die endlich dazugehören wollten. Beide stünden nicht für eine Alternative. Dies sei dem dritten Typ vorbehalten, jenem nämlich, der von Außen käme und nicht das Ziel habe, Aufnahme in die Mitte der Gesellschaft zu finden. Auf diesen Typus komme es an.
Da gibt es nicht viel zu ergänzen: Ja, natürlich, auf diesen Typus kommt es an, und er wird sich hoffentlich je länger je mehr auf seinen “Mangel an Versöhnung” (Gottfreid Benn) besinnen, der ihn doch erst in die Politik trieb.
+ Daß dieser “Mangel an Versöhnung” auch bei den PEGIDA-Demonstrationen in Dresden eine Rolle spielt, ist augenscheinlich. Man darf die Dynamik dieser wie aus dem Nichts entstandenen, identitär aufgeladenen Züge nicht überbewerten, aber vielleicht wird man in ein paar Wochen über die kleinen Anfänge nur noch lächeln. Interpretieren muß man den neuen Mut zum Protest zum einen aus der wohlbegründeten Sorge der Deutschen um den Status, Herr im Eigenen zu sein: Das allzu Fremde tritt machtvoll in den Raum, ohne anzuklopfen, denn das Tor ist ausgehängt.
Der andere Grund: Die vielen kleinen und größeren Erfolge einer Verteidigung des Eigenen auf verschiedenen Ebenen haben den Resonanzboden erweitert – angefangen bei der für die “Mitte der Gesellschaft” verheerend verlaufenen Sarrazin-Debatte, über die Erfolge der AfD und die Stuttgarter Demonstrationen gegen die Frühsexualisierung im Unterricht bis hin zur Debatte um die Schuld am Ausbruch des I. Weltkriegs und den Bestsellern von Pirincci, Buschkowsky oder Ulfkotte. Im Gespräch mit dem Nachbarn oder dem Vereinkameraden über Namen und Themen anknüpfen zu können: Das ist die Auswirkung der Erfahrung, daß doch etwas möglich sei.
+ Bleibt der schwankende Boden, auf dem der Intellektuelle seit jeher steht: die Kulturkritik, jene kleine Schwester des Kulturpessimismus, der wiederum eine verbockte oder schwächelnde oder abseitige oder desillusionierte oder tatenarme oder trotzige Haltung zum Heute ist (oder von allem ein bißchen). Jedenfalls: Mein Verlag präsentiert endlich einmal wieder Bücher in Berlin, und zwar am Freitag, den 28. November, 19 Uhr in sehr zentral gelegenen Räumlichkeiten. Es ist Platz für vierzig Leute, es wird Brot und Wein geben, und Kositza und ich werden erzählen, was los war und was in der edition nordost, dem literarischen Arm des Verlags, geplant ist. Anmeldungen bitte an verlag(at)antaios.de, wir nehmen 5 € für die Kost und nennen den Ort, sobald wir ausgebucht sind.
Ein Fremder aus Elea
Kulturkritik ist, intellektuell gesehen, die Mutter des Kulturpessimismusses, letzterer könnte, etwas unappetitlich, ihre Fehlgeburt genannt werden.
Kulturkritik ist dabei ein recht weites Feld, bedingt durch die unterschiedlichen Grade der Bereitschaft, kulturelle Fundamente in Frage zu stellen.
Das allzu Fremde tritt machtvoll in den Raum, ohne anzuklopfen, denn das Tor ist ausgehängt.
Das darf man bei dem ganzen Mummenschanz nicht vergessen: daß das Tor ausgehängt ist.
Zunächst einmal muß das Argument in die Politik zurückkehren, und mit ihm die Notwendigkeit bürgerlicher Mitsprache und Kontrolle.
Kein Hartz IV für jeden Europäer ohne Voraussetzungen.
Schaut her, so verrückt sind wir nicht!
Das ganze politische Verhältnis hängt schief. Soll das Volk wirklich damit zu Frieden sein, daß man ihm, wo es gar nicht anders geht, immer gerade so viel wie nötig entgegenkommt? Politik als "Wilde Maus", wo man sich ständig denkt: "Puh! Doch nicht aus der Kurve geflogen."
Und wie sollte es anders gehen? Wenn alles von internationalen Verträgen abhängt, welche Gesetze ein Land erlassen darf, und welche nicht. Als nächstes auf der Liste: TTIP.
Gleichzeitig rumort es immer mehr. Und wer kümmert sich darum?
Wenn wir es nicht können... Und im Krieg ist alles erlaubt...
Höchste Zeit das Tor wieder einzuhängen, nicht nur die Einwanderung zu kontrollieren, sondern auch die Politik unseres Landes.