Dem kleinen Libergraphix Verlag ist es zu verdanken, daß inzwischen seine als Trilogie gewerteten Bücher, A People That Shall Dwell Alone (1994, dt. 2012: Der jüdische Sonderweg. Der Judaismus als evolutionäre Gruppenstrategie?), Separation and its Discontents (1998, dt. 2011: Absonderung und ihr Unbehagen) und The Culture of Critique (1998, dt. 2013: Die Kultur der Kritik), auch auf deutsch vorliegen beziehungsweise ihr Erscheinen noch für dieses Jahr angekündigt ist. Außerdem gibt es im selben Verlag einen Sammelband mit Aufsätzen von Kevin MacDonald, die seine Gedanken in konzentrierter Form wiedergeben (Kulturumsturz, Gröditz bei Riesa: Libergraphix 2012).
MacDonald legt seiner Analyse des Judentums das theoretische Modell der Soziobiologie zugrunde. Diese ist eine seit den sechziger Jahren vor allem von dem amerikanischen Biologen Edward O. Wilson entwickelte Theorie, wonach das Verhalten von Menschen (und Tieren) auf dem »Egoismus der Gene« beruht. Das heißt, die Menschen sind darauf programmiert, zum Überleben der eigenen Gene, zu deren Trägern auch die eigenen Verwandten gehören (sogenannte Verwandtenselektion), beizutragen, weil nur diejenigen Menschen überlebten und zu unseren Vorfahren wurden, die sich auf diese Weise genetisch durchsetzten. Die Gruppenselektion ist eine Überlebensstrategie, in der das Überleben der Gene vor allem von der Gruppe abhängt. Kulturelle Faktoren wie Werte und soziale Kontrollmechanismen stützen dabei die Verwandtenselektion zusätzlich ab.
MacDonalds Grundthese besagt, daß sich das Judentum als ein Komplex von ideologischen Strukturen und Verhaltensweisen definieren läßt, die zur Herauskristallisierung folgender Merkmale geführt haben: 1. Die Abgrenzung des jüdischen Genpools von den Völkern, unter denen die Juden leben. 2. Der Konkurrenzkampf mit diesen Völkern um Ressourcen. 3. Ein hohes Maß an Kooperation und Altruismus der Juden untereinander. Und 4. Eugenische Bestrebungen zur Zeugung intelligenter Kinder, verbunden mit einem hohem Maß an Investition in diese.
Anders als ein naheliegendes Mißverständnis unterstellt, sieht MacDonald in der jüdischen Gruppenstrategie nicht den Ausdruck einer spezifisch jüdischen genetischen Veranlagung, sondern nur eine historische Ausprägung einer allgemein menschlichen Tendenz zum Gruppenegoismus. Wie nicht zuletzt jüdische Genetiker immer wieder bestätigen, sind die Juden auch heute noch eine genetisch gut charakterisierte Gruppe, die sich von den nichtjüdischen Völkern deutlich unterscheidet und deren Eigenschaften auf einen nahöstlichen Ursprung verweisen. Was MacDonald über die Juden sagt, gilt in erster Linie für die aschkenasischen Juden, in geringerem Maß für die Sephardim und gar nicht für die orientalischen Juden. Letztere haben die von ihm beschriebene Strategie entweder gar nicht entwickelt oder nicht aufrechterhalten können.
Das Judentum ist bekanntlich eine betont diesseitige Religion, in der vom Jenseits kaum die Rede ist. »Was in der jüdischen Religion wirklich zählt, ist nicht die Unsterblichkeit des individuellen Juden, sondern jene des jüdischen Volkes«, schreibt der jüdische Historiker Salo W. Baron.
Es gab strenge Vorschriften gegen die Vermischung mit Nichtjuden. Nachkommen von Mischehen wurden ausgegrenzt und als minderwertig erachtet. Damit verbunden war eine Doppelmoral. »Ethische Normen galten nur für Angehörige der eigenen Gemeinschaft«, zitiert MacDonald den israelischen Historiker Jacob Katz. Das Übervorteilen von Nichtjuden war erlaubt und fand nur dort seine Grenze, wo es auf die Gemeinschaft zurückfallen konnte. Die im Judentum vorausgesagte Bekehrung aller anderen Völker am Ende der Geschichte bedeutet nicht, daß sie zu Juden werden, sondern daß sie fortan die Herrschaft Israels anerkennen.
Dem stand eine starke Solidarität innerhalb der Gemeinschaft gegenüber. Die Pflicht, anderen Juden zu helfen, hatte einen außerordentlich hohen Stellenwert, zu dem es in der nichtjüdischen Gesellschaft keine Parallele gibt. Anders als in manchen Büchern behauptet, war das Judentum auch schon in der Antike eine geschlossene Gesellschaft.
Es gab zu allen Zeiten innerhalb des Judentums eine ausgeprägte soziale Hierarchie nach dem Grad der Rassenreinheit. An der Spitze standen die erblichen Priesterkasten der Kohanim und Leviten sowie die Rabbiner, am Ende alle Juden, an deren rein jüdischer Herkunft irgendwelche Zweifel bestanden. Der Rabbi Hiyya schrieb im 2. Jahrhundert: »Vertraue keinem Proselyten, ehe nicht vierundzwanzig Generationen vergangen sind, denn das ihm eigene Böse steckt immer noch in ihm«.
Der soziale Aufstieg innerhalb des Judentums war an eine lange Lehrzeit der heiligen Schriften gebunden, die anders als in anderen Kulturen nicht nur aus Auswendiglernen bestand, sondern auch in deren Auslegung und in komplizierten intellektuellen Disputen. Schon in der Antike waren die Juden das einzige Volk, das sich bemühte, allen seinen Kindern eine Schulbildung zuteil werden zu lassen. Da auch im Judentum die sozial Erfolgreichen mehr Kinder in die Welt setzen konnten als die Gescheiterten – letztere sagten sich oft ganz vom Judentum los –, führte dies zu einer Selektion hin auf eine hohe, vor allem verbale Intelligenz. Der IQ der aschkenasischen Juden liegt im Mittel gut zehn Punkte über dem der nichtjüdischen Europäer. Die Korrelation zwischen verbaler und räumlich-visueller Intelligenz, die sonst bei 0,7 liegt, ist dabei aber nur halb so hoch. Mit der extremen Schulung und Selektion auf Intelligenz schon zu Zeiten, als die meisten Menschen noch Analphabeten waren, verbesserten die Juden ihre Position im Konkurrenzkampf mit den Mehrheitsvölkern.
Die hohe Intelligenz der Juden ermöglichte den sozialen und ökonomischen Erfolg auch in einer feindseligen Umgebung. Die Aufhebung der sozialen Sonderstellung in der Aufklärung wurde zunächst eher als existentielle Bedrohung der jüdischen Gemeinschaft denn als Befreiung erlebt. Bald jedoch ermöglichte die Emanzipation den Juden in den westlichen Ländern, in die ökonomische und intellektuelle Elite aufzusteigen. So waren die Juden in Deutschland vor 1933 bei einem Bevölkerungsanteil von nur einem Prozent mit 25 Prozent unter den Jura- und Medizinstudenten vertreten. Und in Amerika stellten die Juden 1968 20 Prozent des Lehrkörpers an den amerikanischen Eliteuniversitäten und waren insbesondere in den Sozialwissenschaften extrem überrepräsentiert. Entsprechend wurden besonders die mit den Juden konkurrierenden Teile der nichtjüdischen Gesellschaft zum Träger des Antisemitismus. Anders als andere ethnische Minderheiten weigerten sich die Juden stets erfolgreich, ihre eigene ethnische Identität aufzugeben und in den Mehrheitsvölkern aufzugehen, und nahmen dafür auch große Opfer in Kauf.
Auch das moderne Reformjudentum hält – natürlich völlig legitim – am Überleben des jüdischen Volkes fest, was nun jedoch mit dessen moralischer Überlegenheit und der Vorbildfunktion der Juden für die übrige Menschheit begründet wird. Ein Hauptthema in den Synagogen auch des liberalen Judentums sind die Leiden des jüdischen Volkes in der Geschichte und die Bedrohung durch die nichtjüdische Umwelt. In der Förderung des Kosmopolitismus durch jüdische Intellektuelle sieht MacDonald vor allem ein Mittel zur Schwächung der Mehrheitsvölker. Auch säkulare Juden heiraten oft noch innerhalb der jüdischen Gemeinschaft. Trotzdem gibt es in jüngster Zeit in den westlichen Ländern eine wachsende Zahl von Mischehen und Übertritten zum Judentum, eine Entwicklung, die tatsächlich die Existenz des jüdischen Volkes in der westlichen Diaspora in Frage stellt.
MacDonald spitzt seine Thesen sehr zu, bisweilen zu sehr. Wenn er die jüdische Religion kollektivistisch nennt, ist das sicher richtig. Allerdings sind nach den Untersuchungen von Geert Hofstede die Israelis heute ebenso individualistisch eingestellt wie die Bürger der westlichen Länder, und nicht kollektivistisch wie die Angehörigen außereuropäischer Kulturen. Auch die Auflösungserscheinungen im modernen Judentum werden von MacDonald nicht ausreichend gewürdigt.
Es handelt sich bei MacDonalds Werken um einen wichtigen Beitrag sowohl zur Geschichte des Judentums als auch zur Soziobiologie des Ethnozentrismus. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die üblichen Darstellungen des Judentums, was den jüdischen Ethnozentrismus und den traditionellen Haß auf die Gojim, die Nichtjuden, betrifft, stark geschönt sind. Die umfangreichen Literaturangaben erschließen dem Leser die nur schwer auffindbare Literatur zur Evolutionsbiologie des Ethnozentrismus und zur inneren Geschichte des Judentums.