Einen akademischen Genuß will man auch die neueste Veröffentlichung des zornigen Vielschreibers kaum nennen. »Unsere Alpha-Journalisten haben einen totalen Blackout … Ganz dicht scheinen die dort nicht mehr zu sein«, so tönt es von der ersten Seite. Das klingt nach extremer Einfühlung in den Stammtischbesucher. Jedoch: Erstens nimmt die sprachliche Qualität von Gekaufte Journalisten im Verlauf des Buches zu, zweitens sind es in der Tat haarsträubende Zustände, von denen Ulfkotte zu berichten weiß. Er tut es aus erster Hand, und er verpackt seine wirklich tiefgreifende Medienschelte in die Form einer Selbstbezichtigung: Er betont wiederholt, daß (und inwiefern) er über lange Jahre Teil jenes Zirkels gewesen sei, den man Medienmafia wird nennen dürfen – und daß er (der bei vielen Aufträgen immerhin sein Leben empfindlich aufs Spiel gesetzt hat) sich heute dafür schäme. Dieses Buch ist mitnichten eine Pauschalwatsche gegen die »Mainstreammedien«, sondern ein akribisch recherchierter, durch ausführliche Anmerkungen sowie ein Personenregister zusätzlich aufgewerteter Sündenkatalog aus der Feder eines Innenseiters.
Unter den fünf Kapiteln ist das erste (»Simulierte Pressefreiheit: Erlebnisse bei Verlagen«) das längste. Ulfkotte berichtet hier vor allem aus seiner Zeit bei der FAZ, wo er siebzehn Jahre als Redakteur im Ressort Außenpolitik angestellt war. Er (damals ein »eitler FAZke«) schildert, inwiefern Korrespondenten mit politischen Lobbyorganisationen verflochten sind, wie US-Fördergelder bereitstehen, um deutsche Mediennutzer im proamerikanischen Sinne zu beeinflussen, wie mit Mitarbeitern verfahren werden kann, die sich weigern, mit dem Bundesnachrichtendienst zusammenzuarbeiten, und wie das »anrüchige System« funktioniert, das hinter Journalistenpreisen steht. Keinesfalls handelt es sich hierbei um Verschwörungsprosa: Ulfkotte braucht keine obskuren Netzseiten zu zitieren, er nennt Roß und Reiter. Im zweiten, viel zu kurzen Kapitel widmet er sich anhand der beispielhaften Berichterstattung zu Thilo Sarrazin und zu der Arbeitsmarktöffnung für Rumänen und Bulgaren (»heute-journal«, jubelnd: dies seien »die Preußen des Balkans«) den Mechanismen der gleichgeschalteten Meinung. Für das Kapitel »Alpha-Journalisten auf Linie mit den Eliten« hat Ulkotte tabellarisch zusammengestellt, welche Vorschreiber mit welchen einflußreichen Organisationen (Bilderberg, Atlantik-Brücke, Atlantische Initiative, American Jewish Comittee) verbändelt waren oder sind.
Freilich erscheint nicht restlos alles, was hier als Skandal offenbart wird, als wirklich skandalträchtig oder offenbarungswürdig. Das ist deshalb schade, weil dadurch die Konturen jener Angelegenheiten verwischt werden, die als himmelschreiende Mißstände angesehen werden müssen. Bei den aufgezählten Missetaten eines Alexander von Schönburg etwa (der »Zigaretten schnorrte«, wiewohl er ein Buch übers Nichtrauchen geschrieben hat; der einmal Heiligabend mit dem 25. Dezember verwechselte und dem Ulfkotte vorwirft, er habe sich aufgrund seiner Adelskontakte »einkaufen« lassen) darf man vermuten, daß hier eine Privatfehde ausgetragen wird.
Auch daß die FAZ neue Bücher von FAZ-Redakteuren redaktionell erwähnt, wird man nicht als unredlich empfinden müssen; des weiteren bleibt Ulfkotte einen Nachweis schuldig, inwiefern Burschenschaften (Mitglieder beispielsweise: Markus Söder, Kai Diekmann, Rezzo Schlauch) als relevante Netzwerke tätig sind. Was schlägt der Autor vor? Organe der Desinformation kündigen, Staatsfernsehen (ARD und ZDF streichen jährlichen 7,5 Milliarden Zwangsgebühren ein!) abschalten, den verantwortlichen Herausgebern und Redakteuren die Gründe dafür schreiben. Vielleicht ist auch dies ein hoffnungsloses Unterfangen: Ulfkotte zitiert aus einer Schrift des Londoner Verteidigungsministeriums. Demnach sei es gut denkbar, daß man gar nicht mehr ausschalten könne. Prognostiziert wird – und zwar nicht vom Buchautor, sondern von den Mächtigen aus London! –, daß um das Jahr 2035 jedes Kind mit einem implantierten Chip versorgt sein werde.
Udo Ulfkotte: Gekaufte Journalisten. Wie Politiker, Geheimdienste und Hochfinanz Deutschlands Massenmedien lenken, Rottenburg: Kopp 2014. 336 S., 22.95 € – hier bestellen
Ein Fremder aus Elea
Prognostiziert wird – und zwar nicht vom Buchautor, sondern von den Mächtigen aus London! –, daß um das Jahr 2035 jedes Kind mit einem implantierten Chip versorgt sein werde.
Das ist erstens schick gruselig und zweitens linear fortschreitend gedacht.
Würde man es ernstnehmen, müßte man Fragen derart stellen, wie die Funktionsweise des menschlichen Nervensystems von derartigen Einrichtungen beeinträchtigt wird.
Wenn Sie so wollen, kann man dieses Phänomen "Offenbarungszynismus" nennen. Ist ziemlich weit verbreitet - aus verständlichen Gründen.