die Behauptung einer „eigenen Meinung“ erscheint hier mehr als Selbstkonzept. Vielleicht hält Lehming das für einen guten Kniff in Zeiten des Schrumpfens & Sterbens der Altmedien: Distinktionsgewinn durch Meinungsfreudigkeit, einerlei, wie durcheinander die Meinung von heute mit der von gestern geht.
Lehming ist als Krakeeler bekannt. Allein sein Twitter-Ausstoß erweist ihn als habituellen Adabei.
Vor vier Jahren hatte er in seinem Blatt ein knackiges Lob auf den vitalen Gewaltausländer geschrieben:
Sie sind jung, mutig, mobil, hungrig, risikobereit, initiativ. Solche Menschen braucht das Land. Natürlich ist es nicht schön, wenn Jugendliche – ob mit türkischem oder libanesischem Hintergrund – Banden bilden, Reviere verteidigen und mit Messern hantieren. Aber hinter der Kritik an ihrem Verhalten verbirgt sich oft bloß der Neid derer, die Vitalität als Bedrohung empfinden, weil sich die eigene Mobilität auf den Wechsel vom Einfamilienreihenhaus in die Seniorenresidenz beschränkt. Lieber ein paar junge, ausländische Intensivtäter als ein Heer von alten, intensiv passiven Eingeborenen.
Noch vor einem Monat zeigte er Verständnis, daß ein Türke im Gerichtssaal die Abhängung eines Kreuzes verlangte:
Muss man es einem Muslim als Dreistigkeit verübeln, wenn er es als bedrohlich empfindet?
Auch über PEGIDA hatte Lehming seine Meinungen wieder und wieder hinausposaunt:
Zu sehen, wie Kirchen in Deutschland mangels Nachfrage schließen, während Moscheen gebaut werden, erzeugt offenbar vor allem Neid bei denen, die nur ihren Nichtglauben haben.
Lehming bekennt sich nun in der aktuellen Tagesspiegel-Ausgabe freimütig dazu, vom Zeitgeist („nicht rasant, sondern rasend“: Hilfe!) ordentlich durcheinandergewirbelt zu werden. Er präsentiert seinen Lesern eine „kleine Auswahl“ von Fragen, die sich ihm stellen. Freilich sind es teils Fragen, auf die er früher selbst schon selbst marktschreierische Antworten gegeben hatte. Interessant (geradezu lobenswert) ist nun, daß Lehming nun abermals hinterfragt, zum Beispiel:
- Ist es nicht auch ein wenig seltsam, dass nach dem islamistischen Anschlag auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ der Kampf vor allem gegen die geführt wird, die auf Montagsdemos vor einer „Islamisierung des Abendlandes“ gewarnt haben?
- Ist es nicht auch ein wenig seltsam, wie Springer-Chef Mathias Döpfner mehr Mut von Journalisten zu fordern, wo doch die Entlassung des ehemaligen Stellvertretenden Chefredakteurs der „Bild am Sonntag“ (BamS), Nicolaus Fest, wegen eines islamkritischen Kommentars erst drei Monate her ist (offiziell muss es natürlich heißen: Nicolaus Fest gehe auf eigenen Wunsch, man habe sich im Guten getrennt, er bleibe dem Haus eng verbunden)?
- Ist es nicht auch ein wenig seltsam, muslimfeindliche Karikaturen vehement zu verteidigen, aber judenfeindliche Karikaturen, etwa in der arabischen Presse, zu verdammen?
- Ist es nicht auch ein wenig seltsam, das Zeigen islamkritischer Karikaturen nach einem Attentat auf eine islamkritische Zeitschrift für einen mutigen, freiheitlichen Akt zu halten, obwohl sicher keiner auf die Idee käme – zum Glück! -, nach einem Attentat auf eine rechtsradikale Zeitschrift rechtsradikale Parolen nachzudrucken?
Malte Lehmings gesamter Fragenkatalog ist hier nachzulesen.
michael nötting
sehr geehrte frau kositza,
ich lese ihre beiträge regelmäßig und vor allem sehr gerne.
nun habe ich ein verständnisproblem: was ist ein "fetzenschädel"?
natürlich habe ich dazu assoziationen - aber was meinen s i e
damit genau?
um aufklärung bittend
ihr m. nötting
Antwort Kositza:
Ist unser Wort für Leute, unter deren Schädeldecke es nicht geordnet, sondern ziemlich durcheinander zugeht.
Kommentar Lichtmesz: Kommt aus dem Wienerischen, bezeichnet einen Wirrkopf.