Die altehrwürdige Stadt – bereits 968 wurde hier das Erzbistum von Otto dem Großen gegründet – war im 17. Jahrhundert ein Vorort des Protestantismus und wurde 1630/1631 zerstört. 310 Jahre später flogen am 22. August 1940 erstmal alliierte Bomber Angriffe auf die Stadt. Das war indes nur ein Vorspiel.
Im Jahre 1944, als die deutsche Lufthoheit längst verloren gegangen war, intensivierten sich die Attacken. Ein schwerer Angriff ereignete sich am 5. August 1944, in dessen Zuge 683 Menschen starben und 13 000 obdachlos wurden. Bis Ende 1944 kam es zu weiteren Luftschlägen, 18 insgesamt, bei denen 1690 Menschen umkamen. Dies alles steht jedoch im Schatten des 16. Januars 1945. 371 Flieger der Royal Air Force starteten in Südengland, wechselten über dem Reichsgebiet mehrfach den Kurs und nahmen dann Magdeburg, das keine nennenswerte Luftabwehr mehr aufweisen konnte, ins Visier. Als gegen 21.30 Uhr die Luftschutzsirenen heulten, fielen bereits die ersten Bomben.
Magdeburg wurde mit Leuchtbomben erhellt, das Zielgebiet somit markiert. Auf diese erste Welle folgten Angriffe mit Luftminen, die durch ihre starke Sprengkraft beträchtliche Schäden anrichteten und zahlreiche Häuser ihrer Dächer entledigten. Dies schuf die Anknüpfungsfläche für die folgenden Wellen aus Stabbrand‑, Spreng- und Phosphorbomben. Zahlreiche Brandherde entstanden, ein Feuersturm entwickelte sich. Selbst der Asphalt auf den Straßen wurde flüssig und begann zu brennen. Die Feuer hörten erst mehrere Tage nach diesem 40minütigen Bombardement auf zu lodern.
90 Prozent der Innenstadt und 60 Prozent der gesamten Stadt wurden zerstört. Magdeburg rangiert damit im Zerstörungsgrad deutscher Großstädte im Luftkrieg weit oben. Etwa 4000 Menschen starben (nach Jörg Friedrich; andere gehen von 2 500 bis 16 000 aus), mehr als die Hälfte der Einwohner (190 000) verlor Haus und Heim. Auch der Dom blieb nicht, wie häufig kolportiert, verschont: es wurden in Westfront und Gewölbe 800 Quadratmeter Mauerwerk zerstört.
Literaturhinweise:
Günter Zemella: Warum mußten Deutschlands Städte sterben? Eine chronologische Dokumentation des Luftkrieges gegen Deutschland 1940–1945, 648 S., 24.90 € – hier bestellen
Jörg Friedrich: Brandstätten. Der Anblick des Bombenkriegs, 240 S., 25 € – hier bestellen
Benedikt Kaiser: „Die letzten Tage der Zerstörung – Bombenkrieg 1944/45“, in: Sezession 63, Dezember 2014, S. 30–35 – hier bestellen
Nemo Obligatur
Oberflächlich betrachtet könnte man meinen, dieser Artikel fällt aus dem Rahmen der SiN, der zuletzt vor allem durch das Für und Wider von Pegida, dem Islamismus und den damit zusammenhängenden Fragen gesetzt war. Ich bin indes davon überzeugt, dass es eine feste Verbindung zwischen dem Verlust unserer alten Städte und der Verschleuderung unseres Identitätskerns gibt. Wer ab und zu das Glück hat, in einem historischen Stadtzentrum (zu Fuß) oder vielleicht sogar in einer komplett erhaltenen mittelalterlichen Stadt umherstreifen zu können, der wird wissen, wovon ich rede. Der Verlust wird noch schmerzlicher, wenn man alte Stadtansichten betrachtet, einerlei ob frühe Fotografien oder Stiche etc. Jedesmal, wenn ich so ein Bild sehe, wünsche ich mich unwillkürlich in die Szenerie hinein. Der europäische Mensch ist vor allem ein Stadtmensch, wenn auch nicht unbedingt ein Großstadtmensch. Und mit Stadt ist keine bloße Ansammlung von Beton- und Glasbauten gemeint.