findet im Umfeld der vielen verschiedenen Abendspaziergangsveranstaltungen dieser Wochen und Monate in ganz Deutschland eine scheinbare Verschiebung der Machtverhältnisse statt:
Während die bislang noch nicht ein einziges Mal durch organisierte Gewalt in massierter Form aufgefallenen, gesittet und den Auflagen gegenüber folgsam auftretenden Spaziergänger (bzw. bisweilen ‑steher) von den jeweiligen Behörden gegängelt werden, läßt man die andere Feldpostnummer ihre gewohnte Derwischnummer abziehen und geruht nur bei gröbsten Ausfällen, einzugreifen. Daß dahinter System steckt, ist klar, aber in der Vergangenheit selten so offen zutage getreten.
Neben den allfälligen Körperlichkeiten, die vor allem den Abzug der Teilnehmer von PEGIDA und Ablegern nach Ende der Veranstaltungen anbetrafen und ‑treffen, sind es vor allem drei Angriffsformen, die offenlegen, daß es sich bei der Gegenseite nicht etwa um “Chaoten”, sondern bestens organisierte und planmäßig vorgehende Akteure gegenüber einem ostentativ wegschauenden staatlichen Pappkameraden handelt:
- der Einsatz von Kleingruppen, die – entsprechend durchorganisiert und einander per Twitter oder SMS auf dem Laufenden haltend – in Nebengassen und an Ablaufwegen auf Menschenjagd gehen. Derartige Greifkommandos kennt man bereits etwa aus dem einschlägig bekannten Göttingen; daß sie nun auch in größerem Stil und in der Menge deutlich stärker gegen größere Menschenansammlungen eingesetzt werden, ohne daß ihnen im Falle des Widerstands oder herannahender Polizei ein Rückzugsort in nächster Nähe (etwa eines der unvermeidlichen “Autonomen Jugendzentren”) zur Verfügung steht, stellt eine neue Dimension der Planmäßigkeit, aber auch der Unverfrorenheit linker Gesinnungskapos dar. Sowohl in Leipzig, als auch in Hannover, wo diese Jagdeinheiten meines Wissens im PEGIDA-Umfeld erstmals massiv aufgetreten sind, scheint auch jenseits der von ihnen dominierten Stadtbezirke ein wohlbegründeter Mangel an Respekt oder Furcht vor der eigentlichen Ordnungsmacht zu herrschen.
- Die gezielte Sabotage des öffentlichen Personenverkehrs. Während man sich beim ersten Antiislamisierungskongreß in Köln noch damit behalf, die Bahngleise durch menschliche Hindernisse zu versperren, wurde in Leipzig nun schon zweimal planmäßig und sehr effizient der Zugverkehr durch Brandsätze unterbrochen – unter mindestens achselzuckender Inkaufnahme von Toten und Verletzten. Letzteres stellt wahrlich keine Neuerung dar; den völligen Empathiemangel der Bestmenschen unter der wehenden Regenbogenfahne gegenüber dem Fascho-Ungeziefer auf der anderen Seite kennt man ja zur Genüge. Nicht zuletzt in Köln, so wurde mir zumindest privat berichtet, hagelte es unlängst ganze Backsteine auf die wenigen KöGIDA-Teilnehmer, sodaß dort aufgrund der Gefahr für Leib und Leben die Protestveranstaltung abgebrochen wurde und voraussichtlich auch nicht mehr wieder aufgenommen werden wird. In den Medien las man davon erwartungsgemäß keine Zeile, sondern lediglich Hohn über die vorzeitig abziehenden Protestler. Hinsichtlich der hiesigen Karte sind demgemäß Augenzeugenberichte willkommen.
- das schamlose Kokettieren offiziöser Stellen mit der eigenen, scheinbaren “Machtlosigkeit”. In seiner Deutlichkeit ist der offizielle Auflagenbescheid der Stadt Leipzig an die LEGIDA-Organisatoren mehr als bezeichnend: Anstatt die bestehende und gewiß nicht realitätsferne Gefährdungsprognose aber zur Grundlage einer klaren, öffentlichen Auseinandersetzung mit den “gewaltbereite[n] bzw. gewaltgeneigte[n] Personen aus dem linksextremistischen, autonomen Spektrum” zu machen, befleißigte man sich der Einhegung der friedlichen LEGIDA-Kundgebung unter Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit – und das trotz vorangemeldeter Parallelveranstaltungen, die (in einer pfiffigen Umkehrung des normalerweise vom legalistischen Teil der Gegenseite genutzten modus operandi) dazu dienen sollten, das direkte Umfeld des Treffpunktes störungs- und bedrohungsfrei zu halten. Viel weiter kann man behördlicherseits wirklich nicht mehr gehen; übrig bleibt höchstens noch, den polizeilichen Sicherungskräften im Rahmen der sogenannten “Deeskalation” das Eingreifen bei Ausschreitungen direkt zu untersagen. Die teils drastischen Konsequenzen solcher Dienstanweisungen konnte der Autor dieser Zeilen im Rahmen des WKR-Balls 2012 mitverfolgen, und es steht zu hoffen, daß dem Bürgerprotest in Deutschland dergleichen erspart bleiben wird.
Daß dessenungeachtet vom bisherigen Kurs der friedfertigen und gesitteten Kundgebungen nicht abzurücken ist, versteht sich unter dem von Kubitschek am vergangenen Freitag verdeutlichten Paradigma der Selbstvergewisserung von selbst. Auch unter vordergründiger Wahrung der entsprechenden Gesetze sind noch viele Unverschämtheiten von offiziöser und “autonomer” Seite möglich; was dort noch alles geschehen mag, werden die nächsten Wochen zeigen.
Dazu könnte auch die Fragmentierung des ursprünglichen Pionier-Organisationsteams der Dresdner PEGIDA gehören: Wie genau die bislang erfolgreichste Protestbewegung dieser Art innenpolitisch eingebunden worden ist, wird in allernächster Zeit die Formierung der von Kathrin Oertel projektierten, wohl groteskerweise ausgerechnet an der CDU orientierten Alternativbewegung zeigen. Hinsichtlich dieser Spaltungstendenzen, wie auch der mehrfachen Veranstaltungsausfälle und der medialen Jubelstürme angesichts des organisatorischen Auseinanderbrechens, die sicher auch auf die Teilnehmerzahlen anderer lokaler ‘Abendspaziergänge’ eingewirkt haben und einwirken werden, ist die Zukunft der Veranstaltungen mindestens in Dresden derzeit unsicher.
Dafür treten andere Städte vermehrt in den Fokus. Leipzig steht hier vorerst ganz oben; insbesondere aufgrund der im Hintergrund tobenden Schlacht um das Fortbestehen des Status als “rote Hochburg”. Die Teilnehmerzahlen der ersten beiden LEGIDA-Züge dürften das städtische Establishment in helle Aufregung versetzt haben, und hierin liegt auch die Begründung für die vermehrte behördliche Gängelung ebenso wie für die geduldete Anomie der Connewitzer Sturmscharen (von den üblichen, oft mit öffentlichen Geldern herangekarrten Demotouristen einmal abgesehen).
Sehr interessant wird am 2. Februar auch die erste Veranstaltung des PEGIDA-Ablegers in Wien werden; nur weniger Tage nach dem großen Polizeiaufgebot anläßlich des Akademikerballs in der Hofburg steht der Stadt damit abermals ein großes Konfliktpotential ins Haus. Wie sie damit umgehen wird, bleibt spannend. Ebenfalls am heutigen Montag soll auch in Frankfurt wieder demonstriert werden – ob das Demonstrationsrecht der Teilnehmer diesmal gewahrt bleibt oder sie sich abermals in einem “Schutzkessel” der Polizei mit allerlei Gegenständen werden bewerfen lassen müssen, ist noch nicht abzusehen.
Die bislang sehr erfolgreichen PEGIDA-Ableger in Magdeburg und Suhl stehen ebenfalls mit neuen ‘Abendspaziergängen’ in den Startlöchern.
Ungeachtet, wie es mit der “Bewegung” oder vielmehr dem Bündel an Einzelbewegungen, die wir in den letzten Monaten unter dem Schlagwort PEGIDA die Bundesrepublik in ihrem Konformismus-Konsumismus-Konsens haben in Atem halten sehen:
In der Tat, das Wichtigste und am Ende Bleibende dürfte wohl sein, daß sich unverhofft und in einem unvorhersehbaren Ausmaß die Gesamtunzufriedenheit mit den scheinbar geronnenen und erstarrten Verhältnissen in Deutschland offenbart haben. Daß ein bemerkenswerter Teil des deutschen Volkes die Positionierung dieses Volkes als politischem Körper – einige Stockwerke unter der lenkenden politischen Klasse und geistig umhergetrieben von den medialen Hirtenhunden – als nicht hinnehmbar angeprangert und abgelehnt haben.
Und in der Reaktion auf dieses alles andere als “diffuse” Unwohlsein ihres eigenen Volkes, das sie selbst längst nicht mehr wahrnehmen oder dessen Nutznießer sie gar sind, hat eine große Zahl an politischen, intellektuellen und sonstigen Meinungsmachern dieses Landes klar und mit dem arroganten Stolz des erfolgreich Angepaßten offenbart, “welchen Rattenfängern” (danke nochmal dafür, Frau Kraft) das beifallheischende Gehampel für irgendeinen möglichst drastisch klingenden Popanz die willkommene Gelegenheit zur Selbstverwirklichung bietet.
Die realen Biedermänner, die die Brandstifter ins Haus (das nicht einmal ihres ist!) lassen, können noch so oft deklamieren, daß die real existierende Gewalt im Schlepptau ihrer “breiten Bündnisse” ja im Prinzip nur den Organisatoren der PEGIDA-et al.-Protestzüge (die quasi anerkanntermaßen “ausländerfeindlich, rassistisch, gewalttätig und staatsfeindlich” seien!) gelte, wie es die Leipziger SPD ziemlich offen getan hat.
Getroffene sind gleichwohl einfache Bürger und insbesondere Polizisten, die ihren Befehlen folgen. Nachdem so viele Wochen die Gegendemonstranten viele Male in diversen Städten ihre auf “ziviler Ungehorsam” geschminkte Haßfratze gezeigt haben, rede sich kein etablierter Anstifter oder Anheizer noch darauf hinaus, daß man solcherlei Ausschreitungen ja nicht habe voraussehen können und sie keinesfalls beabsichtigt (gewesen) seien.
Die Ereignisse rund um die aktuelleren Bürgerproteste zeigen ganz offen den Charakter einer längst unterschwellig bestehenden innerstaatlichen Feinderklärung, in der die Linksextremisten nicht viel mehr als Reisige sind: Während sich die Bevölkerung untereinander die Schädel einschlägt (bzw. dies ziemlich ausnahmslos in eine Richtung passiert), geht das Ränkeschmieden anderswo ungestört weiter.
Und so behält denn selbst ein alter Kommunist wie Pasolini in seiner Beschreibung derartiger, ach so mutiger Kämpfer für die wohlgewählte Seite in der Machtposition recht; seine absichtsvoll proletarische 1965er-Wortwahl ist besonders hinsichtlich des Gehabes unserer Leidmedien heute noch nachvollziehbar.
Es fiel mir nicht schwer zu bemerken, daß all jene Leute in Wirklichkeit auf den Straßen ihrer Welt aus Angestellten, Freiberuflichen, Arbeitern, politischen Parasiten, kleinen Intellektuellen – daß sie in Wirklichkeit wie Irre hinter einer Fahne herrannten. […] Es handelte sich in Wirklichkeit um einen Fetzen, der borniert im Wind flatterte und sich einrollte. Doch wie alle Fahnen hatte er, in seiner Mitte, verblaßt, ein Symbol aufgezeichnet. Ich sah genauer hin und gewahrte ohne Zögern, daß jenes Symbol nichts weiter war als ein Scheißhaufen.
Matthew Hern
"Daß ein bemerkenswerter Teil des deutschen Volkes die Positionierung dieses Volkes als politischem Körper – einige Stockwerke unter der lenkenden politischen Klasse und geistig umhergetrieben von den medialen Hirtenhunden – als nicht hinnehmbar angeprangert und abgelehnt haben."
Das haben Sie schön gesagt! Das Zitat von Pasolini trifft es ebenfalls perfekt.