Lenore Kühn wurde in Riga geboren. Sie stammt aus dem baltischen Deutschtum und hier aus dem Literatenstand, also der Schicht von Akademikern, die im Russischen Reich zwar nur selten direkten politischen Einfluß ausüben konnte, aber vor allem durch die evangelischen Pfarrer prägend auf die lettische und estnische Bevölkerung einwirkte. Zu ihren Vorfahren zählten mit der Patrizierfamilie Schwartz auch die Großkaufleute, die durch Selbstverwaltung die großen Städte regierten. Lenore Kühn war sich dieser elitären Herkunft bewußt.
Ihre Kindheit überschatteten die Folgen der Russifizierungspolitik in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, die die führende Rolle der deutschen Sprache und Bildung in den Schulen, in der Universität Dorpat (jetzt Tartu) und in der Verwaltung zugunsten des Russischen aufheben sollte, obwohl es in diesen früher auch offiziell so genannten „Deutschen Provinzen” des Russischen Reiches nur wenige Russen gab. Lenores dezidiertes Nationalgefühl, das in früheren Generationen unter den baltischen Deutschen durchaus nicht selbstverständlich war, hatte seine Ursache in diesen Erfahrungen ihrer Jugend. Im Ersten Weltkrieg schon in Deutschland lebend, gehörte sie wie ihr Bruder Alfred Kühn, der als Journalist in Riga geblieben war, zu den Vertretern des baltischen Deutschtums, die für einen Anschluß des Baltikums an das Deutsche Reich eintraten. Die Erfahrungen der Familie mit dem bolschewistischen Terror im Baltikum im Jahre 1919 bestärkten noch zusätzlich ihre antikommunistische Einstellung.
Lenore Kühns Mutter Elly geborene Guleke hatte nicht nur einen starken Charakter, sondern war auch eine hervorragend ausgebildete Pianistin, die unter anderem bei Hans von Bülow in Frankfurt am Main studiert hatte. Sie war wegen eines gesundheitlichen Zusammenbruchs ihres Mannes faktisch die Ernährerin der Familie und wußte daher den Wert einer beruflichen Ausbildung auch für ihre Töchter zu schätzen. Dafür kam normalerweise nur die Gouvernanten-Ausbildung in Betracht oder – wie im Falle Lenores, deren musikalische Begabung die Mutter erkannte – ebenfalls die pianistische Karriere, die notfalls von einer Tätigkeit als Klavierlehrerin gestützt werden konnte. So studierte Lenore nach der Ausbildung durch die Mutter ab 1896 erst in Berlin an der Königlichen Hochschule für Musik und dann am Konservatorium in Paris bei dem damals schon berühmten, wesentlich älteren französischen Pianisten Raoul Pugno. Der verheiratete Künstler wurde ihre große Liebe. Er hat sie protegiert, ihr zum Beispiel Aufnahmen für das automatische Welteke-Klavier „Mignon” ebenso ermöglicht wie ein Solo-Konzert in Paris im bekannten Konzertsaal Pleyel noch im Jahre 1906, als sie bereits in Freiburg bei dem Neo-Kantianer Heinrich Rickert Philosophie studierte und an ihrer Dissertation arbeitete.
Bereits während ihres Paris-Aufenthalts in den 1890er Jahren hatte Lenore Kühn an der Sorbonne philosophische Vorlesungen gehört. Schon vorher war sie auf Friedrich Nietzsche aufmerksam geworden, wahrscheinlich erstmalig durch einen Vortrag des protestantischen Theologen Professor Julius Kaftan in Berlin 1896, als der damals schon berühmte, aber geisteskranke Philosoph noch unter der Pflege seiner Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche seinem Ende in Weimar entgegendämmerte. Später wurde Friedrich Nietzsche der Fixpunkt im philosophischen Denken Lenore Kühns. Seinem Wirken widmete sie zahlreiche Publikationen, die unter anderem vor und während des Weltkriegs in der von ihrem ersten Ehemann Axel Ripke herausgegebenen Zeitschrift Der Panther oder später in der von Gertrud Bäumer herausgegebenen Zeitschrift Die Frau erschienen.
Durch diese Publikationen wurde Elisabeth Förster-Nietzsche auf die Bewunderin des Werks ihres Bruders aufmerksam. Die persönliche Bekanntschaft der beiden Frauen ist über zwanzig Jahre, von 1915 bis zum Tode Elisabeth Förster-Nietzsches im Jahre 1935, durch eine Fülle von Briefen und Postkarten im Nietzsche-Archiv in Weimar belegt. Frau Förster-Nietzsche hat Lenore Kühn, die als Freiberuflerin immer in Geldnöten war, auch materiell unterstützt. Diese revanchierte sich mit Literaturhinweisen und ‑exzerpten sowie Übersetzungen einschlägiger Aufsätze in ausländischen Zeitschriften. 1927 / 28 arbeitete Lenore Kühn einige Monate als wissenschaftliche Hilfskraft im Nietzsche-Archiv. Daß das gute Verhältnis zwischen den beiden Frauen noch kurz vor Elisabeth Förster-Nietzsches Tod faktisch zerstört wurde, ist aus den Verhältnissen im Dritten Reich zu erklären. Darauf ist noch zurückzukommen.
Der Einstieg in die politische Tagesarbeit, den Lenore Kühn ursprünglich sicher nicht angestrebt hatte, war eine Folge des von Deutschland verlorenen Krieges. Im Osten wie im Westen wurden Teile des Reichsgebietes von Feindmächten und anderen Nachbarn annektiert. Die praktisch rein deutsche Stadt Danzig wurde von Polen begehrt. In den Abstimmungskampf schaltete sich die Politikerin Käthe Schirmacher ein. Lenore Kühn verließ ihr Domizil in München und unterstützte sie vor Ort nach Kräften. Es nützte zwar alles nichts, denn Danzig wurde trotz eines Votums für Deutschland vom Reich abgetrennt und zu einer Freien Stadt erklärt. Die inzwischen gegründete DNVP hatte aber erkannt, daß sie sich den neuen Herausforderungen stellen mußte. Dazu gehörte auch der Kampf um Wählerinnen, die erstmals bei allgemeinen Wahlen stimmberechtigt waren. Die DNVP und ihre Vorläuferorganisationen hatten sich zwar nie als Vorkämpfer des Frauenwahlrechts profiliert. Jetzt suchte sie aber ihre Chance unter konservativen und vorwiegend evangelischen Frauen und baute den Reichsfrauenausschuß als wichtigen Teil des Parteiapparats aus. Mehrere Frauen, darunter auch Käthe Schirmacher, wurden aussichtsreich für die Weimarer Nationalversammlung und dann den Reichstag aufgestellt. Käthe Schirmacher dürfte auf Lenore Kühn hingewiesen haben, die nach Beendigung ihrer Aufgabe in Danzig im Juli 1919 hauptamtlich in die Dienste der Partei trat.
Neben den üblichen Aufgaben der Mitgliederbetreuung und Korrespondenz mit Interessentinnen übernahm sie hier im Herbst 1919 den Pressedienst Frauenkorrespondenz für nationale Zeitungen. 1921 folgte die Schriftleitung der Mitgliederzeitschrift Die Deutschnationale Frau. Damit war sie in eine Position gekommen, „ohne eigentlich politische Funktion … in den kommenden Jahren maßgeblich die Haltung der DNVP in der Frauenpolitik” (Süchting-Hänger) zu definieren. Neben Kuno Graf Westarp und Walther Graef gehörte sie 1920 zu den Redakteuren des Parteiprogramms.
Als berufstätige Frau ohne Kinder stellte sie dabei die Mitarbeit der Frau im öffentlichen Leben und in der Erwerbsarbeit besonders heraus. Ihr Textentwurf „Die deutsche Frau ist als Hüterin der sittlichen und religiösen Grundlagen des Familienlebens wie auch des Volkslebens beim Wiederaufbau unentbehrlich. Ihr steht die gleichberechtigte Mitarbeit am öffentlichen Leben zu. Die Rechte der Frau als verantwortliche Persönlichkeit in der Erziehung des künftigen Geschlechts und im Berufs- und Familienleben sind auszugestalten” wurde nach intensiver Diskussion mit Westarp um folgenden Satz ergänzt: „Die unersetzlichen Werte, die durch die Arbeit der Hausfrau und Mutter geschaffen werden, sind sozial und wirtschaftlich anzuerkennen.” Die Historikerin Andrea Süchting-Hänger bezeichnet es zu Recht als bemerkenswert, daß eine Frau an so maßgeblicher Stelle an dem Parteiprogramm der DNVP mitgearbeitet hat, was bisher in einschlägigen Arbeiten einfach übergangen worden sei. Ansonsten, was den Inhalt dieser Programmaussage anbelangt: Was hat sich eigentlich in den letzten hundert Jahren geändert? Dieser Teil der Frauen- und Familienpolitik beschäftigt uns noch heute.
1923 schied Lenore Kühn aus dem Arbeitsverhältnis mit der DNVP aus, wohl um ihre Unabhängigkeit zu retten und den unvermeidlichen Zwängen der Parteiarbeit zu entgehen. Immerhin war sie in den vergangenen fast fünf Jahren zu einer Autorität in der Frauenpolitik vor konservativem Hintergrund herangewachsen. Das sicherte ihr auch weiterhin als Publizistin Aufmerksamkeit und Einfluß. 1924 / 25 versuchte sie, zusammen mit Walther Schotte, durch Gründung der Zeitschrift Frau und Nation auch die verlegerische Unabhängigkeit zu erreichen. Die Finanzmittel stammten wohl aus der Umgebung des Juni-Klubs beziehungsweise Deutschen Herrenklubs, vielleicht auch vom Verleger Eugen Diederichs in Jena. Die Resonanz der Zeitschrift mit Niveau reichte aber nicht aus, um sie dauerhaft zu etablieren. Nach sechs Ausgaben wurde sie eingestellt.
Lenore Kühn bewahrte sich weiterhin ihre eigene Meinung, notfalls auch im Gegensatz zu ihrer Partei. So unterstützte sie die (zustimmende) Resolution deutscher Frauen, die Anfang 1932 der Abrüstungskonferenz in Genf übergeben werden sollte, nachdem die Welt-Petition mit einer Klausel versehen worden war, die die unbedingte Rechtsgleichheit zwischen den bereits abgerüsteten Nationen, also Deutschland, und den übrigen forderte, obwohl deutschnationale Medien die Zustimmung selbst mit dieser Klausel kritisiert hatten. Lenore Kühn stellte öffentlich klar: „Die Idee des Weltfriedens sogar verleugnen und die Anstrebung durch die Frauen für eine ‚ungeheuerliche Selbstüberschätzung der Frau‘ zu halten, heißt für mich allerdings den Geist einer ‚mütterlichen Weltkultur‘ verleugnen. … Daß Wehrhaftigkeit (als Gesinnung) und Friedhaftigkeit (als Grundhaltung) nicht vereinbar sein sollen, scheint mir das Mißverständnis einer völlig ermatteten Weltstimmung und eines überreizten Pessimismus zu sein …” Andererseits kritisierte sie die liberale Vorsitzende des Deutschen Staatsbürgerinnen-Verbands, Dorothee von Velsen, 1930 herb, die zum Beispiel den 30.000 Frauen, die 1929 bei der Reichtagswahl allein in Köln NSDAP gewählt hatten, die staatsbürgerliche Gesinnung abgesprochen hatte.
Lenore Kühn: „Das zeitweise Hintanstellen von Sonderinteressen [gemeint ist: der Frauen; D.K.] gegenüber dem nationalen Staatsinteresse ist … kein Zeichen der politischen Unreife, sondern der Reife, und ich möchte zum Beispiel ebenso wenig etwa meine Einstellung zur Deutschnationalen Volkspartei – wo die Frauen anfangs wirklich nicht auf Rosen gebettet waren, bis sie sich durch Arbeit eine geachtete Stellung errangen – einfach als ein feiges oder blödes Unterducken unter ‚männliche Machtpolitik‘ (immer noch lieber als unter männliche Ohnmachtpolitik) von solcher einseitigen Betrachterin gewertet wissen, sondern als die klare staatsbürgerliche Überzeugung: seht ihr in der Frauenfrage und mancher anderen Sonderfrage auch anders als ich, so ficht es mich nicht an, da ich wirklich das Wohl der Nation und nicht das ‚Frauenwohl‘ in erster Linie bei euch suche. … Vielleicht würden aber sogar jene 30.000 Frauen von Köln sich sehr gern auf eine Partei, welche die Belange der Frau weiter und gerechter faßt, gestützt haben, wenn sie nur in jenen Parteien eine ihrer Ansicht nach genügend kraftvolle Behauptung des nationalen Gedankens, nach innen wie nach außen, gesehen hätten …”
Dies führt uns zur Frage aller Fragen, zumindest aus heutiger Sicht: Wie hielt es Lenore Kühn mit den Juden? Kein Zweifel: In ihrer Tagespublizistik der zwanziger Jahre finden sich Formulierungen, die heute als eindeutig antisemitisch definiert sind. So sieht sie zwischen Juden und Deutschen eine grundlegende Gefühlsverschiedenheit in bezug auf nationales Ehrgefühl und den nationalen Gedanken. 1923 erklärt sie die Schließung der Grenzen gegen jüdische Einwanderer für eine selbstverständliche Notwehrmaßregel des deutschen Staates gegen drohende Überfremdung von Blut und Kultur des deutschen Volkes. Jüdische Journalisten, die 1926 die Politik der deutschen Regierung kritisierten, nannte sie „Schädlinge im deutschen Volkskörper” oder „parasitische Quälgeister”. Noch nach dem Kriege beanstandete sie, jüdische Regisseure seien im Kulturbereich völlig überrepräsentiert gewesen. Dennoch kann man Lenore Kühn wohl nicht als rassistisch bezeichnen. Mit assimilierten Juden, die sich als Bestandteil der deutschen (Kultur-) Nation betrachteten, hatte sie überhaupt keine Probleme. Dafür stehen drei Namen, deren Träger noch nach 1945 aus dem Exil enge Kontakte zu ihr unterhielten, wie sich aus zahlreichen Zeugnissen in ihrem Nachlaß im Bundesarchiv ergibt. Martha Kassel, eine spätere Berliner Ärztin, die vor 1933 zum (evangelischen) Christentum konvertierte, just als Lenore Kühn aus der Kirche austrat, war eine ihrer ältesten und sozusagen „dicken” Freundinnen; beide kannten sich seit der gemeinsamen Aufnahme ihrer Studien 1903 in Erlangen. Julius Bab, der bekannte Schriftsteller, Dramaturg und Theaterkritiker, legte großen Wert darauf, mit Lenore Kühn 1948, als er im Rahmen einer Vortragsreise durch das zerstörte Deutschland nach München kam, zusammenzutreffen. Und schließlich Fritz Wertheimer, Generalsekretär des Deutschen Auslandsinstituts in Stuttgart, der der unschuldige Anlaß dafür wurde, daß das jahrelang gute Verhältnis zwischen Elisabeth Förster-Nietzsche und Lenore Kühn 1934 zerbrach.
Das kam so: Fritz Wertheimer kannte Lenore Kühn ebenfalls seit gemeinsamen Studientagen in Freiburg. Sie blieben auch danach in Verbindung. Als Wertheimer die Leitung des Deutschen Auslandsinstituts übernahm, veröffentlichte Lenore Kühn mehrfach in dessen Zeitschrift Der Auslandsdeutsche, 1928 zum Beispiel einen Bericht über „Deutschtumsarbeit in Spanien”. Im Sommer 1933 wurde Wertheimer von den Nationalsozialisten entlassen. In ihrer spontanen Art überlegte Lenore Kühn, wie man ihm und seiner Familie helfen könne. Ihr fiel Elisabeth-Förster-Nietzsche ein, von der sie wußte, daß sie mit dem nunmehrigen Reichsinnenminister Wilhelm Frick seit dessen Zeit als Innen- und Volksbildungsminister in Thüringen ein freundschaftliches Verhältnis unterhielt. In mehreren Briefen versuchte Lenore Kühn die Schwester Nietzsches für das Schicksal Wertheimers zu interessieren, dessen erfolgreiche Arbeit in Stuttgart sie unterstrich. Sie bedrängte Frau Förster, anders kann man es nicht bezeichnen, bei Frick zugunsten von Wertheimer zu intervenieren. Deren unlustige und eigentlich ablehnende Haltung wollte sie nicht zur Kenntnis nehmen, bis Elisabeth Förster-Nietzsche ihr schließlich eine schroffe Absage erteilte, was die Kommunikation zwischen beiden Frauen endgültig beendete.
Lenore Kühn hatte in einer für sie nicht untypischen Naivität das grundsätzliche Element in der Entlassung Wertheimers verkannt. Sie betrachte ihren Studienfreund als einen guten Deutschen. Die ungerechte Behandlung seiner Person empörte sie. Deshalb sprang sie ihm bei. Das war für sie selbstverständlich. Ähnlich verhielt sie sich nach 1945 in einem ganz anders gelagerten Fall von Ungerechtigkeit, als nämlich die Witwe des Feldmarschalls Erich Ludendorff, Dr. Mathilde Ludendorff, in Bayern mit einem langwierigen Entnazifizierungsverfahren überzogen wurde, obwohl das Ehepaar und die von ihm geleitete Bewegung, der „Bund für Gotterkenntnis (L.)”, sich frühzeitig mit Adolf Hitler und dem Nationalsozialismus überworfen hatten. Auch in diesem Fall erhob Lenore Kühn ihre Stimme zugunsten der Unterlegenen.
Trotz ihrer deutschnationalen Einstellung fand Lenore Kühn im Dritten Reich vor allem wegen ihrer kämpferisch-frauenrechtlerischen Haltung kaum noch Publikationsmöglichkeiten.
Nachdem auch die nationale Frauenzeitschrift Die deutsche Kämpferin 1937 ihr Erscheinen einstellen mußte, blieb ihr nur noch die Zuarbeit für Artikeldienste wie dem des Korrespondenzverlages Seifert in Berlin, dem sie Reise- und Kultur-Artikel, Gedichte und Buchbesprechungen lieferte. Auch Gertrud Bäumer, die Die Frau noch bis 1944 herausbringen konnte, druckte ab und an Beiträge von ihr. Weltanschaulich engagierte sich Lenore Kühn in der „Deutschen Glaubensbewegung”, die 1933 von dem Indologen und Religionshistoriker Jakob Wilhelm Hauer gegründet worden war, aber weder Beifall noch gar Unterstützung der Nationalsozialisten fand. Für diese Organisation veröffentlichte Lenore Kühn-Frobenius, wie sie seit ihrer zweiten Ehe mit dem Maler Hermann Frobenius, einem Bruder des Afrikaforschers Leo Frobenius, hieß, in den dreißiger Jahren drei bessere Flugschriften – ihre einzigen selbständigen Publikationen im Dritten Reich. Eine andere in dieser Zeit entstandene völkerpsychologische Arbeit, Asien über Dir, konnte nicht erscheinen, weil zum Beispiel der Verlag Junker und Dünnhaupt die Zensur fürchtete. Dr. Paul Junker schrieb Lenore Kühn 1943: „Sie wissen ja selbst, was die Zensur verbieten würde. Es ist die allzu starke Parallele, die Sie zwischen dem Osten und uns in gewissen weltanschaulichen Erscheinungsformen ziehen.” Das Werk erschien nach dem Krieg im Verlag der Ludendorff-Bewegung. Auch ein anderes längst fertiges Buch, Das Individuum im Weltbild Goethes und Nietzsches, kam erst 1948 aus der Schublade.
Nachdem sich die Erforschung der Geschichte der Frauenbewegung in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts fast völlig auf deren linken Flügel und das liberale Bürgertum (natürlich auch auf die Rolle der Frau im Nationalsozialismus) konzentriert hat, haben einige jüngere Historikerinnen nun auch die deutschnationalen und konservativen Frauen als lohnendes Forschungsobjekt entdeckt. Was bislang noch auf sich warten läßt, ist die genauere Betrachtung speziell der Frauen, die zum Umfeld der „Konservativen Revolution” gerechnet werden können. Hier wie schon im politischen Bereich hat Lenore Kühn, ebenso wie ihre Mitstreiterinnen Pia Sophie Rogge-Börner, Gerda von Buttlar-Below, Beda Prilipp und andere, einen nicht unerheblichen Einfluß ausgeübt.