Eng verknüpft mit »Eurasien« als ideologischem Großraumkonzept, das sich gegen die Hegemonialmacht USA stellt, ist der Name Alexander Dugin. Häufig wird er als »Stichwortgeber« Wladimir Putins interpretiert. Der ehemalige Nationalbolschewist Dugin vereinigt in seinem Theoriegehäuse geopolitische, traditionale und russisch-mystische Elemente. Dimitrios Kisoudis untersucht nun diese eklektizistische Ideologie (Goldgrund Eurasien, hier bestellen), stellt sie kenntnisreich in den Kontext eurasischer Visionen, ist aber spürbar weniger von René Guénon, Karl Haushofer oder russischen Mystikern beeinflußt.
Der Anthropologe argumentiert im »Krieg der Ideen« (Kisoudis) vielmehr im libertären Sinne F. A. von Hayeks und Murray Rothbards. Mit den Ahnherren eines klassischen Marktliberalismus (Hayek) bzw. »Anarchokapitalismus« (Rothbard) will Kisoudis nachweisen, daß schon im Kalten Krieg nicht nur der Sowjetkommunismus, sondern auch der westliche »Kollektivismus mit demokratischem Anstrich« von authentischen Liberalen und Libertären scharf kritisiert worden ist. Die Sowjetunion ist verblichen, die Ost-West-Frontstellung hingegen nicht. In der Ukraine, ohne die Rußland kein eurasisches Reich mehr sei (so Großrusse Alexander Dugin und US-Falke Zbigniew Brzezinski übereinstimmend), werde dies besonders deutlich.
Ohnehin sei mit der Präsidentschaft Putins die Konfliktlinie wieder virulent geworden. Putin begann als Europäer, suchte Nähe und wandte sich – verärgert über EU-Arroganz und die Osterweiterung der NATO – vom Westen ab; er wurde zum Eurasier. Der russische Präsident förderte die Verquickung mit der traditionell staatstragenden orthodoxen Kirche (Moskau: das »Dritte Rom«). Während der Westen seine Traditionen auslösche, gestalte Rußland die seinigen neu. Kisoudis verhehlt nicht, daß seine Sympathie dem geopolitischen Antipoden der Vereinigten Staaten gilt, folgt aber nicht der eurasischen Feindschaft zum Liberalismus.
Die Österreichische Schule jedenfalls zähle nicht zu den postmodernen Auflösungsideologien, sondern zeige seit jeher ein Faible für Überlieferungen. Kisoudis läßt diesen Überlegungen eine idealtypische Liberalismus-Exegese folgen samt hinlänglich bekannter libertärer Kritik am Staatsgeld (»Geldsozialismus«), verknüpft mit einem Plädoyer für die Privatisierung des Währungswesens.
Derartiges hat freilich auch in Rußland keine Perspektive. Doch Kisoudis hält sich daran nicht auf, er schätzt das russische Steuersystem, ein gewisses ökonomisches Laisser-faire, allgemeiner: die russischen Freiheiten. Putins Staatskonzeption ist für ihn kein antiliberaler Entwurf, sondern »autoritärer Liberalismus«. Wirtschaft dürfe fast alles – nur nicht für den Gegner arbeiten. Das berge mehr Selbstbestimmungen für Unternehmer als der westliche Sozialdemokratismus. In dieser Lesart ist der neue Kalte Krieg der »heißkalte« Konflikt zwischen dem autoritär-liberalen Osten und dem postmodern-»geldsozialistischen« Westen. Die Vorzeichen haben sich also gewendet: Der Osten ist nicht mehr sozialistisch, der Westen nicht mehr liberal und marktwirtschaftlich.
Kisoudis ist in seinem geistreichen und sprachlich virtuosen Essay außerordentlich stark, wo er die Bereiche Politische Theologie und Geopolitik tangiert, in wirtschaftstheoretischer Sicht verliert er sich allzusehr in anarchokapitalistischer Ideologie, dabei werden die Ebenen der Betrachtung teils jäh gewechselt. Deutschland rät er zu einer Neujustierung der Außen- und Handelspolitik in Richtung China und Rußland. Dann folgt einer der gedanklichen Sprünge des Autors: Viele Probleme Deutschlands habe die »postmoderne Ideologie« amerikanischer Provenienz zu verantworten, aus der folge: »Deutschland ist bunt wie nie. Aber bunt sind auch die Zufallsgemälde des Schimpansen Congo.«
Dimitrios Kisoudis: Goldgrund Eurasien kann man hier bestellen
Gustav Grambauer
Was muß das für ein metapolitischer Geisterfahrer sein?!
Die Liberalen sind die allerübelsten Bevormunder: es merkt nur kaum jemand, weil der Gegenstand ihrer Pädagogisierung die "Selbstverantwortung" ist und weil das Mittel dazu ein inzidentes ist: der sogenannte "Markt"; außerdem, weil jedweder Anklang an "Opfer, Gemeinschaft, Allmende und Fürsorge" (Zitat Raskolnikow), den sie gezielt ausrotten wollen, ohnehin im Zeitalter des Hedonismus bei der tonangebenden urbanen Masse verhaßt ist.
Die Russen wissen ganz genau, daß sie die diesbezügliche Schocktherapie der 80er / 90er Jahre
https://de.wikipedia.org/wiki/Schocktherapie_(Wirtschaftspolitik)
maßgeblich der mafiosen Kungelei Gorbatschows mit Frau Thatcher zu verdanken haben, wo bei sich damals in Downing (sic!) Street Bolschewismus und Liberalismus zum Triumphzug des, wie ich ihn nenne, Liberalbolschewismus zusammengefunden haben.
Wenn Sie in Rußland heute die Namen Gorbatschow oder Thatcher auch nur in den Mund nehmen, warten anschließend ein paar Molodziji mit dem Knüppel am Hinterausgang, den Sie nehmen müssen auf Sie.
Dabei kann ich die Russen sehr gut verstehen. Wer noch keine Vorstellung davon hat, was der Liberalismus in Rußland angerichtet hat, der schaue diesen Film:
https://www.youtube.com/watch?v=GVunDtQJ6D4
Und man komme mir nicht mit einer Aufwärmung dieser Diskussion hier, bei der alles gesagt wurde was zu sagen war:
https://www.sezession.de/48912/erfurter-resolution-henkel-blaest-zur-jagd-der-rest-schweigt.html#comment-178237
- G. G.