Chronik des Bombenkriegs: 8. April 1945 – Der US-Luftangriff auf Halberstadt

Die traditionsreiche ehemalige Bischofsstadt Halberstadt im Vorland des Harzes...

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

zähl­te 1939 rund 50.000 Ein­woh­ner. Prä­gend für die Stadt, die heu­te zu Sach­sen-Anhalt gehört, war und ist – gemes­sen an ihrer Grö­ße – die Kir­chen­viel­falt und die von Fach­werk­häu­sern domi­nier­te Innen­stadt. 1935 erhielt das bür­ger­lich-beschau­li­che Hal­ber­stadt an sei­nem äußers­ten Stadt­rand ein klei­ne­res Zweig­werk der Des­sau­er Junkers-Flugzeugwerke.

Die­ses wur­de den Ein­woh­nern zum Ver­häng­nis, da es den west­al­li­ier­ten Bom­bern wie­der­holt als Ziel galt. Ein ers­ter Angriff erfolg­te im Janu­ar 1944 auf die weni­ge Mona­te spä­ter um tau­sen­de Flücht­lin­ge auf 65.000 Men­schen ange­schwol­le­ne Stadt. Der Haupt­an­griff (und zugleich der ins­ge­samt zehn­te Angriff auf Hal­ber­stadt über­haupt) fand jedoch am 7. und 8. April statt, als die Jun­kers-Wer­ke rüs­tungs­po­li­tisch kei­ne Rol­le mehr spielten.

Wenn­gleich der Ober­bür­ger­meis­ter Hal­ber­stadts eine Ver­tei­di­gung der Stadt auf­grund ihrer kul­tur­his­to­ri­schen Bedeu­tung ablehn­te, schoß am 7. April ein im Bahn­hof ste­hen­der Flak­zug auf die ers­ten anflie­gen­den US-Flug­zeu­ge. Die­se kon­zen­trier­ten ihre Angrif­fe dar­auf­hin auf die Glei­se und tra­fen einen Muni­ti­ons­zug (See­mi­nen), der explo­dier­te und einen Trich­ter von einem hal­ben Qua­drat­ki­lo­me­ter riß – ein Vor­spiel für den fol­gen­den Sonn­tag, den 8. April.

Vor­mit­tags flo­gen mehr als 200 Bom­ber der 8. US-Flot­te eine Angriffs­wel­le auf das nun unge­schütz­te Hal­ber­stadt, deren 550 Ton­nen Bom­ben­fracht zum Teil auch Zerbst und Staß­furt gel­ten soll­ten. Da ein Dop­pel­an­griff auf die bei­den Städ­te durch Sicht­ver­hält­nis­se erschwert wur­de, das ursprüng­lich bri­ti­sche Kon­zept des “Fächer” genann­ten Prä­zi­si­ons­bom­darde­ment aber kla­re Sicht vor­aus­setz­te, kon­zen­trier­ten sich alle Geschwa­der auf Halberstadt.Halberstadt April 1945

Das Resul­tat: Drei Vier­tel der Stadt wur­den ver­nich­tet, das Gros der Fach­werk­häu­ser zer­stört, und die “Men­schen­ver­lus­te […] lie­gen zwi­schen 1.800 und 3.000” (Jörg Fried­rich). Drei Tage spä­ter, als die Brän­de all­mäh­lich erlo­schen waren, mar­schier­te die US-Army durch eine Land­schaft aus Schutt und Asche, ohne frei­lich auf Wider­stand zu stoßen.

Die Zer­stö­rung Hal­ber­stadts hat der Stadt bis heu­te sicht­ba­re Wun­den zuge­fügt. In der DDR gab es auch ideo­lo­gisch bedingt kein Inter­es­se an der Sanie­rung und Wie­der­her­stel­lung der gesam­ten Fach­werk­pracht und dem­entspre­chend wur­de beim zöger­li­chen Wie­der­auf­bau nach dem Zwei­ten Welt­krieg auf “sozia­lis­ti­sche” Bau­wei­se gesetzt. Bis heu­te erin­nert zudem die Rui­ne der “Fran­zo­sen­kir­che” als Über­bleib­sel des 8. April 1945 an die Opfer von Krieg und Zerstörung.

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Björn Schu­ma­cher: Die Zer­stö­rung deut­scher Städ­te im Luft­krieg, 344 S., 24,90 € – hier bestel­len

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Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

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