Der Staat – das Ungeheuer

von Lutz Meyer

Unter deutschen Konservativen und Rechten besteht die Neigung,...

den Staat als Heil­mit­tel aller Pro­ble­me anzu­se­hen – wenn viel­leicht auch nicht den aktu­el­len bun­des­deut­schen Staat, so doch irgend­ein Staats­ide­al an sich.

Die­ses Ide­al ist ein Staat, der den Urzu­stand des Kamp­fes aller gegen aller been­det; ein Staat, der im Namen des Staats­vol­kes Recht spricht und Gerech­tig­keit wal­ten lässt; ein Staat, der sei­nen Unter­ta­nen Schutz vor inne­ren wie äuße­ren Fein­den zusi­chert; ein Staat, des­sen Reprä­sen­tan­ten von hoher mora­li­scher Inte­gri­tät sind und als Vor­bil­der tau­gen; ein Staat, der eine maß­vol­le Abga­ben- und eine ver­nunft­ge­lei­te­te Aus­ga­ben­po­li­tik betreibt; ein Staat, der durch Weis­heit, Weit­blick und Sach­ver­stand regiert wird.

Man muß nicht lan­ge nach­den­ken, um zu erken­nen, daß sich der Staat unse­rer Tage von alle­dem recht weit ent­fernt hat und des­halb eher unse­re Ver­ach­tung als Ach­tung, eher Abkehr als Zunei­gung, eher Hohn als Respekt, eher Wider­stand als Opfer­be­reit­schaft ver­dient. Zu die­sem The­ma ist hier bereits viel Klu­ges gesagt wor­den – die Fra­ge, die mich umtreibt, ist denn auch eine andere:

Ist nicht der Staats­ge­dan­ke als sol­cher der gro­ße Irr­tum, von dem wir uns zual­ler­erst kurie­ren müss­ten? Ist nicht der Glau­be an Hei­lung durch Par­tei­en, an Ein­fluß­nah­me auf staat­li­che Insti­tu­tio­nen und das „Sys­tem“ ein Irr­weg – ja, DER Irr­weg schlecht­hin? Ist es wirk­lich klug, die Macht im Staat anzustreben?

Fried­rich Nietz­sche mach­te eini­ge Jah­re nach der Reichs­grün­dung von 1871 den Staat als das „käl­tes­te aller Unge­heu­er“ aus: „Kalt lügt es auch; und die­se Lüge kriecht aus sei­nem Mun­de: ‚Ich, der Staat, bin das Volk.’“ Der Staat, so Nietz­sche, „lügt in allen Zun­gen des Guten und Bösen; und was er auch redet, er lügt – und was er auch hat, gestoh­len hat er’s. / Falsch ist Alles an ihm; mit gestoh­le­nen Zäh­nen beisst er, der Bis­si­ge. Falsch sind selbst sei­ne Ein­ge­wei­de. / Sprach­ver­wir­rung des Guten und Bösen: die­se Zei­chen gebe ich euch als Zei­chen des Staa­tes. Wahr­lich, den Wil­len zum Tode bedeu­tet die­ses Zei­chen!“ Ange­sichts heu­ti­ger Zustän­de klin­gen Nietz­sches Wor­te erstaun­lich hell­sich­tig und ziem­lich zeitgemäß.

Nietz­sche mein­te aber gar nicht den heu­ti­gen Staat, die­se unwür­di­ge und vor allem in ihren Ritua­len und Sym­bo­len stets auch etwas unfrei­wil­lig-komisch wir­ken­de Schuld- und Schul­den­ko­lo­nie. Nietz­sche mein­te das bis­marck­sche Reich, er mein­te das wil­hel­mi­ni­sche, durch Preu­ßen gepräg­te Kai­ser­reich, sei­ne Groß­manns­sucht. Er mein­te die gute alte Zeit, von der nicht weni­ge Kon­ser­va­ti­ve heu­te noch als Ide­al­zu­stand träu­men. Und wie mein­te er das?

Er sagt es am Schluss des mit „Vom neu­en Göt­zen“ über­schrie­be­nen Kapi­tels aus dem 1. Buch des Zara­thus­tra: „Dort, wo der Staat auf­hört, da beginnt erst der Mensch, der Mensch, der nicht über­flüs­sig ist: da beginnt das Lied des Not­hwen­di­gen, die ein­ma­li­ge und uner­setz­li­che Wei­se.“ Dort, wo der Staat auf­hört, müs­sen wir hin. Gemeint ist nicht irgend­ein kon­kre­ter Staat, son­dern der Staat schlecht­hin. Denn der Staat ist es, der den Men­schen am voll­gül­ti­gen Mensch­sein hindert.

Also: Vor­sicht vor dem Staat, am bes­ten ganz weg mit ihm? Ist die „Staats­bür­ger­schaft“ bei rech­tem Lich­te betrach­tet denn etwas ande­res als ein Brand­zei­chen, wie recht­lo­se Skla­ven es zu allen Zei­chen tra­gen muss­ten? Gesetzt, es wäre so – führt die Abkehr vom Staat nicht mit­ten hin­ein in die Anar­chie? Und ist Anar­chie für kon­ser­va­ti­ve Gemü­ter nicht die übels­te aller Horrorvorstellungen?

Viel­leicht müs­sen wir die Scheu vor dem „Cha­os“, der „Herr­schafts­lo­sig­keit“ able­gen. Wir reden damit kei­nes­wegs dem Bom­ben wer­fen­den Anar­chis­ten (Erich Müh­sam: „War einst ein Anar­chis­te­rich, der hatt’ den Atten­tat­te­rich. Er schmiss mit Bom­ben um sich rum; es knall­te nur so: bum bum bum“) das Wort. Es geht viel­mehr dar­um, den Glau­ben wie­der­zu­fin­den an die Kräf­te des Lebens zur Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on und Neu­schöp­fung, den Glau­ben an das krea­ti­ve (also schöp­fe­ri­sche) Chaos.

Es geht um das „Not­hwen­di­ge“. Es geht dar­um, zu erken­nen, daß wir kei­nen (weder die­sen noch einen ande­ren) Staat brau­chen, der uns vor­schreibt, wie wir zu leben und was wir zu den­ken haben. Es geht dar­um, den Staat durch uns selbst über­flüs­sig zu machen (ich bit­te zu beach­ten, daß dar­in eine gewis­se ethi­sche Her­aus­for­de­rung liegt, fast schon im Sin­ne des kate­go­ri­schen Impe­ra­tivs Kants). Und da der aktu­el­le Staat mit sei­nen Orga­ni­sa­tio­nen uns ten­den­zi­ell eher am Leben hin­dert als uns die­ses zu erleich­tern, soll­te uns der Abschied leicht fallen.

Was haben wir denn – von mate­ri­el­len Din­gen viel­leicht abge­se­hen – noch zu ver­lie­ren? Wir glei­chen in man­cher Hin­sicht doch längst schon Schiff­brü­chi­gen, deren not­dürf­tig zusam­men­ge­zim­mer­tes Floß mit jedem Wel­len­schlag klei­ner, unsi­che­rer und gefähr­de­ter wird. Ver­su­chen wir doch bes­ser gar nicht erst, an die Gesta­de der Zivi­li­sa­ti­on heim­zu­keh­ren, hal­ten wir lie­ber Aus­schau nach der klei­nen unbe­wohn­ten Insel, um dort von Grund auf neu zu begin­nen (meta­pho­risch gemeint, geo­gra­phisch gibt es kei­ne sol­chen Inseln mehr).

Wie der Abschied vom Staat, wie der Neu­an­fang ohne ihn zu gestal­ten ist? Die für den Abschied zu Gebo­te ste­hen­den Mit­tel sind viel­fäl­tig, haben jedoch einen kleins­ten gemein­sa­men Nen­ner: Ver­wei­ge­rung. Boy­kott. Schluss machen. Wir kön­nen Wah­len ver­wei­gern oder mit ihnen spie­len; wir kön­nen kon­se­quent den Kon­sens auf­kün­di­gen. Wir kön­nen mög­lichst vie­le Kon­sum­an­ge­bo­te ableh­nen (Steu­er­ein­bu­ßen!), Medi­en boy­kot­tie­ren, wir kön­nen aus­schal­ten und weg­hö­ren. Wir kön­nen den Staat, sei­ne Insti­tu­tio­nen und Ver­tre­ter dem Gespött preisgeben.

Wir kön­nen in unse­ren Köp­fen die Spreu vom Wei­zen tren­nen. Wir kön­nen auf­hö­ren, Angst um unse­re Besitz­stän­de zu haben. Wir kön­nen ver­su­chen, mög­lichst aut­ark zu leben (das Modell des Hen­ry David Tho­reau lie­ße sich sicher opti­mie­ren). Wir kön­nen jeg­li­che Iden­ti­fi­ka­ti­on mit die­sem Staat und sei­nen Zie­len ver­wei­gern. War­um soll­ten wir erhal­ten wol­len, was uns abschaf­fen will? Kom­me mir jetzt bit­te kei­ner mit dem Argu­ment, das alles sei­en ursprüng­lich Ideen der Lin­ken. Ers­tens ist das falsch (Lin­ke ohne Herr­schafts­an­spruch sind undenk­bar). Zwei­tens sind bei der Beur­tei­lung von Ideen allein Eig­nung und Wir­kungs­macht entscheidend.

Doch neben die­sen negie­ren­den Maß­nah­men der Ver­wei­ge­rung, der Abkehr, sind vor allem Grün­dun­gen – also Schaf­fung lebens­fä­hi­ger Grund­la­gen! – wich­tig: Fami­lie grün­den und für deren Zusam­men­halt sor­gen; auch außer­halb der Fami­lie den Zusam­men­schluss mit Men­schen suchen, die ähn­lich füh­len und den­ken, also Lebens­ge­mein­schaf­ten bil­den; Unter­neh­mun­gen und Wirt­schafts­kreis­läu­fe im Klei­nen grün­den, die unab­hän­gig von staat­li­cher Mit­tel­ver­ga­be sind; sozia­le Unter­stüt­zungs­ge­mein­schaf­ten in Rich­tung „Hil­fe auf Gegen­sei­tig­keit“ grün­den – kurz­um: in jeder Hin­sicht eigen­in­itia­tiv und eigen­ver­ant­wort­lich han­deln und sich von staat­li­chen Lock- und Kne­be­l­an­ge­bo­ten frei machen. Klingt anstren­gend? Eine Zumu­tung? Ja, genau so ist es auch gemeint. Doch es wäre vor­bild­lich und im bes­ten Sin­ne des Wor­tes virulent.

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Kommentare (42)

Clairvoyance

26. April 2015 11:22

Nietzsche sagte in »Also sprach Zarathustra« (1883/85): »Der Staat ist das kälteste aller kalten Ungeheuer. Kalt lügt es auch; und diese Lüge kriecht aus seinem Munde : ›Ich, der Staat, bin das Volk.‹« Die — noch viel längere — Textpassage gehört zum Eindrucksvollsten, was in deutscher Sprache gelesen werden kann. Nietzsche findet Worte dafür, wie die Verkörperung von Geist, von Eigensinn, von Rasse sich in den Dingen zeigt, die nicht Staat sind. Die der Staat dann aber ausbeutet, dementiert, vergiftet und vertilgt.

Staaten sind Menschenfarmen! Anthropologisch waren Staaten seit je die nachträgliche Rechtfertigung für das Besitzen von Menschen. Warum gehen Russen tief in Birkenwälder? Warum siedeln Friesen auf flutumtosten Wurten? Weil in ihnen keine Sklavenseele wohnt. Der Sklavenseele, die der Agrarfeudalismus planvoll gezüchtet hat (am scheußlichsten vielleicht in China), gehört die Zukunft dieses Planeten. Freie Menschen sind stets unerwünscht. Deshalb wird es ganz sicher das Bargeldverbot geben, alle werden sich »freiwillig« chippen lassen. Und deshalb wird TTiP unsere Rechtsordnung vollständig wegfegen, deshalb auch wird der NWO-Totalitarismus eingeführt werden. Das alles ist unabänderlich.

Bis es aber soweit ist, können wir noch Bücher lesen: Liebe Sezession! Macht doch bitte, bitte viel mehr Friedrich Nietzsche! Und macht bitte endlich mal Klartext in Sachen NWO-Verbrecherherrschaft!

Patricius

26. April 2015 11:58

"Es geht vielmehr darum, den Glauben wiederzufinden an die Kräfte des Lebens zur Selbstorganisation und Neuschöpfung ..."

läuft dies nicht gleichwohl auf ein wie auch immer geartetes staatsähnliches Gebilde hinaus !?

"ich bitte zu beachten, daß darin eine gewisse ethische Herausforderung liegt"

Das ist nett ausgedrückt...

an Clairvoyance: wären Sie willens und in der Lage, das Leben eines freien Friesen des Altertums zu führen? Wäre es die Mehrheit der Menschen unseres Volkes. Autarkes Leben, ohne jede Hilfestellung der staatlich organisierten Zivilisation? Artamanen-Romantik: ist mir nicht unsymphatisch, aber nun ja...

Ansätzen wie dem im Artikel beschriebenen begegnet man ja immer mal wieder im Lager der nichtlinken Nonkonformisten. Ich kann mir nicht helfen, aber trotz aller Beschwichtigungen und Gegenargumentationen bleibt für mich ein deutlicher Mangel an Geschichtsbewusstsein und anthropologischem Realismus offenkundig.

Und zu Nietzsche:

Die Krähen schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein, -
Wohl dem, der jetzt noch - Heimat hat!

Nun stehst du starr,
Schaust rückwärts, ach! wie lange schon!
Was bist du Narr
Vor Winters in die Welt entflohn?

Die Welt - ein Tor
Zu tausend Wüsten stumm und kalt!
Wer das verlor,
Was du verlorst, macht nirgends Halt.

Nun stehst du bleich,
Zur Winter-Wanderschaft verflucht,
Dem Rauche gleich,
Der stets nach kältern Himmeln sucht.

Flieg, Vogel, schnarr
Dein Lied im Wüstenvogel-Ton! -
Versteck, du Narr,
Dein blutend Herz in Eis und Hohn!

Die Krähen schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein, -
Weh dem, der keine Heimat hat!

Curth Sachs

26. April 2015 12:17

Nein, Nietzsche meint nicht das bismarcksche Reich, sondern "den" Staat an sich (damit natürlich auch das Bismarckreich. Im Wesentlichen schreibt er hier aber lediglich halbverstandene Bröckchen aus Stirners Einzigem aus.

Alexander

26. April 2015 12:24

Die Lehre des Schmieds

Freie Menschen sollen wir sein,
In unsern Wäldern hausend allein?
Keinem beugen Haupt noch Knie,
Leben in reinster Harmonie?

Doch wird nicht das Imperium
Machen unsre Pläne krumm?
Bräuchten keinen Heinrich wir,
Der Burgen baute Dir und mir?

Damit nicht unser freies Volk
Vom Feinde gnadlos überrollt
Seinen Raum gegeben hat
an einen fremden, mächtgen Staat?

Langer

26. April 2015 13:06

Ja, dieser Artikel ergibt keinen Sinn. Denn letztlich versteht man unter Staat ja genau die Selbstorganisation, ihre Vertreter und die Institutionen von groesseren Menschenmassen. Leute, die gegen "den Staat" sind, wollen meistens entweder auf archaische Weise leben oder sich in noch groessere als die bereits erlaubten Unmoralitaeten stuerzen, zum Beispiel noch egoistischer Geld scheffeln.
Nein, danke.

Yvonne

26. April 2015 13:19

Der Staat ist derjenige, welcher die Ebene des Politischen gestaltet. Verzichtet man auf ihn, überläßt man lediglich diese Gestaltung dem Zufall - oder anderen. Andere sind z.B. andere Staaten, unsere "Global Players" und unsere internationalen Eliten. Es ist nicht so, dass ohne einen Staat der Einzelne oder das Volk mehr Freiräume hätte, zur "Selbstentfaltung" womöglich. Wir brauchen den Staat. Aber nicht diesen, denn er ist nicht unser Staat. Nur weil das Gute nicht leicht zu bekommen ist, verzichtet man doch nicht auf das Streben dananch!

Richard Meißner

26. April 2015 13:31

Gruppen von Menschen können in einem Staate in innerer Emigration leben, quasi parasitär im wertungslosen Wortsinne, wie es manche religiöse Gemeinschaften tun (Jehovas Zeugen als Beispiel).

Gruppen von Menschen können auch offensiv Autarkie und Freiheit vom Staate anstreben, wie es manche Kommunen (links wie rechts) versuchen oder kriminelle Organisationen (Mafia oder Rocker als Beispiel). Wirklich frei vom Staate sind diese Gruppen alle nicht, sie versuchen lediglich das Geben und Nehmen zum Staate anders zu gewichten. Im besten Fall in Richtung weniger nehmen, weniger geben, im üblicheren Fall mehr nehmen, weniger geben.

Das gilt letztendlich auch für die individuelle Staatsabkehr im Waldgang-Stil. Ist dort nur nicht so sichtbar.

Eine echte Emanzipation vom Staat durch eine autark werdende Gemeinschaft wäre theoretisch denkbar - aber was wäre eine solche Gemeinschaft in dem Moment in dem sie tatsächlich 100% frei vom Staat geworden wäre? Sie wäre ein neuer Staat.

Karl Martell

26. April 2015 14:11

Wahrheiten

Da jedoch die Gesetze ohne unaufhörliche Überwachung weder fortbestehen noch Anwendung finden konnten, so bildeten sich Obrigkeiten heraus, die das Volk erwählte und denen es sich unterordnete. Man präge sich dies wohl ein: Die Aufrechterhaltung der Gesetze war der einzige Grund, der die Menschen bewog, sich Obere zu geben; denn das bedeutet den wahren Ursprung der Herrschergewalt. Ihr Inhaber war der erste Diener des Staates. Hatten die Volksgemeinschaften im Entstehen etwas von den Nachbarn zu befürchten, so bewaffnete dies Oberhaupt das Volk und setzte schleunig die Verteidigung der Bürger ins Werk.

Wir haben gesehen, daß die Bürger einem ihresgleichen immer nur darum den Vorrang vor allen zugestanden, weil sie Gegendienste von ihm erwarteten. Diese Dienste bestehen im Aufrechterhalten der Gesetze, in unbestechlicher Pflege der Gerechtigkeit, in kraftvollstem Widerstand gegen die Sittenverderbnis, im Verteidigen des Staates gegen seine Feinde.

Das Übel erreicht aber den Gipfel, wenn es verderbten Seelen gelingt, den Herrscher zu überzeugen, daß seine Interessen andere seien als die seiner Untertanen.

Wir kommen nunmehr zu einem anderen Gegenstand, der wohl ebenso interessant ist. Es gibt wenige Länder, wo die Bürger die gleichen religiösen Anschauungen haben. Oft sind die Bekenntnisse gänzlich verschieden voneinander. Da erhebt sich die Frage: müssen alle Bürger ein und dasselbe glauben, oder darf man jedem erlauben, nach seiner eigenen Weise zu denken? Geht man auf den Ursprung der bürgerlichen Gesellschaft zurück, so ist es ganz augenscheinlich, daß der Herrscher keinerlei Recht über die Denkungsart der Bürger hat. Müßte man nicht von Sinnen sein, um sich vorzustellen, Menschen hätten zu ihresgleichen gesagt: Wir erheben dich über uns, weil wir gern Sklaven sein wollen, und wir geben dir die Macht, unsere Gedanken nach deinem Willen zu lenken? Sie haben im Gegenteil gesagt: Wir bedürfen deiner, damit die Gesetze, denen wir gehorchen wollen, aufrechterhalten werden, damit wir weise regiert und verteidigt werden; im übrigen verlangen wir von dir, daß du unsere Freiheit achtest. Damit ist das Urteil gesprochen; es gibt keine Berufung dagegen. Die Toleranz ist für die Gemeinschaft, in der sie eingeführt ist, sogar dermaßen vorteilhaft, daß sie das Glück des Staates begründet. Sobald jedes Bekenntnis frei ist, hat alle Welt Ruhe; wogegen die Glaubensverfolgung die blutigsten und langwierigsten Bürgerkriege verursacht hat.

So sehr das Studium der Geschichte die eigenste Sache der Fürsten ist, ihren Wert hat sie nicht minder für den Bürger. Da sie die Kette der Begebenheiten aller Jahrhunderte bis auf unsere Tage darstellt, so gibt sie dem Rechtsgelehrten, dem Staatsmann und dem Krieger, der sie zu Rate zieht, Aufschluß über den Zusammenhang der Vergangenheit mit der Gegenwart. Lob und Ehre aller, die ihrem Lande treu gedient haben, finden sie in der Geschichte, ebenso den Fluch, der auf dem Namen derer lastet, die das Vertrauen ihrer Mitbürger getäuscht haben. So gewinnen sie hier eine Erfahrung, wie sie sonst das Leben erst später zur Reife bringt. Wer den Umkreis seiner Anschauungen und Begriffe nur auf seine vier Wände einschränkt, wer seine Kenntnisse nicht erweitern mag über den Bereich seiner häuslichen Pflichten, der verkümmert und verblödet in gröbster Unwissenheit.

Friedrich II.

Der Gutmensch

26. April 2015 16:26

Das klingt irgendwie nach ... -. Ich gebe mal zu bedenken, dass wir gerade erst seit 25 Jahren wiedervereinigt sind; und jetzt soll alles in Kleinstaaterei zerfallen? Herr Henkel hüben und andere drüben - oder wie darf ich das verstehen? Um dem griesgrämigen Onkel Nietzsche zu huldigen (der würde sich ja schlapplachen, wenn er wüsste, dass er tatsächlich für bare Münze genommen wird)? Der Mann hat an allem was auszusetzen gehabt, das war sein erklärtes Credo! Nietzsche hat seine (zutreffenden) Erkenntnisse von einem bestimmten philosophischen Standpunkt aus erarbeitet. Das macht ihn aber nicht zum lieben Gott, der uns die Wirklichkeit in voller Pracht und Herrlichkeit mal eben in den Stenoblock diktiert! Also kurzum: Deutschland ist dann doch ein ganz kleines bißchen mehr als nur unbefriedigende Staatsorganisation; dass ein Linker das nicht begreifen kann, liegt in seiner Natur. Aber ein Konservativer sollte es doch eigentlich besser wissen.

Ulrich von Hutten

26. April 2015 16:32

Die Problematik hinsichtlich der Auffassung vom Staat beginnt mit falschen Prämissen, die sich seit der Aufklärung in einer Gegenüberstellung atomistische versus holistische Staatskonzeption offenbart. Auch Nietzsche unterliegt dieser.
Beide Grundannahmen (Individuum versus Staat) sind jedoch falsch und sind Folge der seit Descartes vollzogen Einebnung der Erkenntniskriterien des "für uns Früheren" und des der "Natur/ der Sache nach Früheren".
Der Mensch als das "für uns Frühere" und der Staat als das "der Natur nach Frühere" sind zweierlei, aber aufeinander bezogen und kein Gegensatz. Deutlich wird dies, wenn die Feststellung Aristoteles‘ Berücksichtigung erfährt, dass der Mensch ein ζῷον πολιτικόν ist.
Nach dieser Auffassung kann der Mensch als Mensch seine "Vermögen" nur im Staate voll verwirklichen. Der Staat ist demnach nicht etwas, was als "kaltes Ungeheuer" von außen hinzukommt, sondern stellt das innere Ziel eines jeden Menschen dar, sofern er sich als Mensch begreift und nicht als Eremit oder depravierter Mensch. So ist der Staat Voraussetzung und Ziel zugleich, dass der Einzelne überhaupt zu sich selbst finden kann.
Aus diesem Grunde ist der Staat sachlich früher (Natur nach Frühere) als der Einzelne (für uns Frühere).
Die Frage nach dem Wesen des Menschen, nach seiner menschlichen Natur ist immer die Frage nach seinen Vermögen und seiner besten Verfassung. Gleiches gilt für den Staat.
Zugespitzt formuliert, der von Nietzsche beschriebene Staat ist kein Staat, sondern wenn, dann eine depravierte Form.

Argus

26. April 2015 17:13

Ich schließe mich Patricius an.

Der Autor, so gut der Beitrag an sich geschrieben ist, denkt nicht zu Ende. Denn ein Mensch, wie es dem Verfasser vorschwebt ist ein starker, ein einsamer Mensch.

Das ist a) heute nicht mehr möglich, da es zu viele Menschen gibt und b) ginge damit ein großer Verzicht einher. Letzteres ist an sich ja was Hehres aber die Masse wird das nicht wollen und werden sich deshalb zusammenschließen und wie es die Geschichte lehrt, wird sie dann - bzw. dieses staatsähnliche Gebilde, das die Masse mit Sicherheit bilden wird - den Einzelnen nicht dulden.

Das libertäre Denken (auch wenn ich selbst darin des Öfteren schwelge) ist schlußendlich auch eine Utopie.

Stephan

26. April 2015 17:39

Doch neben diesen negierenden Maßnahmen der Verweigerung, der Abkehr, sind vor allem Gründungen – also Schaffung lebensfähiger Grundlagen! – wichtig: Familie gründen und für deren Zusammenhalt sorgen; auch außerhalb der Familie den Zusammenschluss mit Menschen suchen, die ähnlich fühlen und denken, also Lebensgemeinschaften bilden; Unternehmungen und Wirtschaftskreisläufe im Kleinen gründen, die unabhängig von staatlicher Mittelvergabe sind; soziale Unterstützungsgemeinschaften in Richtung „Hilfe auf Gegenseitigkeit“ gründen – kurzum: in jeder Hinsicht eigeninitiativ und eigenverantwortlich handeln und sich von staatlichen Lock- und Knebelangeboten frei machen.

Witzig, wie ähnlich das bei den Linken klingt:

»Was wir brauchen, ist ein komplett anderes Leben, nicht das Auswechseln altmodisch gewordener Technologien gegen andere«, so die Autoren. »Wiederverwenden, umnutzen, mitnutzen« muss das Credo einer neuen, reduktiven Moderne lauten. Doch wie lässt sich eine Kultur des Weniger gestalten? Was können wir aus den großen Transformationen der Vergangenheit lernen? Liegt die Lösung in einer »Archäologie des guten Lebens«, in einer Wiederentdeckung alter Sozialformen wie Achtsamkeit und Fürsorge? Das Buch liefert eine spannende Vision unserer Zukunft – sie wäre genügsamer, aber auch stabiler, und sie wäre ein Gewinn an Lebensqualität durch Befreiung von Überfluss. (Aus einer Amazon-Buchbeschreibung)

enickmar

26. April 2015 18:12

Nochmal nüchtern:

Der Staat ist schon in der kleinsten Organisationseinheit des Menschen, nämlich der Familie angelegt.
Durch die „Kräfte des Lebens zur Selbstorganisation“ entsteht beim Menschen als sozialem „Rudel- und Herdentier“ zwangsläufig ein Staat. Wenn dieser Vorgang innerhalb eines schon bestehenden Staates stattfindet, spricht man daher ja auch von Staat im Staate.
Der Mensch war nie frei, ist nicht frei und wird nie frei sein. Mensch ohne Staat gibt es ebensowenig wie Biene ohne Stock oder Wind ohne Luft. Das Äquivalent des Menschen ohne Staat, wäre auf Seiten der der Linken, das Konzept des Menschen ohne Privateigentum. Auch eine tolle Idee, die man noch zum x-ten mal diskutieren könnte. Die Frage ist also nicht, ob ein Staat herscht, sondern was für ein Staat und ob es der eigene oder ein fremder Staat ist. Da der Staat die natürliche Organisationsform des menschlichen Lebens ist, müße es auch heißen: Der Mensch - das Ungeheuer. So würde ich auch Nietzsche interpretieren. Beim Zarathustra geht es ja auch um den Übermenschen. An diesem zu basteln, davor wird ja aber aus gutem Grund eindringlich gewarnt.

Martin

26. April 2015 19:12

Es wäre, pragmatisch betrachtet, schon viel gewonnen, wenn man wieder zu der klassisch liberalen Auffassung gelangen würde, dass Grundrechte keine Määänschenräächte mit universeller Puddinggeltung sind, die natürlich immer dann, wenn es um Deutsche geht, nicht gelten müssen sondern unabänderbare Abwehrrechte und Mindestrechte des Bürgers(!) gegenüber seinem Staat.

Im Übrigen warte ich bei den ganzen "Alternativen" und "Aussteiger" (so nannte man das in den 70er, 80er Jahren) Vorstellungen schon seit langem auf Konzepte für urbane Gebiete und Stadtbewohner, jenseits der linksversifften Bauwagenburgen und Häuserbesetzungen. Es gibt schließlich nicht genug Bauernhöfe und zu wenig Land für eine größere Anzahl von Leuten.

Andreas R.

26. April 2015 20:46

Dieser Artikel spiegelt auch meine Ansicht wieder. Ich bin kein Anarchist, dazu fehlt mir die Naivität. Ich mag keine Hierarchien, aber ich sehe ihre Notwendigkeit ein, um die in einer fortgeschrittenen Gesellschaft anfallenden komplexen Aufgaben bewältigen zu können. Man stelle sich vor eine Gruppe völlig gleichberechtigter Menschen, von denen niemand sich von einer anderen Person etwas sagen liesse, würde versuchen ein Flugzeug, eine Fabrik oder einen Wolkenkratzer zu bauen. Hierarchien sind unangenehm, vor allem deshalb weil Macht korrumpiert oder zumindest bei den meisten zu einer schwer erträglichen Arroganz führt, aber wenn man nicht wie David Thoreau in den Wäldern leben will, kommt man darum nicht umhin. Spätestens bei den nächsten Zahnschmerzen würde man sich eine modern ausgestattete Zahnarztpraxis herbeiwünschen.

Um es kurz zu machen, auch ich glaube nicht das es die Aufgabe des Staates sein kann und darf, den allmächtigen Übervater zu spielen und alle Probleme lösen zu wollen, sondern die Menschen sollten unbedingt zum Prinzip der Eigenverantwortung als oberste Priorität zurückkehren. Ein idealer Staat sollte so schlank wie möglich sein, auf das mindeste reduziert und innenpolitisch lediglich den Schiedsrichter spielen, anstatt ständig auf tolpatschige und inkompetente Weise in das Spiel selbst eingreifen zu wollen. So ähnlich wie Milton Friedman es in "Freiheit und Kapitalismus" beschrieben hat.

Ein Höchstmaß an Eigenverantwortung und ein Staat, der lediglich aufpasst das alle Gruppen sich fair verhalten und niemand Foulplay betreibt.

Der Sozialstaat ist ein Betrug. Wie Akif Pirinci schon richtig feststellt, basiert er nur auf eins: Angstmache. Ein Leben lang macht man den Menschen Angst "sei froh das wir einen Sozialstaat haben, man weiß nie wie es kommt" aber je älter man wird, desto mehr merkt man den Betrug. Es sind immer die gleichen die ständig und lebenslang nur einzahlen, und immer die gleichen die ständig immer nur heraus nehmen aus dem Topf. Dazu kommt noch, das dieses Land die Fluttore geöffnet hat und sich für das Weltsozialamt zu halten scheint. Jetzt kommen Leute aus aller Herren Länder und bedienen sich aus dem Topf, in den der deutsche Michel sein Leben lang eingezahlt hat. Das dies in absehbarer Zeit zum Kollaps führt ist unvermeidlich.

Gustav Grambauer

26. April 2015 20:48

Der Staat ist nichts als sie armselige Karikatur des Reiches, zumindest seit letzteres in der Welt ist.

In der That lese ich hier den Aufsatz eines geistig Schiffbrüchigen. Seit der Überschrift hatte ich schon auf die liberallibertärte Umerziehungs-NLP-Vokabel "Eigenverantwortung" gewartet, im letzten Absatz wurde sie dann endlich "geanchored". Damit nicht der Eindruck von allzuviel Libetärliberalismus aufkommt, wurde sie gleich wieder abgemildert mit dem Solidaritäts-Anker "Hilfe auf Gegenseitigkeit". Dann kommt die rhetorische Figur "Klingt anstrengend?" um jeden Antiliberalen als Couchpotatoe hinzustellen. Die Nudging-Performance

https://info.kopp-verlag.de/hintergruende/deutschland/peter-harth/merkels-geheime-psycho-keule-so-wehre-ich-mich-gegen-nudging-.html

endet erst beim Kokettieren mit dem Begriff der "Zumutung".

"Zu-Mutung", ich kann diesen Kreativ-Texter-Jargon kaum noch ertragen, auch ihm liegt übrigens wieder die Entwicklungs-Psychologie in ihrer ganzen Anmaßung zugrunde. Hat irgendein Libnarallibertärer die Befugnis, mir etwas zuzumuten?! Ich denke kaum.

Keiner hier würde irgendeinen Gesichtspunkt der Bestandsaufnahme bestreiten, aber der wichtigste, zumal auf Nietzsche rekurriert wurde, fehlt: er hat die Reichsgründung als "Exstirpation des deutschen Geistes zugnsten des Deutschen Reiches" bezeichnet. Somit liegt der Ausweg sicher nicht in der HORIZONTALEN "Vernetzung" (der atomisierten Geistlosen bzw. vom Un-Geist besessenen) sondern in der VERTIKALITÄT - in der Besinnung auf die synthetische Heiligkeit der Reichsidee.

Um mich nicht zu wiederholen verweise ich auf einen zurückliegenden Beitrag von mir und empfehle ausdrücklich die Sentenz von Budde:

https://www.sezession.de/42122/die-wohlstandsrechner.html#comment-16697

"Der Epochenwandel wird, wie es Kennzeichen jeder revolutionären Umwälzung ist, urplötzlich, urgewaltig und unwiderstehlich hereinbrechen, auch wenn seine geistigen Voraussetzungen im Zersetzungsprozeß der faulenden Ideologien (des Liberalismus, - G. G.) schon lange herangereift sein mögen. Verglichen mit dem Ende des Kommunismus wird dieser Wandel für den herrschenden linksliberalen "Totalitarismus“ ein viel umfassenderes und vernichtendes Cannae sein. Sie werden merken, daß sie von den metahistorischen Prozessen nichts begriffen hatte, vielmehr wie Maulwürfe im Dunkeln herumgetappt waren."

- G. G.

horst

26. April 2015 21:00

Nanu, was war denn das?

„[…] Wer den Staat als die wesentliche politische Einheit zugunsten eines nebulösen Bioregionalismus aufgibt, gibt damit zu erkennen, daß er auf die Macht innerlich schon verzichtet hat. Aber damit verzichtet man auf alles. Ohne die Macht, die nur ein funktionierender Staat gewähren kann, ist ein Volk den Eroberungsgelüsten stärkerer und lebenskräftigerer Völker schutzlos preisgegeben. […]
[…] Ohne den Besitz von Macht wird es nicht einmal möglich sein, […] auch nur eine Dorflinde vor dem Zugriff kapitalistischer Verwertungsinteressen zu schützen.
Die Kröten quaken – aber nur so lange, bis der Bagger kommt.“

Winfried Knörzer, Drachen fauchen, Kröten quaken; Staatsbriefe 7/1996, S. 38 f
(Die Polemik richtete sich damals gegen eine bestimmte Sorte von rechten Ökoaktivisten. Der Leser wird sie unschwer auf den vorliegenden Fall anwenden können.)

Zur weiteren Illustration empfiehlt es sich, das Schicksal staatenloser (bzw. zu politischer Organisation offensichtlich unfähiger) Völker in Augenschein zu nehmen. Insbesondere der amerikanische Kontinent bietet reichhaltiges Anschauungsmaterial.

Überhaupt, wenn man schon gegen die „Staatsfixiertheit“ der Rechten polemisiert, sollte man die einschlägigen denkerischen Bemühungen halbwegs kennen*). Dann würden sich rousseauistische Platitüden wie

Es geht darum, den Staat durch uns selbst überflüssig zu machen (ich bitte zu beachten, daß darin eine gewisse ethische Herausforderung liegt, fast schon im Sinne des kategorischen Imperativs Kants)

eigentlich verbieten.

__________

*) das Wesentliche straff und präzise dargeboten in:

Bernard Willms, Selbstbehauptung und Anerkennung (Opladen : Westdeutscher Verlag, 1977)
ders., Einführung in die Staatslehre (Paderborn [u.a.] : Schoeningh, 1979)

Frank Martin

26. April 2015 21:18

Es ist klug, von Leuten, die mit ihrem eigenen Geld nicht auskommen, nicht allzuviel zu erwarten, stattdessen aber immer mit ihnen zu rechnen.

Rumpelstilzchen

26. April 2015 22:35

Netter Beitrag. Mit mir ist auch kein Staat zu machen. Der Staat ist die unnatürliche Todesursache Nr. 1.
https://derhonigmannsagt.wordpress.com/tag/staatshorigkeit/

Und jetzt lasst doch mal den ollen Nietzsche sein !

Gustav Grambauer

26. April 2015 22:55

Nachtrag

Der Staat macht`s möglich - Wirt und Parasit in einer Persona vereinigt - im "Civis", der sich ein Staatsrecht um seine eigenen "Rechte" herum zentriert geschaffen hat, von denen er seither unentwegt krächzt.

Auf diesem Planeten wird sich nichts zum Besseren wenden, bevor nicht das Bürgertum als Subjekt der Geschichte verschwindet, auch wenn seit 1968, Adorno zugeschrieben, dessen Credo

"Vergesellschaftung Gottes
und Vergötzung der Gesellschaft"

lautet, was die Destruktivität nur noch potenziert.

Das Bürgerhaus hat meta-architektonisch keinen Platz in der Dávilaschen Trias "Schloß - Kloster - Weiher".

Wir sind beim unausgesprochenen Kern der vorgestrigen Diskussion um die AfD, denn wie in einem Mikroskop kann man bei dieser Partei beobachten, wie sich die "Entbürgerlichung" in heilsamer Weise geltend macht:

https://zuerst.de/2015/04/24/afd-richtungsstreit-lucke-wirft-gauland-vor-eine-partei-der-kleinen-leute-anzustreben/

Rußland wird von den Spießbürgern immer mitleidig belächelt, weil es keine (selbsternannte) "Zivilgesellschaft" hervorgebracht hat. Der Segen, der darin liegt, wird die westlichen "Emanzipationskollektive" noch erschaudern lassen.

- G. G.

Konservativer

27. April 2015 02:50

Karl Martell:
"...
Wir haben gesehen, daß die Bürger einem ihresgleichen immer nur darum den Vorrang vor allen zugestanden, weil sie Gegendienste von ihm erwarteten. Diese Dienste bestehen im Aufrechterhalten der Gesetze, in unbestechlicher Pflege der Gerechtigkeit, in kraftvollstem Widerstand gegen die Sittenverderbnis, im Verteidigen des Staates gegen seine Feinde.

Das Übel erreicht aber den Gipfel, wenn es verderbten Seelen gelingt, den Herrscher zu überzeugen, daß seine Interessen andere seien als die seiner Untertanen.
..."
Friedrich II.

Ein Staat muß die eigenen Leute vor den Begehrlichkeiten Fremder schützen:

https://www.youtube.com/watch?v=bvfKg8XmbzM

Ich denke, daß sich der Feind unser Land, unseren Staat und seine Institutionen angeeignet hat.
Augenscheinlich hat sich in Deutschland ein Establishment (nicht allein das politische) herausgebildet, das zum Feind des eigenen Volkes und somit von sich selbst geworden ist.
Ein teils transatlantisch ferngesteuertes, teils opportunistisches/käufliches, teils größenwahnsinniges, teils verderbtes, teils verwahrlostes, teils an sich und der Welt irre gewordenes Establishment zerstört die Grundlagen unser aller, damit aber auch seiner eigenen Existenz.
In dieser speziellen Form ist das ein weltgeschichtlich einmaliger Vorgang.

Günter Maschke:
"...
Als Rechter habe ich beispielsweise eigentlich kein Interesse an der „Einheit der Welt“ oder daran, daß die Völker „zusammenkommen“. Ich kann nicht rechts sein ohne eine tiefe Skepsis gegenüber der menschlichen Aktivität. Es müßte demnach heute darum gehen, wie man gewisse menschliche Aktivitäten reduziert, verlangsamt, abbricht, zum Beispiel die durch die Technik ungeheuer erleichterte Zerstörung der Umwelt und der Städte. Es ist uns bisher nicht gelungen, die Technik politisch in den Griff zu bekommen, ihr Rasen zu stoppen oder zumindest zu kontrollieren. Und das wäre die eigentliche Aufgabe. Ich muß die Beschleunigung der Welt aufhalten, auch schon deshalb, weil Goethe gesagt hat: ‚Jedes Wachstum der menschlichen Fähigkeiten, das nicht von einem Wachstum seiner Güte begleitet ist, wird den Menschen schlechter machen.“
...
Der Mensch ist heute ohnmächtiger als je zuvor, abhängiger als je zuvor und größenwahnsinniger als je zuvor. Er wird dabei immer stärker in diesen modernen Prozeß hineingezogen und kann am Ende nicht einmal mehr artikulieren, woran er leidet. ... Wenn man also die Gesellschaft nicht durch eine Instanz, zum Beispiel den Staat, unter Kontrolle bekommt, wird man diesbezüglich nichts blockieren, ändern oder rückbauen können.
..."
(aus Claus M. Wolfschlag - "Bye-Bye '68...: Renegaten der Linken, APO-Abweicher und allerlei Querdenker berichten", 1998)

Nochmals Günter Maschke:
"...
Am Beginn der Nationwerdung steht häufig der Bürgerkrieg; wenig spricht dafür, daß am Beginn ihrer Wiedergewinnung etwas anderes stehen könnte, da der größte Feind der Nation ein Teil ihrer selbst ist. Das ist keine blutige Wildwest-Romantik, sondern eine plausible Folgerung nach der Rekognoszierung des Krisengeländes.
..."
(aus Günter Maschke - "Das bewaffnete Wort", 1997)

Andreas Walter

27. April 2015 04:53

Weil das Wort niemals das Ding selbst ist, sondern es immer nur beschreibt, umschreibt. Darum ist es auch gar nicht möglich, es mit Sprache oder Schrift zu vermitteln und über den Verstand erfassen zu wollen und zu können.

Was war denn schon damals mit mir, als ich als jugendlicher Fatu Hiva (Thor Heyerdahl) gelesen habe, ich früher hier aus Deutschland immer nur weg wollte um dann nach der Lektüre des Buches resigniert festzustellen, dass es keinen "anderen Ort", "keinen Ausweg", keine bessere Welt gibt, man immer und überall auf andere Menschen und damit immer auf irgendwelche Probleme stösst.

Also geht es doch letztendlich nur um die Frage der Freiheit, der Individuellen wie auch der Kollektiven für altruistisch Handelnde, vor wem oder was auch immer.

Und doch ist es genau so eine spezifische, diffuse Unfreiheit das, was auch uns hier zusammenführt und für Herrn Kubitschek so weit ich das zu wissen glaube sogar den Broterwerb ausmacht, den er mit seinem Verlag und auch seinen eigenen Schriften dadurch generiert.

Für Menschen aber eben teilweise auch für eine Generation von Menschen die bereits am Aussterben ist und die Worte noch gerne gedruckt auf Papier geniessen.

Aber nicht irgendwelche Worte, sondern Worte über Individualität. Worte über Grenzen. Worte über und für das Eigene. Worte die abgrenzen ohne die Absicht abgrenzen zu wollen. Mein Haus, meine Frau, meine Kinder, könnte man ihm jetzt vorwerfen. Oder mein Land, meine Kultur, meine Heimat. Da wird es schon kritisch.

Dabei käme niemals jemand auf die Idee im Ausland einigen sehr traditionellen Gemeinden genau das vorzuwerfen. In Venezuela oder Brasilien zum Beispiel sind diese sogar wahre Attraktionen nicht nur für Besucher aus Übersee, sondern auch bei der einheimischen Bevölkerung beliebte Ausflugsziele am Wochenende.

Ich halte Rückzug daher für den falschen Weg, denn dazu gibt es überhaupt keinen Grund. Ganz im Gegenteil. Etwas, was vom Aussterben, von Vernichtung, vom Vergessen bedroht ist hat ein Recht darauf geschützt und beschützt zu werden.

Trouver

27. April 2015 05:59

Ohne den Staat käme das Faustrecht. Zwangsläufig. Es wäre schlimmste, böseste Tyrannei von denkbaren, die Tyrannei von Gesetzlosigkeit.

Den Staat, seinen Schutz, brauchen eben die schwächsten und armsten Menschen.

Aber der Staat muss von den richtigen Leuten geführt werden.

Waldgänger (e.B.) aus Schwaben

27. April 2015 08:23

Jeder Staat hat die Tendenz im Namen der allgemeinen Wohlfahrt und Sicherheit mehr und mehr Zuständigkeiten an sich zu ziehen und den Bürger zunehmend zu entmündigen.
Unser gegenwärtiger Zustand ist von einer solchen sich beschleunigenden Entmündigung geprägt. Das Erfinden immer neuer Minderheiten und das Fluten mit angeblich schutzbedürftigen Flüchtlingen ist Teil dieser Entmündigung.

Die Bürger werden dadurch nicht nur immer unfreier, zu vorläufig noch glücklichen Sklaven. Diese Entmündigung lähmt auch alle produktiven Kräfte in Forschung, Technik und Kunst, bremst jeden Fortschritt. Am Ende ist ein solcher Staat von Muttersöhnchen nur noch Beute.

Es braucht deshalb stets Bürger, die sich dagegen stellen und den Einfluss des Staates zuürckdrängen. An solchen fehlt es uns. Aber in der praktischen Umsetzung eines libertären Staates oder gar eine Anarchie sehe ich einige Probleme.

Selbst wenn es gelänge, etwa über eine starke libertäre Partei in der Regierung, dass der Staat sich zurückzieht, dann muss das Gewissen, die Verantwortung des Bürgers an Stelle des zurückweichenden Staates treten. Der Staat muss im Zurückweichen die Gewissensbildung fördern. Wir erleben momentan das genaue Gegenteil. Der Staat maßt sich immer mehr an dem Bürger vorzuschreiben, was gut und böse ist. Gleichzeitig betont er seine angebliche weltschauliche Neutralität.

Dieser Widerspruch lässt mich mehr und mehr von diesem Staat entfremden. Ich nenne mich, halb im Scherz, einen katholischen Anarchisten.
Gibt es irgendwo Literatur in der diese Gedanken ausformuliert und weiter gedacht sind?

Die Alternative zu einem Rückzug des Staates beschreibt der Verfasser hier. Die Widerstandszellen, die er anstrebt, könnte man auch "Parallelgesellschaften" nennen. Es gibt schon einige davon. Ethnischen und religiöse Gruppen, linke Komunen, religiöse Sekten. Mich überzeugt keine davon. Aus zwei Gründen.

Erstens beuten die meisten davon die Mehrheitsgesellschaft aus. Durch den Bezug von (ungerechtfertigten) Sozialleistungen und teilweise auch durch Kriminalität. Zugespitzt formuliert, könnte man die Mafia als Ideal einer solchen "Widerstandszelle" gegen den übermächtigen Staat nennen. Das Bild der Mafia führt zum zweiten Grund.

Der zweite Grund ist die soziale Enge in diesen Gemeinschaften. Dort ist eigentlich ein totalitärer Staat schon vorweg genommen. Selbst im besten Fall, wäre der Bürger weniger frei als heute noch in der BRD.

Eine solche Widerstandzelle, die wohl ohne staatliche Transferleistung und ohne Kriminalität auskommt ist das Ökodorf Siebenlinden.

Die Texte auf der homepage atmen einen Geist der "Diktatur des Relativismus", einer totalen Toleranz, die von jedem fordert jedes rassistische, sexistische, diskriminiertes Verhalten zu denunzieren und den Angeklagten zur öffentlichen Selbstbezichtigung und Reue nötigt.

Sicher wäre es noch angegehmer dort zu leben, als in einer Sekte oder gar einem islamisch dominiertem "Kiez". Aber wirklich leben möchte ich dort auch nicht.

Yvonne

27. April 2015 10:06

Die Notwendigkeit eines irgendwie gearteten Staates steht eigentlich außer Frage. Wie minimal seine Zuständigkeiten sein sollten, darüber lässt sich streiten. Jedenfalls werden die Felder, die er offen lässt, dann anders gefüllt werden, nämlich mit Unkraut oder Fremdgewächs. Doch eines ist in jedem Fall unerlässlich, damit er seine Aufgaben überhaupt wahrnehmen kann: Souveränität. Und daran mangelt es ja bei uns bekanntlich. Wir haben zwar einen in mancher Hinsicht starken, d.h. stark eingreifenden Staat, doch er selbst hat vielfach kaum noch Einfluss auf die zu beschließenden Maßnahmen und Gesetze, denn er lässt sich steuern von anderen, in- und ausländischen Interessengruppen. Selbst wenn er wollte, könnte er kaum noch Herr der Lage werden ohne tiefe Verwerfungen zu riskieren. Also in Bezug darauf haben wir einen sehr schwachen Staat. Man kann nicht einfach sagen, unser Staat ist soundso liberal auf einer Skala von bis, zu viel oder zu wenig.

Alexander

27. April 2015 10:11

Stephan:

Witzig, wie ähnlich das bei den Linken klingt:

»Was wir brauchen, ist ein komplett anderes Leben, nicht das Auswechseln altmodisch gewordener Technologien gegen andere«, so die Autoren. »Wiederverwenden, umnutzen, mitnutzen« muss das Credo einer neuen, reduktiven Moderne lauten. Doch wie lässt sich eine Kultur des Weniger gestalten? Was können wir aus den großen Transformationen der Vergangenheit lernen? Liegt die Lösung in einer »Archäologie des guten Lebens«, in einer Wiederentdeckung alter Sozialformen wie Achtsamkeit und Fürsorge? Das Buch liefert eine spannende Vision unserer Zukunft – sie wäre genügsamer, aber auch stabiler, und sie wäre ein Gewinn an Lebensqualität durch Befreiung von Überfluss. (Aus einer Amazon-Buchbeschreibung)

Klingt doch eigentlich recht konservativ.

Karl Martell

27. April 2015 10:57

Das große Spiel der Weltpolitik ist nicht zu Ende. Die höchsten Einsätze werden erst gemacht. Es geht für jedes der lebenden Völker um Größe oder Vernichtung.

Es sind gewaltige Jahrzehnte, in denen wir leben, gewaltig – das heißt furchtbar und glücklos. Größe und Glück sind zweierlei, und die Wahl steht uns nicht offen. Glücklich wird niemand sein, der heute irgendwo in der Welt lebt; aber es ist vielen möglich, die Bahn ihrer Jahre nach persönlichem Willen in Größe oder in Kleinheit zu durchschreiten. Indessen, wer nur Behagen will, verdient es nicht, da zu sein.

Der Handelnde sieht oft nicht weit. Er wird getrieben, ohne das wirkliche Ziel zu kennen. Er würde vielleicht Widerstand leisten, wenn er es sähe, denn die Logik des Schicksals hat nie von menschlichen Wünschen Kenntnis genommen. Aber viel häufiger ist es, daß er in die Irre geht, weil er ein falsches Bild der Dinge um sich und in sich entwickelt hat. Es ist die große Aufgabe des Geschichtskenners, die Tatsachen seiner Zeit zu verstehen und von ihnen aus die Zukunft zu ahnen, zu deuten, zu zeichnen, die kommen wird, ob wir sie wollen oder nicht. Ohne schöpferische, vorwegnehmende, warnende, leitende Kritik ist eine Epoche von solcher Bewußtheit wie die heutige nicht möglich.

Es gelangen Elemente zur Macht, welche den Genuß der Macht als Ergebnis betrachten und den Zustand verewigen möchten, der nur für Augenblicke tragbar ist. Richtige Gedanken werden von Fanatikern bis zur Selbstaufhebung übersteigert. Was als Anfang Großes versprach, endet in Tragödie oder Komödie. Wir wollen diese Gefahren beizeiten und nüchtern ins Auge fassen, um klüger zu sein als manche Generation der Vergangenheit.

Wenn aber hier das dauerhafte Fundament einer großen Zukunft gelegt werden soll, auf dem kommende Geschlechter bauen können, so ist das nicht ohne Fortwirken alter Traditionen möglich. Was wir von unseren Vätern her im Blute haben, Ideen ohne Worte, ist allein das, was der Zukunft Beständigkeit verspricht.

Nur durch lebendiges Vorbild und sittliche Selbstdisziplin eines befehlenden Standes ist das erreichbar, nicht durch viel Worte oder durch Zwang. Sich selbst beherrschen muß man, um einer Idee dienen zu können, zu innerlichen Opfern aus Überzeugung bereit sein. Wer das mit dem geistigen Druck eines Programms verwechselt, der weiß nicht, wovon hier die Rede ist.

Oswald Spengler

Schade! Aus heutiger Sicht auch nur noch Utopie. Spengler bemerkte dann noch: "Alle anderen Weltvölker haben einen Charakter durch ihre Vergangenheit erhalten. Wir hatten keine erziehende Vergangenheit und wir müssen deshalb den Charakter, der als Keim in unserem Blute liegt, erst wecken, entfalten, erziehen".

Die "erziehende Vergangenheit" die uns dann zuteil wurde und wird, hat bei vielen keinen vorteilhaften Charakter geformt.

Ist da noch etwas zum wecken und entfalten? Und wie lösen "wir" die Machtfrage, werden die Fesseln wieder los?

Eveline

27. April 2015 11:08

Wann löst der Staat sich auf ?
Dann wenn - der Staatsbürger keine Angst mehr hat und - seine dem Staat ausgelagerten Anteile wieder zu sich zurückholt.
1. Das wären sämtliche Versicherungsleistungen,( Krankenkasse, Arbeitslosenversicherung, Rentenversicherung .... und und und)
2. sämtliche festverzinslichen Lebensversicherungen - Geld kann nun mal nicht arbeiten.
3. Schutz bietet der Staat ohnehin nicht mehr, so das heute schon die individuelle Bewaffnung trainiert werden kann.

Rosenkranz

27. April 2015 11:16

Ich überziehe mal ein wenig: Der deutsche Mann ruft schon nach dem Staate (Richter/Staatsanwälte/Polizisten), während nebenan noch die eigene Frau, die eigene Tochter vergewaltigt wird. Wir genießen das Bequeme dieser staatlichen Fürsorge, merken aber den Schwund der Freiheit nicht.

Für mich sollte ein Staat nur wenige Aufgaben haben. Wichtig sind der Schutz der eigenen Bevölkerung vor der Willkür von Fremden. Und als Mann mit preußisch, sächsischen Wurzeln liebe ich natürlich eine gewisse innere Ordnung. Es reicht völlig, sich dabei an den 10 Geboten zu orientieren. Unholde gehören (hart) bestraft.

Der Familie und ihrer unmittelbaren Nachbarschaft kommt dabei größte Bedeutung zu. Sie ist die Werkstatt, die Schule, die Sozialversicherung, das Altenheim, der Kindergarten, der Schutz, das Krankenzimmer, etc. Wer dieses hat, braucht nicht mehr viel Staat.

CCCED

27. April 2015 14:23

Der Staat ist die Organisationsform für das organische Kompartiment der Nation oder des Volkes. Ähnlich wie die Familie gibt es keine wahlfreie Zugehörigkeit. Man wird hinein geboren. Falls man entwurzelt wurde, braucht es lange, bis man Wurzeln in einem anderen Staat/Volk geschlagen hat.

Was mir in den obigen Beiträgen fehlt:

Der Staat braucht das Zusammengehörigkeitsgefühl des Volkes. Ein Staat kann nur eine sinnvolle Gemeinschaft sein, wenn Geben und Nehmen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen.

Die Güte eines Staates zeigt sich auch darin, wie er seiner Toten gedenkt. Inwiefern ist es heute möglich, der im ersten und zweiten Weltkrieg für Deutschland Gefallenen zu gedenken?

Meyer

27. April 2015 15:00

Martin van Crefeld?

Die ganzen mir bekannten (darunter auch wohlbekannte) Libertäre, verstehen nichts vom Krieg, welcher der Vater aller Dinge ist, auch der Staaten. Galts funktionieren vielleicht in einer Welt, die von einer entrückten, sich in jeder Hinsicht nach Alpha-Männchen sehnenden Rußlandjüdin erfunden wurde. Die wirkliche Welt ist härter. In einer Welt ohne Staat entsteht kein durch Individuen füllbares Machtvakuum, sondern die äußeren Zentralmächte und inneren mafiösen Strukturen ergriffen sofort die Gelegeheiten. Die BRD ist bereits ein Staat mit zuwenig Macht. Daher die Situation. Die Wirtschaft dominiert die Parteien und die Zeitungen, der Hegemon manipuliert hier mit seinen unzähligen Institutionen auf jeder Ebene. Masseneinwanderung ist nicht das einzige und kein zufälliges Ergebnis.
Die Schwäche der BRD entstand daraus, daß sie nicht aus einem Sieg, also dem Beweis ihrer Existenzberechtigung aus realer Macht herausheraus entstanden ist, sondern aus dem Beweis der strukturellen Ohnmacht und dem seit Bismarck fehlenden Fähigkeiten mit dieser relativen Schwäche umzugehen.

Eine unorgansierte Ansammlung von Individuen ist machtpolitisch inexistent und würde in einer juristischen Sekunde "versklavt". Nur eine Wehrhaftigkeit kann dies verhindern. Diese entsteht zu aller erst aber aus einem hohen Grad an militärischer Organsiertheit. Und das nennt man: Staat. (Alles andere ist der z.T. notwendige Unterbau der Wehtrhaftigkeit: innerer Friede zu Produktion und Handel, Erziehung zur Wehrhaftigkeit. Das weitere ist überflüssiger Annex.)
Und genau so ist BRD nicht organisiert und deshalb Spielball fremder und inner Mächte. Und deshalb ist sie schwach. Und sie ist wahrscheinlich so schwach, daß sie kaum die Interessen ihrer selbst vertritt, zumindest nicht erkennbar. Beispielsweise der Erhalt eines homogenen "Volkes" als Machtbasis, hart ausgedrückt als Hochleistungskanonenfutter und Hochleistungsarbeitsdrohnen. Das Gegenteil geschieht. Und zwar nicht im dem eigenen Intesse der BRD, sondern im Interesse fremder, letztendlich feindlicher Mächte.

Schwäche ist die Wurzel Derganzenscheisse.

Libertäre haben nur en detail schöne Ansätze. Im Kern ignorieren sie gekonnt die harte Grundlage der Freiheit: Wehrhaftigkeit und deren Grundlage, Organsiertheit. Wie die BRD selbst es tut. Tun muß!
Sie besitzt zwar einen hypertrophen Organsierungsgrad, aber ohne den Zweck dabei konzentriert im Auge zu haben.
Sollen die Libertären, den nicht autoagressiven Linken gleich, in eine Querfront eingebunden werden! Das ist zu begrüßen. Deshalb muß man die "libertäre Machtignoranz" ja nicht gleich selbst befördern.
Die orientierungslose, selbstzerstörerische Hypertrophie der BRD nehmen die Libertären ja gezielt und wirkungsvoll unter Feuer. Darin liegt deren Nutzen bei einer Kooperation. Nicht in ihrer Grundhaltung. Diese ist die Perversion des Liberalismus.

Nichtsdestotrotz scheint derzeit die einzig erfolgreiche Kriegsführung die asymetrische zu sein. Kaum ein Staat, der selbst kein Imperium wie die USA, China und Rußland (als Zwitter) ist, wird um diese Realitätsanpassung herumkommen, daß Wehrhaftigkeit auf Augenhöhe kaum erreichbar sein wird. Die Konsequenz kann einzig nur lauten, daß man konsequent auf die asymetrische Verteidigung setzt, wie dies in Schweiz bereits ernsthaft erwogen wurde. Entweder werden Staaten dies von selbst adaptieren oder sie werden zu totalen Vasallen der Imperien aufgrund der eigenen Schwäche werden. Dann liegt es an den konkurrierenden Imperien, die Vasallenstaaten (bspw. der Rheinbund 2.0, die BRD) im Inneren zu zersetzen, wie wir es derzeit zwischen russischer und amerikanischer Propaganda beobachten können. Wer diesen Vasallenstatus als schmerzhaft empfindet, wird unwillkürlich Partei für dasjenige Imperium ergreifen, das gegen den eigenen Hegemon wirkt. und das ist derzeit Rußland und China, die zusammen noch schwächer sind, als die USA, unser Hegemon alleine.
Mag dieses Gefühl meinem naiven und kollektivistischen Charakter geschuldet sein. Er enspricht zumindest auch den objektiv formulierbaren Interessen eines "echten" Deutschlands als Staates.

Die Frage, ob der Rheinbund 2.0, die BRD, das Zeug dazu hat, sich aus innerem und eigenem Antrieb von seinem Hegemon loslösen zu wollen, ist die eine. Die andere Frage lautet, ob dies überhaupt möglich und wahrscheinlich ist.
Die derzeitige Ukraine-Krise ist als eine Antwort der Amerikaner auf diese Frage zu werten: Ja. Denn neben vielen anderen Ursachen dürfte ein Trennungscordon zwischen Deutschland und Rußland, der einen kontinentalen Landweg durch nicht amerikanisch dominierte Länder unterbricht, ein wesentlicher Aspekt gewesen sein. Genannt: Neue Seidenstraße.

Meine Haltung zur BRD ist demzufolge eine NEUTRALE und keine feindliche. Dennoch benötigen auch die wirtschaftliche Beurteilung als Indididuum, die Beantwortung der Frage, ob der Staat in möglichen Krisen- und Notzeiten ein ausreichender Garant darstellt.
Abhängigkeit ist IMMER von Übel. Ob als Staat oder als Individuum, bzw. Familie, ist sich gleich! Eigeninitiative und das Verwenden des eigenen Geistes und Verstandes ist unerlässlich. Wer sich nicht selbst befiehlt, ist Sklave! Das hat mit dem Staat wenig zu tun.

rautenklause

27. April 2015 15:47

Kurzfassung der Wehrhaftigkeit (geistig und materiell):

Lange Zeiten der Ruhe begünstigen gewisse optische Täuschungen. Zu ihnen gehört die Annahme, daß sich die Unverletzbarkeit der Wohnung auf die Verfassung gründe, durch sie gesichert sei. In Wirklichkeit gründet sie sich auf den Familienvater, der, von seinen Söhnen begleitet, mit der Axt in der Tür erscheint. Nur wird diese Wahrheit nicht immer sichtbar und soll auch keinen Einwand gegen Verfassungen abgeben. Es gilt das alte Wort: Der Mann steht für den Eid, nicht aber der Eid für den Mann.

Wobei sich da schon wieder die Frage stellt: wer hat zwei Söhne, wer hat Äxte? Und wer geht - wenn notwendig - den Gang vom Keyboard Warrior zum Mann in der Tür?

waldgänger

27. April 2015 16:43

Viele haben es schon gesagt, @ Trouver vielleicht am prägnantesten: Ohne den Staat käme das Faustrecht.
und @ Meyer am ausführlichsten.
Insofern ist sogar ein schlechter Staat meistens noch besser als gar keiner.

Natürlich gilt ebenso sehr die Aussage, dass viele Staaten monströsen Charakter haben und ein individuelles Ausklinken erfordern.

Libertäre Ansätze zeugen von mangelndem Geschichtsverständnis und einer Art naiv-alternaiv-sehnsüchtiger Romantik.
Und trotz meines Namens: Der Waldgang ist nach Jünger nicht zu verwechseln mit romantisch-anarchistischem Sich-aus-klinken.

.......

Was auch zu bedenken ist:
Ein normaler Staat wird nicht gemacht, gedacht, gewünscht oder konstruiert (Ausnahmen: BRD und DDR, 1949).
Jeder Staat und insbesondere jede Verfassung ist nur das institutionalisierte und in (veränderbare) Regeln gefasste Abbild des jeweils aktuellen Standes im unaufhörlichen Kampf einzelner gesellschaftlicher Interessengruppen.
Diese Interessengruppen können, da stimme ich @ Konservativer sofort zu, natürlich auch von außen gesteuert sein ... !

Kulturelle Gemeinsamkeiten sind dennoch als Bindemittel unverzichtbar, sonst kippt es entweder in die offene Gewalt oder in die totale Manipulation.

Meyer

27. April 2015 17:52

@ rautenklause:

der Mann in der Tür ist selbst dann noch im politischen Sinne inexistent, er nicht bloß mit zwei Söhnen, sondern noch mit seinen Brüdern, dessen Söhnen und sogar ganzen vier eigenen Söhnen vollzählig antritt. Selbst dann wenn seine Nachbarn das gleiche machen.

Relevant im politischen Sinne wird es, wenn aus der Vielheit eine Einheit wird: Zentral gelenkt und nicht nur organisatorisch sondern auch geistig durchgeformt ist.

Und diese dann die Haustüren konsequent verlassen. Nach draußen. Mit einem klaren Zweck. (Welcher auch immer.) Dieses Können ist gleichzeitig die Basis und wiederum Zweck der Politik. Darauf stützt sie sich, das muß sie erhalten und ausgebaut wissen.

Alles andere ist harmlos.

simon

27. April 2015 19:57

Ja wir brauchen einen Staat - wahr ist aber, wir brauchen keinen Staat mit Millionen von Beamten und öffentlichen Bediensteten und 60 PRozent Umverteilung.

Das preußische Staat wurde unter Friedrich dem Großen von einigen hundert Beamten geführt.

Das haben sie nicht schlecht gemacht. Besser auf jeden Fall als unser Verdi-Staat heute.

Vulture

28. April 2015 00:20

Danke für den schönen Artikel Herr Meyer! Natürlich wird Ihnen von Seiten einiger Kommentatoren sofort libertäres Gedankengut unterstellt. Ich habe den Artikel nicht in diesem speziellen Sinne der Forderung nach Abschaffung des Staates als politischen Akt verstanden. Eher als eine Art innere Emigration vom Staat, also klein-klein, bei mir selbst Anzufangendes.
Der Staat ist heute so übermächtig, dass ich mich schon wundern muss wieso einige Rechte sich vor jedem libertären Gedanken fürchten wie der Teufel vor dem Weihwasser. Der liebe Staat wird davon schon nicht gleich in Spontanverpuffung dahinscheiden. Es gab ja hier jüngst schon mehrere Threads mit dieser Konfrontation Libertär vs. Rechts bis Linksnational.

Ein paar Gedanken zum Ausgleich:
In Naturwissenschaften und Technik ist es selbstverständlich, dass zu jeder Theorie Grenzen gehören innerhalb deren sie Gültigkeit hat. Im Bereich der politischen Diskussionen hingegen, scheint es Usus zu sein sich eine Theorie zusammen zu lesen und vor lauter Freude über die eigene Erleuchtung auch gleich Universalgültigkeit auf alles und den Rest der Welt zu postulieren.
Nun, könnte es nicht sein, dass auch die libertären Ideen Grenzen der Anwendbarkeit haben? Ich hätte da wohl ein paar konkrete Einfälle, aber da ich diesen metapolitischen Blog respektiere, will ich nun nicht gleich mit weltlichen Banalitäten in den Elfenbeinturm fallen.
Dero Grenzen gibt es sicher auch für einige typisch rechte Vorstellungen. Über die Nationalbolschewiken hüllen wir mal lieber den Mantel der Nächstenliebe.

Redlich fände ich wenn beide Seiten solche Grenzen und Gültigkeiten bestimmen und anerkennen könnten. Ich vermute dass einige Kontrahenten so weit gar nicht auseinander liegen.

p.s. Früher, also so vor rund 1000 Jahren, gab es hier mal eine Vorschaufunktion. Das war nicht schlecht. Garantiert finden sich 23 Tippfehler im Obigen. In dem Vorschaubild sehe ich diese leichter.

Unke

28. April 2015 06:51

Es ist ja interessant. Da sagt ein Artikel: "schaut her, Ihr Staatsapologeten: die Empirie zeigt, dass der Staat per se schlecht ist".
Und was antworten "Konservative"? - Richtig, sie argumentieren wie Gesinnungsmarxisten über den Kommunismus: neinneinneinnein, was interessieren mich die Fakten, ich ich/wie brauche/n einen ("starken") Staat, man muss es halt nur richtig aufziehen...
Und wenn man dann fragt wozu-- wortreiches Schweigen. Da wird dann Staat mit Nation verwechselt oder lächerliche Aufgaben ("Straßenbau!") erfunden, die angeblich nur der Staat bewerkstellige könne (macht er ja bereits heute nicht mehr; schon einmal was von PPP gehört?).
Der BRD-Staat jedenfalls hat eine vorrangieg Aufgabe: die Abwicklung von Deutschland, unseren Ausverkauf. Also sozusagen Grundgesetz auf 180° Grad.

Waldgänger (e.B.) aus Schwaben

28. April 2015 09:21

Freunde des "gehobenen Gedankenaustausches" (GK)!

So wenig es den für linke Utopien idealen Menschen gibt, so wenig gibt es den idealen Herrscher. Herrscher wollen nicht Euer Bestes. Niemals! Sie wollen Macht, immer mehr Macht. Aus einem ganz einfachen Grund.

Jeder Herrscher, und wäre er der beste und edelste Charakter, der zu finden ist, braucht loyale Untergebene, die eine Stufe unter ihm stehend, seine Anweisungen ausführen und ihn beraten. Diese haben wieder Untergebene unter sich und so weiter. Und auf jeder Ebene muss sich der Obere die Loyalität der Unteren erkaufen und die Währung für den Kauf ist Macht.
Deshalb versucht jeder Herrscher und jeder Unter-Herrscher auf jeder Ebene seine Macht zu vergrößern, nicht direkt für sich selbst, sondern um sich dafür Loyalität kaufen zu können.

Deshalb wollen die Träger staatlicher Gewalt immer mehr Macht. Und der Bürger, der sich nicht dagegen stemmt, verliert Macht über seine Leben, wird immer unfreier.

Nun zum Krieg, von dem Libertäre angeblich nichts verstehen. Anstatt das eigene Volk immer weiter zu entmachten, kann ein Herrscher auch fremde Völker entmachten und die so gewonnene Macht zum Kauf von Loyalität verwenden. Er wird dies erst dann tun, wenn ihm Eroberungen notwendig erscheinen, weil das eigene Volk zu widerborstig geworden ist oder schon völlig entmachtet ist. Ein völlig entmachtetes Volk aber wird im Kriege faul sein, weil ihm Sieg oder Niederlage egal sein können. Nur ein Volk mit starker freiheitlicher Gesinnung taugt zum Krieg, weil es die Freiheit schätzt, die es zu verlieren hat.

Dies allgemein zu Krieg. Heute kommt noch Weiteres hinzu. Ein Krieg geführt mit militärischen Mitteln auf höchster technischer Ebene, endete in der völligen Vernichtung beider Seiten. Seit 1945 gibt es nur noch Kolonialkriege. Zwei Eingeborenen-Stämme bekämpfen sich mt primitiven Waffen und zwei im Widerstreit liegende Kolonialherren liefern ihnen Waffen, oder ein einzelner Kolonialherr liefert beiden Waffen. Gerät ein Kolonialherr mal direkt mit einen Eingeborenen-Stamm in einen Krieg, ist die Sache bald beendet. Der Kolonialherr gibt nur auf, wenn der Krieg sich für ihn nicht mehr rechnet.

Das Ringen um Weltmacht, erfolgt heute auf andere Weise. Auf dem Feld der Wirtschaft, in den Medien, auch durch Schnüren innenpolitischer Konflikte beim Feind, oder beim zu unterwerfenden Volk. Gegebenfalls werden dann auch, z.B. durch Einwanderung, die Voraussetzungen für innenpolitische Konflikte erst geschaffen.
Hier bieten auch , Staaten, die dem eigen Volk größtmögliche Freiheit gewähren, die besten Voraussetzungen: Freies Unternehmertum, Freie Presse, Direkte Demokratie auf allen Ebenen, selbstverantwortliche Bürger, statt vom Staat rundumversorgte Untertanen. Ein solcher Staat ginge bestgerüstet in zukünftige Kriege.

@Vulture

p.s. Früher, also so vor rund 1000 Jahren, gab es hier mal eine Vorschaufunktion. Das war nicht schlecht. Garantiert finden sich 23 Tippfehler im Obigen. In dem Vorschaubild sehe ich diese leichter.

JA !!!!

Stil-Blüte

28. April 2015 13:11

@ Waldgänger aus Schwaben

...Herrscher wollen nicht Euer Bestes. Niemals! Sie wollen Macht, immer mehr Macht... Jeder Herrscher, und wäre er der beste und edelste Charakter...braucht loyale Untergebene...Deshalb versucht jedfer Herrscher...seine Macht zu vergrößern... Deshalb wollen die Träger staatlicher Gewalt immer mehr Macht...

Einspruch, lieber Waldgänger. Wer sich mit dem Preußentum ein wenig beschäftigt hat, vielleicht sogar selbst daraus hervorgegangen ist und das heute noch spürt, findet andere Kanäle der Machtausübung.

Vorgeführt wird mehr als genug Friedrich der Große, weil er 'Staatsräson' und 'Dienen' zu vereinen, aber vor allem zu reflektieren wußte.

Sein Vater, der 'Soldatenkönig' - Nomen ist hier eben nicht Omen - hat sich mit allen Mitteln aus allen Kriegen, die zur damaligen Zeiten liefen (Karl XII. lässt als jugendlicher Haudegen grüßen), herausgehalten.

Privater/persönlicher Charakter: Monster. Was sagt uns das? Ein Charakterschwein im Privaten hat nichts mit Staatsraison als Souverän zu tun. (Das ist ja gerade die heutige Masche: Tritt ein Staatsmann als Souverän, heute nur als Adjektiv 'souverän' auf, wird alles getan, ihn persönlich zu disqualifizieren.

Zurück zum Soldatenkönig: Er war weniger weise als stark. Demonstration der Stärke nach außen: Lange Kerls! Abschreckung! Innen: Besiedelung durch die von der Pest entvölkerten Teile Pommerns, Mecklenburgs mit verfolgten Protestanten, Aufbau Potsdams, Sparsamkeit (keine Schulden) an Personal und persönlichem Reichtum, Existenzsicherung durch Unabhängigkeit von Exporten, Sicherung (und nicht Erweiterung) gegen jederzeit bereite kriegerische Nachbarn: Er hat über sein Land den Überblick behalten. Das einzige, was man ihm nachsagen könnte, daß er das Heiraten seiner Kinder (Wilhelmine und Friedrich II) mit so harten Bandagen erzwingen wollte, daß es scheitern mußte (Haus Hannover - England). Wäre es ihm gelungen, wer weiß, hätte es vielleicht weder das Kolonialreich England und den Nationalsozialismus nicht gegeben.

Gnadenlos gegenüber seiner eigenen Brut - man lese nur die Memoiren seiner Tochter Wilhelmine, der Prinzessin von Bayreuth), wenn sie nicht der Staatsraison gehorchten (Heiratspolitik um des lieben Friedens willen), aber ebenso gnadenlos gegenüber seinem eigenen Handeln, Dimensionen, die sich heute noch spärlich als sog. deutsche Tugenden bzw. preußische Sekundärtugenden finden lassen: Prinzipientreue, Disziplin, Pflichtgefühl, Ordnung, Zuverlässigkeit, Fleiß, Gemeinsinn geht vor Eigensinn

Lieber Waldgänger, bitte nennen Sie mir einen einzigen Staat heute oder früher, wo es v o r a u s s c h a u e n d Nutzen für ein Volk brachte:

...Hier bieten Staaten, die dem eigenen Volk größtmögliche Freiheit gewähren, die besten Voraussetzungen: Freies Unternehmertum, freie Presse, direkte Demokratie auf allen Ebenen, selbstverantwortliche Bürger...

Meyer

28. April 2015 14:04

Den Aufsatz anders interpretiert(nach @Vulture): Die Emanzipation des Individuums von der BRD ist zu begrüßen. Nicht etwa aus allgemeinen Erwägungen heraus, sondern aus der prekären Lage der BRD: Zu unentschieden, um souverän sein zu wollen; zwischen Macht und Ohnmacht undefiniert herumpendelnd.

Wohlwollendes Verhalten der Verantwortlichen der BRD und das Streben nach Selbsterhalt ist kaum erkennbar. Es muß mühsam - unter dem unbeweisbaren Postulat des guten (aber versteckten) Willens der Handelnden - hereininterpretiert werden. Wohlwollen derv Handelnden und eine langfristige Strategie kann aber genausogut auch schlicht fehlen.

Will sich die BRD von der "Westeinbindung" emanzipieren, verdient sie vollste Loyalität und konsequenteste Unterstützung in diesem schwersten aller denkbaren politischen Akte: Der echten Staatswerdung. Es wäre mit der Declaration of Independance der britschen Kolonien in Nordamerika zu vergleichen. Eine Eruption mit globaler politischer Auswirkung.

Solange dies aber nur eine - sogar unwahrscheinlichere - Interpretation ist, ist eine Emazipation schon aus Selbstschutzgründen zwingend erforderlich. Sollte die BRD tatsächlich keine andere Rolle als eine Selbstverwaltungskörperschaft von amerikanischen Gnaden spielen, so wäre sie kein Vehikel zur anzustrebenden Souveränität, sondern zur Verfestigung von Fremdherrschaft. Das dazugehörige Attribut würde dann lauten: Feind. Und unter den Umständen wäre der Ansatz des Aufsatzes zwingend: Schwächung der BRD wo es nur geht.

Da es für uns aus der Froschperspektive völlig unklar ist, wo der Hase langläuft, bleibt die Emanzipation übrig. Aber in neutraler Haltung. Neutralität zur BRD schließt bereits semantisch einen anderen und getrennten Standpunkt ein. Ich bin nicht lediglich Teil der BRD. Ich besitze für mich selbst Souveränität. Die oberste Entscheidungsgewalt über mich gebe ich nicht aus der Hand. - Übrigens auch bei einem idealen Staate nicht. Dieser verdient lediglich ein Vertrauensvorschuß, den sich die BRD erst erabeiten muß. Spielt sie wohlwollender Weise zur verschleierung ihrer Souveränitätsbestrbungen eine Doppelspiel, so muß sie wissen, daß sie damit auch die potentiell Wohlwollenden Bürger täuscht. daß sie amerikanische Institutionen nicht täuschen kann, dürfte durch die Ereignisse der letzten Jahre bewiesen worden sein. Die Doppelzüngigkeit schadet mehr als nutzt. Selbst wenn Wohlwollen unterstellte, so würde es von den Handelnden immer noch schlecht umgesetzt.

Die Handelnden sollten vielleicht mal die aktuell vorliegenden Akten über die Tariferhöhung bei der Müllabfuhr den Staatssekretären überlassen und nochmal die Discorsi zur Hand nehmen. Und dann nochmal und dann nochmal. Nicht der Besitz, sondern die Auslieferung der carthagischen Flotte an die Römer war der Grund für deren Auslöschung. Wenn sie den Rückhalt in der Bevölkerung verliert, vor allen in jenen Teilen, auf die sie sich in Krisenzeiten stützen muß, zwingt sie sich selbst zur festeren Anlehnung an den Hegemon, dem Haus Saud gleich. Feigheit und Zweifel und Unentschlossenheit führen zu Ergebnissen, die man 1914 bestaunen kann.

Hugo

29. April 2015 00:44

Ohne Staat!
Mit Staat!
Ohne Staat!
Mit Staat!
(duck season! rabbit season! duck season! rabbit season! ...)

oh Gott.
Ich will einen minimalistischen und starken Staat. Es soll, wie es @Martell mit den Zitaten von Friedrich II belegt, die Aufgabe des Staates sein die Bürger innen voreinander und nach außen vor Feinden zu schützen und ansonsten FREIHEIT walten zu lassen. Ein schlanker Staat ist ein gesunder Staat!

Dieser Staat hier ist fett wie ein Krebsgeschwür im Endstadium. Überall wuchert es, wo es niemand braucht. Die Abgabenlast liegt bei 70% und die Freiheit geht bald schon gegen null.

Ich will DIESEN Staat nicht! Zu viele Unwürdige machen diesen Staat aus und jede dieser Krebszellen strebt nach Wachstum: noch mehr Verordnungen, noch mehr Zuwendungen für die anderen Krebszellen, noch mehr Blut aus dem schrumpfenden gesunden Gewebe saugen. Bürokratie ernährt nur den Tumor und erstickt, was an Nährboden übrig ist.

Der Staat, dieser Staat, ist in der Tat ein Ungeheuer, ein Moloch, der nur eines kann: wachsen, bis sein Wirt unvermeidlich unter der Last seiner Geschwüre zusammenbricht.

"Was können wir noch für Sie tun?" fragt der Staat und richtet gierige Augen auf meine Wünsche. "Dich abschaffen und mich ansonsten in Ruhe lassen" lautet meine Antwort. So wandert er weiter zum nächsten Opfer, das ihm nur zu bereitwillig seine Bedürfnisse auflistet. Schlägt man einen Kopf ab, wachsen drei neue nach.

Denis

29. April 2015 08:22

Ich denke, ein Grundproblem des Anarchismus bisher war, dass das Vertrauen darauf, dass jemand sein Wort hält, nur in kleinen Gemeinschaften funktionierte - wo jeder Wortbruch mit einem "wer einmal lügt ..." bestraft werden kann. Es funktioniert in großen Gemeinschaften nicht mehr, weil man nicht mehr herausfinden kann, ob jemand sein Wort schon einmal gebrochen hat oder nicht. Und so muss eine Polizei kontrollieren, ob Verträge eingehalten werden.

Wo immer sich Gemeinschaften fanden, die klein genug waren, dass ein Reputationssystem funktioniert, braucht es keinen Staat, und Reputation hat für alle Beteiligten bessere Ergebnisse gebracht als Polizei. Egal ob es die Stämme der Urzeit waren, oder Dorfgemeinschaften, oder auch Berufsgruppen, die eigene Berufsethiken entwickelten, oder auch die Eliten selbst.

Reputationssysteme brauchen nicht erzwungen zu werden, alles was für sie notwendig ist, machen Menschen automatisch im Eigeninteresse - sowohl Informationen über die Vergangenheit ihrer potentiellen Vertragspartner zu suchen, als auch Information über Vertragsbrüche anderer zu verbreiten. Sie brauchen daher keinen Staat, sie brauchen nur eine funktionierende Informationsstruktur.

Aber die heute zu schaffen, und das global, offen für alle, ist technisch kein Problem mehr. Was technisch möglich ist, wird auch irgendwann geschaffen werden, und wenn es nützlich ist, wenn Leute sich daran freiwillig beteiligen, wird es sich ausbreiten.

Dann haben wir eine neue Welt - eine, in der Verträge ganz ohne Staat eingehalten werden, weil die Strafe für Vertragsbruch die Information der ganzen Welt darüber sein würde. Dies würde eine neue, sehr alte Moral zur Folge haben - die Moral, dass das eigene Wort für jeden das höchste Gesetz ist. Eine Moral souveräner, freier Menschen.

Hat der Staat noch eine Chance gegen ein solches System?

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