deutscher Zunge mitzuwirken, setzte ein für mich selbst überraschend langer Überlegungsprozess ein. Vor wenigen Jahren noch hätte ich in jugendlichem Ungestüm sofort begeistert zugesagt. Mittlerweile haben sich einige Dinge ereignet, die politisches Schreiben und Tun für mich immer fragwürdiger werden ließen. Ich will in diesem ersten Eintrag, statt einer persönlichen Vorstellung, erzählen, warum ich diese Chance dann doch dankend wahrgenommen habe.
Eine Pflicht
Seit ich denken kann, ist mein Leben eine „politische“ Existenz. Es war ein Wort von Bogislav von Selchow, das mich irgendwann in früher Jugend wie ein Blitz traf und mich in eine Verpflichtung gestellt hat, die bis heute andauert: „Wer, wenn der Feind im Lande ist, als Mann etwas anderes, als den Schimpf zu rächen, reden, schreiben oder denken kann, begeht am Vaterlande ein Verbrechen.“
Dieser Einschlag hat mein Leben, Denken und Schreiben in ein politisches Fahrwasser gestoßen. Seitdem kreist es in zahlreichen Aktionen, Texten, Irr- und Umwegen um die Frage, wer oder was dieser „Feind“ ist und wie er zu bekämpfen sei.
Im Laufe meines Weges baute sich eine gewisse Spannung zwischen Denken und Tat, zwischen der Existenz als politischer „Intellektueller“ und politischer „Aktivist“ auf, die im Moment ihren Zenit erreicht hat. Sie war es, die mir die Entscheidung, für die Sezession zu schreiben, erst zur Frage gemacht hat. Der Pragmatismus, die Propaganda der Tat, die normative Kraft des Faktischen, das Organisieren von Aktionen, Erstellen von Grafiken und Flugblätter, das Verfassen von Reden, das Schmieden politischer Blöcke – das alles ist eine geistige Welt für sich, die im schärfsten Kontrast zur Offenheit, zur Variation, zur Sensibilität und Empathie steht, auf die jede echte geistige Arbeit nicht verzichten kann. In der einen Welt kann und darf es keine Dogmen und vorgefertigten Zielbestimmungen geben, die andere lebt gerade vom ideologischen Abbruch der Reflexion und der Verkürzung.
Bloggen unter Spannung
Um diesen Widerspruch in ein konkretes Bild zu fassen: Derzeit liegen auf meinem „Nachttisch“ ein DIY-Buch über „Political Campaigning“ neben „Sein und Zeit“, ein Handbuch zu Grafik und Design unter einem Kommentar zu Georg Trakls Dichtung. Immer noch bin ich mir nicht klar darüber, ob diese Existenz zwischen zwei Welten, die einander oft mißtrauisch bis verächtlich gegenüberstehen, überhaupt möglich ist. Ob sich diese Spannung nicht irgendwann rächen und mich mit Gewalt in eine Schneise werfen wird.
Zudem, das muß dem Leser als caveat vorangestellt werden, hat diese „gespaltene Existenz“ meinen Stil geprägt. Die „literarischen“ Ergüsse meines Denkens waren bisher nur auf anonymen Blogs in endlosen theoretischen Textwänden und seitenlangen Konvoluten zu finden – oder als grelle, knappe Parolen auf Flugblättern und Plakaten. Eine „aphoristische“ Form wie dieser Blog, die zwischen der völligen Verknappung und dem entgrenzten Umkreisen liegt, war mir bisher fremd. Ob ich mich ihr annähern kann, wird sich im Verlauf meiner „Blogger-Gehversuche“ herausstellen, die der geduldige Leser hoffentlich mit etwas Nachsicht in Hinsicht auf Stilfragen begleiten wird. Meine Einträge werden also wohl in einer gewissen Spannung des Inhalts und der Form stehen und möglicherweise stufenlos zwischen diesen beiden Welten hin- und herschnalzen.
Ums Ganze
Der Grund, warum ich trotz dieser Spannung und all diesen Überlegungen mit Freude und Begeisterung an diese neue Aufgabe gehe, liegt in einem zentralen Punkt, der für mich wie ein Scharnier zwischen Tun und Denken liegt. Es ist eine brennende Frage, aus der eine Hoffnung brennt.
Nichts ist mir mehr zuwider als zielloser, routinierter Aktivismus, der „Ehrendienst“, der ohne Strategie, ohne Wille zur Eroberung und klares Ziel vor sich hin treibt. Ebensowenig ertrage ich das bienenhafte Anhäufen von Fakten, das archivarische Wühlen und Lustwandeln im „Garten des Wissens“ (Nietzsche), die essayistische Gleichgültigkeit eines literarischen Betriebs, in dem jeder „sein Thema“ findet. Mir ging und geht es immer „ums Ganze“, um die perfekt inszenierte Aktion im Rahmen einer einheitlichen politischen Strategie, welche sich der theoretischen Erkenntnis fügt, die aus einer echten Frage nach Sinn und Wahrheit erwächst.
Doch in dieser Forderung liegt die Einsicht in ein Defizit. Der wahre Antrieb auf und ums „Ganze“ kommt für mich aus einer tiefen Ratlosigkeit, einer uneingeschränkten geistigen Aporie, bezogen auf unsere Zeit, unsere politische Lage und unseren Untergang. Nirgends wurde mir diese Ratlosigkeit tiefer bewusst als in einer Nacht in Verdun.
Verdun
Ich war gerade mit einigen Freunden am Heimweg von einer Konferenz der „Generation Identitaire“. Mit meiner ersten politischen Rede auf Französisch hatte ich, wenn schon keine spontanen Begeisterungsstürme, so zumindest keine diplomatische Krise ausgelöst, war also guter Dinge. Irgendwo auf Höhe des Argonner Waldes quittierte plötzlich unser steinalter Citroen mit einem leisen Röcheln seinen Dienst. Offenbar wollte er noch auf „Heimaterde“ aus dieser Welt treten.
Für uns sehr unerfreulich, denn rasch mussten wir feststellen, dass es um die internationale Zusammenarbeit der Pannendienste nicht gut bestellt ist. Wie auch immer – am Ende des Tages landeten wir, ohne Auto, Essen und leidlich frustriert – ausgerechnet in Verdun. Die Hoffnung auf ein Bier und einen Imbiß im Warmen blieb unerfüllt. Wer meint, daß deutsche Kleinstädte abends „tot“ sind, hat noch nie diese Stadt gesehen…
Halb klammgefroren begannen wir schließlich, recht ziellos durch die Straßen zu wandern. Der Weg führte uns schließlich zu einem Denkmal: Übergroße, reine, weiße Statuen gedachten des französischen Arbeiters und Kriegers und seines Beitrags für den Sieg. Dem „ewigen Ruhm“ Frankreichs und seiner Jugend wurde gehuldigt. Alles strahlte eine einmalige Siegesfreude und Selbstherrlichkeit aus.
War das dasselbe Frankreich, durch das wir tags davor mit dem Auto gefahren waren? Eine völlig überfremdete, islamisierte, gebrochene, verblendete Nation am Rande ihrer Selbstzerstörung?
Mit einem Schlag traf mich eine Erkenntnis. Das Geheimnis des Verfalls, der „Feind“, der „im Lande ist“ – er ist größer und tiefer. Kein bisheriges Modell erklärt die epochale Wende zum Untergang, die Sieger und Besiegte gleichermaßen befallen hat. Die Selbstabschaffung und der Große Austausch der Völker Europas thront über allen alten historischen, nationalen und religiösen Konflikten.
Was wir heute erleben, sprengt alle Erklärungsschemas. Es ist keine „Verschwörung“ der „Feinde“ unserer Heimat. Es ist aber auch kein „Winter der Kultur“, kein Dahinscheiden in „spätrömischer Dekadenz“. Bei vollem Bewusstsein, lustvoll, im Wahn einer „höheren Mission“ und Wahrheit, zerstören wir uns selbst, obwohl wir alle technischen und ökonomischen Mittel hätten, um unser Dasein zu sichern. Es ist eine geheimnisvolle Krankheit am Willen, ein mysteriöser Entzug des Lebenssinns, der Europa ereilt hat und jeden rein kulturellen, ökonomischen, oder „organischen“ Erklärungsversuch sprengt.
Es ist wie Bernanos schrieb: „Die gegenwärtige Unordnung kann man keineswegs etwa mit jener vergleichen, die die Welt nach dem Sturz des Römerreiches verheerte. Wir erleben nicht das natürliche Sterben einer großen menschlichen Kultur, sondern die Geburt einer unmenschlichen Kultur (…).“
Unser Untergang ist ein noch undurchschautes Geheimnis. Wir wissen noch gar nicht, was heute mit uns geschieht. Für mich steckt in dieser Erkenntnis der Nicht-Erkenntnis auch ein echtes Versprechen und eine Hoffnung: Ebenso einzigartig und neu wie dieses suizidale Fieber, ebenso schlagartig und radikal wie sein Aufkommen, könnten auch die Möglichkeiten einer spontanen Regeneration und einer Wende sein.
Mein Denken und Tun hängt dieser Hoffnung und Suche an, und nur als „Logbucheinträge“ auf ihrer Fährte kann vielleicht auch meine „Bloggen“ begriffen werden.
Meier Pirmin
Der zitierte Satz von Bernanos ist schlicht grossartig:
„Die gegenwärtige Unordnung kann man keineswegs etwa mit jener vergleichen, die die Welt nach dem Sturz des Römerreiches verheerte. Wir erleben nicht das natürliche Sterben einer großen menschlichen Kultur, sondern die Geburt einer unmenschlichen Kultur (…).“
Dem darf man hinzufügen: Es gab schon vorher unmenschliche Kulturen. Die aztektische mit ihren Menschenopfern, die chinesische und die islamische gehören mit dazu, Karlheinz Deschner würde die christliche mitrechnen, das alte Aegypten und übrigens auch das Judentum des Alten Testamentes legten den Schwerpunkt nicht auf Humanität. Oder wie es Grillparzer für die letzten 200 Jahre formulierte: "Von der Humanität zur Nationalität zur Bestialität."
Unbeschadet von diesem allem scheint der neue Mitarbeiter, der immerhin seinen Ausführungen trotz Kulturpessimismus den Begriff "Hoffnung" beimengt, ein vielverprechender, nicht viel versprechender, Autor zu sein.