der “Ideen von 1914” ist bekannt und beforscht. Neben dem Schaffen von Kriegsprosa und ‑lyrik zogen viele Dichter selbst den feldgrauen Rock an; etliche – etwa Hermann Löns, Gorch Fock oder Walter Flex – sollten nicht mehr vom “Feld der Ehre” zurückkehren. Wie aber nach Versailler Diktat und Ausrufung der Republik die überlebenden Literaturschaffenden erbittert um eine Deutung des durchlittenen Krieges rangen, harrte lange einer eingehenden Studie:
Diese hat der Literaturwissenschaftler Günter Scholdt nun mit dem fünften Band der Berliner Schriften zur Ideologienkunde, herausgegeben vom Institut für Staatspolitik, vorgelegt.
Bereits in der Endphase der Kriegsanstrengungen hatten sich Gräben zwischen politisch unterschiedlich geeichten Autoren aufgetan. Während der Sozialist und Monarchiekritiker Kurt Eisner als Führer der Münchner Novemberrevolution hervortrat und der “rasende Reporter” Egon Erwin Kisch als Kommissar der Roten Garde von Wien aufmarschierte, trat etwa der Preußenverächter Ludwig Thoma für einen Siegfrieden ohne Kompromisse ein und wandte sich der Lyriker Richard Dehmel noch kurz vor Schluß mit einem Durchhalteappell an die Deutschen. Schon in den frühen Krisenjahren der Weimarer Republik entstanden so unversöhnliche Gegnerschaften, die die schriftstellerische Ausdeutung der ersten vier europäischen Schicksalsjahre im Sinne der titelgebenden »großen Autorenschlacht« dauerhaft bestimmen sollten.
Ehe Scholdt in die Tiefe des Themas einsteigt, stellt er dem Leser dankbarerweise eine anschauliche Lageanalyse zur Verfügung. Charakterisierungen der angenommenen politischen “Lager” sowie ihrer jeweiligen Periodika, Verlage und spezifischer Genres (»Waffen und Ressourcen«) führen auch den eher politisch als literarisch Interessierten rasch in die Situation des deutschen Nachkriegs auf schriftstellerischer Ebene ein. Bemerkenswert ist hierbei insbesondere die Herausstellung der Tatsache, daß der massenhafte Absatz dezidiert “rechter” Kriegsliteratur erst in den späten 1920er Jahren einsetzte, nachdem nämlich die Bücher von Autoren eher “linker” Provenienz die ablehnende Haltung des kriegsmüden Publikums aufgebrochen hatten – insbesondere Remarques Im Westen nichts Neues.
Ausführliche Beschreibungen der (be)schreibenden Zunft im Spannungsfeld zwischen “Burgfrieden” und “Volksgemeinschaft”, zwischen Volk und diffuser “Menschheit”, zwischen Idealismus, Realismus und politischer Stellungnahme machen Die große Autorenschlacht zur Fundgrube an Zitaten und wenig bekannten Anekdoten. Besonders verdienstvoll ist das Kapitel »Jüdische Konversionen«, das die vielseitigen Stellungnahmen prominenter jüdischer Literaten systematisiert und diesen oft zögerlich betrachteten Aspekt anschaulich vorführt – mit überraschenden Belegen, etwa von Kurt Tucholsky an seine spätere zweite Frau (im August 1918): »Ein übereilter Friede, etwa jetzt – wäre jedenfalls das Schlimmste, das uns passieren könnte. Uns, den Deutschen, und uns den zwei.« Eine Bestandsaufnahme wie die Scholdtsche hat man zu diesem komplexen Teil der “deutschen Tragödie” im 20. Jahrhundert noch nicht gelesen.
Günter Scholdt: Die große Autorenschlacht. Weimars Literaten streiten über den Ersten Weltkrieg, Berliner Schriften zur Ideologienkunde, Bd. 5, Schnellroda 2015, 284 S., 15,- € – hier bestellen!
Ulf Friedrich
Ein hervorragendes Buch das ich nur empfehlen kann. Diese Literaturgeschichte der Weimarer Republik ist auf den sonst eher einseitigen linken Büchermarkt ohne Konkurrenz. Professor Scholdt hat in seinem Buch alle politischen Seiten der "Autorenschlacht" zu Wort kommen lassen. Mich beeindruckte vor allen, das linke Autoren schon gegen Ende des Krieges mit ihren Argumenten begannen den Siegern in die Hände zu spielten. Die Novemberrevolution von 1918 wurde dort vorbereitet und agitativ begleitet, der Versailler Vertrag literarisch begrüßt und unterstützt. Kein Wunder das sich dagegen Widerstand formierte. Das notwendige Widerlager in dieser Zeit waren die Autoren der konservative Revolution. Ein konservatives Widerlager fehlt in unseren heutigen Medienbetrieb.