Kratzt Moos und Kraut aus den Bürgersteigfugen. Ein urdeutscher, gut getarnter Saubermann!
4. Juni – Klar haben „alle“ den ZDF- Frontal 21-Beitrag mit Götz Kubitschek gesehen. Ich auch, und mir lief es kalt den Rücken runter, als ich meinen Mann zum ersten Mal – und dann gleich zweimal! – in Zeitlupe sah. Wie er den (freilich „eiskalten“) Blick wendet und plötzlich in die entfernte Kamera schaut: extrem gruselig.
Kurz darauf hatten wir eine Fernsehmannschaft vom mdr hier am Rittergut. Kubitschek gestattete fünf vorher eingereichte Fragen und ein paar Aufnahmen in der Bibliothek. Es gibt freilich keine Hoffnung, daß daraus ein werkgerechter Beitrag entsteht.
Die Redakteurin sagte, angesprochen auf Techniken der Manipulation: Filmsequenzen in Zeitlupe seien doch ganz normal. Dienten der Abwechslung.
Warum sie nicht im Buchlager filmen dürften? Kubitschek: „Weil Sie ohnehin keine Bücher aus meinem Verlag zeigen werden.“ Sondern, wie im Frontal 21-Beitrag geschehen, ein oder zwei der titelmäßig wildesten unter 120.000 Bücher, die der Antaios-Buchversand lieferbar hat.
Klar wurden auch unsere Kinder auf den krassen Vater “aus dem Fernsehen” angesprochen. Wiedermal, die Sachlage ist ja längst bekannt. Schulbusszene, von unseren Schulbuskindern berichtet: „Dem sein Vater ist ein Rechter!“ – „Quatsch, der ist eigentlich voll nett, ich war da schon.“ – „Klar, der ist aber nur nett, solange du nett zu dem bist.“- „Na, ist doch eigentlich jeder?“
5. Juni – Seit Jahren sind wir nicht mehr Stammabonnenten einer Tageszeitung. Oft klagen wir beim Frühstück, während das Radio läuft und schon die Nachrichten tendenziös sind: Ach, eine Zeitung wär schön, dann könnte man dumme Artikel einfach überblättern. Ist dann mal wieder eine Zeitung im Haus, klagen wir schon wieder: Ach, hätt man das Geld lieber den Flaschensammlern vorm Supermarkt gegeben, dann hätt’s wenigstens einen Menschen kurz glücklich gemacht!
Heute allerdings ein großartiger Feuilletonaufmacher in der Süddeutschen. Soziologin Irmhild Saake schildert eine Alltagsszene. Spielplatz, Vater möchte nach Hause, Kind nicht. Vater befiehlt nicht, Vater packt Kind nicht am Arm, Vater sagt:
„Ich kann ja gut verstehen, daß du noch ein bißchen weiterspielen willst. Aber wir müssen doch auch noch essen, und danach muß ich arbeiten. Denk doch auch mal an mich.“
Jaja, tausendmal gehört, so und in Variationen! Saake:
„Kinder betrachten wir schon lange nicht mehr als Erziehungsobjekte. Kinder wachsen als WG-Mitbewohner ihrer Eltern auf. Die probieren, die Welt durch die Augen ihrer Kinder zu sehen und erkennen, daß es ja auch tatsächlich unfair ist, wenn man nicht selbst entscheiden kann, wann man essen will. Die Abgrenzung von den unendlichen Bedürfnissen der Kinder gelingt nur durch den Hinweis auf die Bedürfnisse der elterlichen Mitbewohner, in die sich nun umgekehrt wiederum das Kind hineinversetzen soll.“
Auch ich kenne die Problematik höchstpersönlich und bin heilfroh, daß sich solche Fragen in einer Vielkindfamilie naturgemäß von selbst zugunsten der Autorität erledigen.
Saake schildert und exemplifiziert hübsch, daß das Phänomen der „Augenhöhe“ keineswegs nur Erziehung betrifft. Alle entscheiden überall mit, auch wo es recht eigentlich um Hoheitsbefugnisse geht: in der Schule die Schüler, im Krankenhaus die Pfleger, die Migranten bei der Integration – und jedem fairen Menschen erscheint das als gerecht.
„Nachdem die Soziologie den Kapitalismus nicht abschaffen konnte, wird ihre Herrschaftskritik nun übernommen von ethischen Gremien und von ethisch sensibilisierten Menschen, die hier und jetzt alle Beteiligten auf Augenhöhe bringen wollen“,
schreibt Saake und beschreibt, daß dieser Einfühlungskonflikt hierzulande auch dazu führt, daß
„man problemlos Papstwitze ertragen kann, einem Deutschen mit vielen Üs im Nachnamen Charlie-Hebdo-Karikaturen“
aber nicht zumuten will. Saake hat sich gerade mit Pflanzenethik auseinandergesetzt. Heute wird von Professorinnen auch die Integrität einer Pflanze als „verletzbar“ beschrieben, zumal sie nicht mineralische Härte ausbilden könne. Saakes lakonischer Schlußsatz:
„Und während man das so liest, empfindet man es schon als ungerecht und überlegt, wie es wohl ist, ein Stein zu sein.“
6. Juni – Kinderfest auf Burg Querfurt. Auch der Jägerbund Sachsen-Anhalt hat einen großen Stand. Der Sohn informiert sich intensiv. Blättert in einem Katalog der Firma Mauser, läßt sich die Gewehre erklären, darf auf Nachfrage den Katalog mitnehmen. Darf auch mit Pfeil & Bogen auf Wildattrappen schießen.
„Na, Sohn, vielleicht wirst du mal Jäger?“ Er schließt die Augen, schüttelt den Kopf. Bestimmt nicht! „Ich mein doch: nicht als Beruf. Sondern, daß Du mal den Jagdschein machst, wie der X oder der Y. Da lernt man viel!“ Sohn schüttelt erneut ganz dezidiert den Kopf. „Nee. Ich mag einfach nicht auf Tiere schießen. Das ist mir auf irgendeine Art zuwider.“ – „Aber für Waffen interessierst du dich schon, gell?“ Sohn, wie aus der Pistole geschossen: „Klar! Aber doch nur zur Verteidigung!“
peter789
"Ach, eine Zeitung wär schön..."
Fr. Kositza, ich empfehle Ihnen die Schweizer weltwoche, da erfahren sie Dinge, da würden deutsche Zeitungen vorher die Redaktionen in Brand setzen, bevor sie sowas "Inkorrektes" abdrucken.