die das 16 Kilometer Luftlinie entfernte Glücksspiel-Paradies Monaco besuchen wollen. Vom Donnerstag vergangener Woche bis zum Dienstag spielte sich in der Kleinstadt an der italienischen Riviera eine Tragikomödie ab, die symptomatisch für das vollständige Versagen der EU in der Asylpolitik ist.
Rund 200 illegale Einwanderer, zumeist aus Äthiopien, Syrien und dem Sudan, kampierten seit Tagen demonstrativ vor dem Übergang zur französischen Grenze. Auf ihren Schildern stand: „Wir gehen nicht heim“; „Wir sind Teil einer Welt ohne Grenzen“ und „Wir wollen vorbei“. Für die Stadt an der italienischen Riviera ist das – zumindest in diesem Ausmaß – ungewöhnlich. Zahlreiche der mehr als 50.000 Ausländer, die laut der Küstenwache in diesem Jahr bisher per Boot nach Italien gelangen, dürften versucht haben, die wichtigste Grenze nach Frankreich zu passieren. Einige von ihnen wurden angehalten und abgeschoben, andere kamen durch.
In Italien bleiben wollen die wenigstens. Angesichts der insgesamt 76.000 Menschen, die sich aktuell in italienischen Asylaufnahmezentren befinden, ist Rom jedem, der den Weg nach Frankreich, Deutschland oder Österreich beschreitet, dankbar. Teile der italienischen Hauptstadt gelten angesichts der stetig anschwellenden Invasion illegaler Einwanderung bereits als No-Go-Areas.
Während in den Bahnhöfen von Mailand und Rom die Zeltstädte und Schlafplätze illegaler Einwanderer immer mehr Raum gewinnen, üben sich die politischen Eliten der EU ebenso im Aussitzen wie die Spieler an den Rouletttischen der Kasinos von Monaco. Ein Minister hat nun der Passivität der guten Worte ein Ende bereitet: Frankreichs sozialistischer Innenminister Bernard Cazeneuve ließ – aufgrund des G7-Gipfels – für die illegalen Einwanderern, die über Ventimiglia nach Frankreich einreisen wollten, den Schlagbaum schließen. Rund 200 Illegale protestieren seit Donnerstag lautstark gegen die untersagte Einreise nach Frankreich.
Einige der Afrikaner traten in den Hungerstreik, der Bahnhof dient als Notlager. Rom arrangierte die Einrichtung einer Zeltstadt, eine Notversorgung durch das Rote Kreuz wurde eingerichtet. Mit einem Sitzstreik am Grenzübergang Ponte San Ludovico hofften die Illegalen zugleich, ihrer Forderung nach einer Weiterreise Nachdruck verleihen zu können.
Die einzig richtige Antwort auf die Posse an der italienischen Riviera gab eine Aktion der französischen „Génération Identitaire“: Angelehnt an die internationale Kampagne der australischen Regierung vom vergangenen Herbst demonstrierten circa 20 Franzosen am Sonntag bei Ventimiglia mit dem Banner „No way – you will not make Europa home“ „Um ihre territoriale Souveränität, ihre Sicherheit und ihre Identität zu verteidigen, müssen die Staaten Europas von nun an alle illegal eingereisten Immigranten konsequent abschieben und die Schiffe der Illegalen systematisch zurück in die Heimatländer bringen. Es sei daran erinnert, dass diese Politik der Verweigerung der Einreise in Australien dazu geführt hat, dass kein einziger illegaler Einwanderer mehr auf dem Meer sterben musste“, unterstrich die „Génération Identitaire“ in einer dazu verfassten Pressemitteilung.
Die Reaktion der italienischen Behörden war wohl vor allem dem Umstand geschuldet, angesichts der medialen Dauerpräsenz endlich eingreifen zu müssen: Am Dienstagmorgen löste die Polizei den Sitzstreik auf und brachte die Einwanderer in Aufnahmelager. Nach heftigem Widerstand fügten sich die meisten, circa 60 Illegale flüchteten zu den Felsen am Meer – die Polizei verfolgte sie nicht. Bereits vor der mehr verzweifelten als entschiedenen Reaktion der Behörden hatte die Szenerie von Ventimiglia zu einer Krise der italienisch-französischen Beziehungen geführt.
Während Italiens Innenminister Angelino Alfano die französische Grenzschließung als „Schlag ins Gesicht Europas“ bezeichnete, verwies Cazeneuve auf das Dublin II-Abkommen. Demnach sei, so Frankreichs Innenminister juristisch korrekt, Italien für die Aufnahme und das Asylverfahren der Einwanderer zuständig. Denn in Sizilien haben diese erstmals europäischen Boden betreten.
Die kurzweilige Aufhebung des Schengenraums durch Frankreich kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das Schicksal Europas so oder so auch in Italien entscheidet. Allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres gelangten laut der italienischen Küstenwache über 50.000 illegale Einwanderer in das Land. Aufgrund der Szenerie von Ventimiglia entzündete sich nun erneut der Streit über die Aufteilung der illegalen Einwanderer innerhalb der EU. „Europa muss die Dublin-II-Verordnung ändern. Die internationale Gemeinschaft ist verantwortlich für das, was heute in Libyen passiert. Angefangen von der Intervention vor vier Jahren und der fehlenden Aufmerksamkeit, die anschließend dem Thema gewidmet wurde“, erklärte Italiens sozialdemokratischer Ministerpräsident Matteo Renzi gegenüber der Tageszeitung Corriere della Sera.
Die von der Brüssel eingeräumte EU-weite Verteilung von 24.000 Illegalen aus Italien sei „fast schon eine Provokation“. Wenn Italien nicht mehr Unterstützung erhalte, „haben wir einen Plan B vorbereitet, unter dem in erster Linie Europa zu leiden hätte“, drohte Renzi. Wie dieser Plan B aussehen kann, hatte sich bereits 2013 gezeigt, als Italien Einwanderern aus Libyen 500 Euro sowie eine Aufenthaltsgenehmigung für den Schengenraum in die Hand drückte und sie in den nächsten Zug nach Deutschland setzte.
Dass es einer europäischen Lösung bedarf, deutet auch der Chef der italienischen Rechtspartei „Lega Nord“, Matteo Salvini, an: „Die Regierung ist nicht in der Lage, den Flüchtlingsstrom zu meistern. Die anderen europäischen Länder verteidigen ihre Grenzen, während die EU den Flüchtlingsnotstand einfach ignoriert.“ Auf Facebook ergänzte er: „Die Polizei räumt das Lager der Illegalen bei Ventimiglia. Endlich. Einige widersetzten sich und wollen auf den Felsen bleiben. Ab in den ersten Kahn und alle nach Hause.“ Salvinis Parteikollege Roberto Maroni, Präsident der Lombardei, erklärte bereits seine Region werde keine weiteren Flüchtlinge mehr aufnehmen:
Wer noch Flüchtlinge aufnimmt, wird von der Region weniger Geld erhalten, als abschreckende Maßnahme. Was kann man sonst noch tun? Wir müssen die Flüchtlingsboote am Auslaufen hindern. Nicht mit Bomben, aber mit einer Seesperre. Und die Vereinten Nationen müssen in Libyen Flüchtlingslager schaffen, um die Menschen aufzunehmen, die ihr Leben riskieren, um nach Europa zu gelangen,
unterstrich Maroni. Besonders deutlich brachte das italienische Dilemma der Journalist Lorenzo Stella im nonkonformen Onlinemagazin L´Intelletuale Dissidente auf den Punkt: „Das Signal, das aus Europa kommt, ist – auch wenn es nicht offen erklärt wird – sonnenklar: ‚Wir respektieren die Menschenrechte, vor allem die, mit denen sich Italien beschäftigen muss, aber wir machen das auf eine Weise, dass dieser Notfall ein italienisches Problem bleibt – denn wir haben schon unsere eigenen Probleme.’“
Wer freilich so denkt, könnte bald sein eigenes Ventimiglia vor der Haustür erleben. Am Bozener Bahnhof, entlang der Gleise nach Innsbruck und München, zeichnen sich bereits ähnliche Szenarien wie in Mailand oder Rom ab. Rund 200.000 Bootsflüchtlinge erwarten die italienischen Behörden dieses Jahr. Angesichts dieser Invasion erscheint die Szenerie von Ventimiglia wie eine Posse.
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+ Die Studie zur Invasion
+ Der Roman zur Invasion
+ Die Kampagne zum Großen Austausch
Belsøe
Dublin II hat eine grosse Schwachstelle: den geographischen Gegebenheiten nach bürdet es einigen wenigen Ländern an den Aussengrenzen (nicht den wohlhabendsten und organisiertesten) überproportional viel Arbeit auf, weil fast jeder Ankömmling die EU über diese Länder betreten muss.
Zumindest was die Durchführung von Grenzsicherung, praktischer Versorgung der Illegalen, bürokratischer Fallbearbeitung und Verteilung/Abschiebung angeht, kann man natürlich nicht von einer handvoll Ländern erwarten, dass sie die Steuerung und Abriegelung alleine stemmen. Da ist allerdings mal die berühmte Solidarität gefordert - nicht zuletzt im eigenen Interesse, und natürlich unter den richtigen Vorzeichen.
Dass in Italien mafiöse Strukturen an der (oft würdelosen) Unterbringung von Flüchtlingen kräftig verdienen und auf Kosten der Italiener und der gesamten EU entsprechend Nachschub wollen und befördern steht auf einem anderen Blatt - ob es wirklich nur Nordafrikaner sind, die die libyschen Behörden bestechen? Die berühmten 500€-Flüchtlinge sollen aus genau solchen Mafialagern gekommen sein, meist dann wenn sie mit Erreichen der Volljährigkeit aus der (mit besonders lukrativem Tagessatz versehenen) Minderjährigenbetreuung herausfallen. Das ganze lässt sich in einem hochinteressanten Artikel namens "Die Paten von Rom" ergooglen - eine Kloake! Um so wichtiger, dass bessere Strukturen zur Hantierung des Problems unterstützt werden.