zum 10. Staatspolitischen Salon auf dem Haus der Berliner Burschenschaft Gothia strikt im Rahmen seiner Funktion als Islamwissenschaftler. Der Versachlichung der Debatte diente bereits die Umwidmung seines Beitrags:
Anstelle von “Warum der Islam nicht zu Deutschland gehört” lautete das neue Thema “Die Sorge der Orientalistik”; der Arbeitstitel sei schlicht zu »dämlich« gewesen.
Gleich zu Anfang räumte Tillschneider auch mit den Hoffnungen einiger Konservativer auf, das deutsche Wesen könne sich nach dem Motto »besser Islamisierung als Amerikanisierung« in irgendeiner Weise am strikten mohammedanischen Wertekorsett hochziehen. Mit solchen Gedanken begebe man sich auf den abschüssigen Boden klischeehaft-antideutscher Wertungen, wie sie etwa Claude Lévi-Strauss bereits 1955 in seinen Traurigen Tropen sarkastisch ausformuliert hatte:
Und so entstehen auch jene beiden soziologisch so bemerkenswerten Gattungen: der germanophile Mohammedaner und der islamisierte Deutsche; wenn eine Polizeiwache religiös sein könnte, würde sich ihr der Islam als die ideale Religion anbieten: strenge Einhaltung des Reglements (fünfmal täglich Gebete, wobei jedes einzelne fünfzig Kniebeugen erfordert); Musterung und Körperhygiene (rituelle Waschungen); männliche Promiskuität sowohl im geistigen Leben wie bei den organischen Verrichtungen; keine Frauen.
Eine solche Fokussierung auf ethno-morphologische Vorurteile nütze niemandem; vielmehr gelte es, jenseits politisch motivierter Synthesenproduktion die klaren Unterschiede und Gegensätze der Kulturen zu erforschen und herauszustellen. An diesem einzig redlichen Ansatz änderten auch frühere Einlassungen mit dem Orient, etwa der »Dschihad made in Germany« des Orientalisten Max von Oppenheim im Zuge des Ersten Weltkriegs, rein gar nichts. In den Hochzeiten der deutschen Orientalistik im Kaiserreich habe dem Kontakt mit dem Islam stets der Charakter einer »Expedition«, eines »Vorstoßes ins Fremde«, innegewohnt. Heutzutage bestehe dieser Kontakt hingegen in der »aufdringlichen Präsenz des Fremden vor unserer Haustür«, und eine redliche Wissenschaft tue gut daran, sich nicht vor den politischen Karren spannen zu lassen, da Analogien zwischen Kulturen längst noch keine echte Werterkenntnis bildeten.
Fundamental divergierende Kulturen hätten sich vielmehr »de facto nichts zu sagen«, was beispielsweise an den stets erkenntnisleeren Arbeiten von Germanisten aus dem islamischen Raum – insbesondere über den von Islamlobbyisten vielbemühten West-östlichen Divan Goethes – abzulesen sei. Tillschneider erklärte: »Kulturen erzeugen alles, was sie sind, aus sich selbst«; die jeweils identitätsgebundenen Sprachsymbole und ‑charaktere, welche wiederum unmittelbar das Denken beeinflußten, seien zwischen Kulturen allenfalls reproduzier‑, nicht aber übertragbar. Der je Einzelne könne nur den kulturellen Kosmos verstehen, in dem er selbst bereits stehe. In dieser Beweisführung hatte der Referent die hermeneutischen Postulate von Heidegger bis Gadamer auf seiner Seite.
»Losgelöst vom kulturellen Kontext finden wir keinen Halt, um verbindliche Wertungen vorzunehmen« – wichtigste Folgerung hieraus sei die »Unmöglichkeit der Islamkritik« aufgrund der kulturellen Disparität ihrer Protagonisten, etwa eines Michael Stürzenbergers. Dieser unterscheide sich mit seinen agitatorischen öffentlichen Auftritten selbst kaum von den Missionierungsunternehmungen westdeutscher Salafisten. Aus der Erkenntnis, daß es entgegen diffuser Menschheitsuniversalismen »keine kulturtranszendenten Wertmaßstäbe« gebe, folge die Notwendigkeit einer »Hermeneutik des Fremden«, die wie in der Orientalistik nicht verbinden und angleichen, sondern lediglich verstehen wolle. Gleichwohl berge der Wille zum Fremdverstehen stets die Gefahr einer Auflösung des Eigenen (und somit in letzter Instanz des “Endes der Geschichte”); das Verstehen müsse daher in der Erkenntnis münden, eben gerade nicht zu verstehen. Eigenes und Fremdes seien vielmehr streng zu trennen, um so den Sinn für beide Antipoden zu schärfen.
Grundanliegen der zeitgenössischen Politik sei es jedoch, sämtliche Unterschiede wegerklären zu wollen. Dazu sei eine willfährige Islamwissenschaft herangezüchtet worden, wie sie sich etwa im “Corpus Coranicum”-Projekt der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften niederschlage, das durch eine sehr großzügige Auslegung des Begriffs der Spätantike den Koran letztlich in einen abendländischen Traditionszusammenhang einzubinden gedenke.
Dem setzte Tillschneider eine Art Trias der Unvereinbarkeit von islamischer und europäischer Kultur entgegen, wonach 1) das islamische Recht gänzlich inkommensurabel zum hiesigen sei, etwa durch das Fehlen einer Öffentlichkeit im europäischen Sinne und damit auch eines formalen öffentlichen Rechts, 2) dem Islam jedwede Religionsfreiheit abginge und das per Koranauslegung aufgestellte Verbot der Zwangsbekehrung lediglich der Abgrenzung moslemischer Herren von andersgläubigen Unterworfenen gedient habe (woraus sich etwa auch erkläre, daß im Gegensatz etwa zur Bibel der Koran nur auf Arabisch verbindlich sei; die von Schriftgelehrten autorisierten Übersetzungen besäßen lediglich den Stellenwert von Inhaltsangaben), und 3) der Islam niemals eine Aufklärung und den damit verbundenen Einzug von Relativierungen und Kritikfähigkeit durchgemacht habe, was »die Gleichmacher« jedoch rundheraus abstritten.
Es stelle sich nun allerdings die Frage nach den Grundlagen geistig-kultureller Widerstandskraft. Hier sei noch viel Arbeit zu leisten; insbesondere müßten wissenschaftliche Erkenntnisse zur argumentativen Präzisierung des Widerstands herangezogen werden. Wenn etwa Manfred Kleine-Hartlage behaupte, der Kulturrelativismus sei die Grundlage des Multikulturalismus, so gehe dieser dabei bereits von einer lobbywissenschaftlich kontaminierten Definition aus: Ein unverwaschener Kulturrelativismus in konsequenter Form sei als Gegenthese zum Menschheitsuniversalismus vielmehr »der exakte Gegensatz« zum Multikulturalismus und seinen Auswüchsen.
Die »Hermeneutik des Fremden«, wie sie Tillschneider vorschwebt, erkenne dagegen die vorhandenen Unterschiede an und wende sich gegen ein auch dem Universalismus der Menschenrechte innewohnendes Über-/Unterlegenheitsdenken, dessen Advokat etwa auch Hans Olaf Henkel sei.
Niemandem die eigenen kulturellen Bezüge oktroyieren zu wollen, sei geradezu der kategorische Imperativ einer identitären Politik. Der Islam habe – nach Björn Höcke – »eine Heimat«; nur dort könne er »die uneingeschränkten Entfaltungsmöglichkeiten beanspruchen, die wir ihm gerne zugestehen«.
H. S. Schrummleger
»Losgelöst vom kulturellen Kontext finden wir keinen Halt, um verbindliche Wertungen vorzunehmen« – wichtigste Folgerung hieraus sei die »Unmöglichkeit der Islamkritik« aufgrund der kulturellen Disparität ihrer Protagonisten, etwa eines Michael Stürzenbergers. Dieser unterscheide sich mit seinen agitatorischen öffentlichen Auftritten selbst kaum von den Missionierungsunternehmungen westdeutscher Salafisten."
Immer das Gleiche, immer die gleiche Angst vor dem konkreten Tun und vor denjenigen, die etwas Konkretes tun. Man muss kein Anhänger Stürzenbergers sein, aber er ist ein aktiver Teil der Aufklärung. Es gab und gibt keine Aufklärung ohne Zuspitzung, ohne Polemik. Genau das macht er. Was ist daran falsch? Und damit hat er ja auch Einfluss, wenn auch geringen.
Wegner:
Wie in seiner Diskussionssimulation beim ersten zwischentag erwiesen, hat Stürzenberger allenfalls Einfluß auf die Zimmerlautstärke und den Geduldsfaden des Kollegen Lichtmesz. Wenn er jenseits des Agitierens der "Fußgängerzone der Woche" irgendetwas beeinflussen könnte, wäre er längst irgendwo politische eingebunden oder marginalisiert worden; in seiner jetzigen Tätigkeit als Tanzbär der Islamhysterie entfaltet er vielleicht eine rege Reisetätigkeit, aber mehr auch nicht.
Welchen Einfluss hat hingegen eine altklug redende Orientalistik à la Tillschneider? Null. Absolut null Einfluss. Weil sie lieber verschwurbelt redet, und konkrete Vorschläge zur Korrektur der Fehlentwicklung der moslemischen Masseneinwanderung macht sie auch nie. Kann sie aber, wer hindert sie? Konnte ich in dem Artikel aber nicht erkennen. Sie kann ja nicht einmal klares Deutsch, stattdessen diese immer gleichen geschwätzwissenschaftlichen Worthülsen wie Hermeneutik des Fremden, ethno-morphologische, kulturelle Disparität, Kulturrelativismus, Ethnozentristen, Multikulturalismus, kategorischer Imperativ usw. Liebe Leute, das kann man alles in klarem Deutsch formulieren, wirklich alles, die deutsche Sprache kann das spielend leicht, könnt ihr es auch? Das hätte dann auch den kleinen Vorteil, das alle Leute verstehen, was ihr sagen wollt. Interessante Möglichkeit, oder?
Zum Schluss, was den West-Östlichen Diwan betrifft: Das war Goethes größter Ladenhüter. Die Erstauflage konnte man noch Anfang des 20. Jahrhunderts käuflich erwerben, sieben Jahrzehnte nach Goethes Ableben. Und das der Diwan später mehr Leser bekommen hat, möchte ich bezweifeln. Auch hier gilt: Keine Leser, keinen Einfluss.