»Unvergleichbare Fremdheit« – Tillschneider über den Islam

Wer einen Abend zur Islampolitik der AfD erwartet hatte, ging fehl: Dr. Hans-Thomas Tillschneider bestritt seinen Vortrag...

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

zum 10. Staats­po­li­ti­schen Salon auf dem Haus der Ber­li­ner Bur­schen­schaft Gothia strikt im Rah­men sei­ner Funk­ti­on als Islam­wis­sen­schaft­ler. Der Ver­sach­li­chung der Debat­te dien­te bereits die Umwid­mung sei­nes Beitrags:

Anstel­le von “War­um der Islam nicht zu Deutsch­land gehört” lau­te­te das neue The­ma “Die Sor­ge der Ori­en­ta­lis­tik”; der Arbeits­ti­tel sei schlicht zu »däm­lich« gewesen.

Gleich zu Anfang räum­te Till­schnei­der auch mit den Hoff­nun­gen eini­ger Kon­ser­va­ti­ver auf, das deut­sche Wesen kön­ne sich nach dem Mot­to »bes­ser Isla­mi­sie­rung als Ame­ri­ka­ni­sie­rung« in irgend­ei­ner Wei­se am strik­ten moham­me­da­ni­schen Wer­te­kor­sett hoch­zie­hen. Mit sol­chen Gedan­ken bege­be man sich auf den abschüs­si­gen Boden kli­schee­haft-anti­deut­scher Wer­tun­gen, wie sie etwa Clau­de Lévi-Strauss bereits 1955 in sei­nen Trau­ri­gen Tro­pen sar­kas­tisch aus­for­mu­liert hatte:

Und so ent­ste­hen auch jene bei­den sozio­lo­gisch so bemer­kens­wer­ten Gat­tun­gen: der ger­ma­no­phi­le Moham­me­da­ner und der isla­mi­sier­te Deut­sche; wenn eine Poli­zei­wa­che reli­gi­ös sein könn­te, wür­de sich ihr der Islam als die idea­le Reli­gi­on anbie­ten: stren­ge Ein­hal­tung des Regle­ments (fünf­mal täg­lich Gebe­te, wobei jedes ein­zel­ne fünf­zig Knie­beu­gen erfor­dert); Mus­te­rung und Kör­per­hy­gie­ne (ritu­el­le Waschun­gen); männ­li­che Pro­mis­kui­tät sowohl im geis­ti­gen Leben wie bei den orga­ni­schen Ver­rich­tun­gen; kei­ne Frauen.

Eine sol­che Fokus­sie­rung auf eth­no-mor­pho­lo­gi­sche Vor­ur­tei­le nüt­ze nie­man­dem; viel­mehr gel­te es, jen­seits poli­tisch moti­vier­ter Syn­the­sen­pro­duk­ti­on die kla­ren Unter­schie­de und Gegen­sät­ze der Kul­tu­ren zu erfor­schen und her­aus­zu­stel­len. An die­sem ein­zig red­li­chen Ansatz änder­ten auch frü­he­re Ein­las­sun­gen mit dem Ori­ent, etwa der »Dschi­had made in Ger­ma­ny« des Ori­en­ta­lis­ten Max von Oppen­heim im Zuge des Ers­ten Welt­kriegs, rein gar nichts. In den Hoch­zei­ten der deut­schen Ori­en­ta­lis­tik im Kai­ser­reich habe dem Kon­takt mit dem Islam stets der Cha­rak­ter einer »Expe­di­ti­on«, eines »Vor­sto­ßes ins Frem­de«, inne­ge­wohnt. Heut­zu­ta­ge bestehe die­ser Kon­takt hin­ge­gen in der »auf­dring­li­chen Prä­senz des Frem­den vor unse­rer Haus­tür«, und eine red­li­che Wis­sen­schaft tue gut dar­an, sich nicht vor den poli­ti­schen Kar­ren span­nen zu las­sen, da Ana­lo­gien zwi­schen Kul­tu­ren längst noch kei­ne ech­te Wert­erkennt­nis bildeten.

Fun­da­men­tal diver­gie­ren­de Kul­tu­ren hät­ten sich viel­mehr »de fac­to nichts zu sagen«, was bei­spiels­wei­se an den stets erkennt­nis­lee­ren Arbei­ten von Ger­ma­nis­ten aus dem isla­mi­schen Raum – ins­be­son­de­re über den von Islam­lob­by­is­ten viel­be­müh­ten West-öst­li­chen Divan Goe­thes – abzu­le­sen sei. Till­schnei­der erklär­te: »Kul­tu­ren erzeu­gen alles, was sie sind, aus sich selbst«; die jeweils iden­ti­täts­ge­bun­de­nen Sprach­sym­bo­le und ‑cha­rak­te­re, wel­che wie­der­um unmit­tel­bar das Den­ken beein­fluß­ten, sei­en zwi­schen Kul­tu­ren allen­falls reproduzier‑, nicht aber über­trag­bar. Der je Ein­zel­ne kön­ne nur den kul­tu­rel­len Kos­mos ver­ste­hen, in dem er selbst bereits ste­he. In die­ser Beweis­füh­rung hat­te der Refe­rent die her­me­neu­ti­schen Pos­tu­la­te von Heid­eg­ger bis Gada­mer auf sei­ner Seite.

»Los­ge­löst vom kul­tu­rel­len Kon­text fin­den wir kei­nen Halt, um ver­bind­li­che Wer­tun­gen vor­zu­neh­men« – wich­tigs­te Fol­ge­rung hier­aus sei die »Unmög­lich­keit der Islam­kri­tik« auf­grund der kul­tu­rel­len Dis­pa­ri­tät ihrer Prot­ago­nis­ten, etwa eines Micha­el Stür­zen­ber­gers. Die­ser unter­schei­de sich mit sei­nen agi­ta­to­ri­schen öffent­li­chen Auf­trit­ten selbst kaum von den Mis­sio­nie­rungs­un­ter­neh­mun­gen west­deut­scher Sala­fis­ten. Aus der Erkennt­nis, daß es ent­ge­gen dif­fu­ser Mensch­heits­uni­ver­sa­lis­men »kei­ne kul­tur­tran­szen­den­ten Wert­maß­stä­be« gebe, fol­ge die Not­wen­dig­keit einer »Her­me­neu­tik des Frem­den«, die wie in der Ori­en­ta­lis­tik nicht ver­bin­den und anglei­chen, son­dern ledig­lich ver­ste­hen wol­le. Gleich­wohl ber­ge der Wil­le zum Fremd­ver­ste­hen stets die Gefahr einer Auf­lö­sung des Eige­nen (und somit in letz­ter Instanz des “Endes der Geschich­te”); das Ver­ste­hen müs­se daher in der Erkennt­nis mün­den, eben gera­de nicht zu ver­ste­hen. Eige­nes und Frem­des sei­en viel­mehr streng zu tren­nen, um so den Sinn für bei­de Anti­po­den zu schärfen.

Grund­an­lie­gen der zeit­ge­nös­si­schen Poli­tik sei es jedoch, sämt­li­che Unter­schie­de weg­er­klä­ren zu wol­len. Dazu sei eine will­fäh­ri­ge Islam­wis­sen­schaft her­an­ge­züch­tet wor­den, wie sie sich etwa im “Cor­pus Coranicum”-Projekt der Ber­lin-Bran­den­bur­gi­schen Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten nie­der­schla­ge, das durch eine sehr groß­zü­gi­ge Aus­le­gung des Begriffs der Spät­an­ti­ke den Koran letzt­lich in einen abend­län­di­schen Tra­di­ti­ons­zu­sam­men­hang ein­zu­bin­den gedenke.

Dem setz­te Till­schnei­der eine Art Tri­as der Unver­ein­bar­keit von isla­mi­scher und euro­päi­scher Kul­tur ent­ge­gen, wonach 1) das isla­mi­sche Recht gänz­lich inkom­men­su­ra­bel zum hie­si­gen sei, etwa durch das Feh­len einer Öffent­lich­keit im euro­päi­schen Sin­ne und damit auch eines for­ma­len öffent­li­chen Rechts, 2) dem Islam jed­we­de Reli­gi­ons­frei­heit abgin­ge und das per Koran­aus­le­gung auf­ge­stell­te Ver­bot der Zwangs­be­keh­rung ledig­lich der Abgren­zung mos­le­mi­scher Her­ren von anders­gläu­bi­gen Unter­wor­fe­nen gedient habe (wor­aus sich etwa auch erklä­re, daß im Gegen­satz etwa zur Bibel der Koran nur auf Ara­bisch ver­bind­lich sei; die von Schrift­ge­lehr­ten auto­ri­sier­ten Über­set­zun­gen besä­ßen ledig­lich den Stel­len­wert von Inhalts­an­ga­ben), und 3) der Islam nie­mals eine Auf­klä­rung und den damit ver­bun­de­nen Ein­zug von Rela­ti­vie­run­gen und Kri­tik­fä­hig­keit durch­ge­macht habe, was »die Gleich­ma­cher« jedoch rund­her­aus abstritten.

Es stel­le sich nun aller­dings die Fra­ge nach den Grund­la­gen geis­tig-kul­tu­rel­ler Wider­stands­kraft. Hier sei noch viel Arbeit zu leis­ten; ins­be­son­de­re müß­ten wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis­se zur argu­men­ta­ti­ven Prä­zi­sie­rung des Wider­stands her­an­ge­zo­gen wer­den. Wenn etwa Man­fred Klei­ne-Hart­la­ge behaup­te, der Kul­tur­re­la­ti­vis­mus sei die Grund­la­ge des Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus, so gehe die­ser dabei bereits von einer lob­by­wis­sen­schaft­lich kon­ta­mi­nier­ten Defi­ni­ti­on aus: Ein unver­wa­sche­ner Kul­tur­re­la­ti­vis­mus in kon­se­quen­ter Form sei als Gegen­the­se zum Mensch­heits­uni­ver­sa­lis­mus viel­mehr »der exak­te Gegen­satz« zum Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus und sei­nen Auswüchsen.

Die »Her­me­neu­tik des Frem­den«, wie sie Till­schnei­der vor­schwebt, erken­ne dage­gen die vor­han­de­nen Unter­schie­de an und wen­de sich gegen ein auch dem Uni­ver­sa­lis­mus der Men­schen­rech­te inne­woh­nen­des Über-/Un­ter­le­gen­heits­den­ken, des­sen Advo­kat etwa auch Hans Olaf Hen­kel sei.

Nie­man­dem die eige­nen kul­tu­rel­len Bezü­ge oktroy­ie­ren zu wol­len, sei gera­de­zu der kate­go­ri­sche Impe­ra­tiv einer iden­ti­tä­ren Poli­tik. Der Islam habe – nach Björn Höcke – »eine Hei­mat«; nur dort kön­ne er »die unein­ge­schränk­ten Ent­fal­tungs­mög­lich­kei­ten bean­spru­chen, die wir ihm ger­ne zugestehen«.

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

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Kommentare (41)

H. S. Schrummleger

24. Juni 2015 17:04

»Losgelöst vom kulturellen Kontext finden wir keinen Halt, um verbindliche Wertungen vorzunehmen« – wichtigste Folgerung hieraus sei die »Unmöglichkeit der Islamkritik« aufgrund der kulturellen Disparität ihrer Protagonisten, etwa eines Michael Stürzenbergers. Dieser unterscheide sich mit seinen agitatorischen öffentlichen Auftritten selbst kaum von den Missionierungsunternehmungen westdeutscher Salafisten."

Immer das Gleiche, immer die gleiche Angst vor dem konkreten Tun und vor denjenigen, die etwas Konkretes tun. Man muss kein Anhänger Stürzenbergers sein, aber er ist ein aktiver Teil der Aufklärung. Es gab und gibt keine Aufklärung ohne Zuspitzung, ohne Polemik. Genau das macht er. Was ist daran falsch? Und damit hat er ja auch Einfluss, wenn auch geringen.

Wegner:
Wie in seiner Diskussionssimulation beim ersten zwischentag erwiesen, hat Stürzenberger allenfalls Einfluß auf die Zimmerlautstärke und den Geduldsfaden des Kollegen Lichtmesz. Wenn er jenseits des Agitierens der "Fußgängerzone der Woche" irgendetwas beeinflussen könnte, wäre er längst irgendwo politische eingebunden oder marginalisiert worden; in seiner jetzigen Tätigkeit als Tanzbär der Islamhysterie entfaltet er vielleicht eine rege Reisetätigkeit, aber mehr auch nicht.

Welchen Einfluss hat hingegen eine altklug redende Orientalistik à la Tillschneider? Null. Absolut null Einfluss. Weil sie lieber verschwurbelt redet, und konkrete Vorschläge zur Korrektur der Fehlentwicklung der moslemischen Masseneinwanderung macht sie auch nie. Kann sie aber, wer hindert sie? Konnte ich in dem Artikel aber nicht erkennen. Sie kann ja nicht einmal klares Deutsch, stattdessen diese immer gleichen geschwätzwissenschaftlichen Worthülsen wie Hermeneutik des Fremden, ethno-morphologische, kulturelle Disparität, Kulturrelativismus, Ethnozentristen, Multikulturalismus, kategorischer Imperativ usw. Liebe Leute, das kann man alles in klarem Deutsch formulieren, wirklich alles, die deutsche Sprache kann das spielend leicht, könnt ihr es auch? Das hätte dann auch den kleinen Vorteil, das alle Leute verstehen, was ihr sagen wollt. Interessante Möglichkeit, oder?
Zum Schluss, was den West-Östlichen Diwan betrifft: Das war Goethes größter Ladenhüter. Die Erstauflage konnte man noch Anfang des 20. Jahrhunderts käuflich erwerben, sieben Jahrzehnte nach Goethes Ableben. Und das der Diwan später mehr Leser bekommen hat, möchte ich bezweifeln. Auch hier gilt: Keine Leser, keinen Einfluss.

Zarathustra

24. Juni 2015 17:06

@ Nils Wagner

»Ein unverwaschener Kulturrelativismus in konsequenter Form sei als Gegenthese zum Menschheitsuniversalismus vielmehr ›der exakte Gegensatz‹ zum Multikulturalismus und seinen Auswüchsen.«

Sehr treffend formuliert! Voraussetzung dafür ist allerdings die konsequente Überwindung des Universalismus, und das ist im Grunde nichts Geringeres als die tiefenphilosophische Überwindung der ganzen platonistischen Tradition (sprich: Heideggers »anderer Anfang« des Denkens).

Nur dann, wenn wir lernen, die Nicht-Universalität des Eigenen mit dem unbedingten Willen dazu zu kombinieren, d.h. nur wenn wir lernen, es zu verteidigen, trotz der Einsicht darin, daß dieses Eigene weder im universalistischen Sinne vernünftig d.h. für jeden Vernünftigen erfahrbar noch für jeden Vernünftigen verbindlich ist; nur dann hat eine identitäre Wende eine Chance. Sonst bleiben wir unfreiwillige »one-world«-Sklaven.

Dieses Zugleich vom Relativieren (»Skepsis« im folgenden Zitat) und Festhalten hat Nietzsche in seinem Jenseits von Gut und Böse (§209, KSA S. 140) so charakterisiert:

[…] die Skepsis der verwegenen Männlichkeit, welche dem Genie zum Kriege und zur Eroberung nächst verwandt ist und in der Gestalt des grossen Friedrich ihren ersten Einzug in Deutschland hielt. Diese Skepsis verachtet und reisst trotzdem an sich; sie untergräbt und nimmt in Besitz; sie glaubt nicht, aber sie verliert sich nicht dabei; sie giebt dem Geiste gefährliche Freiheit, aber sie hält das Herz streng; es ist die deutsche Form der Skepsis, welche, als ein fortgesetzter und in’s Geistigste gesteigerter Fridericianismus, Europa eine gute Zeit unter die Botmässigkeit des deutschen Geistes und seines kritischen und historischen Misstrauens gebracht hat.

Viele Grüße,
Zarathustra

Tagesgut

24. Juni 2015 20:20

Hätte mich interessiert, ob Tillschneider auch auf Navid Kermani zu sprechen gekommen ist, jenen mit Preisen nur so überhäuften politmedialen Liebling, der uns letztes Jahr im Parlament zum GG-Jubiläum über unsere deutsche Identität belehren und das seiner Meinung nach zu eng gefaßte Asylrecht monieren durfte.

Ist es bei dem Preisregen Zufall, daß dessen Hauptthemengebiete um Islam, Orient, Dekonstruktion der deutschen Identität und Kritik am Christentum kreisen ?

Bran

24. Juni 2015 20:41

Grundsätzlich gehe ich damit einig, dass ein echter Kulturrelativismus wünschenswert wäre. Wir haben unser Eigenes und pflegen es. Die Anderen haben Ihres. Dass dies aber ein Unter-/Überlegenheitsdenken kategorisch ausschliesst, sehe ich nicht ein.

Natürlich: Im islamischen Raum masse ich mir nicht an, die Überlegenheit unserer Gepflogenheiten und unserer Kultur anzupreisen, weil es unstatthaft und vermessen wäre. Jeder Mensch soll in seiner Sphäre das leben, was dort angemessen und vernünftig erscheint. Wenn auf Papua Neuguinea Leute Menschenfleisch essen und Köpfe abschneiden zwecks Trophäengewinn, bekümmert mich das nicht und ich nehme an, dass eine Dissidenz zu diesen Bräuchen von den dort Ansässigen kommen müsste, so sie überhaupt erwünscht ist.

Dass ich aber hier in Europa nicht sagen könnte, dass der Islam eine Scheissreligion ist, weil er überhaupt nicht zu unserem Eigenen passt, das leuchtet mir nicht ein. Für Europäer und für Menschen unseres Kulturkreises, für unsere Traditionen, unser Rechtsverständnis und unser Menschenbild ist das einfach so. Hier in Europa, hier fühle ich mich durchaus überlegen und zwar in dem Sinne, dass WIR hier das Mass der Dinge angeben. In anderen Weltregionen bin ich dafür auch bereit, mich deren Mass zu beugen, weil dies anständig ist und sich so gehört. Diese Erwartung habe ich aber auch an Andere und die Arroganz, dies mit einem gewissen Überlegenheitsgefühl, gebunden an unsere Scholle, zu tun, würde ich mir nie verbieten und finde ich auch alles Andere als unvernünftig. Ganz im Gegenteil: Diese Arroganz ist Grundbedingung und Ausdruck meines Überlebenswillens.

Theosébeios

24. Juni 2015 21:02

Der Text wirft manche Fragen auf, und es ist überdies lästig, dass der Referent nie vergisst, Werbung für die Höcke-AfD zu machen. Das hat doch mit dem Thema nichts zu tun.
Nur drei Anmerkungen zum Inhalt:
a) Sowohl der Westen als auch der Islam erheben universalistische Ansprüche, die sich jedenfalls ideell nicht auf eine "Heimat" begrenzen lassen.
b) Der "diffuse Menschheitsuniversalismus" ist doch aus unserem Eigenen<i, dem kulturellen Substrat Europas erwachsen! Es widerspricht unserer Tradition, hier einen Werterelatvismus einführen zu wollen.
c) Natürlich gestatte ich auch nicht dem Islam (etwa in Gestalt des IS), in der hier behaupteten Heimat, "uneingeschränkte Entfaltungsmöglichkeiten" und etwa christliche Minderheiten nach Herzenslust zu massakrieren. Leute, das sind doch absurde Phantasien. Dass ich den IS aufgrund meiner ethnokulturellen Prägung nicht verstehen kann, will ich gerne einräumen.

Raskolnikow

24. Juni 2015 21:10

Der anmaßende Nichtsnutz,

als der ich immer noch nicht überregional bekannt bin, erlaube ich mir, die modernen Ethnologieen oder Religionensforschungen von außerhalb des beforschten Glaubens als eine Art Vergeilung var. Etiolierung der abendländischen Wissenschaftsidee anzusehen. Reinster Schabernack! Nichtsdestotrotz sind diese Universitätszweige natürlich die Gassenhauer auf dem akademischen Rummelplatz ...

Dr. Tillschneider scheint ja nun nicht das einträglichste Horn zu blasen; jenes also, das den bunt-verständnisvollen Ghettosound der Multikulturalisten schmettert, sondern er erzeugt eher das wohldurchdachte Segregationssignal aufgrund von Verschiedenheit. Das klingt aber leider trotzdem nicht gut.

In dieser Beweisführung hatte der Referent die hermeneutischen Postulate von Heidegger bis Gadamer auf seiner Seite. ...
»Losgelöst vom kulturellen Kontext finden wir keinen Halt, um verbindliche Wertungen vorzunehmen« – wichtigste Folgerung hieraus sei die »Unmöglichkeit der Islamkritik« ...

Rätselhaft wie eh bleibt mir die Heideggersublimation der heutigen "Rechten". Hier sieht man das Gift einmal wirken. Lessings Ringparabel auf die Spitze getrieben. Die Philosophie der Feigheit. Mir erzeugt das Wanstgrimmen. Ich kann nur noch Hauptsätze schreiben ...

Nun sind die, mit großen Worten und Gesten garnierten, Absonderungen akademischer Schreiberlinge nichts Weltbewegendes; aber es schmerzt mich, wenn gerade die Jungen von dünnarmigen Schwarzwaldgrantlern und Religionsethnologen in diese Höhle der Beliebigkeit gezerrt werden.

Selbstverständlich giebt es diesen Halt, selbstverständlich können wir verbindlich werten! Der Himmel ist auch über Medina blau, die Sonne steht mittags am höchsten über Rakka und die lemniskatische Konstante ist in Schnellroda und Baghdad daselbst ebenmäßig.

Auch wenn wir den Bereich hoher Determiniertheiten verlassen, findet sich in Kairo ebensolche Abscheu vor dem heimtückischen Mord wie in München und die Lüge gilt nicht nur in Europa als etwas Schlechtes, sondern auch in Persien. Familie besteht übrigens überall auf der Welt nur aus Mann, Frau und Kindern ... und so weiter. Und wer dies und auch jenes anders sieht, der ist ein hirnverbrannter Irrer und nicht nur der Typ aus dem Gestell gegenüber ...

Heideggers Denken gleicht einer chemischen Kastration; aber warum nur wollen alle so unbedingt kastriert sein ...

Liebe, Wille und Glaube, die Schöpfung sind immer Universalismen, oder sie sind nicht! Und Gott ist tatsächlich das Universalste, das es giebt: die Wahrheit.

Letzteres hat sogar der Heidegger gemerkt. Wer ständig vom Geworfensein schreibt und es schafft, nie den Werfer konkret zu erwähnen, ahnt wohl, wie sehr er irrt. Vielleicht ist mir das aber auch entgangen ...

Ich möchte allerdings - der Fachmann hat es auch so bemerkt - keineswegs mit Stürzenbergers Bande in Verbindung gebracht werden. Wer eine lustige, falsche Religion (Koran) durch eine witzlose, falsche Religion (Grundgesetz) ersetzen will, ist wohl nicht bei Trost.

Salaam,

R.

Carl Sand

24. Juni 2015 21:26

@Schrummleger

Ach, ich würde am ersten Einleitungssatz, blind verkostend, Wachspfropfen in der Nase und Bohnen in den Ohren, sogar mit der Buntstiftleckermaske aus Wetten Dass auf dem Gesichtserker so manche Zeitschrift herausschmecken können.

Spiegel:

"(Szenische Sequenz, Schnittartig, Kamera fährt heran):
Klebrig fühlt Anna sich oft auf dem Heimweg in der leeren U-Bahn. Im Schattenmillieu des Berliner Rotlichtbezirks, gleich neben bürgerlichen Villenvierteln der Wohlanständigkeit (Überleitung zu Häme und Sozialkritik) lässt die junge Hure einiges über sich ergehen (Nahaufnahme, heischender Identifikationszwang): heißes Wachs zum Beispiel und jede Menge Freier(Voyeurismus und Klebrigkeit). Freier die fünf Minuten vorher noch Familienväter spielten (Häme, mehr davon). Fünf Gehminuten vom Kudamm, wo Helmut Kohl (der durfte nie fehlen) mit Provinzlern, Geschäftskreisen und übermüdeten Referenten noch gern bis in die Morgenstunden bei Pfälzer Saumagen zu beraten pflegte."

Bild:

"Sprengt Putin den Nordpol???
Expertenalarmiert, Merkel berät Krisenplan.
Russische Forscher bereiten gemeinsam mit russichen Marinestreitkräften eine Expedition vor. Dabei wollen sie neben gefährlichen Wetterexperimenten auch Pinguine sezieren. Experten vermuten gigantische Ölreserven unter der größten Pinguinkolonie des Naturerbes am Nordpol. Wird Putin Deutschland das Benzin abdrehen?"

Sezession:

"Ein unverwaschener Kulturrelativismus in konsequenter Form isti als Gegenthese zum Menschheitsuniversalismus vielmehr ›der exakte Gegensatz‹ zum Multikulturalismus und seinen Auswüchsen. Dies enthüllt sich jedem Kundigen, der im Heuristikzitat Heideggers Hermeneutik in Bezugnahme auf Großraumordnungsgedanken Haushofers mehr zu entdecken mag, als den Habilitationsversuch hypertropher Hybris. Es folgt ein Kurzrepititorium der Größtgeistesgeschichte, in der Kommentatoren mit perferkter Themensicherheit noch das Nietscheentchen uns entdecken. Carl Schmidt - fehlt. Nächstesmal. Versprochen. Dies wurde auf einem... politschen Vortragsabend ...offenbar erörtert... ach ja, da war noch was... noch ein kurzer Abschlussabsatz... Kleine Hartlage, Lieblingshöcke (Der redet auch so schön), Hans Olaf uuuund Schluss."

PI:

Den geistig herausgeforderten Stil Stürzensbergers kriege ich aber leider nicht hin. Oder doch??? Gwaharharharhaa (wahnsinniges Weltherrscherlachen)

"Ein Islammann hat meinen Hund gefressen. Und mit einem Esel böse Dinge getan. Und den Kopf abgeschnitten. Die wollen sowas auch mit uns tun. Böse Dinge und den Kopf ab. Das kommt von Hitler. Islam ist Hitler. Hitler schlimm. Hitler ganz schlimm zu Juden. Amerika hat Hitler weg gemacht. Amerika gut. Jetzt ist Hitlerislam Gefahr für Amerika. Deswegen bekämpft Amerika Hitlerislam. Mit Freiheitsbomben. In jedem Islammann steckt ein radikaler Islammann, der nur aus ihm rauswill. Deswegen ist das gut, das durch die Freiheitsbomben das mehr werden. Erst dann kann Amerika die nämlich befreien. Das hat auch bei uns damals geklappt. Deswegen muss der Islammann das Grundgesetz gutfinden. Und nicht mehr den Hitlerislam."

Ich weiß - zu intellektuell. Stürzi ist schwierig.

Langer

24. Juni 2015 21:39

@H. S. Schrummleger

Vollste Zustimmung. In letzter Zeit hat das Geheidegger bei der Sezession Einzug gehalten und damit die Lesbarkeit fuer mich stark abgenommen. Ich verstehe all diese Formulierungen auf tiefster Ebene nicht. Ich kenne die einzelnen Worte, ich kann sie bestimmt auch richtig aussprechen, aber so aneinandergereiht verlaufen die Assoziationen ins Leere. Und wenn doch mal ein wenig Verstaendnis durchleuchtet, dann winke ich gelangweilt ab ob der aufgebauschten Trivialitaeten, die sich dahinter verbergen. Dieser Versuch, nach mehr zu klingen, als man ist, ist mir ehrlich gesagt zu link.

H. S. Schrummleger

24. Juni 2015 21:39

Wegner:
Wie in seiner Diskussionssimulation beim ersten zwischentag erwiesen, hat Stürzenberger allenfalls Einfluß auf die Zimmerlautstärke und den Geduldsfaden des Kollegen Lichtmesz. Wenn er jenseits des Agitierens der „Fußgängerzone der Woche“ irgendetwas beeinflussen könnte, wäre er längst irgendwo politische eingebunden oder marginalisiert worden; in seiner jetzigen Tätigkeit als Tanzbär der Islamhysterie entfaltet er vielleicht eine rege Reisetätigkeit, aber mehr auch nicht.

Ich bin nicht der Anwalt von Stürzenberger, wäre dafür auch schlecht geeignet. Habe aber keine Berührungsängste, denn ohne solche polemischen Lautsprecher geht es nicht. Ohne tausende solcher polemischen Lautsprecher würde Europa heute noch von Pfaffen mitregiert werden, das Ergebnis solchen ungebrochenen geistlichen Mitregierens kann man in allen islamischen Ländern bewundern – sonst wären sie nicht islamisch. Denn der heißersehnte und zahme Reformislam, der sich aufs Private beschränkt, ja der ist bis heute noch nirgendwo aufgetaucht.
Im Übrigen finde ich es für einen angeblich einflusslosen Tanzbären recht erstaunlich, in einem Bürgerbegehren 65.000 (Fünfundsechzigtausend) Stimmen gegen ein Islamzentrum einzusammeln. Allerhand für einen Tanzbären. Das ist ein Einfluss, der nennenswert ist, egal, ob dieses Bürgerbegehren juristisch ausgehebelt wird oder nicht. Der Tanzbär hat damit gezeigt, das da 65.000 Leute wohnen, die nicht nur nein denken, sondern auch nein sagen. Was bewiesen werden musste, er hat es bewiesen. Was hat demgegenüber die deutsche Orientalistik bewiesen? Gut, es ist nicht ihre Aufgabe, auf die Strasse zu gehen, aber ich erinnere nicht, dass ihre Aufgabe unbedingt akademisches Appeasement sein muss. Die Probleme, die die moslemische Masseneinwanderung mit sich bringt, sind nicht akademisch und können nicht akademisch vermittelt werden. Dafür braucht man Tanzbären. Im Übrigen sind und waren Politiker ja eigentlich auch nichts anderes. So schlimm ist es also vielleicht doch nicht.

Zarathustra

24. Juni 2015 22:58

@ Raskolnikow

»Und Gott ist tatsächlich das Universalste, das es giebt: die Wahrheit. Letzteres hat sogar der Heidegger gemerkt. Wer ständig vom Geworfensein schreibt und es schafft, nie den Werfer konkret zu erwähnen, ahnt wohl, wie sehr er irrt«

Es wäre sicher vermessen, über einen Philosophen vom Range Heideggers zu sprechen, ohne ihn erst gründlich studiert zu haben. Daher wäre es sehr ratsam, zuerst sicherzustellen, daß man den erwähnten Denker einigermaßen verstanden hat, bevor man mit solchen Behauptungen loslegt.

»Liebe, Wille und Glaube, die Schöpfung sind immer Universalismen, oder sie sind nicht!«

O sancta simplicitas! Als ob es bei diesen Wörtern um sonnenklare und kulturübergreifend gleich verstandene Sachverhalte ginge! Von der »Schöpfung« ganz zu schweigen...

Himmlischer Vater! Bewahre uns vor den Laien! Amen!

Hühnerbaron

24. Juni 2015 23:06

Der Islam ist so dermaßen simpel strukturiert, dass die intellektuelle Rechte es offenbar nicht fassen kann. Es handelt sich um ein irres Schneeballsystem, dass auf ständig neue Beutegesellschaften angewisen ist. Da ist kein Geheimnis, man lese die Sure über die Beuteverteilung. Die Idee, der Islam sei irgendwo anders gut, nur hier nicht, ist daher suboptimal - ohne klare Kamfansage gegen die Umma geht es nicht, auch wenn sich diese sinnvoller Weise auf robuste Defensive beschränkt. Man denke an die Türken vor Wien, die man doch zu Hause hatte machen lassen. Die Kritik des Islam durch Stürzenberger u. a. ist trotzdem werbetechnisch schlecht, da unsympatisch vorgetragen und wohl auch mit manch anderem vermischt. Sie ist aber eins nicht: unterkomplex. Vielmehr ist die oben angedeutete Islmakritik "auf hohem Niveau" sicher wissenschaftlich redlich, aber ungefähr so sinnvoll wie eine Dissertation über den Neigungswinkel von Abwasserkanalisationen, angefangen von der Einführung der Latrinen unter Vespasian über den Niedergang im Mittelalter und die Entwicklung des moderenen Winkelmaßes im Sexagesimalsystem. Entscheidend ist in letzterem Fall doch - man verzeihe mir die Derbheit - "dass die Scheiße weg kommt."

'Geschwätzwissenschaft'sfreund

25. Juni 2015 02:00

Leider war ich bei dem Vortrag nicht anwesend, anscheinend keiner der bisherigen Kommentatoren. Angesichts der offensichtlich schwierigen Gedankengänge, die dort vorgetragen worden zu sein scheinen, schränkt das ganz wesentlich die Möglichkeiten ein, angemessene und gerechte Kritik zu üben.
Aber vielleicht doch soviel Allgemeineres:
1) Ist es Aufgabe der Orientwissenschaften, direkte Handlungsanweisungen zu geben, vielleicht sogar direkt selbst zu handfesten Taten zu schreiten?
Nein!
Wer anderes behauptet, gesellt sich zu unseren Gegnern, die mit ihrer "praxisnahen" Bologna-'Reform' auch die deutsche Universität noch mit Vollgas ruinieren.
2) Ist sie daher "Geschwätz"?
Nein, jedenfalls nicht automatisch, pauschal und grundsätzlich. Es bedarf für manche Dinge des Abstandes, wozu dann Worte oder Bilder zu benutzen sind.
Für die Handfesten hier: Irgendwie in die Landschaft ballern kann ich immer - aber wenn ich treffen will, sollte ich doch besser vorher das Ziel hinreichend aufklären!
3) Heidegger und die Rechten. Nun, die Nichtrechten rechnen ihn uns sowieso zu. Aber er war ein Philosoph, der gelehrt hat, gerade auch auf die feinsten Nuancen der verwendeten Begriffe zu achten und daraus die verborgenen Bezüge offenzulegen.
Wer platte Allgemeinverständlichkeit von ihm fordert, der ist schlicht zu faul zu denken. Philosophie ist nicht Bildzeitung, gottseidank gibt es noch Gehaltvolleres. Allen ihren Verächtern gute Anwärmung nebst Lüstchen für Tag und Nacht in der Herde der letzten Menschen. Nietsche, Also sprach Zarathustra, Vorrede §5.
Wer sich hier über den Terminus der Geworfenheit aufregt, aber zugleich sich aber gegen Überfremdung am Eigenen und Überkommenen hochranken will, der hat vermutlich über alle noch nicht versucht nachzudenken. Für ersteres hier für Denkwillige die Definition. Bitte kurz mal mit der Möglichkeit rechnen, daß der Ge-worfenheit der Ent-wurf gegenüberstehen könnte:

"Dieses in seinem Woher und Wohin verhüllten, aber an ihm selbst um so unverhüllter erschlossenen Seinscharakter des Daseins, dieses 'Daß es ist' nennen wir die Geworfenheit dieses Seienden in sein Da. Der Ausdruck der Geworfenheit soll die Faktizität der Überantwortung andeuten. (...) Die Geworfenheit ist nicht (...) ein abgeschlossenes Faktum. Zu dessen Faktizität gehört, daß das Dasein, SOLANGE es ist, was es ist, im Wurf bleibt (...)." M. Heidegger, Sein und Zeit §29. 31. 38.

Mein Gott, die verschiedentlich hier hochblubbernde, dumpfe, blinde Intellektuellenfeindlichkeit ist einfach unerträglich!
Mit Verlaub - das scheint mir nicht weit weg zu sein vom so negativ bewerteten, ähnlich dumpf aggressiven Provokationsverhalten der Zugereisten!
Zielführend ist sie sowieso nicht.
Gottseidank ist Grundlage auch der deutschen Kultur, ihre Vertreter zuallererst aus der Höhle der vorgeschichtlichen Baseballschlägertypen herausgeführt zu haben.

Raskolnikow

25. Juni 2015 07:25

Selbstverständlich,

Zarathustra, gratuliere ich kleiner Simpel Ihnen aufrichtig, Heidegger verstanden zu haben. Ich scheitere da schon an meinem Hausknecht, der Mehlspeisköchin und, oh weh, mir selbst ...

Trotzdem halte ich Ihre These vom Verständnis als Bedingung der Sprache für eine akademische Version dessen, was in Hühnerbarons Rohrleitungen unterwegs ist. Es wäre das Ende der Sprache ...

Als ob es bei diesen Wörtern um sonnenklare und kulturübergreifend gleich verstandene Sachverhalte ginge!

Ihnen als Experten sollte nicht entgangen sein, daß es hier nicht um Wörter geht, sondern um etwas das ist. Ob sie die Buchstaben des Wortes Liebe "wissenschaftlich aufbereitet" haben, ist unrelevant für die Empfindungen eines Liebenden, ob in Rostock oder Basra. Weder die Liebe, noch der Wille oder Gott brauchen Ihre Fakultät, um zu sein.

Was Sie Verständnis nennen, ist das Gegentheil daselbst. Eine Oma kann aus einem Kräutlein, das sie als Kind schon gesammelt und betrachtet hat, Kränze winden, Tee brauen und vielleicht die Suppe würzen. Der Pflanzenphysiologe dagegen wird diese Frau als Laiin bezeichnen, weil sie keine C14- oder N15-Markeranalysen des Kräutleins in irgendeinem paper gelesen hat, nie Xylem und Phloem freilegte, ja nicht einmal, o sancta simplicitas, den lateinischen Namen kennt. Das Erfinden neuer zauberhafter Sprachen (vulgo Fachsprachen) mag zwar die Hauptbetätigung heutiger Wissenschaftler sein, hat mit Verständnis aber nichts zu tun, eher mit Verschleierung!

Ich stehe fest hinter der Oma (mit Sprühsahne und Eckes Kirschlikör)! Und die angeblich "hier hochblubbernde, dumpfe, blinde Intellektuellenfeindlichkeit" (Ihre Sprache ist entlarvend, lieber Geschwätzfreund.) ist vielleicht einfach nur die Sehnsucht nach Weisheit, das Verlangen endlich wieder kluge Männer und weise Frauen reden zu hören, statt intellektueller Dauerbeschallung ausgesetzt zu sein.

Seit Jahren suche ich nach einem demütigen Akademiker, solcherart Mensch scheint es einfach nicht mehr zu geben.

In der Auseinandersetzung mit dem Islam mangelt es eigentlich nur an einem Standpunkt. Europa weiß nicht mehr, wer sie ist. Aufklärung, westliche Werte, germanische Urtymlichkeit oder Christenthum welches Europa ist das eigene?

Der Islam ist so schwach wie lange nicht: politisch zermürbt und theologisch seine Vielfältigkeit und damit Adaptierbarkeit einbüßend (Internet, al-Jazeera &c.), stellt er eigentlich keine ernste Gefahr dar. Aber ein Kontinent, der nicht mehr weiß, wer bzw. was er ist, wird ihm ausgeliefert sein ...

Gott schütze uns alle,

R.

Carl Sand

25. Juni 2015 07:51

Lieber Gschätzwissenschaftsfreund.

Wie Sie ganz richtig bemerkten, waren einige von uns nicht bei dem Vortrag.

Was Sie allerdings verkennen, ist, dass nicht platte Allgemeinverständlichkeit vom Meister Heidegger gefordert wird. Seine Chiffrensprache und die seiner Epigonen waren allerdings nie meins.

Im Übrigen würde einfache Verständlichkeit mir schon reichten, platt braucht's nun gerade nicht zu sein. Dafür haben wir den Stürzi und die Jungunionianer hier.

Ob der Vortragende sich verständlich geäußert hat, nehme ich zu seinen Gunsten an. Ob der Bericht über diese Veranstaltung, die ja eine politische sein sollte, verständlich ist, ziehe ich in Zweifel.

Rumpelstilzchen

25. Juni 2015 08:02

Letzteres hat sogar der Heidegger gemerkt. Wer ständig vom Geworfensein schreibt und es schafft, nie den Werfer konkret zu erwähnen, ahnt wohl, wie sehr er irrt. Vielleicht ist mir das aber auch entgangen …

Lieber Raskolnikow,

Sie sind zurück, stärker als zuvor. Wenn dieses Zitat oben ein Original von Ihnen ist, dann, ja dann werden Sie überregional bekannt werden !

Ich fürchtete schon, Sie hätten resigniert und sich enttäuscht zurückgezogen wegen der zunehmenden garstigen Opas hier.
Die nur noch von abgehalfterten Nietzsche - Verschnitten übertroffen werden.
Sie haben so Recht !

Ich lehne auch diejenige Geschichtsphilosophen - Hegelschen oder Heideggerschen Ursprungs - ab, nach der die Moderne mit der Geburt des Individuums im 16. Jahrhundert beginnt, sich dann fortsetzt mit der Naturwissenschaft im 17. Jahrhundert, der Aufklärung im 18. Jahrhundert und der Nation im 19. Jahrhundert und schließlich endet mit der technischen Vernichtungsmaschinerie in Auschwitz, nach der " nur noch ein Gott uns retten kann".
Eine solche Geschichte ist eben diejenige, die von den Gegnern des Liberalismus und des Christentums erzählt wird, die sich nach der Tragödie, bei der sie selbst mit Hand angelegt haben, an die Brust schlagen und weiterhin zu den falschen Göttern beten ("ein Gott", d.h. nicht der christliche) oder aber der Ansicht sind, aus dem liberalen Primat des Individuums folge der Säkularismus und die Verneinung des Sinnes und Wertes der Religion.

aus: Marcello Pera, Warum wir uns Christen nennen müssen, S. 24

Langer

25. Juni 2015 09:47

Mein Gott, die verschiedentlich hier hochblubbernde, dumpfe, blinde Intellektuellenfeindlichkeit ist einfach unerträglich!

Vielleicht mag man einfach nur keine nackten Kaiser.

Marcus Junge

25. Juni 2015 09:49

"Niemandem die eigenen kulturellen Bezüge oktroyieren zu wollen, sei geradezu der kategorische Imperativ einer identitären Politik. Der Islam habe – nach Björn Höcke – »eine Heimat«; nur dort könne er »die uneingeschränkten Entfaltungsmöglichkeiten beanspruchen, die wir ihm gerne zugestehen«."

1. Diese "Heimat" hat er sich gewaltsam erobert.

2. Seit 1400 Jahren versucht er mit allen Mitteln diese zu erweitern.

3. Das ist heute nicht anders.

4. Gehört die Verbreitung der eigenen Kultur, über deren Grenzen hinaus, zu den Merkmalen fast aller Kulturen.

5. Wird hier der Bevölkerungsexplosionsdruck im Islam nicht beachtet, welcher zwangsläufig zu einer Expansion führen muß und schon heute führt, bei den "Flüchtlingen".

Hühnerbaron

25. Juni 2015 11:09

Lieber Raskolnikow,

Nur der Entschlossenheit kann das aus der Mit- und Umwelt zu-fallen, was wir Zufälle nennen.
Martin Heidegger, Sein und Zeit

die beiden obigen sind m. E. Ihre schönsten und klarsten Beiträge in diesem Forum bisher. Heidegger will ja hauptsächlich, dass an sich der eigenen Endlichkeit ständig bewusst ist, was zwar diesseitig wahr, aber gefühlsmäßig kontraintuitiv ist und nur zu Depressionen führt. Darum ist sein ganzer Ansatz schon eine Geisterfahrt ohne rechtes Ziel. Vom ewigen Leben hat er bei aller Wortmächtigkeit durch seine Todesmanie schon gar keinen Zugang.
Zu den weisen Akademikern: Sie sind doch einer, oder irre ich mich und sie googlen sich Ihr Hintergundwissen immer ad hoc zusammen?

Rumpelstilzchen

25. Juni 2015 11:49

Lieber Raskolnikow,

Nur in einem Punkt muß ich Ihnen widersprechen. Die Oma, hinter der Sie so fest stehen, benutzt keine Sprühsahne ( igitt), sondern so etwas :
https://www.google.de/search?q=handmixer+zum+kurbeln&client=safari&hl=de&tbm=isch&tbo=u&source=univ&sa=X&ei=Rc2LVaDcLYSLsAHc14aQDw&ved=0CDkQ7Ak&biw=1024&bih=672
Und den Eierlikör kauft sie auch nicht bei Aldi, sondern nimmt den echten, von Verpoorten....

Monika

25. Juni 2015 13:55

Zu den weisen Akademikern: Sie sind doch einer, oder irre ich mich und sie googlen sich Ihr Hintergundwissen immer ad hoc zusammen?

@Hühnerbaron

Die Klasse eines R. kann man sich nicht zusammengooglen. Auch wenn das hier einige immer wieder versuchen. Ich habe es auch aufgegeben.
Lieber ein schlechtes Original als eine schlechte Kopie.
Oder: Vielfalt statt Gleichmacherei. Es gibt eben auch Dumme.

Rumpelstilzchen

25. Juni 2015 17:09

Noch eine kleine Anregung aus Indien. Manchmal muß man einen Außenblick einnehmen, um wieder klarer zu sehen.
https://www.kath.net/news/51057

Heinrich Brück

25. Juni 2015 22:40

Der Islam interessiert mich nur indirekt. Noch weniger interessiert mich
die deutsche Orientalistik. Wichtig in diesem Bereich ist nur die Freiheit
der Wissenschaft.
Für die Muslime ist diese fremde Wissenschaft nur dann vorübergehend
nützlich, wenn sie der Einwanderung nicht im Wege steht. Die eigenen
islamischen Autoritäten standen als Kritikpunkte nie zur Debatte.
Und in diesem Zusammenhang gibt es eine deutsche Malaise,
eine Seinsvergessenheit der Gegenwart, die wissenschaftlich überhaupt
noch zu keiner Problemlösung gekommen ist.
Die Geisteswissenschaft hat noch nie einen Gordischen Knoten besiegt.
Die Freiheit der Forschung untersteht dem politischen Geldgeber; und
die Un-Wahrheit steht als gewünschtes Ergebnis, welches noch zu beweisen wäre, von vornherein fest. Diese Richtung zeitigt überall
Zerstörung. Und innerhalb dieser Zerstörung keine verständliche Sprache die zu irgendeinem friedlichen Erkenntniszeugnis führen könnte.
Die Zerstörung der Sprache zeigt die Zerstörung des Denkens zeigt
das Nichtdenkenkönnen des eigenen Lebens in seinen
Entfaltungsmöglichkeiten.
In der Verirrung eine Wahrheit finden zu wollen die trägt, ist an
Geringschätzung des eigenen Lebens nicht zu übertreffen; Beweis eines
Lügenwollens um der mitteleuropäischen Natur den friedlichen Geldbeutel
abzutrotzen. Ergebnis: die Sprachlosigkeit. Mit der Einzigartigkeit dieser
Sprachuntauglichen ist eine Gemeinschaft nicht zu bilden.
Das Zustandekommen einer solchen kulturellen Anspruchslosigkeit, bei
gleichzeitigen Missionierungsversuchen zum ewigen Menschenrechtsfrieden, muß schon eine Menge Geld gekostet haben.
Die Wirklichkeit zeigt die Spiegelung des Menschen in Gott. Das Lebendige
kann wohl nicht wissenschaftlich gefaßt werden.
Klartext: Wenn Gott der Feind ist, welche Wissenschaft kann uns dann
retten?

ingres

26. Juni 2015 00:05

Ich halte jede Gesellschaftsform (auch jede denkbare Alternative zur jetzigen Situation) in der es sich "zu leben lohnt" für mit dem Islam zu 100% inkompatibel. Insofern gibt es für mich (persönlich) keine praktische Anwendbarkeit für den Standpunkt von Tilman Nagel.

Langer

26. Juni 2015 14:18

Ich halte jede Gesellschaftsform (auch jede denkbare Alternative zur jetzigen Situation) in der es sich „zu leben lohnt“ für mit dem Islam zu 100% inkompatibel.

Kombinieren Sie das mit dem Welteroberungsanspruch, den der Islam hegt und nicht aufgeben wird und Sie wissen, was eine solche Gesellschaftsform letzten Endes voraussetzt.

Yvonne

26. Juni 2015 22:34

Es war ein sehr guter, fundierter und reflektierter Vortrag. Tenor: Respekt dem Anderen, da, wo es hingehört.

Einer aus der Mitte aus der Gesellschaft

28. Juni 2015 10:29

Ist mal jemand so nett und kann mir mal in einfachen Worten und Sätzen erklären wie ich die folgenden Sätze von Nagel zu interpretieren habe.

»Unmöglichkeit der Islamkritik« aufgrund der kulturellen Disparität ihrer Protagonisten, etwa eines Michael Stürzenbergers. Dieser unterscheide sich mit seinen agitatorischen öffentlichen Auftritten selbst kaum von den Missionierungsunternehmungen westdeutscher Salafisten"

Danke für eine Antwort.

Rumpelstilzchen

28. Juni 2015 13:03

Einer aus der Mitte aus der Gesellschaft
Sonntag, 28. Juni 2015, 10:29 (URL) | Kurz-URL
Ist mal jemand so nett und kann mir mal in einfachen Worten und Sätzen erklären wie ich die folgenden Sätze von Nagel zu interpretieren habe.
»Unmöglichkeit der Islamkritik« aufgrund der kulturellen Disparität ihrer Protagonisten, etwa eines Michael Stürzenbergers. Dieser unterscheide sich mit seinen agitatorischen öffentlichen Auftritten selbst kaum von den Missionierungsunternehmungen westdeutscher Salafisten“
Danke für eine Antwort.

Das hat Raskolnikow doch schon gesagt:

Eine lustige falsche Religion ( Koran) wird durch eine witzlose falsche Religion ( Grundgesetz) ersetzt. Z. bsp. durch Herrn Stürzenberger.
Das geht einfach nicht. Das nennt mann Disparität.
Das versteht HerrnStürzenberger aber nicht und probiert das Axiom von Paul Watzlawick : "Mehr desselben"
Das ist das sture Festhalten an Lösungen oder Verhaltensweisen, die irgendwann einmal sinnvoll waren, auch wenn man damit nur Fehlschläge erzielt.

Genauer nachzulesen in der "Anleitung zum Unglücklichsein"

Ich bin sicher, das kann man noch kürzer fassen, nach dem Motto:

Fasse Dich, aber kurz !

Der Gutmensch

28. Juni 2015 19:40

@ Einer aus der Mitte der Gesellschaft:

Es geht um die faktische Unmöglichkeit der Übertragung der Wertmaßstäbe, so hat das jedenfalls Herr Tillschneider erklärt. Eine Kultur lässt sich nur aus sich selbst heraus erklären, jedes interkulturelle Verständnis bleibt notwendig mangelhaft; deshalb gibt es auch nur einen Koran (nämlich den arabischen) und alle "Übersetzungen" verstehen sich lediglich als Inhaltsangaben. Was Herr Stürzenberger versucht, ist, den Islam mit westlichen Wertmaßstäben zu messen, was notwendig zu schiefen Ergebnissen führt, weil der Islam nunmal autonome (also: andere) Kategorien für richtig und falsch etc.pp entwickelt hat. Die kulturelle Disparität besteht und muss anerkannt werden, wenn die Vielfalt der Kulturen erhalten bleiben soll. Laute Empörung wird dabei nicht weiterhelfen; nur die Einsicht, dass unsere Welten nunmal endgültig nicht kompatibel sind. So versteht Herr Tillschneider den Kulturrelativismus.

Rumpelstilzchen

29. Juni 2015 10:24

@ einer aus der Mitte der Gesellschaft

Vielleicht kann man das auch so verstehen:

Einer "lustigen, falschen" Religion ( Koran) müssen wir Alteingesessenen Europäer unsere ernsthafte, wahrhaftige Religion entgegen stellen.
Dies tun wir nicht. Wir passen uns der lustigen Religion an. Sehen sie mit unserem Blick an ( das wird schon so barmherzig wie die christliche Religion sein). Wir sind entzückt über einen Khorchide und Kermani. Deren Religion ist auch dann noch lustig ( d.h. harmlos)wenn es gar nicht mehr lustig zugeht. Wie so oft im Moment.
So können wir nicht vergleichen.
Ein Weg, die " unvergleichliche Fremdheit" zu überwinden, kann nur aus dem Glauben an die eigene Religion entstehen.
Mir ist es zum Beispiel absolut unverständlich, wie man zu einem Gott beten kann, den man nicht Vater nennen kann. Mit wem habe ich es da eigentlich zu tun, von dem ich trotz seiner 99 Namen nichts weiß. Der mir fremd ist.
Vielleicht kann mir das ein mitlesender Moslem mal erklären ?

einer aus der Mitte der Gesellschaft

29. Juni 2015 11:55

@der Gutmensch und Rumpelstilzchen, danke euch beiden es ist mir klarer geworden.

Hühnerbaron

29. Juni 2015 12:04

Ich probiers noch mal mit einem einfachen Beispiel, Rollenspiel:
Sie haben eine Familie und ein Hausgrundstück im Dorf Abgelegenkirchen. Sie lesen abends aus der Bibel und sorgen sich um die Belange der Gemeinschaft. Das Dorf versorgt sich weitgehend autonom. Staatliche Strukturen sind schon vor langer Zeit zusammengebrochen.

Im Nachbardorf Schnarchweiler zieht der Bauer Michael Mett eine Schreckensherrschaft auf, in der vor allem die Seinigen quält und drangsaliert, wenn sie ihm nicht gehorchen. Als Rechtfertigung beruft er sich auf ein altes Buch, dass Sie nicht lesen können. Man munkelt in dem Buch ständen - laut Bauer Mett und einem seiner Missgeraten Söhne, abgestritten aber von seiner Tochter T - u. a. auch Aufrufe zu Raub und Mord gegenüber Fremden. Das nehmen Sie aber nicht weiter ernst, da zwar die Vorfahren des Bauern durchaus streitsüchtig waren, aber nie wirklich etwas gegen das prosperierende und (früher) gut geschützte Dorf Abgelegenkirchen ausrichten konnten.

Wenn Sie seine vielköpfige Sippe ab und an auf dem Markt in der Großstadt Babelhausen sehen, schauen die Leute vom Metthof außerdem und eigentlich ganz glücklich aus. Sie denken sich: "Was gehts mich an. Ich wollt auch nicht, dass man mir sagt, was ich mit meinen Leuten zu tun hätte und was ich lesen tät."

Zufrieden machen Sie es sich einem Tag nach harter Arbeit auf dem Felde zu Hause gemütlich. Am Kaminfeuer dusseln Sie gerade behaglich in den verdienten Schlaf des Gerechten, als
Bauer Mett und seine fünf Söhne die Tür eintreten, Ihnen den Kopf abschlagen und Ihre kleine Familie vergewaltigen.

ingres

29. Juni 2015 21:06

Ich hege meine Zweifel daran, dass man den Islam nicht verstehen kann. Ich will dabei gar nicht auf die Ziele und Auswirkungen des Islam auf westliche Gesellschaften abheben (gegen die erhebt sich ja der profane Protest und die scheint ja auch Tilman Nagel zumindest als Gefahren zu erwähnen.
Ich kenne natürlich im eigentlichen Sinn nichts über den Islam (allerdings habe ich sein äußeres Gebaren wahrgenommen und habe 1966 lediglich nicht daran gedacht, dass er einmal vor der Haustür stehen würde). Aber ich habe so einige Bruchstücke aufgeschnappt (die an meinen Ansichten freilich nie etwas geändert haben) und man macht sich ja so seine eigenen Gedanken.
Nach dem was ich das so aufgeschnappt habe fiel mir zunächst mal auf, dass der Islam offenbar in recht rationaler weltlicher Absicht konstruiert ist. Das Christentum wurde anscheinend ganz bewußt für eigene Zwecke umgeschrieben. Ich war überrascht, dass Jesus vorkommt vor, aber er darf natürlich nicht Gottes Sohn sein, sondern wohl nur Prophet, da Mohammed nur so als eigentlicher Prophet über Jesus stehen kann. Ánscheinend eiskalt rational kalkuliert. Damit ist der Islam für mich eindeutig auf eine weltliche Person (nämlich Mohammed) konzentriert.
Ich bin der Meinung, dass man am Islam ganz deutlich sehen kann, dass er in rein weltlicher Absicht womöglich lediglich den Interessen einer Person dienend "zusammengeschustert" wurde (so wie es heutzutage bei Sekten geschah und geschieht). Ich habe den Islam nie als Religion empfunden (obwohl ich mir 1966 darüber noch keine Gedanken gemacht habe).
Grundsätzlich würde ich erwarten, dass die Orientalistik solche Dinge klären könnte. Tut sie das?

Der Gutmensch

30. Juni 2015 08:03

Ja, ingres, ich hielt das auch für eine eher radikale kulturrelativistische Position, die da vertreten wird. Insgesondere Tillschneider (den Nagel kenn ich nicht) hat, wenn ich das richtig verstanden habe, radikal nicht nur jeden internatialen, sondern vor allem jeden supranationalen Ansatz abgelehnt. Aus seiner Sicht ist das aber verständlich, weil die Unterschiede sicher größer sind als die Gemeinsamkeiten. Der supranationale Ansatz (nicht, dass er diesen Begriff benutzt hätte, aber darauf läuft es m. E. hinaus) von heute heißt eben "Menschenrechte" und wird von den Universalisten verfochten. Das ist ersichtlich nicht zielführend, wenn wir uns nicht darüber verständigen können, was ein Mensch ist und genau da hakt es; da hakt es nämlich immer! Alle Kulturen definieren zunächst die Tötungshemmschwelle (meine laienhafte Beobachtung). Wenn es also "Universalien" gibt, dann eher in der Form, dass man beobachten kann und muss, welche Gegenstände in einer Gesellschaft immer irgendwie geregelt sind. Aber tatsächlich stößt man auch da an Grenzen; hat man es mit Jäger-Sammler-Horden zu tun (Aborignines), dann bilden die ja nicht mal eine Gesellschaft, wie wir das kennen. Wenn man da nach Totenkult und Jenseitsvorstellungen sucht, kann man ganz schön enttäuscht werden. Die Dinge, über die man sich also mit anderen Kulturen verständigen kann, liegt sehr niedrig; regelrecht peinlich niedrig - da sie leben, müssen sie also Land haben und sich ernähren und das ganze bewehren. Viel mehr ist da vielleicht wirklich nicht. Der Orientalist hingegen kennt (rein mechanisch) deren kulturinterne Knöpfe; und die kann man dann im Notfall drücken und sie irgendwie zu einem in ihrem Referenzrahmen verständlichen Verhalten bewegen, das uns zufällig nützt. So stelle ich mir das vor.

Monika

30. Juni 2015 11:11

Zu den "Unvergleichbaren Fremdheiten " noch eine theologische Anmerkung:

Nur ein Gott, der ganz in seine Welt kommt ( und das ist nur der jüdisch/ christliche Gott) , kann auch ganz aus der Welt hinaus gedacht werden !

Der abendländische Atheismus ( Gott ist tot) , ebenso die Aufklärung ( sapere aude ) setzen entschieden den christlichen Gott voraus !
( darüber hat Walter Kasper in "DER GOTT JESU CHRIST) Erhellendes geschrieben.

Für die Aufklärung ist aus christlicher Sicht das Gleichnis vom verlorenen Sohn grundlegend.

Im Islam kann und darf sich der Mensch weder emanzipieren im eigentlichen Sinn, noch darf er vom Glauben an Gott abfallen. Dies hätte für einen Muslim unabsehbare Folgen.
Ein Christgläubiger kann sich von Gott entfernen ( verlorener Sohn) oder am Glauben zweifeln ( ungläubiger Thomas).
Gott hat den Menschen in diese große Freiheit gesetzt. Und ist immer ( !) der Barmherige, auch wenn er zürnt. Gott ist die Liebe, heißt es im Johannesbrief.

Dieses Dilemma kann ein Muslim, will er nicht vom Glauben abfallen, eigentlich nicht lösen.
Die Diskussion über dieses Dilemma kann auch nur in einem noch ( ?) christlichen, aufgeklärten Europa geführt werden.
Sonst Europa und das, was es ausmacht, nicht mehr bestehen..

ingres

30. Juni 2015 11:19

Entschuldigung, da ist mir ein Lapsus unterlaufen. Ich habe Tilman Nagel mit Tillschneider verwechselt. Ich beziehe mich lediglich auf die Position von Tillschneider. Ich könnte mir vorstellen, dass die Positionen von Nagel und Tillschneider doch deutlich voneinander abweichen. Nagel jedenfalls tritt für offene Islam"kritik" ein. Wie er das "Verständnisproblem" sieht und ob er das überhaupt anspricht weiß ich jetzt nicht. Ich bin im übrigen auch der Ansicht, dass man den Islam nicht kritisieren kann. Aber nicht weil man ihn nicht verstehen kann, sondern weil man Ideologien generell nicht kritisieren sondern nur bekämpfen kann. Wobei mir klar ist, dass für die westlichen Gesellschaften (insbesondere Europa) die gegenläufige Ideologie Pflichtprogramm und zu einem Eckpfeiler des Funktionierens geworden ist.

Monika

30. Juni 2015 11:29

Ergänzung

natürlich muß das christlich-jüdische noch um das hellenistische Erbe erweitert werden ( Metaphysik)

Wenn Herr Stürzenberger dem Islam/ Koran "nur"und ausschließlich das Grundgesetz entgegenzusetzen hat, dann bleibt er selbst für den moderatesten Moslem eine ständige Provokation. Ich würde meinen Gott auch nicht durch ein nationales Gesetz austricksen lassen. Da braucht es bessere Argumente.

Monika

30. Juni 2015 12:11

Letzte Ergänzung

Auch das von Rumpelstilzchen erwähnte Axiom von Watzlawick MEHR DESSELBEN ist für unsere Sache kontraproduktiv.
Noch mehr Geköpfte, noch mehr Vergewaltigte , noch mehr Verbrechen durch Bereicherer, noch mehr Maria Böhmer- und Gauckzitate auf PI.
Das halten selbst die Wohlgesinnten nicht aus .

Der Gutmensch

30. Juni 2015 13:07

Ja, ingres, auf dem von Ihnen vertretenen Standpunkt tritt man sich gegenseitig die Füße platt. Es ist ein amerikanischer Ansatz ("clash of the civilisations" und pi-Stürzenberger-Fraktion), unschön begleitet von den Klageweibern der "Menschenrechtsaktivisten", die bei allem Appeasertum eben doch erreichen wollen, den Moslems unsere Wertmaßstäbe überzuhelfen. Sie, lieber ingres, gehen offen vor; die Menschenrechtler lieber hinterhältig. Ich drehe da die Hand nicht um; das ist zuviel verlangt.

Und Tillschneider, so ich ihn richtig verstanden habe, unterscheidet da auch nicht. Wenn das Ganze zielführend wäre, dann hätte es schon zum Ziel geführt! Was er stattdessen vorschlägt, ist, nicht länger wie eine desorientierte Wildsau im Vorgarten der anderen nach dort nicht vorhandenen Trüffeln zu suchen: Weder reagiert der Moslem als solcher nämlich opportun auf westliche Dominanzgesten (so stellt es der wunderbare Halifa al Tikbali in "Ehre" fest; eine Kurzgeschichte (vermutlich abgelaufene Rechte!) die einem locker 10 Jahre PI erspart und viel poetischer geschrieben ist! Noch kann man ihn gar so leicht über den Tisch ziehen, wie es uns die Klageweiber weismachen wollen; Aristoteles ist nämlich als große abendländische Ausnahme auch bei den Moslems willkommen (Streifzug durch die Mathematikgeschichte; Autor ist irgendein polnischer Mathematik-Professor, ich hab jetzt keine Lust, suchen zu gehen).

Besser also, wir kümmerten uns wieder um den eigenen Kral und ließen derweil den Orientalisten alter Schule neugierig über den Zaun linsen; auf das er uns berichte, wie wir den Moslem auch zukünftig respektvoll auf gebührenden Abstand halten können.

Der Gutmensch.

Hühnerbaron

30. Juni 2015 18:14

Freunde, Nachbarn, Landsleute,
auch wenn Herr Wegner mein schönes weitergehendes plastisches Beispiel nicht abdrucken will: Das Ausweichen vor dem Islam ist wie der Wettlauf zwischen Hase und Igel. Als der siegesgewisse Hase der internationalen (rechten) Toleranz und des selbstbewussten Eigensinns heranstürmt, erhebt sich die der Igel der islamischen Expansion und ruft ihm zu: „Ick bün al dor!“ Der Feind steht doch schon hintern den eigenen Linien (Marxloh, Neukölln etc.) und Islamwissenschaftler meinen ernsthaft, man könnte sich dem Phänomen wie einem exotischen Käfer nähern, den man näher untersucht, erkennt, dass er in seinem angestammten Biotop ganz putzig ist und ihn daraufhin unter Naturschutz stellt, während er vor Ort die Ernte auffrisst.

Der Gutmensch

30. Juni 2015 21:10

Hühnerbaron, es bedarf dann wohl noch deutlicherer Worte: Geschlossene Grenzen und Apartheid oder Bombenfrühling und Menschenrechte. Entscheiden Sie sich - jetzt.

Hühnerbaron

2. Juli 2015 12:54

Ich entscheide mich für 1a), wie es mit 1b) ausgeht kann man an der Geschichte Südafrikas doch gut beobachten, in der dieses System letzlich zwangslläufig unter dem enormen Druck der Demographie zusammenbrach. D.h. auf einem Territorium kann es keine entgegengesetzen Wertsysteme geben. Wer dem Teufel nicht abschwört, muss nach einem humanen System der Reconquista gehen.
Wenn der Feind zudem in seinem Land gegen mich rüstet, werde ich mich ideologisch gegen seine Lehre wenden, die ihm Expansion vorgibt.
Der Islam enthält einen Befehl zur universellen Mission durch das Schwert. Ich kann mich zu diesem Inhalt nicht sinnvoll neutral verhalten. Wie oft man beten soll oder was man in der Wüste von Trinität hält, kann mir hingegen egal sein. Stellt er sich zudem noch Raketen in den Vorgarten, die er auf mich richtet, gibts auch einen Bombenfrühling. Eine andere Frage ist, wie ich mich positioiniere, wenn sich dort das Volk erhebt oder eben gerade nicht erhebt und nur Einzelne (nach meiner Lehre, nicht nach deren Lehre) misshandelt werden. Mein Mitgefühl hat der gefolterte Christ im Irak schon. Allein der Ortsfaktor gibt ihm nach meiner universellen Lehre nicht weniger Rechte als mir, würde er aufbegehren, hätte er meinen Segen - die Regeln, die dort gelten, sind falsch. Sie sind es dort, hier und überall. Wenn ich aber nun überall zugunsten solcher Schickale interveniere, werden durch eine Allverantwortung meine Rechte und Pflichten, Ressourcen und Fähigkeiten überdehnt - darunter werde ich früher oder später zusammenbrechen und dann dort nur Chaos angerichtet ahben. Ich entscheide mich für Menschenrechte und gegen den Bombenfrühling, aus Vernunft und weil meine Lehre die zwangsweise Durchsetzung der Menschenrechte (die dann keine klassischen "Rechte" sind) gerade nicht fordert. Übrigens: Ist es wirklich nur ein Tyrann, der das Problem darstellt, billige ich auch den Tyrannenmord und nehme dazu selbst die Knarre in die Hand. Nur ist es eine naive Vorstellung, dass es sich lediglich um eine Person handelt (Saddam, Gaddafi). Vielmehr handelt es sich heute immer um tiefgestaffelte Verwaltungssysteme und kulturelle Prägungen, die mitentfernt und ersetzt werden müssten. Das ist nur durch Vollbesetzung des Landes durch Infantrie und Ersatz der Verwaltungsstrukturen durch eigene Leute möglich (nur so könnte man auch Griechenland den Nordländern halbwegs angleichen, nicht durch eine neue Regierung dort). Dies ist aber wegen des oben genannten imperialen Problems nicht sinnvoll. Man könnte den Grenznutzen von imperialer Ausdehnung einmal berechnen. Russland hatte diesen in Afganistan beispielsweise überschritten, ob das im Kaukasus der Fall ist, kann ich nicht beurteilen, aber wohl eher nicht, da von dort Expansionsbestrebungen nach Kernrussland folgen würden. Die USA lenken nur von ihrer eigenen Zerissenheit ab und haben imperial längst über den Durst getrunken.

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