Wir erklären es ihr. Sie muß sehr lachen, im Kontext adäquat: „Heute hat uns in der Pause der T. [einer der Klassenbesten, E.K.] erklärt, warum er aus voller Überzeugung Antisemit ist. Und zwar: weil er nicht an Gott glauben könne, wenn der, also Gott, zuläßt, daß diese ganzen Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken. Bei solchen Geschehnissen müsse man zwangsläufig Antisemit werden. Meint T.“
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25. 6. 2015
Noch mal Kindermund, diesmal unpolitisch, doch hübsch. Während langweiliger Autofahrten und in der Sauna (um die Kinder bei der Stange zu halten und ein – bei uns sehr verpöntes – frühzeitiges Aufgeben zu verhindern), veranstalte ich mit Vorliebe Quiz.
Der Reihe nach darf ein Kind ein Thema vorgeben, und zu diesem Thema (die Kleinste, leidenschaftliche Fleischesserin wählt gern „Thema Ente ausräumen“, die Zweitjüngste „Thema Süßigkeiten“, die Zweitgrößte „Deutsche Opern“ usw.) stelle ich jedem Kind, nach Alter in Schwierigkeitsgrade abgestuft, drei Fragen. (Ich werde dann selbstverständlich auch befragt.) Wer am Ende die meisten Punkte hat, darf (im Saunafall) die anderen nachher naßspritzen oder in die Regentonne tauchen.
Der Sohn wählte „Thema Karl May“. Er durfte mir – als Nicht-Karl-May-Spezialistin – bei den Fragen assistieren. Hochkomplizierte Frage an die jüngere Schwester, achtjährig: „Welcher Band enthält die Erzählungen Der Sohn des Bärenjägers und Der Geist des Llano Estacado?“ Die richtige Antwort wäre „Unter Geiern“. Hilfestellungen sind erlaubt, kosten aber einen halben Punkt. Die kleine Schwester wußte es nicht.
Sohn: „Ein Tip: Wenn die Geier über dir kreisen, dann bist du – …?“ Schwester, fieberhaft in ihrem kleinen Karlmaywissen kramend: „… ein Greenhorn?“ – „Nee, du sollst nur einmal logisch denken. Also. Die Geier kreisen ÜBER DIR. Also bist du: …..!“ – „Jetzt hab ich´s: tot!“
Am Ende gewinne eh meistens ich.
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26. 6.
Zwei Presseschmankerl, erstens Deutschlandfunk: Moderator Heinemann möchte von CDU-Generalsekretär Peter Tauber wissen, wie die CDU sich endlich eine moderne und urbane Mitgliederschaft erschließen will. Er fragt wörtlich (und mir scheint, es liegt keine Süffisanz, mithin keine Referenz an die causa Rachel Dolezal in seiner Stimme, stattdessen das Bemühen, sich politisch korrekt auszudrücken): “CDU-Mitglieder sind im Durchschnitt männlich, alt und zumindest äußerlich weiß. Wo ist das Volk in ihrer Volkspartei?“ Heißt das, innerlich sind diese alten Männer womöglich – braun?
Zweitens ein Kommentar der feschen Frau Willner aus der Westfalenpost (Slogan: „Stimme der Heimat, Echo der Welt“) zur vielzitierten „Pogromstimmung“ vor dem Freitaler Asylbewerberheim (wenn zwei, drei Böller und „Parolen“ bereits ein Pogrom andeuten, was wurde dann eigentlich gegen Legida regelmäßig veranstaltet?):
Frau Willner tut
„es weh, wenn sich im Osten wieder einmal der Mob zusammenrottet und zur Gewalt aufruft gegen Gottesgeschöpfe, die schon genug Gewalt erfahren haben, sonst wären sie nicht hier. Wissen diese Brandstifter nicht mehr, wieviele ihrer Nachbarn aus der früheren DDR geflohen sind? Haben sie vergessen, dass auch afrikanische Kirchengemeinden für die Opfer der Flut in den neuen Ländern gespendet haben?“
Letzteres hat uns die vielgeschmähte „Lügenpresse“ also glatt verschwiegen. Oder kleingeredet.
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27.6.
Gefällt mir: Die Staatskapelle Halle führt morgen Stücke auf von: Fanny Hensel, Rebecca Clarke, Grazyna Bacewicz und Amy Beach. Springt´s Ihnen auch ins Auge? Durch die Bank weibliche Komponisten. Das nun dürfte kein modisch-feministischer Zug sein, ganz im Gegenteil, es ist ein Köpfchenstreicheln.
In den Vor- und Nachmonaten sind bei dutzenden Auftritten ausschließlich Männerwerke dran. Drum hatte das Kapellenmanagement für den heutigen Abend auch eine artige Überschrift gewählt: STARKE FRAUEN, wohingegen Überschriften wie BEGABTE MÄNNER (heute wird etwa Schumann und Mozart gegeben) fehlen. Mich rühren solche STARKEN Gesten sehr.
Ein Fremder aus Elea
Der T. muß aufpassen, daß er sich nicht zu Gog und Magog gesellt, egal welches A.-Wort er da jetzt genau gemeint hat, die Zielrichtung ist letztlich dieselbe.
Zur Theodizee: Gott hat Gefallen an Menschen, welche selbst dann eine Bootsfahrt unternehmen, wenn sie nicht wissen, daß sie sicher ankommen.
Für Autofahrten gilt das auch und Wanderungen durch die Wüste...