1925
Da Eliade bereits in der Schule weniger vom Christentum als vom Phänomen des Religiösen allgemein fasziniert war, ist es nicht überraschend, daß er sich im Oktober, nach überstandener Abiturprüfung, in Bukarest am philosophischen Fachbereich der Fakultät für Geisteswissenschaften und Philosophie einschreibt. Hier trifft er auf den einflußreichsten Intellektuellen seiner Zeit: Nae Ionescu, dem es gelingt, eine ganze Generation von Studenten in seinen Bann zu ziehen und um die Zeitschrift Cuvantul zu sammeln. Eliade arbeitet dort als Redakteur und begründet 1927/28 durch seinen Aufsatz „Geistiges Itinerarium” die sogenannte Generation, eine Gemeinschaft von Studenten, die sich der Erneuerung des rumänischen Kulturlebens verschreibt. Kaum ins Leben gerufen, verläßt ihr „Chef” Eliade Rumänien für drei Jahre.
1928
Um für seine Magisterarbeit, die im Oktober von der Universität Bukarest angenommen wird, Material zu sammeln, war Eliade nach Italien gereist, hatte dort führende Religionshistoriker kennengelernt und geriet mit dem Traditionalismus Evolas in Kontakt. Das läßt in Eliade den Wunsch aufkommen, in Indien Sanskrit zu studieren. Ausgestattet mit einem Stipendium geht er im November auf die vielleicht einschneidendste Reise seines Lebens, von deren Erfahrungen er sein Leben lang zehren sollte. Er studiert in Kalkutta bei dem indischen Philosophieprofessor Dasgupta, der ihn sogar in sein Haus aufnimmt. Durch ein Liebesverhältnis mit Maitreyi, der Tochter des Professors, kommt es zum Bruch. Eliade muß das Haus verlassen und sich allein durch Indien schlagen. Seine Reisen führen bis zum Fuße des Himalaya, wo er vermutlich in die Yoga-Praxis eingeweiht wird. Als wichtigste Erkenntnis aus Indien nimmt er jedoch die Einsicht in die existentielle Bedeutung und Macht des Symbols mit.
1931
Nach seiner Rückkehr im November leistet Eliade zunächst seinen Militärdienst ab und wird ein Jahr später mit einer Arbeit über Yoga, die 1936 in Paris erscheint und Eliades Ruf als Religionswissenschaftler begründet, an der Bukarester Universität promoviert. Nae Ionescu macht ihn zu seinem Lehrstuhl-Stellvertreter, der Roman Maitreyi bringt belletristischen Erfolg. Die Generation wächst an, unter anderem stößt Cioran dazu. 1934 heiratet Eliade. Die dreißiger Jahre sind in Rumänien durch die gewaltsamen politischen Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und der christlich-faschistischen Eisernen Garde gekennzeichnet. Eliade gründet in dieser hektischen Phase die Gruppe Criterion, die in öffentlichen Veranstaltungen zu Gegenwartsfragen Stellung nimmt, indem sie möglichst entgegengesetzte politische Lager zur Teilnahme einlädt.
1937
Eliade tritt vermutlich im Januar der Eisernen Garde bei und ergreift in Artikeln öffentlich das Wort für die Garde, insbesondere für ihren charismatischen Führer Corneliu Zelea Codreanu. Eliades Motiv ist die Hoffnung auf ein nationales Wiedererstarken Rumäniens. Nachdem die Gewalt eskaliert, wird die Garde verboten, Eliade in einem Lager interniert und Codreanu von der rumänischen Regierung ermordet. Die sich bald darauf abzeichnende Entspannung nutzt Eliade, um die erste rumänische Zeitschrift für Religionswissenschaft, Zalmoxis, zu edieren. Kurz darauf versucht er, sich im Ausland in Sicherheit zu bringen.
1940
Eliade gelingt es, als Kulturattaché nach London berufen zu werden. Er verläßt daher im April Rumänien, ohne zu ahnen, daß es für immer sein wird. Im Februar 1941 wechselt Eliade nach Lissabon, das sich im kommenden Weltkrieg neutral verhält, aber deutliche Sympathien für die Achsenmächte zeigt. Eliade ist vom ständisch-autoritären Portugal Salazars, der von 1932 bis 1968 regiert, angetan, weil er die Überwindung der Demokratie als Voraussetzung für eine nationale Wiedergeburt betrachtet. Salazars Weg scheint ihm ein Vorbild für Rumänien. 1944 stirbt seine Frau, 1950 vermählt er sich erneut. Die Niederlage der Achsenmächte und die kommunistische Regierungsübernahme in Rumänien bringen Eliade in Bedrängnis. Er flieht nach Paris, wo es schon eine stattliche Kolonie von rumänischen Flüchtlingen gibt. Wichtige Bücher entstehen in dieser Zeit, unter ihnen Kosmos und Geschichte, jedoch verhindern Gerüchte über seine Vergangenheit eine Berufung auf einen Lehrstuhl. Auf den seit 1933 stattfindenden Eranos-Tagungen in Ascona, an denen Eliade seit 1950 teilnimmt, bahnt sich ein Ausweg für Eliades Situation an. Die Bekanntschaften mit C. G. Jung und verschiedenen Religionswissenschaftlern haben positive Folgen.
1955
Einer dieser Bekanntschaften, Joachim Wach, hat es Eliade zu verdanken, daß er eingeladen wird, in Chicago die berühmten Haskell Lectures zu halten. Als Wach im August des Jahres plötzlich stirbt, wird Eliade 1956 sein Nachfolger auf dem Lehrstuhl für Vergleichende Religionsgeschichte und entfaltet eine fruchtbare Lehrtätigkeit, der zahlreiche Schüler entstammen. Gemeinsam mit Ernst Jünger, der schon 1942 von Zalmoxis begeistert war, gibt er von 1960 bis 1972 die Zeitschrift Antaios heraus, die sich durch sehr disparate und exklusive Beiträge auszeichnet. Die sechziger Jahre sind in den USA auch durch das Auftreten der Hippie-Bewegung geprägt, die ähnlich wie Eliade auf der Suche nach den ursprünglichen Mythen ist und durch den Nachvollzug magischer Praktiken die Entfremdung des modernen Menschen überwinden möchte.
1972
Auf dem Höhepunkt seines Ruhms beginnt Eliade seine Vergangenheit einzuholen. Die Publikation von Teilen des Tagebuchs von Mihail Sebastian, einem jüdischen Mitglied der Generation und Schüler Ionescus, enthüllt Eliades Denken als gardistisch, faschistisch und nicht zuletzt als antisemitisch. Eliade fällt es schwer, auf diese Vorwürfe zu reagieren, da sie offensichtlich stimmen, gleichzeitig aber am Kern der Auseinandersetzungen der dreißiger Jahre, des Weltbürgerkrieges der Ideologien, vorbeigehen. So muß jeder Erklärungs- und Rechtfertigungsversuch von Seiten Eliades die Mißverständnisse verstärken. Diese Enthüllung hat seine Reputation als Wissenschaftler und Schriftsteller, der lange als Genie galt, nachhaltig zerstört. Davon scheinbar unberührt, nimmt Eliade sein Hauptwerk, die Geschichte der religiösen Ideen, in Angriff, das seine Stellung als führender Religionswissenschaftler noch einmal unterstreicht. So kommt es, daß Eliade 1980 als Kandidat für den Nobelpreis nominiert wird. Daß er ihn nicht erhielt, hat Eliade schwer gekränkt.
1986
Am 22. April stirbt der krebskranke Eliade an einem Hirnschlag in Chicago. Ein Jahr zuvor hatte er eine letzte herausragende Ehrung erfahren: der Lehrstuhl in Chicago wurde nach ihm benannt und damit erstmals ein Lehrstuhl nach einer noch lebenden Person. Diese Auszeichnung konnte jedoch nicht verdecken, daß Eliade seit den siebziger Jahren auch wissenschaftlich in die Kritik geraten war: eine neue Generation von Religionswissenschaftlern forderte von ihrem Fach Objektivität und die Ablehnung von persönlicher Anteilnahme am Forschungsgegenstand. So war Eliades Tod bezogen auf die Rezeption seines Werkes keine Zäsur. Die Wahrnehmung Eliades als eines esoterischen Schriftstellers, der ein Geheimwissen vermitteln will, hatte bereits vorher begonnen. Seine Bücher werden weiterhin gedruckt und gelesen, jedoch nicht von Wissenschaftlern, sondern oftmals von Menschen, die wie Eliade selbst auf der Suche sind.