Wachstumskritik (I), oder: Zunächst ein Lob für den Staat

Wer den Wachstumszwang in Frage stellt, bekommt zu hören,...

Felix Menzel

Felix Menzel ist Chefredakteur des Schülerblogs blauenarzisse.de.

die­ser resul­tie­re aus der mensch­li­chen Natur. Der Mensch stre­be nun ein­mal bestän­dig nach mehr Geld, Macht und Erfolg. Nicht weit ist es dann zu dem Gedan­ken, der Staat sol­le des­halb die Unter­neh­mer ein­fach machen las­sen und der „unsicht­ba­ren Hand“ des Mark­tes vertrauen.

Dahin­ter steckt die Annah­me, umso frei­er die Wirt­schaft agie­ren kön­ne, umso inno­va­ti­ver sei sie auch. Der Staat hin­ge­gen sei ein rei­ner Ver­wal­tungs­ap­pa­rat, der Erfin­der­geist durch über­mä­ßi­ge Büro­kra­tie einbremse.

Ob die­se Annah­me auch stimmt, hat die Öko­no­min Maria­na Maz­zu­ca­to in ihrem Buch Das Kapi­tal des Staa­tes. Eine ande­re Geschich­te von Inno­va­ti­on und Wachs­tum (2014) über­prüft. Sie kommt dabei zu einem, für man­chen viel­leicht sehr über­ra­schen­den, Ergeb­nis: Alle wirk­lich bedeu­ten­den Erfin­dun­gen der letz­ten Jahr­zehn­ten sei­en nur zustan­de gekom­men, weil der Staat das finan­zi­el­le Risi­ko getra­gen habe.

Der Staat als „toll­küh­ner“ Initia­tor von Inno­va­tio­nen? Ja, bei den meis­ten radi­ka­len, revo­lu­tio­nä­ren Inno­va­tio­nen, die den Kapi­ta­lis­mus vor­an­ge­trie­ben haben – von Eisen­bah­nen über das Inter­net bis aktu­ell zur Nano­tech­no­lo­gie und Phar­ma­for­schung –, kamen die frü­hes­ten, mutigs­ten und kapi­tal­in­ten­sivs­ten „unter­neh­me­ri­schen“ Inves­ti­tio­nen vom Staat.

Ange­lehnt an John May­nard Keynes for­dert Maz­zu­ca­to des­halb, der Staat sol­le jene Ent­schei­dun­gen tref­fen, „die nie­mand trifft, wenn der Staat sie nicht trifft“. Sub­ven­tio­nen nach dem Gieß­kan­nen-Prin­zip zu ver­tei­len, ist dem­nach falsch. Steu­er­gel­der in risi­ko­rei­che Grund­la­gen­for­schung zu inves­tie­ren, dage­gen genau der rich­ti­ge Weg.

Maz­zu­ca­to gelingt es in ihrem Buch auf beein­dru­cken­de Wei­se, zu bele­gen, war­um als inno­va­tiv gel­ten­de Unter­neh­men wie Apple erst so erfolg­reich wer­den konn­ten. Sie kamen zum einen in den Genuß finan­zi­el­ler Zuwen­dun­gen vom Staat, zum ande­ren ver­stan­den sie es bes­ser als ihre Kon­kur­ren­ten, öffent­lich finan­zier­te Tech­no­lo­gie, die sehr häu­fig zunächst für mili­tä­ri­sche Zwe­cke ent­wi­ckelt wur­de, schnell zum Ein­satz zu brin­gen. „Tat­säch­lich steckt im iPho­ne nicht eine ein­zi­ge Tech­no­lo­gie, die nicht staat­lich finan­ziert wur­de“, betont Mazzucato.

Nun gibt es aller­dings ein Pro­blem für alle Staa­ten der Welt: Selbst wenn ihre Inno­va­ti­ons­po­li­tik erfolg­reich ist, zäh­len sie am Ende zu den Ver­lie­rern, weil die glo­bal agie­ren­den Unter­neh­men zwar auf die öffent­lich finan­zier­ten For­schungs­er­geb­nis­se zurück­grei­fen, dann aber größ­ten­teils im Aus­land ihre Pro­duk­te her­stel­len und spä­ter ver­kau­fen. Durch Steu­er­ver­mei­dungs­stra­te­gien gelingt es ihnen zudem, daß der Staat, der die Inves­ti­tio­nen getä­tigt hat, kaum dafür belohnt wird. Eine klu­ge Inno­va­ti­ons­po­li­tik sorgt also weder für zusätz­li­che hei­mi­sche Arbeits­plät­ze noch für höhe­re Steuereinnahmen.

Lang­fris­tig muß die­ses Dilem­ma zu einer Nega­tiv­spi­ra­le füh­ren: Wenn es sich für den Staat nicht mehr lohnt, in Inno­va­tio­nen zu inves­tie­ren, funk­tio­niert der Pro­zeß der „schöp­fe­ri­schen Zer­stö­rung“ (Joseph Schum­pe­ter) nicht mehr rich­tig. Doch dies wirkt sich nicht nur auf den tech­ni­schen Fort­schritt aus, den man­cher viel­leicht sogar für ver­zicht­bar hält bzw. ihn eben­falls kri­tisch hinterfragt.

Indem der Staat in Zei­ten der Glo­ba­li­sie­rung wei­ter­hin Risi­ken kol­lek­ti­viert, aber auf der ande­ren Sei­te eine Pri­va­ti­sie­rung von Gewin­nen zuläßt, sägt er am eige­nen Ast und wird sich dazu ver­lei­ten las­sen, weni­ger auf Bil­dung und For­schung zu set­zen und statt des­sen nach ande­ren Wegen zu suchen, um ein Wirt­schafts­wachs­tum zu simu­lie­ren, das er braucht, damit sei­ne Eli­te wie­der­ge­wählt wird.

Der auf den ers­ten Blick ein­fachs­te Aus­weg ist es dabei, auf Mas­sen­ein­wan­de­rung zu set­zen und bil­li­ge Arbeit­neh­mer sowie Kon­su­men­ten anzu­wer­ben, bei denen sich immer neue Bedürf­nis­se her­vor­ru­fen las­sen. Das Kon­zept dahin­ter: Mas­se statt Klasse!

Felix Menzel

Felix Menzel ist Chefredakteur des Schülerblogs blauenarzisse.de.

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Kommentare (46)

Siddharta

13. Juli 2015 10:32

"Wachstumszwang" als Folge von Innovationsanreizen? Ich erinnere mich noch dunkel an Binswangers oekologisch bedenklichen Wachstumszwang aufgrund des Zinses. Natuerlich verbinden sich mit Innovationen externe Effekte, welche sich nicht immer internalisieren lassen. Aber daraus einen Bogen zur Masseneinwanderung zu machen, scheint mir weit hergeholt. Die Industrienation Japan hat eine vergleichbar niedrige Geburtenrate wie Deutschland und lehnt Massenimmigration kategorisch ab. Stattdessen setzt man dort auf erhoehte Effizienz durch Automatisierung und Roboter.

Weserlotse

13. Juli 2015 10:39

Ich bin völlig der Meinung, daß die unternehmerische Betätigung des Staates gefordert ist, wo die Erbringung einer Leistung zu gleichen Bedingung auch überall dort, wo es sich für einen Unternehmer eigentlich nicht lohnt, für das Funktionieren einer Gesellschaft von herausregender Bedeutung ist. Also insbesondere: Post, Eisenbahn, Telekommunikation, Sozialversicherungen und dergleichen. Daß sich überall dort, wo es sich Lohnt, private Unternehmen den Rahm abschöpfen können, während die unrentable, aber notwendige Leistung beim Staat verbleibt, ist auf jeden Fall ein Irrweg.

Dagegen ist im Sinne der Dasinsvorsorge keineswegs alles erforderlich, was als Innovation gilt, weswegen schon sehr genau betrachtet werden sollte, in wessem Sinne und zu wessen Nutzen ein Eingriff des Staates ist.

Dies ist insbesondere dann geboten, wenn es um Innovationen geht, die keineswegs etwas qualitativ verbessern und mithin einen Fortschritt darstellen, sondern deren Daseinsberechtigung darin besteht, den kapitalistischen Verwertungsprozeß auszuweiten und zu beschleunigen. Daß eine solche Wirtschaftsweise des Wegschnmeißens und unnötigen Ersetzens die Grundlagen des Lebens ruiniert und Raubbau an Ressourcen betreibt, liegt auf der Hand. Eine verantortungsbewußte Politik würde diese Dynamik bremsen.

Derselben Logik folgt auch die angeblich notwendige Einwanderung, die wir gleich einem unabänderlichen Schicksal zu erdulden haben. Sie dient allein der Vermeidung einer quantitativen Wachstumsrücknahme um jeden Preis.

Bausparer

13. Juli 2015 11:11

Irgendwie muss die Verfasserin ein anderes Land im Auge haben (jedenfalls nicht Deutschland), wenn sie meint, der Staat werde für eine kluge Innovationspolitik nicht "belohnt". Der "Lohn" ist doch wohl das Steueraufkommen, oder?
https://de.wikipedia.org/wiki/Steueraufkommen_%28Deutschland%29
Ganz so hilflos gegen Steuervermeider scheint unser Staat also nicht zu sein.

Arminius Arndt

13. Juli 2015 11:32

Aber daraus einen Bogen zur Masseneinwanderung zu machen, scheint mir weit hergeholt.

Wie man diese Kurve jetzt wieder gekriegt hat, ist mir auch aufgefallen ... ;)

Interessant ist aber, dass nach dem Artikel der Staat wohl als Finanzier taugt, die Durchführung aber schon nach privaten Prinzipien bzw. in privaten Händen ablaufen sollte (siehe das Beispiel Apple) - ein Traum für die Kapitalisten, nicht nur die Verluste sozialisieren, sondern auch die Investitionen :)

Insgesamt rieche ich zu viel Ideologie ...

Felix Menzel

13. Juli 2015 12:22

Ganz kurz als Ergänzung, warum durch Masseneinwanderung sehr viel leichter Wachstum zu generieren ist und warum deshalb unbedingt der Zusammenhang hergestellt werden muß. Bitte lest dazu diesen Beitrag hier: https://www.sezession.de/48864/die-kosten-der-einwanderung-i.html

Noch traumhafter klingt diese Rechtfertigung für die derzeitige Masseneinwanderung nach Deutschland, ergänzt man sie um einige Prognosen zur internationalen Wirtschaftsentwicklung. Führende Wissenschaftler in diesem Feld betonen immer wieder, das weltweite Bruttoinlandsprodukt (BIP) könne in den nächsten Jahrzehnten um 50 bis 150 Prozent steigen, wenn denn nur endlich diese nervigen Staatsgrenzen eingerissen werden. Es geht hier um astronomische Zahlen: Ein Anstieg um 50 Prozent würde beim derzeitigen BIP der Welt von 77,6 Billionen Dollar fast 40 Billionen Dollar bedeuten, 150 Prozent würden eine Steigerung um mehr als 116 Billionen Dollar ergeben.

Die Rechnungen für solche Prognosen liefern Ökonomen wie der Amerikaner Michael Clemens vom Center for Global Development (CGD). Er erweckt den Eindruck, wir könnten sofort die Billionen-Dollar-Scheine vom Fußweg einsammeln, wenn wir nur endlich die größten Migrationsbeschränkungen aufheben würden. Das Kalkül dahinter wird deutlich, wenn wir die Welt einfachheitshalber in „reich“ und „arm“ aufteilen. Im reichen Teil, so die Erklärung von Clemens, verdient eine Milliarde Menschen im Durchschnitt 30.000 Dollar pro Jahr. Im armen Teil der Erde leben dagegen sechs Milliarden Menschen, die im Schnitt nur 5.000 Dollar pro Jahr verdienen. Wenn nun die Armen in die reichen Länder ziehen, erzielen sowohl sie als auch die Weltwirtschaft enorme Gewinne, auch wenn die Einwanderer nur 60 Prozent des Lohnniveaus erreichen sollten.

gerdb

13. Juli 2015 12:57

Das eigentliche Problem ist doch aber, dass die menschliche Arbeitskraft unrentabel geworden ist und weiter werden wird.
Insofern sind die Einwanderer schlicht überflüssig.
Konsumieren können sie ja auch in ihren Herkunftsländern wenn man ihnen die Mittel zur Verfügung stellt (z. B.Griechenland).

Venator

13. Juli 2015 13:52

Dass Einwanderung Wachstum des BIP generieren kann, scheint trivial. Gleichzeitig könnte jedoch der Lebensstandard der Bevölkerung sinken, insbesondere jener, der nicht rein materiell bemessen wird.

Der Knackpunkt scheint mir aber der: Laut Menzel brauchten die Eliten Wirtschaftswachstum oder deren Simulation, um wiedergewählt zu werden; deswegen förderten sie die Masseneinwanderung. Ist das nicht zu weit hergeholt? Denn das würde unterstellen, dass der mediane Wähler seine Wahlentscheidung vom BIP-Wachstum abhängig macht, ohne dabei auf die Veränderung seiner persönlichen Lage zu blicken.

Die jüngsten Erfolge einwanderungskritischer Parteien widersprechen jedenfalls dieser These. Besonders in den Städten stützt sich die Linke immer mehr auf Zuwandererstimmen, während - in Österreich - die Autochthonen massenweise zur FPÖ abwandern. Für die Gemeinderatswahl im Herbst wird ihr jedenfalls ein großer Sieg vorhergesagt, allerdings ohne dass dies die Machtverhältnisse ändern würde.

Argus

13. Juli 2015 13:55

Herr Menzel,

Ihre bzw. die Argumentation von Mazzucato ist falsch.

"Mazzucato gelingt es in ihrem Buch auf beeindruckende Weise, zu belegen, warum als innovativ geltende Unternehmen wie Apple erst so erfolgreich werden konnten. Sie kamen zum einen in den Genuß finanzieller Zuwendungen vom Staat, zum anderen verstanden sie es besser als ihre Konkurrenten, öffentlich finanzierte Technologie, die sehr häufig zunächst für militärische Zwecke entwickelt wurde, schnell zum Einsatz zu bringen. „Tatsächlich steckt im iPhone nicht eine einzige Technologie, die nicht staatlich finanziert wurde“, betont Mazzucato."

Und warum muß und kann der Staat überhaupt finanziell "helfen"? Genau, weil er vorher schon 50, 60 oder gar 70 Prozent des Geldes abknöpft. Wäre dies nicht der Fall, würden sich auch private Start-up-Helfer finden, und zwar en masse. Wer weiß, welche Technologien wir längst schon hätten, würde der Staat nicht so tief in die Wirtschaft eingreifen.

Simon

13. Juli 2015 14:17

Dahinter steht ein Methodenfehler. Der Autor zählt einfach alle Investitionen auf des Staates auf, die zu einer Innovation geführt. Seriös müsste man aber die Gegenrechnung machen, wieviele Mittel dafür aufgewendet worden sind und wieviele Fehlinvestition dem Gegenüberstehen.

Klar wenn ich 10 Millionen Lose kaufe, gewinne ich eben auch mal im Lotto. Wenn Billionen von Euro in den Sand staatlicher Investitionswüsten gesetzt werden, dann ist es einfach eine Sache der Wahrscheinlichkeit, dass darunter auch irgendwelche Projekte sind, aus denen ein privater Unternehmer noch etwas machen kann.

Vielleicht kommt ja irgendwann ein Unternehmer, der aus dem BER in Berlin eines Tages einen Freizeitpark macht, der jedes Jahr Millionen von Besuchern ansieht, dann hätte man wieder ein Beispiel für eine erfolgreiche staatliche Investition.

KW

13. Juli 2015 14:35

Flüchtlinge als Arbeitsbeschaffung

https://infidels-deutschland.de/2015/07/11/fluechtlinge-als-arbeitsbeschaffung/

Irrlicht

13. Juli 2015 14:51

@Felix Menzel
Die Frage ist nur, welchen epistemischen Wert Thesen wie "Masseneinwanderung erhöht das Wirtschaftswachstum" , die auf zu Zahlenspielen degenerierten stark simplifizierenden math. Modellen beruhen, überhaupt haben (in Bezug auf das Zitat: Inwiefern ist es plausibel, dass bei einer unkontrollierten Masseneinwanderung die Migranten 60% des Lohnniveaus erreichen?). Im Gegensatz dazu stellen ordoliberal ausgerichtete Ökomen wie Sinn die Bedeutung institutioneller Voraussetzungen für die wirtschaftliche Entwicklung heraus, ein Aspekt, der bei der Auseinandersetzung über die Euro-Krise ein wesentliche Rolle spielt und dabei von einigen äußerst populistisch auftretenden US-Ökonomen vollkommen ignoriert wird.

Der Gutmensch

13. Juli 2015 15:31

Hm ... hat also jemand in alten Büchern geschmökert und den Leuten bekannte Konzepte als brandheiße Neuigkeit verkauft, während er auf die Bildungslücke gesetzt hat. Ich bin schwer begeistert ... Also, Onkel Lenin hat mit dem Stamokap (dargestellt anhand der finanziellen Verflechtung der üblicher Weise hoch innovativen Rüstungsindustrie mit dem Staat) schon im wesentlichen ausgerätselt, will mir scheinen! Die Massenzuwanderung hinten dran zu pappen, ist keine Leistung, wie ich finde.

Der Gutmensch.

Getz

13. Juli 2015 18:35

Wenn ich mir die deutschen Innovationen in der IT anschaue, so fruchteten diese fast ausschliesslich im Silicon Valley. Gesponsert vom Staat..., dann aber wieder zum Nutzen des geoßen Bruders! Die ehemals großen deutschen Konzerne wie Tyssen, Siemens, Volkswagen, Daimler, Hösch, RWE, Preussag..., Stinnes,.... wurden mitnichten von Staatsgeld groß. Es waren Könner und Macher am Werk, die sich eher vom Staat nicht herein haben reden lassen.
Tja... heute gieren alle CEO´s nach Subventionen es sind Kaputnix.
Abgesehen davon, der Staat hat noch keinen Arbeitsplatz geschaffen, das tun ausschliesslich Unternehen. Der Staat subventioniert seine Untertanen mit Stezergeldern und Krediten aus dem NIX.

Getz

13. Juli 2015 18:48

Zu den Wachstumszahlen und Einwanderen:
Das Null- oder Minuswachstum basiert hauptsächlich auf Luftgeld. Wenn diesem wie aktuell in GR die Luft ausgeht, sollte jeder einen vollen und vor allem sichern Keller haben. Wer dann noch hungrige dunkelhäutige Nachbarn hat sollte sich "warm" anziehen. Diese Million (täglich werden die Zahlen unübersichtlicher) Einwanderer pro Jahr... tut mir leid, das der Michel immer noch nicht auf die Barrikaden geht... mir fehlen die Worte.
Siehe: Bunte Vielfalt in der bunten Republik bei Kopp
oder Multikulti bei Hartgeld. Wenn man den Wahnsinn täglich liest, bleibt einem irgendwann die Spucke weg. Und jetzt hat auch der "kleine" Akif eine erfolgreiche Webside...
Vor so viel bunter Vielfalt vergisst man glett, dass diese auch bezahlt werden muss.

Coon

13. Juli 2015 19:09

Woher stammt die eingangs gemachte Behauptung, der Wachtumszwang resultiere aus der menschlichen Natur? Hat das die angegebene Autorin behauptet oder werden hier Gedankenfragmente einer vermeintlich auf das Thema Wachstum bezogenen öffentlichen Diskussion aufgenommen?

Ohne Frau Mazzucato gelesen zu haben, musst ich bei den genannten Thesen doch schmunzeln. Was wird denn hier für Wachstum gehalten? Etwa der reine Erfindungsgeist und seine Ergebnisse?

Die ökonomischen Wissenschaften ziehen die einzelnen Elemente der Fragestellung ganz anders auf. Wachstum bezieht sich hier einmal in erster Linie auf die Vergrösserung der Produktionskapazität. Der reine Erfindungsgeist wird eher hinter dem drögen Terminus Technischer Fortschritt verstaut. Historisch wurden nicht nur die beiden Begriffe immer wieder neu interpretiert. Die Geschichte zeigt auch, dass es das Dauerwachstum, dass der abendländische Raum seit etwas über 200 Jahren hinlegt, zuvor ganz und gar nicht in Permanenz gegeben hat. Am Staat kann der Erfolg der Jetztzeit aber kaum liegen, denn die praktisch staatseigenen Ökonomien marxistischer Prägung haben 70 Jahre den Beweis des Gegenteils angetreten. Es ist schön und gut die Fähigkeiten öffentlicher Forschungsinstitutionen zu sehen. Trotzdem gilt: Das Max-Planck-Institut kann die Technik des Faxens entwickeln. Aber es müssen erst Xerox et al kommen um daraus 1000de patentierte Produktentwicklungen und eine Weltindustrie für Milliarden von Menschen zu machen. Wer meldet denn all die Patente an, etwa der Staat? Hätten wir der Bundespost die Entwicklung des Smartphones überlassen, würden wir jedenfalls noch heute auf das schnurlose und mobile Telefon für alle warten.

Tatsache ist: Technischer Fortschritt ist in der Gesellschaft der Jetztzeit endogen also systemimmanent. Grundvoraussetzungen sind die Eigentumsschaffung (als verpfändbarer Rechtstitel und immaterielle Seite des physischen Besitzes) und die Vertragsfreiheit der Staatsbürger. Nur so kann das Zettelgeld und die Kreditwirtschaft der Neuzeit entstehen und nur hier wird die schöpferische Zerstörung der Produktionskapazitäten und ihre fortlaufende Ersetzung durch neue und bessere Verfahren zum notwendigen Bestandteil der Wirtschaft. Der im Geldsystem über das verpfändete Eigentum drohende Vermögensverlust bei Nichtbedienung der Kredite und der Riskoprämien (Zins) erzwingt permanente Innovation und defacto Wachstum. Das heisst nicht, dass die Produktionskapazitäten nicht auch schrumpfen können. Das sie es allerdings nicht sollen, das zeigen die Verrenkungen von Eurorettung bis Quantitative Easing und die Veröffentlichungen der staatssozialistischen Denker. Das ist alles verstanden, wenn auch nicht von allen. Wenn wir uns bei jemandem für den Fortschritt bedanken wollen, dann beim ollen Preussen Stein, dessen Reformen Vertragsfreiheit und Selbsteigentum für alle Preussen seit 1810 definierten. Und natürlich beim deutschen Kaiserreich, dass ökonomisch zwischen 1871 und 1914 die Erfolgsgeschichte schlechthin darstellt und das alles unter nach heutiger Lesart amerikanischen Verhältnissen, von denen selbst die US-Amerikaner nur noch träumen können.

Einwanderung ist nicht per se gleich Kapazitätswachstum. Um die Kompetenzverluste aus Abwanderung überdurchschnittlich hoch qualifizierter Inländer zu kompensieren benötigt man wenigstens gleich qualifizierte Zuwanderer. Diese findet man kaum unter nichteuropäischen Einwanderern. Die Fachkräfte-Diskusion ist natürlich eine Nebelkerze. Der Grund für den trotzdem staatsseitig warmen Empfang liegt meines Erachtens eindeutig in den gesellschaftlichen Verschiebungen der staatlichen Zielgruppen. Die geburtenstarken Jahrgänge werden bald Teil des Rentensystems seins und nicht mehr Gegenstand sozialstaatlicher Pseudo-Betreuung. Hier stellt der Armutswanderer den besten Ersatz dar, ist er doch weit betreungsbedürftiger als sein deutsches Pendant. Der Einwanderer wird zur perfekten Einkommensquelle eines in Grösse und Anspruch wachsenden Sozialsektors. Hier gilt es anzusetzen um die Auswüchse staatlicher Misswirtschaft anzugehen.

Ach ja, falls Sie Smith lesen, schliessen Sie in Ihre Lektüre bitte seine Veröffentlichungen zur Moralphilosophie mit ein. Der Mann hat ja kaum was über Ökonomie geschrieben.

Michael Schlenger

13. Juli 2015 19:30

Ergänzend zur Kritik von Argus und Simon sei Folgendes angeführt: Die Autorin - nebenbei eine britische Politikberaterin, die u.a. von der EU-Kommission bezahlt wird - begeht den klassischen Fehler, eine Kausalität zu behaupten, wo sich nur eine "Koinzidenz" beobachten lässt. Für die hier vertretenen Lateiner in Kürze: "Cum hoc, non propter hoc".

Das Problem bei derlei empirischen Betrachtungen ist, dass sich der Alternativfall nicht beobachten lässt. Also: Wie hätte sich das anfänglich fast rein private Eisenbahnwesen entwickelt, wenn es sich nicht nach und nach der Staat einverleibt hätte? Welche Konkurrenz zu Boeing gäbe es heute, wenn die Europäer nicht den staatlichen Anbieter Airbus gegründet hätte? Oder auch allgemeiner: Welche Innovationen hätten sich etabliert, wenn der Staat sich nicht - wie in vielen europäischen Volkswirtschaften 40 bis über 50 % der Wirtschaftsleistung aneignen und zum allergrößten Teil für Konsum und Klientelbeglückung verwenden würde? Bekanntlich stehen Investitionen in wachstumsrelevante Bereiche wie Bildung, Infrastruktur und Forschung in den "starken" Staaten mit hohen Steuerquoten, ausgeprägter Regulierung und latent unternehmerfeindlicher Ideologie gerade nicht im Vordergrund.

Des Weiteren darf darüber gestritten werden, welche Technologien als innovativ im Sinne von produktivitätsfördernd gelten können. Gerade im angesprochenen Bereich Kommunikation hat es seit der Jahrtausendwende zweifellos rasanten Fortschritt gegeben. Doch dieser macht sich zum Verdruss der Statistiker in der Produktivität der Volkswirtschaften praktisch kaum bemerkbar. Speziell in den USA, deren dynamischster Wirtschaftssektor die Informationstechnologie ist, bereitet seit Jahren die stagnierende Produktivität der Gesamtwirtschaft Kopfzerbrechen. Das mag salopp gesprochen daran liegen, dass die Möglichkeit, über das Internet riesige Mengen von Daten in Kürzester Zeit bewegen zu können, per se nicht wertschöpfend ist.

Von daher ist ausgerechnet Apple ein ausgesprochen schlechtes Beispiel dafür, dass ein gut mit der "gestaltungs"süchtigen Politik verdrahtetes Unternehmen auf Steuerzahlerkosten "Fortschritt" produziert. Aus meiner Sicht bietet die Firma schlicht Funktelefone an, mit denen man auch private Botschaften und Fotos vom Kindergeburtstag verschicken oder nach dem nächsten Restaurant in einer fremden Stadt suchen kann. Innovation, die das Leben grundlegend verändert hat wie die Dampfmaschine, die Nutzung der Elektrizität oder individuelle Mobilität mittels Verbrennungsmotoren sieht m.E. anders aus.

Interessant ist in diesem Zusammenhang das Argument, dass das Wachstum der US-Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg über lange Zeit wesentlich vom Bevölkerungswachstum getrieben wurde. Auch das ist natürlich nur eine statistische Korrelation, aber die These hat Plausibilität. Wachstum kann letztlich nur aus zwei Quellen resultieren: Entweder technischem oder organisatorischem Fortschritt, der bei gegebenen Ressourcen (Land, Rohstoffe, Arbeitskräfte usw.) mehr Produktion ermöglicht. Oder man setzt mehr Ressourcen ein, also mehr Rohstoffe, mehr Arbeitskräfte. Mangels Rohstoffen kann ein Land wie Deutschland prinzipiell versuchen, durch Zuwanderung das Wachstum zu fördern. Ob das klappt, hängt rein vordergründig davon ab, ob der von den Zuwanderern geschaffene Wert die Lohnkosten übersteigt. Wenn der Stundenlohn entsprechend niedrig ist, können selbst Unqualifizierte produktiv sein, wie man in den USA mit ihrem reichen Angebot an einfachen Dienstleistungen besichtigen kann.

Wie das Ergebnis von (insbesondere ungesteuertem) Arbeitskräfteimport zu bewerten ist, steht auf einem anderen Blatt. Dass auch nicht alles, was produziert wird, dauerhaften Wert schafft, ist trivial und war auch den gebildeten Vordenkern einer möglichst wettbewerblich organisierten Wirtschaft bekannt. Müll, Blödsinn und Kitsch wurde schon immer produziert, und ganz gewiss nicht in geringerem Umfang in den Mangel verwaltenden Planwirtschaften jedweder Couleur.

Beschränkt man sich auf produktivitätssteigernde Erfindungen als Quelle von Wachstum (statt Arbeitskräfteimport oder Erhöhung der Beschäftigungsquote), haben die Anhänger des Etatismus das Problem, dass sie nicht begründen können, weshalb eine begrenzte Zahl sicherheitsorientierter Staatsangestellte das Potential von Innovationen besser erkennen können sollte als eine Vielzahl von unternehmerisch orientierten, im Wettbewerb zueinander stehenden und vom Gewinn profitierenden Akteure am Weltmarkt. Ich gehe davon aus, dass die Autorin des genannten Buchs hier auch kein überzeugendes Argument liefern kann.

Zum Schluss noch ein Gedanke zum "Wachstumszwang". Da praktisch alle entwickelten Staaten hochverschuldet sind und sich Zukunftslasten aufgebürdet haben, deren Gegenwartswert nicht refinanziert sind (u.a. Pensionslasten), sind sie auf Gedeih und Verderb zumindest auf das Wachstum der Steuereinnahmen im Zeitablauf angewiesen. Ohne Wirtschaftswachstum lässt sich bei den gegebenen Steuerquoten das Steueraufkommen zumindest in den meisten europäischen Ländern kaum mehr steigern, da sonst der Steuerwiderstand (Auswanderung, Steuerhinterziehung, Verzicht auf höhere Qualifikation und Mehrleistung) kontraproduktiv wird. Des Weiteren kann sich eine im globalen Wettbewerb stehende Volkswirtschaft wie die deutsche Produktivitätsstillstand nicht leisten, wenn sie auch nur ihren derzeitigen Lebensstandard halten will. Denn die Konkurrenz schläft nicht und wer sich in Zukunft gegen chinesische Anbieter durchsetzen will, muss weiter innovativ sein. Das mag Leuten nicht gefallen, die einer Utopie von Autarkie anhängen. Privat kann das aber jeder gern für sich ausprobieren, sich vom bösen Markt und "Wachstumszwang" abzukoppeln.

M.E. sind Konservative mangels fundierten eigenen Wirtschaftsmodells gut beraten, sich an die ordoliberale Schule zu halten, viel "deutscher" geht es vernünftigerweise wohl nicht.

Asenpriester

14. Juli 2015 02:29

Die Erde wächst nicht mit - darum ist ständiges Wirtschaftswachstum der Sargnagel zur Zivilisationszerstörung. Das hatte der konservative Ökologe Herbert Gruhl schon in seinen Büchern (z.B. in sein Letztwerk "Himmelfahrt ins Nichts - der geplünderte Planet am Ende") nachgewiesen. Ein gewisses Wirtschaftswachstum ist notwendig in Ländern mit Bevölkerungswachstum. Jetzt macht man den unglaublichen Fehler, unseren Bevölkerungsschwund damit auszugleichen, in dem der Bevölkerungsüberschuß aus den mit Menschenfluten explodierenden Entwicklungsländern hier her zu holen.
Das Ende ist daher absehbar. Ich gehe davon aus, daß es beabsichtigt ist.
Wie sagten doch die alten Cree:
"Erst wenn der letzte Baum gerodet,
der letzte Fluß vergiftet,
der letzte Fisch gefangen,
werdet ihr feststellen, daß man Geld nicht essen kann!"

Arminius

14. Juli 2015 06:09

Das ist ist einer der Beiträge, welche ausbaufähig sind. Seit wann ist denn Grundlagenforschung risikoreich? Diese geschieht ja genau um fundamentale Prinzipien herauszufiltern und nicht in erster Linie um sie wirtschaftlich zu verwerten. Wenn es Unternehmen gelingt diese in kommerziell nutzbare Technologien umzusetzen, dann weil die Absorptionsfähigkeit jener Unternehmen aus verschiedenen Gründen höher ist als die anderer Unternehmen. Sagen wir beispielsweise durch enge soziale Netzwerke in die Universitäten hinein oder eine Ausbildung erster Güte. Hier werden verschiedene Konstrukte heillos miteinander vermischt.

Darüber hinaus scheint sich diese Abhandlung lediglich um Produktinnovationen zu drehen. Was ist mit Prozessinnovationen? Sorgen die nicht gerade dafür, dass auch im eigenen Land noch kosteneffizient produziert werden kann? Sind diese nicht schwieriger übertragbar aufgrund des hohen Ausmaßes an erforderlichem prozessualen Wissen?

Der Bogenschlag zur Masseneinwanderung ist mir hier ebenfalls unklar, zumindest mit der Begründung der Steigerung des Konsums. Ich glaube nicht daran, dass Volkswirtschaften nur vom Verkauf einiger Konsumgüter wachsen. Zudem beißt sich der im letzten Abschnitt geäußerte Bedarf an billigen Arbeitskräften mit der weiter oben getätigten Behauptung die Produktion der innovativen Produkte würde auslagert. Nun ist es aber so, dass die eher günstigen und geringer bezahlten Arbeitsplätze gerade in der Produktion zu finden sind.

enickmar

14. Juli 2015 06:53

Wäre dies nicht der Fall, würden sich auch private Start-up-Helfer finden, und zwar en masse.

Würde, hätte, wäre ...

enickmar

14. Juli 2015 07:27

Ist das nicht eine bedeutende These von Joseph Stiglitz ?

"While the mathematical validity of Stiglitz et al. theorems are not in question, their practical implications in political economy and their application in real life economic policies have been subject to considerable disagreement and debate.
...
But the Greenwald-Stiglitz theorem posits market failure as the norm, establishing "that government could potentially almost always improve upon the market's resource allocation." And the Sappington-Stiglitz theorem "establishes that an ideal government could do better running an enterprise itself than it could through privatization"

https://en.wikipedia.org/wiki/Joseph_Stiglitz#Shapiro-Stiglitz_efficiency_wage_model

Eine moderne Ökonomie bedarf „kollektiver Maßnahmen“ – sie ist auf staatliche Investitionen in die Infrastruktur, in Bildung und Forschung angewiesen, da die menschliche Natur die private Investition in zeitlich überschaubare (kurzfristige) Gewinne bevorzugt. Eine langfristige Sicherung von notwenigen Grundlagen, welche die Erfolge des Individuums erst ermöglichen, wird von der unsichtbaren Hand nicht erfasst.

Wer die Familie als kleinste Organisationseinheit der Gesellschaft oder des Staates anerkennt, kann die wahnhafte Utopie des Liberalismus nicht ernstnehmen.

Eine funktionierende Familie beruht auf Hierarchie und Altruismus. Aber nicht auf den Gesetzen des Marktes.

Der Mensch ist weder Homo Ökonomicus noch Homo Rationalis.

Dag Krienen

14. Juli 2015 14:28

Der schon von mehreren Vorrednern ausgesprochenen Empfehlung, sich an "ordoliberale" Wirtschaftstheorien anzuschließen, kann ich mich nur anschliessen. Sie bieten eine überzeugende Beschreibung der notwendigen Leistungen des Staates, um eine moderne Wirtschaftsordnung überhaupt erst etablieren und dann ihr Funktionieren gewährleisten können ("institutionelle Garantien"). Zugleich werden aber dem staatlichem und öffentliches Wirtschaften im engeren Sinne eindeutige Grenzen gezogen.
Das bedeutet allerdings nicht eine Reduzierung auf den blossen Nachtwächterstaat, der auf die Exekution des Gewaltmonopols zum Schutz seiner Bürger beschränkt bleibt. Gewisse Investitionen, die zu risikoreich sind oder sich nur sehr langfristig amortisieren und deshalb kein privates Kapital anlocken (vor allem im Infrastrukturbereich), gehören seit jeher zu den Aufgaben der "öffentlichen Hand". Technische Innovationsförderung ist hingegen eine kompliziertere Sache, vor allem auch, weil technische Erfindungen und ihre wirtschaftliche Verwertbarkeit sehr viel weniger vorhersahbar oder gar planbar sind, als man im allgemeinen annimmt. Das wissen auch die Unternehmen, die nicht einfach jedes Risiko aufs Geratewohl übernehmen wollen.
Mazzucato stellt zu recht heraus, dass ein großer Teil der modernen technischen Innovationen letztendlich auf staatlich finanzierte Forschung (in eigenen Forschungsanstalten oder auch durch Subventionen an Unternehmen) beruhen. Insoweit setzt sich hier die beschriebene alte Tradition fort. Und zwar nicht, weil Vater Staat weiser ist als die Unternehmer, sondern kapitalkräftiger. Auch der Staat weiß in letzer Konsequenz nicht, wohin die technologische Reise geht und es ist höchste Vorsicht geboten, wenn die Politik anderes verlautbart und (z.B. Elektroautomobilisierung) durch massiven Einsatz von Steuergeldern zu erzwingen sucht . Was der Staat aber tun kann und sollte, ist die Erleichterung des Prozesses der beständigen "Inventionen" durch Investitionen in die technische Ausbildung seiner Bürger und auch die Grundlagenforschung.
Die Übersetzung von "Inventionen" (Erfindungen) in "Innovationen" (neue Produkte für den Absatzmarkt) sollte die Öffentliche Hand jedoch im allgemeinen privaten Unternehmen überlassen, die aufgrund ihrer Profitorientierung nur solche Erfindungen zur Produktionsreife bringen, für die Nachfrage und Absatzmöglichkeiten bestehen. Natürlich gibt sich hier moralisch das Problem, daß hier private Unternehmen Profite aufgrund staatlicher Investionen realisieren, und ihre Risiken dabei gleichzeitig minimieren. Das tun sie reichlich, auch im Falle jener Großunternehmen, die Basisinventionen im eigenen Hause durchführen, dafür aber in der Regeln jede Menge staatlicher Forschungszuschüsse kassieren. Aus ihrer Sicht handeln die Unternehmen aber nur konsequent gemäß den eigenen Interessen. Daß dieses System der staatlichen Förderung derzeit Überhand genommen hat, liegt am derzeitigen Staat, der seine Lenkungskapazitäten im Bereich des technisch-wirtschaftlichen Fortschritts offensichtlich überschätzt.
Ebenfalls vor allem ein Problem falscher staatlicher Ordungspolitik ist das Poblem, daß die Großkonzerne ihre durch staatliche Mittel erzielten Innovationen ohne Rücksicht global in Profite verwandeln können. Auch hier sollte man das Problem weniger moralisch betrachten: nicht die Profite aus den Innovationen stehen dem Staat zu. Aber er hat an sich das Recht und auch die Pflicht, die Wirtschaftsordnung so zu gestalten, daß er und damit die Öffentlichkeit indirekt aus den so generierten Profiten der Unternehmen Vorteile ziehen kann, durch mehr qualifizierte Arbeitsplätze für die Bürger und durch höhere Steuereinnahmen, weniger Sozialausgaben etc.
Soweit die schöne Theorie. Daß die derzeitige "globalisierte" Weltwirtschaft ihr nicht mehr entspricht, sondern vielen Großkonzernen eine Profitmaximierung erlaubt, ohne noch nennenswerte Gegenleistungen für die von den einzelnen Staaten gegebenen Forschungssubventionen zu erbringen, ist nur zu wahr. Wie man dagegen angehen kann, weiß ich nicht, wohl aber, daß man aber gerade aus rechter Sicht versuchen sollte, Wege zu finden, ein "gesundes" Verhältnis von Staat und innovativer Wirtschaft wiederherzustellen.
Auch die Forderung "der Wirtschaft" nach Masseneinwanderung ist m.E. ein Folge staatlichen Versagens in seinem ureigensten Bereich, der "institutionellen Garantie" wirtschaftlichen Agierens. Das Schrumpfen der einheimischen Bevölkerung hat er zwar nicht allein zu verantworten, auch wenn er durch demographiepolitsches Versagen dazu beiträgt. Vor allem trägt er durch die Zerstörung des Ausbildungswesens per unentwegten "Bildungsreformen" bis hin zum Inklusionswahnsinn dazu bei, daß das Reservoir an hinreichend ausgebildeten einheimischen Arbeitskräften immer mehr schwindet. Auch hier ist es aus der Sicht der Unternehmen zwar unpatriotisch, aber nur konsequent, diesen Ausfall durch eingewanderte, zudem tendenziell geringere Lohnforderungen stellende Kräfte zu ersetzen. Daß die Masse der Einwanderer kaum die geeigneten Qualifikationen besitzt, tut wenig zur Sache, da diese in die Zuständingkeit der staatlicheh Sozialsysteme fallen. Die Unternehmen picken sich hier die brauchbaren Rosinen heraus, um den Rest der öffentichen Hand zur Last zu überlassen.
Damit will ich nicht die "armen" Unternehmen entschuldigen, aber doch klar machen, daß sie, rein als Unternehmen betrachtet, in dieser Form nur konsequent auf die gegebenen Umstände reagieren. Diese Umstände zu ändern, d.h. den ordungspolitischen Rahmen zu ändern, wäre aber Aufgabe der Politik. Allerdings dürfte hier nur das geduldige Bohren dicker Bretter weiterhelfen, da einzelstaatliche Alleingänge wenig Aussicht auf Erfolg haben. Ein einvernehmliches Vorgehen der Völker Europas, die ansonsten vollends unter die Räder geraten dürften, aber vielleicht schon.

Irrlicht

14. Juli 2015 14:41

@enickmar
Mit Stiglitz haben Mazzucatos Thesen nichts zu tun. Eine kurze Suche im Netz offenbart, dass das "Greenwald-Stiglitz-Theorem" bloß eine mikroökonomische Aussage ist, des Inhalts, dass unter bestimmten Bedingungen, z.B. unvollständiger Information, die "Wohlfahrtstheoreme" nicht gelten, d.h. ein Wettbewerbsgleichgewicht nicht notwendig ein Pareto-Optimum ist (und deshalb der der "freie Markt" samt postulierter "unsichtbarer Hand" nicht optimal funktioniert). Dabei werden jeweils stark vereinfachte math. Modelle zugrunde gelegt, siehe etwa
https://de.wikipedia.org/wiki/Wohlfahrtstheoreme .

Mit "Investitionen in die Infrastruktur, in Bildung, Forschung" hat das alles wenig zu tun, bei Keynesianern wie Stiglitz geht das eher in Richtung "Wirtschaftswachstum durch staatlich geförderte Produktion und Konsum".

Peter

14. Juli 2015 14:58

Tiefgründig und besonders reflektiert ist der Beitrag wirklich nicht. Es wurde ja schon treffende Kritik geäußert, betreffend beispielsweise die Tatsache, dass der Autor die andere Seite der Medaille völlig ausblendet, nämlich dass der Staat zuerst die Ressourcen den Bürgern entziehen muss, mit denen er dann (vermeintlich) "hilft". Tatsächlich ist der Staat eine Organisation, die seinen Bürgern die Beine bricht, ihnen in die Tasche greift, und ihnen von einem Teil des geraubten Geldes dann eine Krücke kauft. Der Autor zeigt dann verzückt auch die Krücke und ruft aus: "Seht her, ist der Staat nicht hilfreich und gut? Ohne Staat hätte der arme Mann keine Krücke!"

Michael Schlenger

14. Juli 2015 19:49

EEnickmar,

in der Tat finden sich an amerikanischen Universitäten jede Menge Etatisten wie Stieglitz, die dem Wettbewerb, Privatbesitz, dezentraler Entscheidungsfindung, Subsidiarität usw. nicht bzw. allenfalls in Randbereichen trauen.

Und natürlich ist die Beobachtung zutreffend, dass die Entscheidungen privater Wirtschaftssubjekte falsch, kurzsichtig oder sogar schädlich sein können. Jedoch sind solche Fehlentscheidungen akzeptabel, da sie meist nicht kollektiv begangen werden, ihre Auswirkungen somit begrenzt bzw. von den Verursachern selbst spürbar und korrigierbar sind, da sie die Entscheidungshoheit über die Phänomene noch selbst haben. Sie haben zudem ein grundsätzliches Interesse daran, ihre Lage zu verbessern, wenn sie Fehlentscheidungen getroffen haben. Und wenn sie über die entsprechenden Ressourcen verfügen können sie das prinzipiell tun.

Die Freunde der Staatswirtschaft dagegen unterstellen, 1.) dass Beamte nicht der begrenzten Einsicht und Rationalität des Untertanen unterliegen, 2.) dass sie sich nicht für den eigenen, ggf. kurzfristigen Vorteil interessieren und 3.) dass sie Fehlentwicklungen frühzeitig erkennen und im vermuteten Interesse der Betroffenen korrigieren können und wollen. Dieser naive Glaube in neutrale "Sachverständige", kühle "Experten", wohlmeinende "Weise" oder selbstlose "Wohltäter" macht die Verfechter einer staatlich gelenkten Wirtschaft zu Utopisten und zugleich zu den Wasserträgern des patriarchalischen "Nanny-States", der dem Einzelnen nicht einmal die Würde zugesteht, Fehler zu machen und daraus zu lernen.

Wie die Staatswirtschaftler übrigens ohne Wettbewerb, Markt und freie Preisbildung Knappheiten erkennen und Ressourcen lenken wollen, bleibt ebenfalls rätselhaft. Die Massenexperimente einer selbsternannten Avantgarde in den Kommandowirtschaften jedweder Couleur sollten eigentlich hinreichend bewiesen haben, dass das weitgehende Ausschalten privatwirtschaftlicher Elemente verheerend auf Kreativität, Wohlstand und Würde der Menschen wirkt.

Dass nicht alle Ebenen der Gesellschaft derselben Rationalität von Wettbewerb und freier Preisbildung wie die Produktion von Gütern und Dienstleistungen unterworfen sein müssen, ist trivial. In der Familie, der Nachbarschaft und der Gemeinde oder auch an der Universität können und müssen andere Prinzipien walten. Dafür können sich die Menschen in einem wirtschaftlich liberalen System frei entscheiden. Dagegen können sie es in keinem System, das den Einzelnen primär für fehlbar, irrational und kurzsichtig hält, die Herrschenden dagegen nicht.

Wieso manche Konservative, die die Familie als kleinste autonome Gemeinschaft mit eigenen Regeln zurecht gegen die dreisten Anmaßungen des staatlichen Molochs verfechten, gleichzeitig auf die Idee verfallen können, ein anonymer Apparat an lebensfernen Berufstechnokraten könne an anderer Stelle dauerhaft Gutes, ja sonst Unmögliches bewirken, ist mir schleierhaft. Wo in der Geschichte hat es so etwas je gegeben? Und wieso sollte bei dem allfälligen Lamento über die überhandnehmende Deutungs- und Handlungseinheit staatlicher und staatsnaher Institutionen in unserem Land eine Trendwende hin zu etwas weniger Bevormundung und mehr individueller Handlungsfreiheit problematisch sein? Wie stark sich dann im Einzelnen kollektive Elemente etablieren, sollte man den Betroffenen schon selbst überlassen. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil der Freiheit liegt nämlich darin, dass man auch frei ist, aus eigenen Stücken, auf bestimmte Freiheiten zu verzichten.

enickmar

14. Juli 2015 22:33

@ Irrlicht

Das hört sich hier aber ganz danach an (ab 4:50):

https://www.youtube.com/watch?v=olKOPrRqdH4

"The individuals, who've made the most important contributions, are not those, that are on the top ... And that foundation was largely publicly provided, publicly funded ..."

Innovationen wie Internet, Computer usw. werden auch genannt ...

Das ist genau die These von Mazzucato.

Eine kurze Suche im Netz offenbart, daß Stiglitz das offenbar in seinem entsprechenden Buch von 2012 thematisiert.

enickmar

14. Juli 2015 22:43

@ Michael Schlenger

Wie die Staatswirtschaftler übrigens ohne Wettbewerb, Markt ...

Kurz: Darum geht es überhaupt nicht.
Es geht darum, daß beides nicht funktiuoniert. Der Kommunismus bzw. reine Staatswirtschaft funktioniert nicht. Sein Geschwister, der Wirtschaftsliberalismus aber auch nicht.

Irrlicht

15. Juli 2015 08:32

@enickmar
Noch einmal und etwas präziser: Das "Greenwald-Stiglitz-Theorem" hat im Gegensatz zu Ihrer Behauptung nichts mit Mazzucatos Thesen zu tun, es ist eine Aussage über die Grenzen eines math. Spielzeugmodells des "freien Marktes", eine optimale Resourcenverteilung zu garantieren. Dagegen lassen sich in dem verlinkten Interview zwar thematische Anknüpfungspunkte erkennen, es geht aber bei der kurzen Einlassung Stiglitz zu "öffentlich geförderter Forschung" um die Kritik, dass die aufgezählten, mit öffentlichen Geldern geförderten Forscher ( mit stark anglozentrischem Einschlag - z.B. ist Alan Turing sicher nicht der Erfinder des Computers) nicht zu denen gehören, die im ökonomischen System der USA an der Spitze stehen. Diese "akademische" Forschung gehört aber nicht nicht zu den kapitalintensiven Investitionen des Staates, einschließlich "risikoreicher" Grundlagenforschung, von denen Mazzucato spricht (Eisenbahn, Internet, Nanotechnologie, Pharmaforschung).

enickmar

15. Juli 2015 11:39

@ Irrlicht

Dagegen lassen sich in dem verlinkten Interview zwar thematische Anknüpfungspunkte erkennen, ...

Und ganz präzise ist das Erbsenzählerei ...

Nicht nur daß Stiglitz in dem Interview genau das Prinzip anspricht, welches auch Mazzucato bzgl. staatlicher "Entscheidungen" fordert (es werden sogar noch die gleichen Unternehmen als Beispiele genannt), Stiglitz und Greenwalds Arbeit legt zudem auch noch nahe, daß das Optimum staatlicher Eingriffe höher liegt, als es die "traditionelleren Theorien" zugestehen.

Daß Turing den Computer erfunden hätte, wurde an keiner Stelle behauptet ...

Der Gutmensch

15. Juli 2015 16:34

Oh, Leute, OT macht immer Spaß. Den ersten Computer baute bekanntlich Konrad Zuse. Ein Computer ist eine Maschine, die ein mathematisch beschriebenes Problem mit Hilfe eines festgelegten Lösungsalgorithmus löst. Eine Turingmaschine hingegen ordnet mathematisch beschreibbaren Problemen verschiedene Lösungsalgorithmen zu und priorisiert diese. Alan Turing durfte im Nachgang zu dieser Entwicklung, die den Briten in einem Teilbereich locker einen jahrzehntelangen technologischen Vorsprung sicherte, weder publizieren, noch durfte er lehren, auch durfte er nicht f ... en - und sein Maschinchen nahmen sie ihm seine reizenden Landsleute wohl ebenfalls weg. Sämtlicher Lebensfreude beraubt, ließ ihn der Verdruss nur 41 Jahre alt werden. Man muss also fairer Weise sagen, dass Turing doch einen gewissen Preis dafür zahlte, dass er mitunter einen deutschen Enigma-Code enträtselte und damit - so der schluchzige Film über ihn: lauter britische Kinder rettete, die die häßlichen Deutschen allesamt verschmachten lassen wollten! Der Deutsche Konrad Zuse hingegen wurde gemütliche 85, zeugte seinerseits einige Kinder, fröhnte ungestört seinen Ambitionen und starb schließlich in Würde.

Mit anderen Worten: Mögen die Briten ihr Lied auf den cleveren Turing singen, und zwar so laut und sentimental sie nur können; auch die Queen erkannte immerhin schon 2013 an, dass es sich bei ihm wohl um einen nützlichen Untertan gehandelt haben muss! Ich bin mir sicher, dass, sollte das britische Schulsystem versehentlich noch einmal solch ein Genie hervorbringen, es auch in der Lage sein wird zu analysieren, an welchem Punkt sich Turing schließlich tragisch verkalkulierte.

Fröhliche Grüße,

der Gutmensch.

Irrlicht

15. Juli 2015 18:35

@enickmar
Ein letzter, verzweifelter Versuch, Ihnen die die Kritik von Greenwald/Stiglitz an der neoklassischen Theorie im Ansatz zu erläutern: Die Aussage, dass das Modell unter nicht-idealen Bedingungen nicht notwendig ein Pareto-Optimum annimmt, bezieht sich auf eine Resourcenallokation, in dem Modell ein Tupel, das den Konsum von einer festen Anzahl von Gütern durch die Konsumenten und die Produktion dieser Güter durch die Produzenten erfasst. Die Frage eines staatlichen Markteingriffs zur Verbesserung der Allokation hat - außer der oberflächlichen Gemeinsamkeit, dem Staat eine größere Rolle einzuräumen, als Neoliberale gewöhnlich bereit sind - inhaltlich nichts mit der Frage zu tun, inwiefern Innovationen in erster Linie durch frühe, kapitalintensive staatliche Investitionen vorangetrieben wurden, also der Frage, der sich Mazzucato widmet.

Getz

15. Juli 2015 20:47

Ich bin ebenfalls voll der Meinung das hier thoretische Erbsenzählerei betrieben wird. Die Praxis hat es ja bewiesen, die soziale Marktwirschaft funktioniert bestens. Voraussgesetzt man gibt ihr die Chane und würgt sie nicht frühzeitig ab. Wenn alle vom Kinde (das lernen MUSS) bis zum Greis, der sein Wissen weiter geben MUSS, vor allem vor dem Hintergrund nichts mehr verlieren zu können, wenn alle (oder zumindest die überwiegende Mehrheit, > 3/4) ihre gesellschaftliche Verantwortung in Familie, Heimat und Volk wahrnehmen, kann es funktionieren. Warum funktioniert es in Polen, in der Tschechei, in Ungarn wieder besser? Weil sie sich ethnisch einiger sind und charismatische Führungspersönlichkeiten mit Mut haben und auch gewählt haben. Jedes Volk hat die Führung die es verdient. Keine Gauckler und Erikas... und Steinewerfer... und von Plagiat... und Grabplatten (sprich GROBAZ)... und ansonsten fast nur Arschkriecher und Versprecher (die Rente ist sicher!?).
Solange sich diese Mehrheit des Volkes noch nicht übergibt (auf Hartgeld geschieht das täglich-ist aber auch die verschwindende Minderheit) geht es dem sozialschmarotzenden System noch viel zu gut. Hier wird von Hochtechnologien gefaselt. Doch D fehlt es an Meistern und Technikern, Handwerkern und fleissigen und tüchtigen Machern die sich wieder trauen dürfen, auch mal wieder einen Fehler zu machen. Die gesamte CEO-Kaste mit ihrem Sicherheitswahn, vor allem sich selber nur nichts ankreiden zu lassen und wenn man schon hoch gestapelt hat, sich dann mit einem Heer von Anwälten rein waschen. Das gehört erst mal alles den Bach runter und vor allem die Grünen auf den Acker. Wenn es dann soweit ist und noch Zeit zur Philosophie bleibt nun dann..., nach dem WK II sind auch der Flackjüngling neben dem Atomphysiker im Internierungslager gesessen und haben sich Gedanken über eine erfolgreiche Zukunft gemacht.

Michael Schlenger

16. Juli 2015 00:20

Enickmar,

was genau würde denn Ihrer Ansicht nach "funktionieren"? Sie bleiben diesbezüglich ausgesprochen "enickmatisch", wenn mir das Wortspiel erlaubt ist...

Und was verstehen Sie unter "Funktion"? Planwirtschaften können bekanntlich jahrzehntelang irgendwie funktionieren, leider auf Kosten der Freiheit und Würde des Einzelnen, der Familie, der Gemeinde usw. Ein nach ordoliberalem Verständnis eingerichtete Wirtschaft dagegen lässt all den genannten Gemeinschaften ein Maximum an Freiheit, mithin auch das Recht, ggf. wie die Amish in den Vereinigten Staaten nach konservativen Prinzipien zu leben.

In einer nach freiheitlichen Prinzipien organisierten Wirtschaft besteht immer die Möglichkeit, sich aus eigener Einsicht oder Überzeugung anders zu organisieren, wenn man dies für überlegen hält. Jeder kann dann Kollektiven beitreten und sich diesen in allen Lebenslagen unterordnen, wenn es ihm beliebt. Nur möge man nach genuin liberaler Auffassung den Mitmenschen verschonen, der anderer Auffassung ist.

Das Kardinalproblem mancher Konservativer (und wohl aller Linken) scheint mir zu sein, dass sie es nicht ertragen können, dass nicht alle Artgenossen exakt ihre Auffassung teilen und präzise ihre Lebensführung nachahmen möchten.

Ein Letztes: Offenbar kann man in wirtschaftlichen Anlegenheiten so geschäftstüchtig wie Händel sein und in der "kapitalistischen Hochburg" London dennoch ein Werk wie den "Messias" schaffen.

Das Problem unserer Zeit - und keineswegs nur unseres Landes - ist wohl weniger, dass es geschäftstüchtige und erwerbsorientierte Menschen gibt, als dass niemand mehr gleichzeitig die intellektuellen und handwerklichen Fähigkeiten besitzt, die Voraussetzung solcher überzeitlichen Werke sind.

Anstatt sich an eher schlichten wirtschaftstheoretischen Fragen abzuarbeiten, erscheint es mir weit verdienstvoller, den Gründen für das Versiegen der Quellen abendländischer Schaffenskraft im Künstlerischen nachzugehen. Diese scheinen mir in einer allgemeinen Erschlaffung zu liegen, wie sie untergehenden Kulturen zueigen ist. Möglicherweise sind wir bloß Zeugen unseres eigenen Verdämmerns wie es die hellsichtigen Gebildeten der Spätantike waren, die ihr kulturelles Erbe in Form vielfach kopierter Codices den Klöstern anvertrauten...

Irrlicht

16. Juli 2015 09:54

@Gutmensch
Nicht ganz. Eine Turing-Maschine ist eine math. Formalisierung des Begriffs der Berechenbarkeit, und war weder die erste (z.B. verwendet Gödel eine im Beweis des Unvollständigkeitsatzes), noch hat sie einen Bezug zur Technik und Funktionsweise von Computern, weder zu Zuses Z-Maschinen, noch zu modernen Rechnern. Die Maschine, die angeblich den Enigma-Code entschlüsselte, die Colossus, gilt mangels freier Programmierbarkeit nicht als Computer.

Der Gutmensch

16. Juli 2015 12:18

Mea culpa für meinen hastigen Versuch der Kurzdefinition, liebes Irrlicht. Weder wollte ich andeuten, dass die Maschine, mit deren Hilfe Turing wohl die Prinzipien der Turingmaschine umgesetzt haben soll, um den Code zu knacken, die Turingmaschine selber sei, noch dass letztere etwa ein Computer sei, wiewohl es mittlerweile auch solche gibt, die Turingmaschinen emulieren können - was ich der Einfachheit und Abgrenzung halber kurz unter den Tisch fallen lies. Mit Sicherheit hatte die Turingmaschine Vorläufer. Aber auch Zuse hat ja nicht vollständig bei Null angefangen - und so geht sich das Spiel wohl am Ende aus. Die Frage ist und bleibt, unter welchen Umständen und wo man darauf hoffen darf, dass eine eigenständige intellektuelle Leistung (wie sie Zuse und Turing zweifellos erbracht haben) wertgeschätzt wird (und nicht: das Stellen von Projektanträgen im Akkord und Wiederkäuen der krausen Ideen des Professors!) Ohne Aussicht auf irgendeine Wertschätzung derselben (nämlich: der eigenständigen intellektuellen Leistung) als solche werden solche nämlich ungern erbracht - oder nur eingeschränkt zugänglich gemacht.

Der Gutmensch.

enickmar

16. Juli 2015 14:55

@Irrlicht

Der letzte verzweifelte Versuch hat gefruchtet.

Der Vorwurf des Erbsenzählens war ungenau. Präziser wäre wohl der Begriff Haarspalterei.

Allerdings kann kann nicht sagen, daß ich nichts gelent hätte.

Nun weiß ich also: Dem Staat eine größere Rolle einzuräumen hat, außer der oberflächlichen Gemeinsamkeit, nichts mit frühen, kapitalintensiven staatlichen Investitionen zu tun.

Ist das so korrekt ?

enickmar

16. Juli 2015 14:57

Und da fragt man sich noch, warum Konservative scheitern ;o)

enickmar

16. Juli 2015 15:54

Entschuldigung, habe gerade einen Hinweis erhalten:

In erster Linie frühe, kapitalintensive staatliche Investitionen haben nur oberflächlich etwas mit staatlichen Markteingriffen zur Verbesserung der Resurcenverteilung zu tun.

Richtig ?

Getz

16. Juli 2015 19:20

@enikmar

Jetzt haben wir´s!

Auf und lasst uns die, auch von Ellen Kositza erwähnte, Bahnfahrkarte zur Revolution lösen.

Irrlicht

16. Juli 2015 20:20

@Gutmensch
So thematisch abschweifend ist die Diskussion um Turing, Zuse und Computer nicht, da gerade in diesem Fall der Staat als Initiator von Innovationen auftrat. Auf die Frage der Wertschätzung intellektueller Leistungen möchte ich nicht eingehen, insb. weil ich den Grund für den Medienhype um Turing in erster Linie in seiner Rolle als britischer Kriegsheld sehe, sondern nur das Verhältnis zwischen "echten" Rechnern wie den Z-Maschinen und einem math. Rechnermodells, also einer Formalisierung des Berechenbarkeitsbegriffs wie der Turing-Maschine, klarer darstellen: Zuses Z2 und Z4 waren frei programmierbare Rechner, und konnten damit alle im Prinzip berechenbaren Probleme (d.h. auch alle vom Rechnermodell der Turing-Maschine berechenbaren Probleme) berechnen. Dagegen war der geheimnisumwitterte Enigma-Knacker Colossus, an deren Konstruktion Turing zumindest als Ideengeber mitgewirkt haben soll, auf eine Aufgabe festgelegt und deshalb nicht in der Lage, alle Turing-berechenbaren Probleme zu berechnen. Die Colossus setzte allein aus diesem Grund nicht die "Prinzipien der Turingmaschine" um, und es auch sonst schwer vorstellbar, wie die "Bandmaschine", die die Turing-Maschine darstellt, realisiert werden könnte. Der Nutzen dieses Modells ist vorwiegend (eigentlich ausschließlich) theoretischer Art.

@enickmar
Nein.

Der Gutmensch

17. Juli 2015 11:25

Mein liebes Irrlicht,

vielleicht tröstet es Sie zu hören, dass Turing mir zur Strafe für zaghaftes Interesse an seiner Person eine unbarmherzige Vorlesung in theoretischer Informatik am anderen Ende des Hauses eingebrockt hat! Auf meine verzweifelte Frage, ob der Automat denn bald seinen Endzustand erreicht habe, folgte die (dezent frauenfeindliche) Forderung, es möge Bouletten zum Mittagessen geben ... Zwischendurch wurde die völlig unhistorische Frage erörtert, ob Zuses Computer (mindestens ab Z3 turingmächtig) eigentlich in der Lage gewesen wäre, den Enigma-Code zu entschlüsseln? Die erstaunlich juristische Antwort lautete: Es kommt darauf an! Wenn es also genug Speicherkapazitäten gegeben und Alan Turing das Programm geschrieben hätte ... Soweit ich das also dechiffrieren konnte, kümmerte sich der gute Zuse um die hardware und Turing legte die mathematischen Grundlagen, die eine bestimmte Sorte software überhaupt ermöglichen. Und weil einem das alleine nichts nutzt, soll er also ein Hilfsmittel (mit-)konstruiert/die polnische Vorlage dessen entsprechend angepasst haben, nämlich einen (wohl mindestens: Keller-)Automaten, der diesem einen Zweck - der Entschlüsselung des Enigma-Codes in einem knappen Zeitfenster - dienen sollte. Genau weiß man das aber nicht, weil die paranoiden Briten den Automaten wohl zerstörten.

Und doch, doch - hier geht es eindeutig darum, inwiefern der Staat Innovationen fördert. Kaum dass der Krieg gewonnen war, haben die bornierten Briten beschlossen, einen brauchbaren Untertan einfach kaltzustellen; als hätte man genug von der Sorte! Die Deutschen waren nicht ganz so unvorsichtig. Was man ihnen an Personal nach diversen Raubzügen gelassen hatte, wurde flugs entnazifiziert und ungeniert weiter verwendet. Und ich verfüge wohl leider nicht über ausreichend moralische Kapazitäten, darin einen bis in alle Ewigkeit anhaltenden Skandal zu erblicken! Soviel zum Thema, ob sich Konservative wirklich notwendig selber ausbremsen ...

Erschöpfte Grüße,

der Gutmensch.

Irrlicht

17. Juli 2015 17:02

@Gutmensch
Eine Vorlesung über theoretische Informatik ist jedenfalls passend, da sich die Bedeutung der Turing-Maschine exakt auf diesen Bereich beschränkt, vorrangig als Hilfsmittel für den Beweis negativer Existenzaussagen. Sie hat weder theoretisch noch praktisch etwas mit Zuses Maschinen zu tun. Aussagen zu Turings Bedeutung und den Bezug zur Entschlüsselung des Enigma-Codes sind wegen der Quellenlage spekulativ und widersprüchlich, siehe etwa
"A number of sources state that Winston Churchill said that Turing made the single biggest contribution to Allied victory in the war against Nazi Germany. However both The Churchill Centre and Turing's biographer Andrew Hodges have said they know of no documentary evidence to support this claim nor of the date or context in which Churchill supposedly said it, and the Churchill Centre lists it among their Churchill 'Myths'."
( https://en.wikipedia.org/wiki/Alan_Turing#cite_note-6 )

Die Briten waren nach dem Krieg in Bezug auf den Erwerb technisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse keineswegs borniert, wie dem Artikel "Briten entführten deutsche Forscher als Beute" in der Welt (https://www.welt.de/politik/article1144074/Briten-entfuehrten-deutsche-Forscher-als-Beute.html) zu entnehmen ist. Auf diesem Hintergrund erscheint die Vernichtung der Dokumente zum britischen Entschlüsselungsprojekt, angeführt werden Geheimhaltungsgründe, mit seiner vorgeblich weitreichenden technischen Bedeutung umso seltsamer. Abseits der Frage, was Mythos und was Realität war, konnte offenbar auch umgekehrt der Code der amerikanischen Verschlüsselungsmaschine M-209 von deutscher Seite entschlüsselt werden, siehe Klaus Schmeh, Als deutscher Code-Knacker im Zweiten Weltkrieg, ( https://www.heise.de/tp/artikel/18/18371/1.html)

@enickmar
Ja, die zweite Fassung ist korrekt.

Der Gutmensch

18. Juli 2015 14:52

Liebes Irrlicht,

ich habe Sie schon verstanden. Und ich - ganz zu schweigen vom anderen Teil des Hauses - bin mir bewusst, dass auch andere Erklärungen für einen geknackten Code geben kann. Aber wie auch immer die Wahrheit aussehen mag: Die Variante, auf die sich die Briten selber festgelegt haben (Turing, unser Held!) lässt sie bereits dämlich genug dastehen; da bin ich großzügig ...

Der Gutmensch.

enickmar

18. Juli 2015 17:40

@ Irrlicht

Ja, die zweite Fassung ist korrekt.

Hab' ich mir gedacht. Obwohl sie eigentlich bezüglich des Themas ähnlich sinnig oder unsinnig ist wie die Erste.

Vielleicht können wir uns darauf einigen, daß - wie oberflächlich oder tiefgehend auch immer im Allgemeinen - frühe staatliche und kapitalintensive Investitionen als staatliche Markteingriffe zur Verbesserung der Ressourcenverteilung dienen (können) ? So wie das bei den besprochenen Beispielen bzgl. der Ressource "KnowHow" bzw. geleisteter (geistiger) Entwicklungsarbeit oder auch "intellektuellem Kapital" konkret gemeint war ?

Mit etwas gutem Willen schaffen wir es ...

Irrlicht

18. Juli 2015 22:35

@enickmar
Ihre Kommentare sind ein exzellentes Beispiel für die intellektuellen Grenzen einer auf unverstandenen Text- und Videofagmenten von Google, Wikipedia und Youtube aufsetzenden Netz-Halbbildung. Weiter so!

enickmar

20. Juli 2015 18:23

@Irrlicht

Die Text- und Videofragmente sind Illustrationen für diesen Blog. Sollte ich vielleicht meine Wirtschaftsbibliothek einscannen ?
Etwas zu verstehen besteht nicht darin, etwas buchstabengetreu auswendigzulernen und dann stur abzuspulen. Es ist notwendig das Wissen auch im Kontext des Themas sinnvoll realitätsbezogen anzuwenden, also zu kognitiven Transferleistungen fähig zu sein.
Es ist ja auffällig, daß Stiglitz im Interview genau das Thema anspricht, welches auch im Blog vorgestellt wurde. Das ließe sich auch auf seine entsprechende Thesen zurückführen (siehe oben). Ich war der Meinung, daß es für den Blog interessant sein könnte, daß Stiglitz das Thema des Blogs auch behandelt.
Dafür ist es gleichgültig, ob “in erster Linie frühe, kapitalintensive staatliche Investitionen” in jedem Fall immer mit “staatliche Markteingriffe zur Verbesserung der Ressourcenverteilung (Allokation)” im Allgemeinen gleichzusetzen sind. Das entscheidende ist, daß es in diesem Fall den entsprechenden Effekt hat. Vermutlich eben auch der Grund dafür das Stiglitz das im Interview erörtert. Es muß hier doch möglich sein, das ohne Korinthen-Stuhlgang anzumerken.

enickmar

20. Juli 2015 20:34

Meinen letzten Kommentar fand ich jetzt aber fair ...

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