das nach dem ersten Kind mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, in Beruf und Alltag wieder Anschluß an das „alte“ Leben zu finden. Bilkau schildert eine große Verunsicherung der Eltern. Nervosität und Angst vor einem Absturz bestimmen die Gefühlswelt der Protagonisten.
Nun gibt es die passende wissenschaftliche Studie zu diesem Roman: Das Max-Planck-Institut für demographische Forschung (MPIDR) hat über die letzten 30 Jahre das Wohlbefinden von Eltern untersucht und dabei den Zeitraum kurz vor der Geburt des ersten Kindes mit dem danach verglichen. Das Resultat: „Nur 30 Prozent der Teilnehmer gaben an, ihre Zufriedenheit habe ein Jahr nach der Geburt des ersten Kindes im Vergleich zum Jahr vor der Geburt nicht abgenommen“, betonen die Forscher.
Je unzufriedener sich nun die Eltern zeigten, desto unwahrscheinlicher war es, daß sie sich für ein zweites Kind entschieden. Das traf insbesondere auf Eltern zu, die einen hohen Bildungsabschluß hatten und erst nach ihrem 30. Lebensjahr das erste Kind bekamen. Als Gründe für die Unzufriedenheit wurden insbesondere „Schlafmangel, Schwierigkeiten in der Partnerschaft und der Verlust der eigenen Freiheit“ genannt.
Hinzukommen dürfte ein Punkt, den mir auch einige Leser meiner Buchbesprechung mit auf den Weg gaben: Sie stellten die berechtigte Frage, ob die Unsicherheit der Eltern nur eingebildet sei oder ob es dafür handfeste Gründe gebe. Trotz eines angeblichen Fachkräftemangels haben viele junge Leute das Gefühl, nicht gebraucht zu werden. Wenn schon kinderlose Hochschulabsolventen meinen, das Jetzt sei eine einzige Wartehalle, dann sind die Existenzängste junger Eltern noch deutlich verständlicher. Schließlich können sie auf der Arbeit mit den Karrieristen niemals mithalten, weil sie 16:30 Uhr beim Kindergarten vorbeischauen müssen.
Wie bei jedem gesellschaftlichen Problem hat es sich dabei eingebürgert, nach dem Staat zu rufen. Der Staat müsse mehr für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf tun, Eltern finanziell mehr unterstützen und in Einrichtungen für Kinderbetreuung investieren.
In der Tat gibt es bei der Familienpolitik in Deutschland großen Verbesserungsbedarf. Ich persönlich finde es zum Beispiel äußerst ungerecht, daß man von Kind zu Kind weniger Elterngeld bekommt, wenn man in der Zeitspanne zwischen den Kindern nicht wieder voll arbeiten war oder etwas länger als ein Jahr zu Hause bleiben will. Für die Ein-Kind-Familie tut unser Staat aus meiner Sicht genug. Kritisch wird es ab dem zweiten Kind.
Dennoch glaube ich nicht, daß sich die Geburtenrate in Deutschland durch höhere finanzielle Anreize positiv manipulieren ließe. Hier in Irland, wo ich dieses Jahr mit meiner Frau und unseren Kindern lebe, gibt es ein bißchen weniger Kindergeld als in Deutschland und die Bearbeitung der Anträge dauert ewig (wir warten seit Monaten auf Antwort), doch trotzdem verzeichnet Irland die höchste Geburtenrate Europas.
Kulturelle Rahmenbedingungen dürften also viel mehr Einfluß auf die Anzahl der Kinder haben als finanzielle Anreize. Aus diesem Grund lohnt es sich, noch einmal intensiver über das Ergebnis der Studie des Max-Planck-Instituts für demographische Forschung nachzudenken. Bekommen die Deutschen nicht mehr Kinder, weil sie an Schlafmangel leiden, ihre Beziehungen stressiger geworden sind und sie nicht mehr jedes Wochenende auf Partys, in Diskotheken oder Theater gehen können?
Auf diese Frage mit „Ja“ zu antworten, fällt erst einmal deshalb so schwer, weil unsere Eltern, Großeltern sowie Urgroßeltern, die noch viel mehr Kinder bekamen, doch die gleichen Probleme hatten. Eines sollte dabei auch feststehen: Eine größere soziale Absicherung als wir hatten sie definitiv nicht und ihr Wohlstandsniveau war deutlich niedriger als unseres.
Es scheint also etwas mit unseren Erwartungen und unserem Verhältnis zum eigenen Wohlstand nicht zu stimmen. Überall auf der Welt läßt sich beobachten, daß die Geburtenrate sinkt, sobald der Wohlstand steigt. Kann man dagegen nun überhaupt etwas unternehmen? Können wir uns als Kollektiv, als deutsches Volk, auf ein „Weniger ist mehr“ einlassen? Gibt es einen Weg zurück von der Überhöhung materiellen Besitzes hin zur Wertschätzung immaterieller Dinge und intakter sozialer Beziehungen?
Ich bin da äußerst pessimistisch. Konsumverzicht ist für den Einzelnen natürlich möglich, gesellschaftlich wird er aber eine Utopie bleiben. Hannah Arendt schreibt in Vita activa:
Die überschüssige Zeit des Animal laborans wird niemals für etwas anderes verbraucht als Konsumieren, und je mehr Zeit ihm gelassen wird, desto begehrlicher und bedrohlicher werden seine Wünsche und sein Appetit. Zwar verfeinern sich die Begehrlichkeiten, so daß der Konsum nicht mehr auf die Lebensnotwendigkeiten beschränkt bleibt, sondern im Gegenteil sich gerade des Überflüssigen bemächtigt. Aber dies ändert nicht den Charakter der Gesellschaft, sondern birgt im Gegenteil die schwere Gefahr in sich, daß schließlich alle Gegenstände der Welt, die sogenannten Kulturgegenstände wie die Gebrauchsobjekte, dem Verzehr und der Vernichtung anheimfallen.
Für wahrscheinlicher halte ich es deshalb, daß wir irgendwann zu einem genügsameren, suffizienten Lebensstil gezwungen werden, sollte die auf dem System der Fremdversorgung basierende Wachstumsmaschine eines Tages versagen.
Unabhängig davon, ob es dazu wirklich kommt, ist eines jedoch sicher: Unser Volk wird ängstlich auf diesen Moment warten und sich bis dahin weiter den Sachzwängen unterwerfen, die Gehorsam zum möglichst perfekten Funktionieren in einer atomisierten Gesellschaft einfordern.
Genauso wie ein Heroinabhängiger wider besseres Wissen den Dealer schützt, steigt beim Geldabhängigen mit zunehmendem Konsumniveau die panische Angst davor, dass die Geld speiende Wachstumsmaschine auch nur ins Stocken geraten könnte. (Niko Paech)
Mr. Kurtz
Der Konsum ist das entscheidende Bindemittel der nicht gerade integrationsstarken multi-kulturellen Gesellschaft. Alle sind der gleichen Bilder- und Warenwelt aufgewachsen, unabhängig von ihrem kulturellen Hintergrund. Nirgendwo ist die One World-Utopie näher an der Realität, als beim (weltweiten) Konsumverhalten.
Mir ist jedenfalls -um nur ein kulturelles Beispiel zu nennen- noch kein junger, gläubiger Moslem begegnet, der lieber ein islamisches Auto, als einen Audi fährt, oder ein islamisches Smartphon bevorzugt.
Auch ein Großteil der stark steigenden staatlichen Transferleistungen in Europa und Deutschland fließt unmittelbar in den Konsum. Die Aufrechterhaltung (und Ausweitung) des Konsumverhaltens ist deshalb eine Existenzfrage der NWO.
Auch, wenn es derzeit keine gesamtgesellschaftliche Perspektive ist, der Konsumverzicht, nicht zu verwechseln mit Askese, ist heute ein Mittel, um sich wenigstens einen begrenzten Freiraum im Hamsterrad zu erhalten. Selbst für den Konsumverzicht bietet die moderne Konsumgesellschaft natürlich ausgewiesene Nischen, das System ist schließlich lückenlos...