Dessen Interesse, resümiert Joachim Soosten, gilt „nicht der Sinnrichtung von Prozessen der Institutionalisierung, sondern der Etablierung von Dauerkritik. Rationale Handlungsorientierungen und rationale Lebensführung formen sich erst in dem Maß heraus, in dem sich ‚durch Dauerkritik verflüssigte‘ Lernprozesse bilden lassen. Die Rolle von Metaphern, Symbolen oder Narrationen schon im Bereich der Sprache selbst und ihre Funktion in religiösen Überlieferungen bleiben damit unterbestimmt.” Nicht die „synchrone Vernetzung und Verstetigung kultureller und religiöser Ordnungsmuster”, vielmehr die „kommunikative Verflüssigung von Traditionsbeständen ist das Ziel einer Theorie, in deren Mittelpunkt der rationale Sinn normativer Geltung steht.”
Solch „institutionalisierter” Pietätlosigkeit epistemologischer und „ideologiekritischer” Art verdankt sich auch der Ikonoklasmus gegen Mircea Eliade und dessen Werk. Eliade, der lange Zeit als bedeutendster Religionswissenschaftler des zwanzigsten Jahrhunderts galt, als „James Frazer seiner Generation”, teilt das Schicksal der damnatio memoriae mit einer ganzen Gruppe bedeutender Kollegen der zwanziger bis sechziger Jahre, den sogenannten „Religionsphänomenologen”. Sie alle werden jetzt als subjektiv, willkürlich, unwissenschaftlich, vor allem aber der „Kryptotheologie” und des Irrationalismus verdächtigt.
Der Geringschätzung verfällt so auch eine große tiefenhermeneutische Tradition in Deutschland, die von Schleiermacher begründet, von Boeckh und Droysen entwikkelt, von Dilthey entfaltet, bei Heidegger ontologisch vertieft wurde und im Werk Gadamers einen systematischen Abschluß fand. Sie versuchte, dem subjektiven Faktor und der Eigenart von Geschichte geisteswissenschaftlich gerecht zu werden und eine Struktur von Leben, Ausdruck und Verstehen darzutun, die im Geistcharakter der Wirklichkeit wurzelt und den Erkennenden zu kongenialer Betrachtung einlädt, einer „strukturierten oder informierten Empathie” (Ninian Smart).
Die Zeichen für diesen Platonismus, ja Spiritualismus stehen heute schlecht. Ablesen läßt sich das an der verschwindenden Wirkung Eliades und der explizit postphänomenologischen Programmatik zahlreicher Fachvertreter.
Meist wird von einem dramatischen Erdrutsch seit Eliades 75. Geburtstag 1982 gesprochen, die Äußerungen jener Zeit als Gegenpol zur heutigen Lage zitiert. Einschlägig gelten hierfür die von Hans Peter Duerr edierten Bände aus den Jahren 1983 / 84. Terry Alliband nannte Eliade damals den „bedeutenden Religionshistoriker unserer Zeit” und kein geringerer als Carsten Colpe kurz darauf den „bedeutendsten Vertreter nicht nur der letzten 35 Jahre, sondern der ganzen Epoche der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Heiligen überhaupt”.
Dagegen nehmen sich die Worte im eben erschienenen Wörterbuch der Religionen nur noch wie ein fernes Echo aus: „Der bekannteste Religionswissenschaftler des zwanzigsten Jahrhunderts ist umstritten aufgrund seiner Methodik und seiner Beziehungen zu politisch rechtsgerichteten rumänischen Bewegungen.”
Doch täuscht diese scheinbare Polarisierung. Denn schon seinerzeit fuhren Kritiker schärfstes Geschütz auf. Colpe kritisierte im selben Text Eliades Werk rigoros als (unerlaubten) ontologischen Gottesbeweis, und zahlreiche Beiträge bei Duerr zeigten sich kompromißlos polemisch. Auch vor Bösartigkeit schreckte man nicht zurück, sprach etwa dem Jubilar wahre Erkenntnis schlicht ab. Schon in diesen Jahren werden alle Motive sichtbar, die von weither in der Gegenwart zusammenlaufen und sich bündeln in der Abkehr von der phänomenologischen Periode. Kurt Rudolphs Grundsatzkritik nimmt sie vorweg in seinem zwiefachen Vorwurf: Eliade über- und unterdeterminiere zugleich. Sein integrales Denken belaste die Wissenschaft einmal mit „philosophischen, theologischen und religiösen Fragestellungen und Konzeptionen … aus denen sie sich erst mühsam befreit hatte”. Der Positivist schmettert eine Kulturfunktion der Wissenschaft ab, erst recht aber deren spekulative Selbstbesinnung und „erlösende” Rolle, die Eliade der Disziplin wünschte.
Als „universale Hermeneutik” sollte sie einen neuen, spirituellen Humanismus begründen. Zum andern erscheint Eliade im Licht eines empirischen Programms defizitär: „Schon in der Analyse, ja der Darbietung des Quellenmaterials, verschlingen sich philosophisch-normative Urteile mit den deskriptiven Feststellungen: Die Interpretationsebenen werden bei ihm nicht deutlich geschieden und methodologisch reflektiert. Erst der ‚normative Hintergrund‘ macht seine Arbeiten wirklich verständlich und lehrt, daß strenggenommen die Religionsgeschichte als Illustration dieser vorgegebenen Ontologie, Anthropologie und Soteriologie dient.” Also gingen im Effekt „Analyse, Sinnfindung, Wesenserfassung und Bewertung” durcheinander, seien angreifbar und verwirrten den Leser. Rudolph, der Religionswissenschaft als Ideologiekritik versteht, figuriert als signifikanter Antipode Eliades und der Phänomenologie.
Hans Kippenberg hat uns eine ganz andere Genese der Religionswissenschaft aufgezeigt und ihre Entfaltung aus einem aufklärungskritischen Impuls plausibel gemacht. In einer Zeit, in der die Furie der Rationalisierung nicht nur die Welt „entzauberte” und Tradition zerstörte, sondern die menschliche Integrität bedrohte, konnte die Religionswissenschaft zur rettenden Arche werden, nicht nur für alte Symbole, Mythen und Glaubenssysteme, sondern für die menschlichen Werte überhaupt, die man sonst gänzlich verlor.
Markant verdeutlicht den kulturkritischen Impuls die Göttinger Schule mit ihrer eschatologischen Evangeliendeutung, mythenkundlichen Komparatistik und Bezugnahme auf die „orientalische Erlösungsidee”. Kurz darauf erschienen die grundlegenden phänomenologischen Arbeiten: Rudolf Ottos Das Heilige (1917), Joachim Wachs Religionswissenschaft (1924) und Gerardus van der Leeuws Einführung in die Religionsphänomenologie (1925). Ihr Programm war antireduktionistisch. Seiner versuchten Verdampfung im Prozeß der Moderne, setzten sie die Irreduzibilität des Religiösen entgegen. Dessen Autonomie wurzelt in seinem apriorischen Charakter: subjektiv als Strukturform des Bewußtseins und objektiv als Transzendenz. Diese Substantialität hatte auch epistemologische Konsequenzen: Sie erforderte eine spezielle Wissenschaft vom Heiligen - zwischen theologischer Normativität und sozialwissenschaftlichem Rationalismus. Der Religionshistoriker sucht sein Urteil „einzuklammern”, beschreibend vorzugehen, auf daß sich das Wesen der Sache zeige. Trotz Faktenbasis bedarf es einer Intuition, die „begreift, was uns ergreift”. Damit, schrieb Gustav Mensching, „ist der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Religion ein neuer Weg gewiesen, nämlich der Weg des Verstehens der Religionen von ihrem lebendigen Wesen her, von der jeweils wieder ganz eigenen Weise der Anschauung des Universums und der besonderen Gemütsbestimmtheit aus, in die die einzelne Religion ihre Anhänger versetzt”.
Das Verstehen ist spontaner produktiver Akt und geheimnisvoll innere Teilnahme am Objekt. Dessen besonderer Qualität wird der strukturale Vergleich gerecht. Er zeigt, wie das Heilige, von zeitlicher und geographischer Differenz frei, sich weltweit ähnlich strukturiert. Zum Versuch, diese Formenvielfalt systematisch darzustellen, wurden die Religionsphänomenologien van der Leeuws (1933), Friedrich Heilers (1961), Geo Widengrens (1969) und eben Eliades (1949). Als große Synthesen dokumentieren sie das Bemühen, den Gegenstand an sich und, bei interner Vielfalt, doch als Einheit darzustellen. Diese Prinzipien – Autonomie, Einheit, Wesensschau und Transzendenz – bestimmen auch Eliade. Er führte sein Projekt als Morphologie der Symbole durch, waren diese doch das Medium des Logos, in dem das Heilige seine Dialektik entfalten konnte: als Absolutes bei sich zu sein und doch historisch je konkret sich zu manifestieren. Ein Kontinuum zog sich so von primitiven Hierophanien bis zum Wunder der Inkarnation.
Eliades Symbolismus ist eine „transzendentale Methode”: Versuch, die Vertikalität des Lebens zu offenbaren und in der Religionsgeschichte die Existenz Gottes. Denn „wenn Gott nicht existiert”, so Eliade, „ist alles Asche. Wenn es kein Absolutes gibt, das unserer Existenz Bedeutung und Wert verleiht, dann hat [sie] keinen Sinn.” Das zu denken, würde für mich „nicht nur Verzweiflung bedeuten, sondern auch eine Art Verrat. Denn es ist nicht wahr, und ich weiß, daß es nicht wahr ist.”
Diese metaphysische Einstellung wird heute abgewiesen. Das zeigte sich indes schon auf dem internationalen Kongreß in Marburg 1960. Er wurde zur Zäsur. Zum Eklat führte dort ein Referat des Teilnehmers C. Bleeker, der den Wert religiöser Phänomene als nur verständlich ansah, „wenn wir beachten, daß Religion letztlich die Realisierung einer transzendenten Wahrheit ist”.
Seitdem haben sich konsequent „reduktionistische” Ideen durchgesetzt: funktionalistische, kontextualistische, dekonstruktivistische. Sie alle bestreiten die autonome Struktur des Heiligen und transformieren die Religionswissenschaft in eine „kritische Kulturwissenschaft”, sehen religiöse Phänomene rein immanent konstruiert, alle Fakten als kontingent und gewichten Differenz absolut vor Einheit. So behauptete 1982 J. Smith, es gebe gar keine Daten für Religion, diese seien vielmehr „ausschließlich das Produkt des Wissenschaftlers”; D. Sabbatucci forderte 1988 die Auflösung des Religions- in den Kulturbegriff; D. Pollack definierte 1995 Religion „nicht aus sich selbst heraus bestimmt, sondern von dem her, was sie nicht ist, im Ausgang von den gesellschaftlichen oder individuellen Zusammenhängen, in denen sie steht”. Schließlich witzelte man nur noch über den „Mythos des Gegebenen” und forderte wie W. Arnal 2000 den Religionsbegriff zu dekonstruieren und statt seines Inhalts lieber seine Verwendung im Alltagsdiskurs zu untersuchen. All das findet sich schon im Pamphlet von A. Bharatis 1983, der Eliade „vernichtet” und statt seiner den Anthropologen Donald Campbell rühmt, einen „kompromißlosen Neodarwinisten”, der als Prinzipien biologischer und sozialer Evolution „Zufallsvariation und systematisch- selektive Erhaltung” pries.
Eliades Interesse an den Primitivkulturen, seine Bücher über Australien und zum Schamanismus trugen ihm die Feindschaft solcher Ethnologen ein, die jede Intervention von religiöser Seite brüsk zurückwiesen. Eliade, der kein Feldforscher war, erschien schon deshalb nicht satisfaktionsfähig. Sein epochemachendes Schamanismus-Werk (1957) wird heute meist abgelehnt, integriert es doch geographisch und kulturell differente Traditionen einer einheitlichen Perspektive. Vor allem jedoch gilt der religiöse Blickwinkel als spirituell überzogen. Aspekte wie Trance und Himmelsreise seien „romantisch”. Eliade müsse den „erheblichen Einfluß westlicher Projektionen auf das Phänomen” verantworten, so das Wörterbuch der Religionen 2006.
Hier ist ein gegenläufiges Faktum von Interesse: Seinerzeit nämlich wandte der junge Carlos Castaneda sich an Eliade betreffs seiner Dissertation (Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens, 1972). Eliade blieb distanziert, doch belegt die Episode seine mittelbare Relation zum westlichen Neo-Schamanismus, der ja von Castaneda ausging. Ein nicht abwegiger Bezug, der offensichtlicher wird bei den Hippies, denen bekanntlich Eliades Wohlwollen galt. Er votierte für den unpolitischen Teil der Protest-Generation, deren Experimente mit Drogen, alternativen Lebensstilen und exotischer Spiritualität womöglich neue Erfahrungsräume eroberten. Solche Berührungen wurzeln in Eliades Programm, nicht nur empirische Beschreibung und Klassifikation zu geben, sondern Fakten schöpferisch zu deuten. Kurz: Er akzeptierte die Trennung von Gegenstand, Interpret und Publikum nicht, sah alle drei vielmehr als Teil des Wahrheitsgeschehens. Daß er subtextuell gar eine „narrative Theologie” vermittelte, war ein Extremfall starker Referentialität – und den Postmodernen die Faust im Auge. So kehren erkenntniskritische Vorwürfe hier anwendungspraktisch wieder. Sie handelt sich ein, wer von der Wissenschaft kulturelle Orientierung verlangt, also: Sinnproduktion.
Es verwundert kaum, daß Eliade in die Kritik geriet, als in den 1970er Jahren der „alteuropäische” Einfluß von Emigranten mit kontinentaler Bildung wie Wach und Paul Tillich in den USA zurückging. Ihr Abtreten überlagerte jetzt der wachsende Einfluß eines Szientismus angelsächsischer Prägung. Dessen Exponenten brachten neue Theoreme ins Spiel: Analytische Philosophie, Neopositivismus, amerikanischen Pragmatismus und Poppers Kritischen Rationalismus. Was sich schon zeigt im vielfach beschworenen Prinzip der „Falsifikation”. Positivistische, später poststrukturalistische Ideologeme favorisieren einen reduktionistischen, deshalb „harten” Rationalitätstyp, der dem modernen Denken umso eifriger seinen Weg zur Kontrollvernunft bahnt. Wird im Falsifikationsprinzip das Kriterium kommunikativer Kompatibilität verabsolutiert, ist Tiefenhermeneutik als existentielle Vermittlung, als integriertes Wahrheitsgeschehen ausgeschlossen. „Reine Wissenschaft” ist nur um den Preis von Antinomien zu haben, einer notwendigen Auslöschung des Lebendigen. Niemand hat das so treffend auf den Punkt gebracht wie Kurt Rudolph, wenn er, gegen Eliades Symbolbegriff, sich mit H. Biezais identifiziert und betont, die religionswissenschaftliche Forschung sei „ein Spaziergang auf dem Friedhof der toten religiösen Symbole”.
Freilich ist dies nicht das letzte Wort. Ganz anders wird Eliades hermeneutischer Symbolismus eingeschätzt im Umfeld der Symbolforschung und in den Schriften Manfred Lurkers.
Die von diesem herausgegebene Metaenzyklopädie zum Gegenstand (1991) würdigt Eliade nicht nur gründlich, sondern weist in ihren Artikeln zahlreiche Bezüge zu seinen Schriften auf. Dessen universalistische Richtung und Verwurzelung in der Archetypenlehre, die sein Horizont einer „eurasischen Ökumene” reflektiert, findet anhaltend starke Resonanz auch bei den Yoga-Spezialisten. Die neue Yoga-Rezeption gipfelt in seiner Person. Karl Baier vergleicht seine Forschungen mit denen Jakob Wilhelm Hauers, wobei Eliade glänzend abschneidet.
Die Attacken gegen die phänomenologische Interpretation als „Gipfel der Anmaßung” (Bharati) werden also bis heute von gründlicher Zustimmung konterkariert. Somit wird die Rechung der Positivisten, Eliade zu erledigen, nicht aufgehen. Vielmehr ist Ulrich Berner zuzustimmen, der in den Klassikern der Religionswissenschaft meint: „Der Blick auf die Eliade-Debatte zeigt, daß in diesem Fall nicht nur die Gültigkeit einer Theorie umstritten ist, sondern die Wissenschaftlichkeit des methodischen Ansatzes überhaupt. Die Tatsache, daß Eliade trotz der scharfen … Kritik immer wieder Verteidiger gefunden hat … läßt darauf schließen, daß es von wissenschaftstheoretischen Grundsatzentscheidungen abhängt, ob sein Ansatz als ganzer anerkannt oder abgelehnt wird.”
Bedauerlich, daß Eliade kein Methodenbuch verfaßt oder gar „sein System” philosophisch systematisiert hat. Diplomatisch, aber auch feige ist er Konflikten stets ausgewichen. Es wäre sonst offenbar geworden, wie strittig nicht nur konkretes Wissen, vielmehr der Rationalitätsbegriff selber war. Der wird in der Moderne umso mehr verengt, als er immer weniger immer präziser aussagt und desto effektiver funktioniert. Dieser Reduktionismus begründet die Erfolgsgeschichte von Wissenschaft und Technik. Bestes Beispiel: der Bruch der Theoriebildung nach 1830 mit dem Idealismus, der eben erst (1800–1830) versucht hatte, die Aporien der Aufklärung zu überwinden. Die hyperkomplexe Geistphilosophie Hegels und Schellings erschien nun als Zumutung. Wissenschaftlich und politisch propagierte man jetzt „Realismus”.
Umgekehrt wiederholt sich bei den Phänomenologen der rationalitätskritische Zug nach 1900. Das meinte auch eine Distanz zur Massengesellschaft. Bezeichnend erscheinen die Worte Joachim Wachs 1931: „Mit dem Demokratismus des Vernunft-Glaubens wird man im Bereich der Religion nun freilich nicht viel ausrichten; daß die Gaben des Geistes verschiedene sind, daß es so etwas wie Charisma, Stufung und so weiter gibt, sollte eine elementare Erkenntnis sein. Und was die Alleinherrschaft der Ratio anlangt, so sind heute die, die von religiösen Dingen wissen, nicht mehr die Einzigen, die ihr skeptisch gegenüberstehen.”
Genau das zieht heute den Irrationalismus-Vorwurf auf sich. Er blieb auch Eliade nicht erspart. Die Grobarbeit wird etwa von Rainer Flasche besorgt, der wütende Attacken gegen die Religionswissenschaft der zwanziger Jahre reitet. Bei ihm laufen alle Wege zu Hitler, ja erschöpfen sich im sterilen Faschismus-Klischee. Ruhmreich dagegen die neuere Eliade-Forschung, so die Dissertation von Hannelore Müller und die monumentale Monographie von Florin Turcanu.
Sie differenzieren im einzelnen die mehr global angelegte und speziell auf den politischen Aspekt abzielende Interpretation Robert Ellwoods. Der unterscheidet politische Apokalyptik und individualistische Gnosis, verweist jedoch auf eine Affinität des Projekts der spirituellen Wandlung zur „magischen Revolution” – der Vision einer nationalen Regeneration und Schaffung des neuen rumänischen Menschen durch die Eiserne Garde. Ellwood interessiert die kryptische Fortexistenz von Eliades Erneuerungshoffungen. Nach dessen Bruch mit Rumänien transportierte nach 1945 seine existentielle Interpretation der Archetypen das Motiv innerer Wandlung durch metaphysische Teilhabe.
Nicht politisch „infiziert” wurde dadurch sein religionswissenschaftliches Werk. Vielmehr verdeutlicht uns Turcanu, wie sehr Eliade seinen „Primat des Geistigen” nur temporär nationalkulturell, dann ganz kurz (1937/38) politisch auslegte. Dahinter steht ein eschatologisches Wandlungsmotiv, das erstmals die Romantiker in ihrer Kritik an 1789 entwarfen: Politik und Terror seien ein Mißverständnis, es gelte vielmehr die metaphysische Revolution als Transformation des gefallenen Menschen selbst. Diesen esoterischen Aspekt hat Eliade fruchtbar gemacht. Seinen Opponenten war solche „Kryptotheologie” freilich suspekt, irrational und willkürlich. Eliade wiederum entsetzte, wie sehr das moderne Leben vollkommen immanent werde, seine vertikale Dimension verliere, die historischen Ereignisse jede transzendente Bedeutung einbüßten. Das war für ihn „der Schrecken der Geschichte”.
Den realhistorischen Trend verstärken poststrukturalistische Ideen des aktuellen religionswissenschaftlichen Mainstreams. Sie zerschlagen die Kategorie des Heiligen, was Eliade die „Weltformel” schlechthin war. So denunziert das Wörterbuch der Religionen Rudolf Otto, er habe ein „bestimmtes tyrannisches Gottesbild zur überzeitlich gültigen und real existierenden Macht” verklärt und folgert: „Die angebliche Selbstverständlichkeit, weil ontologische Qualität des Heiligen, muß für eine Beschreibung in die Prozesse des Bezeichnens und des Wahrnehmens zerlegt werden.” Analog dazu formulieren weitere Artikel, Religionen verkörperten sich nicht in „Essenzen, Systemen oder Strukturen” und seien „nicht mehr länger als klar abgrenzbare, homogene und holistische soziale Systeme” verstehbar. Sie sind nur mehr „widersprüchliche und offene Handlungsfelder”, der Kulturbegriff selbst ein „offenes Beziehungsnetz und kontingenter Diskurs”.
Die Umwertung folgt einer Entwicklung, von der alle Kulturwissenschaften betroffen sind. Jost Hermand hat diese Linie griffig zusammengefaßt. Sie zeichne sich durch „eine bewußt dezentrierende Sicht der Geschichte aus, die alle herrschenden Diskursformationen …, in denen sich lediglich die Mentalität der Mächtigen manifestiere, als undemokratische Herrschaftsdiskurse zu entlarven versucht”. Alle „religiösen, nationalen, patriarchalischen oder klassenspezifischen Totalitätsansprüche” werden bekämpft. Statt Sinnbezüge zu erarbeiten, wird „das menschliche Ich als ein Konglomerat verschiedenster Komponenten und Partikularbestandteile hin[gestellt], die kein größeres Ganzes mehr bilden, sondern lediglich die Gebrochenheit längst problematisch gewordener Leitvorstellungen perpetuieren. Als wichtigste geistige Aktivität innerhalb dieser sinnentleerten Widersprüche bleibt demnach die kritische Decouvrierung falscher Harmoniekonzepte übrig”, der Nachweis unendlicher „Differenzen im Rahmen nicht aufzuhebender Antinomien”.
Dieser Mentalität opponiert die Auffassung Eliades: „Die Erklärung der Welt durch eine Folge von Reduktionen hat ein Ziel: Die Welt von allen außerirdischen Werten zu befreien. Dies ist [ihre] systematische Banalisierung…, unternommen mit dem Zweck, sie zu erobern und zu beherrschen.”
Strittig ist letztlich also der Freiheitsbegriff und die jeweilige Anthropologie. Auch Ellwood zeigt, daß es Eliade gerade um Freiheit ging. Er sah sie in der archaischen Welt traditionaler Kulturen entfaltet. Eine Freiheit, die in der sinnschöpferischen Fähigkeit des Menschen liegt, seinem Drang, Kontingenz in sinnhafte Ordnung zu überführen, einen Kosmos zu schaffen, sich zu zentrieren und so dem universellen Leben einzufügen. Dem steht der moderne Freiheitsbegriff diametral entgegen. Es geht somit um inkommensurable Konzepte, die sich nicht einfach auflösen im Fortgang der „Forschung”. Sie verlangen vielmehr die persönliche Entscheidung. Ob sich dabei der Modernismus mit seinem Menschenbild durchsetzt, ist noch lange nicht ausgemacht.