Rumänien mit Tuchfühlung zur politischen Macht für eine Erneuerung des Landes kämpfte, ist ein seltsames und faszinierendes Phänomen. Sie war radikal faschistisch, christlich-orthodox, antibolschewistisch und antisemitisch, betonte ihr spirituelles, letztlich unpolitisches Element, kultivierte Todesverachtung und Opfer-Mystik und arbeitete an der Verwirklichung eines neuen Menschen: Der „Legionär” der Eisernen Garde sollte den Rumänen den ihnen gebührenden Platz in der europäischen Völkerfamilie verschaffen. Es würde dies für den Kontinent vor allem eine spirituelle Bereicherung und das Beispiel einer auf der ländlichen Kultur Rumäniens aufbauenden gesellschaftlichen Neuordnung sein.
Die Konzeption dieser Neuordnung stammt von Corneliu Zelea Codreanu. Er wurde „Capitan” genannt und war bis zu seiner Ermordung 1938 der unumschränkte Führer der Eisernen Garde, die er seit 1927 aufgebaut hatte. Die kleinsten Zellen seiner Organisation nannte er „Nester”. Codreanu belehrte seine „Nester” in Beiträgen für die Zeitschriften der Eisernen Garde über ideologische Kernsätze und ganz simple organisatorische Fragen. 1933 faßte er seine Schulungsarbeit in einem Handbuch zusammen.
Der Regin-Verlag, der sich unter anderem mit dem faschistischen Erbe Europas beschäftigt, hat dieses Handbuch nun erstmals ins Deutsche übersetzen lassen (Corneliu Z. Codreanu: Handbuch für die Nester, Straelen: Regin Verlag 2006. 138 Seiten, br, 14.50 €). Der Leser wird feststellen, daß der bizarre Spagat, den die Eiserne Garde zu meistern hatte, auf manchmal rührende Weise abgebildet ist. Vom Kaff, in dem noch mit dem Holzpflug gearbeitet wurde und in dem die Kirchgänger vor dem berittenen Codreanu niedersanken wie vor einem Apostel, brauchte ein Lastwagen oft keine Stunde bis zur nächsten Stadt, in der die Studenten im wissenschaftlichen Austausch mit Italien, Frankreich und Deutschland standen. So findet sich im Handbuch für die Nester eine genaue Beschreibung der organisatorischen Gliederung der Eisernen Garde neben einfachsten Anleitungen für den gemeinsamen Gang zum Wahllokal. Kleidungsordnung, Gebetspflicht und Gelöbnisformeln flankieren die grundsätzlichen Äußerungen zum Unterschied zwischen Legionär und Parteipolitiker, zum Wesen des Kommunismus und zur „Judenfrage”.
Aus rechtlichen Gründen hat der Regin-Verlag Punkt 66 des Handbuchs weggelassen. Die beiden Sätze zur „Judenfrage” hätten dem Bändchen vielleicht einen Platz auf dem Index beschert. Claudiu Mihutiu hat ein Nachwort über diesen heiklen Punkt verfaßt und versucht darin, die Eiserne Garde und Codreanu vom „Vorwurf des Antisemitismus” zu reinigen. Dieses Nachwort vergibt eine Chance: Mihutiu sucht Gründe für den Antisemitismus der Eisernen Garde zwar dort, wo man nicht nur in Rumänien fündig werden kann: in der Verquickung von bolschewistischer Gefahr und jüdischem Einfluß; aber der Antisemitismus der Bewegung um Codreanu war nicht selektiv antibolschewistisch, er richtete sich gegen die Juden generell, in denen man eine Bedrohung der völkischen und spirituellen Substanz des Rumänischen an sich sah. Und weil der Zionismus in der Assimilierung der Juden in Rumänien, Deutschland oder anderswo wiederum eine Bedrohung der völkischen und spirituellen Substanz des Jüdischen sah, gäbe es starke Gründe, die Haltung der Eisernen Garde zur Judenfrage in einem völkischen Kontext an sich zu diskutieren.
Insgesamt scheiterte die Eiserne Garde, weil mit dem nationalsozialistischen Deutschland der Faschismus als Ganzes – und damit auch in seiner spezifisch rumänischen Ausformung – den Weltbürgerkrieg verlor. Sie scheiterte aber auch an ihren eigenen, hohen Ansprüchen. Wer das Handbuch für die Nester liest, der erkennt, daß es in seinen Passagen vom „neuen Menschen” eine Anleitung nur für wenige sein konnte und kann.
Von Franco Cardini, Professor für Mittelalterliche Geschichte in Florenz, stammt die Bemerkung, daß die „Eiserne Garde mehr eine religiös-militärische, als eine politische Bewegung war, … so stark in der rumänischen Tradition verwurzelt, daß eine Geschichtsforschung, die diesem Phänomen gerecht werden will, nicht umhinkommt, folkloristische und religiöse Untersuchungen mit einzubeziehen”.
Cardinis Landsmann Claudio Mutti hat diesen Ratschlag ernst genommen und schon vor Jahren eine Studie vorgelegt, die den Weg wichtiger Vertreter der „Jungen Generation” Rumäniens in die Eiserne Garde nachzeichnet. Wiederum der Regin-Verlag hat dieses Buch übersetzen lassen, es wird im Frühjahr erscheinen und behandelt neben den Vertretern der einflußreichen „Generation” – Mircea Eliade, Emil Cioran, Constantin Noica – auch den Mentor Nae Ionescu, der dieser Generation den Weg in die Eiserne Garde wies (Claudio Mutti: Mircea Eliade und die Eiserne Garde – Rumänische Intellektuelle im Umfeld der Legion Erzengel Michael, Straelen: Regin-Verlag 2007. 140 Seiten, br, Abb., 14.50 €).
Mircea Eliade überlebte den Zusammenbruch Rumäniens und die kommunistischen Säuberungswellen nach 1945 nur, weil er nicht in Rumänien war, sondern im Portugal Salazars das Kriegsende sowie in Paris die ersten Nachkriegsjahre verbrachte. Auf die schwächeren und kräftigeren Debatten um seine Nähe zur Eisernen Garde reagierte Eliade mit konsequentem Schweigen und mit Ausweichmanövern. Er hat bis heute Ankläger und Verteidiger unter seinen Biographen und Rezipienten. Dabei ist trotz intensiver Aufklärungsarbeit vieles nebulös geblieben. Sicher ist, daß Eliade Beiträge für gardistische Zeitschriften verfaßte, sicher ist auch, daß er erst relativ spät (1936) den entscheidenden Schritt machte und seinem Mentor Nae Ionescu sowie vielen seiner Altersgenossen zur Eisernen Garde folgte.
In einer sehr gewissenhaften Arbeit hat Hannelore Müller den wissenschaftlichen und den gesellschaftspolitischen Weg des jungen Eliade nachgezeichnet und plausibel seinen geistigen Beitrag für den Versuch einer Erneuerung Rumäniens herausgeschält (Der frühe Mircea Eliade. Sein rumänischer Hintergrund und die Anfänge seiner universalistischen Religionsphilosophie, Münster: Lit 2004. 352 Seiten, br, 29.90 €). Müller zeigt, daß die geistige Situation der Zeit Eliade früher oder später in die Nähe der Eisernen Garde bringen mußte. Von zentraler Bedeutung ist dabei das sogenannte „Geistige Itinerarium”, das zwölf Zeitungsartikel Eliades aus dem Jahr 1927 versammelte. In diesen Beiträgen formuliert Eliade den „Plan”, mit Hilfe seiner eigenartigen religionswissenschaftlichen Arbeit schöpferisch zur kulturellen Harmonie, zu einem neuen geistigen Gleichgewicht beizutragen. Dieses „Itinerarium” ist bis heute nicht in Deutschland erschienen. Ein zusätzlicher Wert der Arbeit von Hannelore Müller liegt darin, daß sie zwei Texte aus dieser Sammlung sowie alle neun gardistischen Aufsätze Eliades übersetzt und im Anhang dokumentiert hat.