politisch interessierten Kindes: „Guckt mal da! Was für eine Werbung! Extrem!“ – „Hä, welche? Das Plakat? Das ist doch nur Bierwerbung?“ Kind (einigermaßen aufgeregt tuend): „Na guck mal hin! Die sind krass!“ – Anderes Kind liest den durchschnittlichen Bierspruch vor: „Na und, jetzt?“- Der Clou, laut Humorkind: „Nur Männer. Keine Frau. Nur vier weiße Männer. Eine Art Faschobier, bestimmt.“
13. September
Unsere Kinder sind einigermaßen sportbegeistert. Mir fehlt meist die Zeit, an ihren wochenendlichen Spielen/Wettkämpfen zuzuschauen. Ausnahme: Ringen. Ist seltener, dauert länger; nichts außer Dressurreiten euphorisiert mich mehr.
Ehrgeizige Jungs können nach einem verlorenen Kampf die Tränen oft nicht halten. Meist wird dann gestisch eine schwere Verletzung (ausgerenkte Schulter o.ä.) vorgeschützt. Besonders stark leiden die Jungs (heute sind nur die Kleinen unter 12 dran), wenn sie von einem Mädchen besiegt werden. Meine Ringermädchen zählen unsere Weltmeisterin Aline Focken zu ihren Vorbildern.
Heute dürfen sie nicht mitkämpfen. (Unsere 12jährige bedauert eh, nun nicht mehr gegen Jungs antreten zu dürfen. Sie mißt 184 cm mit entsprechendem Gewicht.) Heute weinen besonders viele Jungs, die sich beim Kampf das schwache Geschlecht wehgetan haben. Mein so langjährig erfahrener wie ringerisch mittelmäßiger Sohn hat Glück im Unglück: Nur Niederlagen. Nur gegen Geschlechtsgenossen.
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11. September 2015
Was soll man tun? Wie reagieren? Diese Frage habe ich in den letzten Wochen oft gehört, und zwar stets zugespitzt auf folgenden Sachverhalt: Der Verein/ das Kollegium/ die Ortsfeuerwehr plant Willkommensmaßnahmen. Es gibt ja tausendundeine Möglichkeit. Jeder kann was tun! Die wohlsituierte Mittfünfzigerin stellt zwei freigewordene Kinderzimmer zu Verfügung, Paul macht ein buntes Boxtraining, der Faschingsverein plant eine Riesensause außerhalb der Saison. Wer will da abseits stehen? Und wie sollte das gehen?
Konkret: Ein Lehrer erzählt mir, zwei Kollegen hätten „so eine Sache“ angestoßen im Lehrerzimmer. Weil’ s logisch demokratisch zugeht, wurde erstmal (vor der Listenverteilung, wer welchen Kuchen backt) gefragt, ob überhaupt „alle einverstanden“ seien mit dem Vorstoß, ob alle mit „an Bord“ seien?
Klar, waren sie, wenn auch größtenteils gänzlich ohne Euphorie. Der Lehrer: „Wir haben bereits einen Ausländeranteil von über 60% an der Schule. Und jeder weiß, was bereits das für Probleme mit sich bringt, wirklich jeder. An einem Gymnasium mag das anders sein. Da zählen Teile der Migrantischen vielleicht zur den Ehrgeizigeren. Aber bei uns? Vergiß es. Die werden alle mit zwei zugedrückten Augen und einer Drei komma nochwas durchgehievt.“
Wie gesagt, ähnliche Geschichten häufen sich. Keiner traut sich, sich abseits zu stellen. Es gibt gute Gründe genug: Der Chef hat mich eh auf dem Kieker wegen einem Leserbrief von vor zwei Jahren/ meine Frau würde es nicht aushalten, wenn ich zu dem Thema den Mund aufmache, sie hat schon sozialen Druck auszuhalten/ ich bin nicht der Typ für Auseinandersetzungen /Ich bin in der Probezeit etc.
Wo sind wir eigentlich hingekommen? In welchem Jahrzehnt befinden wir uns nochmal?
Witziges Querulantentum aus der Bekanntschaft: Die (jungen) Schachfreunde sollen sich als Nachhilfelehrer für Deutschunterricht zur Verfügung stellen. F. und J. hingegen wollen kein Deutsch unterrichten. Das sei bei ihnen völlig ausgeschlossen, sie seien „tierisch ungeduldig“, das könne nur schiefgehen. Komm, wurde gelockt, ein bißchen „ich heiße…/ wie heißt du?“, das könne wirklich jede. „Nee“, sagten F. und J., „wir nicht. Wir haben nicht nur kein pädagogisches Geschick, wie sind geradezu Antipädagogen!“
F. und J. wollten den unausbleiblichen Vorwurf des Nicht-geben-Wollens nicht auf sich sitzen lassen. Sie haben nun angekündigt, den Neuankömmlingen ein kleines Konzert von J.S. Bach (Violine/Querflöte) geben zu wollen. Natürlich wurde Unverständnis geäußert. („Die brauchen Brot, nicht Spiele!“) Fünf andere Schachfreunde kippten nach. Sie wollen nun Wilhelm Tell teilaufführen, zweiten und dritten Aufzug, mit englischer Dolmetschung. Motto: „Sie kommen in ein Land mit Kultur, und sie kriegen Kultur!“
Es ist noch unklar, ob es stattfinden wird. Ulkige Diskussionen dieser Art finde ich auch hier. Kommen nur Gute? Kommen auch Böse? Könnte es Bürgerkrieg/Aufstände geben? Wieviel Geld und Leistungen erhält ein Asylbewerber pro Monat? Warum wollen so viele nach Deutschland?
Lehrerin, eine vorzügliche Beamte unseres Staates: „Ich werde keinesfalls Stellung beziehen. Aber Fragen darf man stellen, und man muß nach Antworten suchen.“ Zu Hause habe ich (unbedarft) in Gesetzestexten gewühlt und meine Tochter gebeten, zu berechnen, was uns (wären wir Asylbewerber) als Familie nach drei Monaten in Germoney als Monatsgeld (exklusive Unterkunft, Hausrat, Heizung, Krankenversicherung) zustände. Sie kommt auf 359 € (Haushaltsvorstand) plus 323 (Ehegattin) plus 287 € (volljähriges Kind) plus 2 x 283 €, plus 2 x 249 € plus 217€. Internetkosten dürften laut Telekom ja demnächst ebensogut wegfallen wie bereits (Augen- zu-Regel!) Kosten für den Öffentlichen Nahverkehr. Wir kommen auf 2250 Euro. Pro Monat. KKV, Miete, Heizkosten gratis oben drauf.
Ich gestehe: Ich hab dies nur als juristischer Laie unter dem Stichwort Asylbewerberleistungsgesetz recherchiert. Ich habe dabei keinerlei politisch motivierte Netzseiten hinzugezogen.
Innerer Exilant
Hoffentlich zahlt mir das Land in das ich mal fliehen muss auch so ein stattliches Gehalt, damit ich mir ordentlich Faschobier kaufen kann um meine verlorene Heimat zu betrauern.