Opsi trägt Affenfell und ißt Bananenkuchen

aus Sezession 60 / Juni 2014

Es ist so, daß Ulrike Draesner eine wirklich renommierte Autorin, Essayistin und Lyrikerin ist. Literaturpreise en masse wurden auf sie gehäuft. Sie hat sympathische Stücke geschrieben.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Auch ihr neu­er Roman Sie­ben Sprün­ge vom Rand der Welt wur­de all­seits hoch­ge­lobt, mit Abstri­chen zwar – wegen der Län­gen. Draes­ners volu­mi­nö­ses Buch mach­te des­halb neu­gie­rig, weil sie ein Ver­trie­be­nen­kind ist und weil das Leben mit »Luft­wur­zeln« und epi­ge­ne­ti­schen Defi­zi­ten – ganz kon­kret geht es um die Ver­trei­bung des Vaters aus Nie­der­schle­si­en – Kern­the­ma des Romans ist.

Eine der neun Stim­men aus vier Gene­ra­tio­nen, die die­se Geschich­te spre­chen, die eigent­li­che Prot­ago­nis­tin, ist Simo­ne. Sie hat am glei­chen Tag wie ihre Autorin Geburts­tag, bio­gra­phi­sche Par­al­le­len lie­gen nah. Ja, es gibt ein­zel­ne Per­len in die­sem Roman­ko­loß, die schim­mern und fun­keln, ein Dut­zend, viel­leicht zwanzig.

Allein, die­se Glanz­stel­len tra­gen nicht über fünf­hun­dert­neun­und­fünf­zig Sei­ten vol­ler Gefüh­lig­kei­ten, unüber­seh­ba­rer Frau-denkt-sich-in-Män­ner­hirn-Ver­su­che, Plau­de­rei­en, Sei­ten­strän­ge, lyri­scher Ver­satz­stü­cke, kon­ven­tio­nel­ler und wenig sub­ti­ler Meta­pho­rik. Mit zuneh­men­der Müdig­keit han­gelt man sich von Perl­chen zu Perl­chen und stol­pert dabei lau­fend über Miß­grif­fe und Unnötigkeiten.

Simo­nes grei­ser Vater Eusta­chi­us (auch als Stach, Jus­titsch, Opsi benannt, das soll die Viel­stim­mig­keit ver­deut­li­chen) ist – wie sei­ne Toch­ter Simo­ne – Affen­for­scher. Er liebt die Pri­ma­ten, weil er den Men­schen miß­traut. Das ist sein Ver­trei­bungs­er­be. Simo­ne ver­liebt sich erst in die Radio­stim­me des Psy­cho­lo­gen Boris (Arbeits­schwer­punkt: Ver­trei­bung), dann in den rea­len Men­schen. Auch Boris’ Fami­lie wur­de ver­trie­ben: Aus Lem­berg in die »deut­schen Ostgebiete«.

So hat jeder zu kau­en an Ver­gan­ge­nem, an Ver­schwie­ge­nem, an Tabui­sier­tem, an ent­gan­ge­nen Chan­cen. Hier wird nichts ange­deu­tet, es wird aus­ge­deu­tet, zu Tode geschwatzt, auf immer län­ger wer­den­den Sei­ten. Schade.

Ulri­ke Draes­ner: Sie­ben Sprün­ge vom Rand der Welt, Mün­chen 2014, 559 S., 21.99 €.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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