Der Fußball war nun nicht mehr eine schnöde Ballsportart, die im
19. Jahrhundert in England kultiviert wurde, sondern völkerverständigendes Element, gesellschaftlicher Kitt, alle und alles verbindend, die schönste Nebensache der Welt, Grenzen, Unterschiede und Ungerechtigkeiten aufhebend und negierend. Die Botschaft, die Kofi Annan wirklich verkündete, lautete: Wenn alle Fußball spielen würden, gäbe es keine Kriege mehr und die ganzen anderen furchtbaren Dinge, die einer schönen Welt im Wege stehen. Ideologisch erfahrene Ex-DDR-Bürger fühlten sich an das Lenin-Jahr 1970 erinnert. Damals hatte alles irgendwie mit Lenin zu tun, diesmal war es der Fußball. Kritik, Nörgelei konnte nur aus dem finsteren Antrieb heraus kommen, das sorgenfreie Fest der kickenden Völker zu versauen. Kritik mußte zu Recht in die Nähe antihumanistischer Tendenzen gerückt werden.
„Die Welt zu Gast bei Freunden” – irgendwie schien sich dieses Motto der WM 2006 zu bewahrheiten, schienen die deutschen Organisatoren und die Fifa die Deutungshoheit über den Fußball errungen zu haben, schien Fußball keine quasi-transzendentale Sache mehr zu sein, kein organisierter Rückfall an archaische Stammesrituale, keine Männerdomäne mit Hang zu Verrohung, Dummheit und Gewalt. Vielmehr ist eine neue Dimension des Fußballs erreicht: entschärft und noch konsensfähiger, denn was den Markt störte, muß vermieden und verhindert werden. Die Zeit war längst reif für den in ein Freudenfest verpackten totalen Kommerz.
Das Wochenende des 13. und 14 Mai dieses Jahres, Endspieltag in vielen europäischen Ligen. Legia Warschau wird polnischer Meister, 5.000 Fans feiern den Titel, 231 werden festgenommen, 52 Polizisten sind verletzt. – In der Schweiz schlägt der FC Zürich den FC Basel in dessen Stadion 2:1 und wird damit in letzter Minute Meister. Dutzende Basler Fans stürmen nach Abpfiff den Rasen und greifen die Gästespieler an. – Das Berliner Oberligaderby zwischen dem BFC und Union wird nach 76 Minuten wegen Randale auf dem Spielfeld abgebrochen. 1.000 Polizisten können, trotz der bekannten Brisanz des Duells, die Konfrontation der rivalisierenden Fangruppen nicht verhindern.
Solche Ausbrüche von Gewalt werden gern als Auswüchse bekannter gesellschaftlicher Probleme interpretiert, und das Wort von den „sogenannten Fußballfans” hat sich durchgesetzt, weil es geeignet scheint, die wunderbare, perfekte und regelgerechte Welt des Fußballs zu retten. „Sogenannt” ist auf keinen Fall „echt” und kann kaum etwas mit „wirklichem” und „richtigem” Fußball zu tun haben, und das stimmt insofern, als man sich beim Krieg auf den Rängen weh tut, ohne daß es um die Eroberung des Balles und das Schießen von Toren geht.
„Fußball ist Krieg”: Der berühmte Satz des holländischen Trainers Rinus Michels ist nicht nur polemisch zu verstehen. Der disziplinvernarrte Coach bescherte dem niederländischen Nationalteam den bisher größten Triumph, den Gewinn der Europameisterschaft 1988, und das in Deutschland, beim ewigen Rivalen, dessen Mannschaft im Halbfinale geschlagen wurde. Im Anschluß an das Spiel skandierten die holländischen Fans „Gebt uns unsere Fahrräder zurück!” ein Verweis auf die Konfiszierung von Fahrrädern durch die Wehrmacht während der Besatzungszeit in Holland. Das war schon 1988 über vierzig Jahre her, und unter den holländischen Fans im Stadion werden wohl kaum viele Rentner gewesen sein, die einst ein Fahrrad eingebüßt hatten; trotzdem machten die Anwesenden sehr deutlich, daß es sich für sie um eine Revanche handelte, eine historische, die nur zufällig ihren Ausdruck im fußballerischen Moment hatte. Was sie bewegte und so empfinden ließ, steckt in Michels’ Satz, der das Mehr des Fußballs ausdrückt. Und dieses Mehr ist sehr oft ein brutales, gewalttätiges und hämisches: Der Gegner soll „vernichtend” geschlagen werden, und im Falle des Nationalteams erleidet eine ganze Nation diese Niederlage ihrer Truppe auf Gedeih und Verderb mit.
Wie aber ist es, wenn die Welt zu Gast bei Freunden ist? Es scheint, als hätte die fast lückenlose Durchleuchtung jedes einzelnen Stadionbesuchers die gärenden Bestandteile von den Tribünen ferngehalten. Auch aus den Stadien der großen Vereine sind die Hooligans fast vollständig verdrängt. Vor und nach dem Spiel, in den Straßen der Austragungsorte und am Rande der Fan-Meilen bleibt diese Szene jedoch aktiv, man trifft sich zum Prügeln nach einigen, strikten Regeln, bevorzugt auch in den unterklassigen Ligen, wo nicht alles gläsern ist und wo selbst Senioren- und Jugendspiele ein Anlaß für Konflikte um die eigene Ehre und die des Vereins sein können. Aber selbst im Profifußball, bis hinauf in die europäische Champions League, kommt es zu archaischen Entladungen: Flaschen, Feuerzeuge, Leuchtraketen, Handys, Messer, Schweineköpfe und gar Katzen – wie jüngst in Sevilla – werden auf Spielfeld und die gegnerischen Spieler geworfen. Daneben fallen die üblichen Beschimpfungen und Schmähungen auf den Rängen nicht ns Gewicht. Nur manchmal wird aus Tätlichkeiten eine Katastrophe:
Am Abend des 29. Mai 1985 findet das Finale um den Landesmeisterpokal im Brüsseler Heysel-Stadion zwischen Juventus Turin und dem FC Liverpool statt. Noch vor Anpfiff stürmen nach diversen Provokationen mehrere hundert Liverpool-Fans den benachbarten Block, der kaum gesichert ist und in dem sich hauptsächlich italienische Familienväter und Gastarbeiter befinden, die panisch die Flucht ergreifen und dabei eine Mauer zum Einsturz bringen. Unter dieser liegen die meisten der 39 Todesopfer. Das Spiel wird trotzdem angepfiffen, Juventus gewinnt 1:0.
Nach Heysel schloß man die englischen Clubs für ein paar Jahre vom Europapokal aus, die Sicherheit im Umfeld der Spiele wurde erhöht, Stehplätze verschwanden in den meisten großen Stadien, Polizei und Vereine versuchten mittels Strafen und Stadionerboten die gewalttätigen Fans fernzuhalten, eine Entwicklung, die bis heute in den meisten europäischen Profiligen anhält. Nicht nur die Fußballverbände empfanden die unberechenbaren Fans als störend, auch für die Vereine war eine „gesäuberte” Anhängerschaft erstrebenswert, wenn man am sportlichen Erfolg und wirtschaftlichen Wachstum des europäischen Clubfußballs teilhaben wollte.
Vielen treuen Fans ist diese „Kommerzialisierung” ein Dorn im Auge: Sie trennten sich letztlich von ihrem Verein und den verehrten Spielern und bringt undurchschaubare finanzielle Mechanismen in den Fußball, bei dem doch eigentlich immer alles so ehrlich, durch Regeln bestimmt und transparent wirkte. „Entscheidend ist auf dem Platz”: Diese Weite von Trainerlegende Adi Preißler muß durch Robert Hoyzer und Luciano Moggi gegengelesen und womöglich abgeändert werden.
Den Vereinen und Verbänden ist ein ruhiges und willig zahlendes Publikum viel lieber als der emotionalisierte Fan. Die sich als „wahr” verstehenden Anhänger, zum Teil über Generationen mit ihrem Verein verbunden, befürchten eine Degradierung zu bloßen Zuschauern, wie beim American Football in den USA, eine Entfremdung und letztlich Zerstörung des Fußballs durch Geschäftsinteressen, den Zerfall ihrer homogenen Welt, die eine sichere Festung in pluralistischer Umwelt war. So grenzt sich der harte Kern der Fans als „Ultras” vom „gleichgeschalteten” Publikum ab und reagiert mit trotziger Romantik auf die Entwicklung des Profifußballs, der man ohnmächtig zusehen muß.
„Man will keine Fans, die aktiv am Spiel teilhaben, man will die Art von Zuschauern, die man in einem Kino oder einem Theater trifft. Die Verbände und Vereine verstehen nicht, daß Fußball unser Leben ist, daß wir für unseren Verein leben, daß wir unsere Schals und unsere Kleidung tragen, die unsere Stadt oder Region repräsentieren. All die ‚Kurven’ dieser Welt sollten in diesem Fall zusammenhalten und eine mächtige Einheit gegen die Fußball-Fabrik bilden.” (aus dem „Ultra-Manifest”)
Das ist schon eine kleine Revolte gegen die moderne Welt, gegen die Öffnung des Spiels für jedermann. Es ist ein Verteidigungsversuch echten Gefühls gegen die weichgespülte, gleichgeschaltete Fußballwelt, deren Perfektionierung wir eben während der WM in Deutschland erleben durften: ein perfektes, abschreckendes Beispiel für die Allmacht des Markts, der für die „Ultras” bloß noch eine Art ökologischer Nische übrigläßt. Dort wird die Tradition geschützt, dort wird die transzendentale Kraft des Fußballs und seiner treuen Gläubigen gewährleistet, zur Not sogar erkämpft. Jedoch werden der Ernst und die Inbrunst dieser Forderungen jeden Fußball-Mächtigen verschrecken, ja verstören: Die Nische ist der Ort, wo im Zweifelsfall nicht mitkonsumiert, sondern die Identität verteidigt wird. Die früher wesentlich präsentere Wut der Fans, eine geballte reaktionäre, gar archaische Kraft mit sich spontan organisierender Gewalt im Umfeld des Fußballs, scheint aber kontinuierlich abzunehmen, die Wut der Fans transformiert sich in Anpassung und Resignation.
Nur Osteuropa hinkt hinterher. In Polen mußte die Polizei im letzten Jahr über 500 Großeinsätze gegen Hooligans durchführen, immer wieder kommen Fans dabei ums Leben, bei einem Warschauer Buchmacher kann mittlerweile auf Übergriffe und Randale gewettet werden. Von den geschätzt 15.000 bis 20.000 polnischen Hooligans sollen etwa zwei Drittel rechtsradikal sein. In Italien tendierten anfangs viele der radikalen Fangruppen, der Ultras, zu denen sich fußballverrückte Jugendliche in den fünfziger und sechziger Jahren zusammenschlossen, zur politischen Linken, bis es in den achtziger und neunziger Jahren zu einem Rechtsruck kam. Eine Studie aus der Saison 2003/04 ergab, daß von 445 untersuchten Fangruppen 1992 eine politische Ausrichtung aufzeigten. Von 43.000 Mitgliedern bezeichnen sich 14.500 als rechtsextrem, 15.000 als rechts, 7.500 als links, 6.000 als linksextrem.
Zwei Galionsfiguren der jeweiligen Ulrta-Gruppen treffen zweimal im Jahr aufeinander, wenn der AS Livorno gegen Lazio Rom spielt. Der eine Cristiano Lucarelli, hat des Emblem der BAL (Brigate Autonome Livornese), einer inzwischen verbotenen linksradikalen Ultra-Gruppe, auf seinen Unterarm tätowiert; der andere, Paolo Di Canio, trägt den Schriftzug „DUX” (lat. Führer) auf dem Oberarm und steht den „Unbeugsamen”, den „Irriducibili” von Lazio Rom nahe: einer rechtsradikalen, gewalttätigen Fangruppe, die mit Hakenkreuzfahnen und einem riesigen „Rom ist faschistisch”-Spruchband durch die italienischen Stadien tingelt.
6. Januar 2005, Lazio Rom spielt im Stadion Olimpico gegen den AS Rom, eines der hitzigsten Stadtderbys in Europa, bei dem es immer wieder zu Ausschreitungen zwischen Fans und der Polizei kommt. Lazio gewinnt §:1, Paolo Di Canio ist Kapitän seiner Mannschaft, schießt ein Tor und präsentiert den Lazio-Fans nach seiner Auswechselung den „römischen Gruß” der italienischen Faschisten, für die Anhänger des AS Rom und große Teile der Öffentlichkeit eine Provokation. Allerdings erklärte Di Canio nach seiner Aktion beim Römer Derby, als er positive Resonanz seitens der Alleanza Nazionale erhielt: „Meine Freude über den Sieg hat nichts mit Politik zu tun.” Ein andermal äußerte er, daß er Faschist sei und Mussolini verehre, auch wenn dieser sein Volk im Stich gelassen habe. Lucarelli machte aus seiner linken Gesinnung nie einen Hehl, bedachte beim Torjubel die Livorno-Anhänger mehrfach mit der kommunistischen Faust und wurde dafür, wie auch Di Canio, vom Verband mit einer Geldstrafe belegt.
Lucarelli und Di Canio sind Stürmer, seit Kindheitstagen mit ihrem Verein und den radikalen Fangruppen verbunden und nach einer Odyssee durch diverse ausländische und italienische Vereine beim Club ihres Herzens tätig. Beide sind Ultras auf dem Platz und wissen um die Kraft der Provokation, die sie für Verein und Anhängerschaft nutzen, deren politische Fundierung aber nur flach und nebensächlich ist. Stalin-Fahnen im Livorno Block und der Satz „Auschwitz ist eure Heimat” auf einem Lazio-Spruchband beim Derby treiben diese Provokation auf die Spitze: Wer wie Di Canio und Lucarelli eine vorhandene politische Tendenz im Club verstärkt und als Kohäsionskraft nutzt, wird früher oder später samt seiner Anhängerschaft extrem. Mag ihre jeweilige Ideologie anwidern: Ihre Ehrlichkeit rührt, im Gegensatz zu den komischen Gegen-Gewalt-Initiativen von Fan-Gruppen, die sich zuletzt auch noch über den Sieg eines Gegners freuen und ein Fußballspiel mit einer Vorabendserie verwechseln.
Di Canio betont übrigens, daß er Faschist, aber kein Rassist sei, und darf sich sicher sein, daß ihn keiner versteht. Die rassistische oder zumindest ausländerfeindliche Geste bleibt, trotz diverser Anstrengungen seitens einer kritischen Presse und der Verbände, ein fast alltägliches Phänomen in den Stadien und auf den Fußballplätzen Europas, ob beim Spaßturnier auf einem Ascheplatz in Kopenhagen oder im Viertelfinale des Europacups. Vor allem Spieler aus Schwarzafrika haben eine Menge einzustecken.
In der Regionalliga Süd am 25. März dieses Jahres, beim Spiel des Halleschen FC gegen Sachsen Leipzig ist der Nigerianer Adebowale Ogungbure, der als Verteidiger bei Leipzig kickt, einmal mehr Zielscheibe rassistischen Spotts. Er wird von Teilen der Hallenser Fans derart beleidigt und attackiert, daß er, um den Mob eine Antwort zu geben, seinen Arm zum Hitlergruß ausstreckt und mit der linken Hand ein Hitlerbärtchen andeutet. Kurzzeitig ist die Öffentlichkeit verwirrt, ein angegriffener Spieler wehrt sich mit einer polemischen Geste, die zudem verfassungswidrig ist. Die Polizei leitete zunächst auch nur Ermittlungen gegen Ogungbure ein, nicht gegen das entgleiste Publikum.
Der ghanaische Fußballprofi Anthony Baffoe riet kurz vor der WM afrikanischen und türkischen Spielern davon ab, im Osten Deutschlands zu spielen. Aber auch in höheren Spielklassen verschafft sich ein provokationsbegabter Mob Gehör, er kann zum Leidwesen der organisierten Fußballweltbeglücker von Uefa und Fifa nicht klar vom restlichen Publikum getrennt werden. In Spanien wird der kamerunische Stürmerstar des FC Barcelona, Samuel Eto’o, immer wieder mit Beschimpfungen und fast schon obligatorische Affengeheul bedacht. Der Gegner und die gegnerischen Fans sind als Feinde so heftig wie möglich zu schmähen. Hier kommt jede Fremdheit gerade recht. Die Gemengelage ist schwierig: Angepöbelt wird immer nur der Ausländer der anderen Mannschaft, nie der eigene. So kommt es zu bizarren Situationen wenn als recht und gewalttätig geltende Fangruppen von Energie Cottbus ihre Club-Ehre verteidigen und dabei einer Mannschaft zujubeln, in der kein einziger Deutscher mehr spielt, geschweige denn ein Spieler aus der Region, also aus dem Dorf nebenan. Mit Bananen werden nicht bloß Afrikaner beworfen: Auch Oliver Kahn sammelte wochenlang Dutzende davon aus seinem Strafraum.
Aber es geht noch härter: Teile der holländischen Fans pflegen bei Spielen gegen Ajax Amsterdam sei aufgrund seines Erfolgs ein „Judenverein”. Zuweilen ist, wenn Spieler von Ajax in Ballbesitz sind, aus den gegnerischen Fanblöcken ein Zischen zu hören, welches das Geräusch von einströmendem Gas imitieren soll. Die Ajax-Fans wiederum beschimpfen den Schiedsrichter ab und an als „Nazi” wenn er gegen ihr Team pfeift. Spaniens Nationaltrainer Aragones bezeichnete im Gespräch mit seinem Spieler José Antonio Reyes dessen Vereinskameraden Thierry Henry als „Scheißneger”, und wer einmal in einem Zug etwas Zeit mit Fans, auf dem Weg zu einem Spiel, verbracht hat, konnte sich vielleicht von der Beliebtheit eines Gesanges überzeugen, bei dem es darum geht, daß eine U‑Bahn von St. Pauli (einem Verein mit links-alternativem Image) bis nach Auschwitz gebaut wird.
Am 21. April 2006 läuft bei Arte die Sendung „Ballverliebt. Die lange Nacht der Fußball-Kultur”. Durchs Programm führt Daniel Cohn-Bendit, der scheinbar auch schon immer Fußballfan war und mit seinen Gästen eloquent über Fußball und Kultur, schwulen Fußball, Frauenfußball und Rassismus im Fußball plaudert. Dem Zuschauer wurde nach mehreren Stunden schließlich die Buntheit und Großartigkeit des Sports und des bevorstehenden Events, der Weltmeisterschaft, klar: Beim Fußball betreiben tolle Menschen einen tollen Sport, bei dem andere tolle Menschen für eine tolle Stimmung sorgen. Paolo Di Canio und Adebowale Ogungbure waren nicht zu Gast.
In Italien nennt man eingefleischte Fans „tifosi”. Diese Bezeichnung leitet sich vom Typhus-Fieber ab, „tirosi” ist, wer vom Fußball-Fieber befallen wurde. Der Fan wiederum ist der „fanatical”, und nicht der Konsument, der gestern wegen ein paar toten Hühnern mit Atemschutzmaske zur Arbeit zieht, heute in der „schwarz-rot-geilen” (Bild) Welle versinkt und morgen dem nächsten hype, der nächsten Hysterie aufsitzt. Wieder in den Vordergrund werden jene rücken, die sich an jedem Wochenende in die Nische ihrer Männerwelt zurückziehen, archaisch anmutend: Dann geht es um Spaß und Wut, um Leidenschaft, um eine religiöse Inbrunst und die eigentümliche Freiheit, dabei auch Dinge und Menschen zu Schaden kommen zu lassen. Sie sind es, die die Festung des „alten” Fußballs bis zum letzen Mann verteidigen werden. Mag die Schleifung auch kurz bevorstehen, Beckenbauer wird es wohl nicht mehr erleben und sich seine kristallklare Vision einer Welt des korrekt organisierten Fußballs bis ans Ende seiner Tage als Wunsch bewahren müssen.
Zwanzig Jahre nach der Heysel-Katastrophe treffen der FC Liverpool und Juventus Turin in der Champions League wieder aufeinander. In Liverpool versuchen die englischen Fans, sich mit einer Schweigeminute beim Turiner Anhang zu entschuldigen. Viele im Block der Italiener drehen ihnen demonstrativ den Rücken zu. – Paolo Di Canio erhielt in England, als er für West Ham United spielte, 2001 den FIFA Fair Play Award. Im Spiel gegen den FC Everton hatte er die Chance, ins leere Tor zu schießen, nahm jedoch, als er sah, daß der gegnerische Torwart verletzt am Boden lag, den Ball in die Hand und unterbrach damit das Spiel, wofür er die gelbe Karte erhielt. Bei Spielen der italienischen Liga wiederholte er seinen „römischen Gruß” noch zweimal. – Adebowale Ogungbure wird seinen Vertag bei Sachsen Leipzig wohl verlängern.