Spaß beiseite: Warum denken die das? Denken die? Wer? Sind diese Netzakquisen nicht mittlerweile superprofilorientiert? Nur, weil ich mal – annodazumal – auf dieser Plattform für ein leukämiekrankes Kind o.ä. votiert habe, soll ich jetzt als Demoverbotwünscher geeignet sein?
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11. November 2015
Aus verschiedenen Gründen (der kleinste ist: meine Gesetzestreue) sehe ich mich nicht imstande, meinen Kindern Hausunterricht zu geben. Toll, auch in zeitökonomischer Hinsicht (aus eigener Warte wie aus der der Kinder), fände ich, wenn meine Kinder in einigen Fächern (vor allem Mathe und Naturwissenschaften; da gibt es ausgezeichnete Fachleute) den staatlichen Schulunterricht genössen, in anderen aber freigestellt würden. Logisch, eine kindische Illusion.
Der Punkt ist, daß ich als erziehungs‑, wertebewußte und (in Maßen) ehrgeizige Mutter seit ungefähr fünfzehn Jahren unglaublich viel Zeit aufwende, meinen Kindern mit einem bescheidenen Kanon an schöngeistigen, geschichtlichen und religiösen Inhalten vertraut zu machen. Die Schule leistet das nicht nur nicht (es gibt Ausnahmen, etwa in den ganz niedrigen und besonders in den hohen Klassen – hängt eventuell von der Schule ab…), sie arbeitet dagegen. Dabei sind meine Vorstellungen von einem Richtsatz grundständiger Bildung mitnichten ideologisch überformt, sie sind überzeitlich und in etwa angelehnt an ein humanistisches Bildungsideal.
Meine private Sammlung an Bildungsblüten könnte hunderte Seiten füllen; allein, ein solches Pamphlet wäre völlig unproduktiv. Dauernd muß man selbst – als Mutter und Vater – Schulweisheiten geraderücken, auf gute Musik, gute Literatur, die „ganze Geschichte“, auf Bibel und Tradition hinweisen. Man muß mit den Kindern selbst studieren, lesen, hören, schauen – zumindest, wenn man sich seine Kinder nicht als nummernförmige und echoende Apparate mit Hitwissen und tönerner Zeitgeistweisheit wünscht.
Wochenweise ist es mir auch mal wurscht. Da denke ich mir, die Kinder werden mit ein paar Marksteinen schon ihren Weg zwischen Indoktrination und Realität finden. Dann wieder schmeckt’s mir allzu gallig, und der häusliche Reparaturbetrieb läuft heiß. (In dieser Minute höre ich meine Tochter Roll over Beethoven intonieren; sie muß!)
Das Kind hat in Geschichte gerade „19. Jahrhundert: Entstehung des Nationalstaats“. Typische Aufgabe: „Du gehst durch die Straße und siehst Grafittis. Liberale, konservative und nationalistische. Wie könnten sie jeweils lauten?“ Schülervorschlag für ein Grafitto aus nationaler Sicht: „Alle Ausländer stinken!“ Der Lehrer lobt: „Genau, da hat sich zu heute nicht viel verändert!“
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13. November 2015, früh
Ich habe den Namen desjenigen vergessen, der mir mal sagte, welche Rezeptur dazu führe, daß ein (belletristisches) Buch garantiert verlags- wie feuilletonseits „hochgeschrieben“ werde.(Es war jedenfalls einer, der es wissen muß.)
Wenn der Autor jung und weiblich sei: bon. Mit viel Sex in der Geschichte: très bien. Dazu noch Migrationshintergrund und evtl. einer nichtchristliche Religionszugehörigkeit: excellent! Voilà: Lena Gorelik. Die junge, zweifellos hübsche, rußlandstämmige jüdische Erfolgsautorin hat heute im „Deutschland“radio“Kultur“ Zeter& Mordio gerufen:
„Das ist nicht mein Land!“ Gorelik beschreibt angeekelt ein abgetakeltes Land, in dem „ein Björn Höcke sich seelenruhig mit einer Deutschland-Fahne in ein Studio der ARD setzt“ und die „Tagesschau die Bilder von den Nazi-Fressen in Dresden“ zeige. Sie spricht von dem häßlichen „Hass“ überall. Sie meint natürlich nicht Ihresgleichen, sondern all die „Neonazis“, die sich als „besorgte Bürger“ tarnten.
Gorelik klagt „hilflos“ und „verzweifelt“, man habe versucht zu reden, zu verstehen, dann zu schreien, aber umsonst : „Dann nehmen sie uns das Land.“ Wer? Wem? Wo?
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13. November 2015, später
Auf meinem rührenden Lieblingssender Radio Corax (einem durch- und-durch linken regionalen Laienprojekt) läuft ein Interview mit Klaus P. Hufer. Hufer ist Argumentationstrainer gegen sogenannte Stammtischparolen. Online finde ich das Gespräch nicht, darum kann ich es nur aus dem Gedächtnis wiedergeben.
Die Moderatorin ist voll verzweifelt, wie sie all den Asylskeptikern aus ihrem eigenen und sicher unrechtem Umfeld begegnen soll. Da fehlen ihr nämlich manchmal echt die Worte. (Nicht, weil deren Argumente und Sorgen absurd wären, sondern weil sie anscheinend recht plausibel sind.)
Herr Hufer gibt bescheidene Tips. Am Ende wird die Laienmoderatorin („oh Mann, das ist alles so heftig zur Zeit“) ein bißchen verdruckst. In ihrem Sender seien sie ja alle wirklich ziemlich deutlich links eingestellt. Und doch häuften sich auch hier Klagen von Flüchtlingshelferinnen darüber, daß sie von der zu betreuenden Klientel reichlich heftig „angeflirtet“ würden.
Das gehe natürlich gar nicht, bescheidet Herr Hufer. Er gebe aber zu bedenken, daß solches Verhalten völlig herkunftsunabhängig sei. Eine „empirische Studie der Universität Göttingen“ habe ergeben, daß Forscherinnen, die sich unter die notorischen „alten Männer“ der PEGIDA-Demonstrationen gewagt hätten, dort genauso „sexistisch“ angemacht wurden. Mit ethnischem Hintergrund habe das also rein gar nichts zu tun.
Die dankbare Moderatorin: „Genau, genau, ja!“
Thomas W.
"zweifellos hübsch" - ein böser Sarkasmus!
Kositza: Sie sind wohl ein Gesichtsist?