Diesmal haben (allen Anzeichen nach) islamistisch motivierte Terroranschläge, die an verschiedenen Orten verübt wurden, fast 130 Todesopfer gefordert. Die Verlautbarungen, die bei Anlässen wie diesen in Umlauf gebracht werden, spannen sich von Solidaritätserklärungen über Betroffenheitsrituale bis hin zur Bekräftigung, „Schulter an Schulter“ gegen den internationalen Terrorismus kämpfen zu wollen. So ist es auch diesmal.
Blog-Kollege Martin Lichtmesz hat zu dieser mittlerweile abgenutzten Fertigteilsprache (Merkel: „Angriff auf die Freiheit meint uns alle“) in seinem Kommentar das Notwendige gesagt und auch die Verbindungen zur sogenannten „Flüchtlingskrise“ gezogen. Schlagartig dürfte nun wohl auch dem letzten klar werden, wie riskant die Politik der offenen Tür ist, die die Regierung Merkel seit Monaten wider alle Vernunft aufrechterhält.
Etliche angebliche „Schutzsuchende“ sind in Deutschland in den letzten Monaten unregistriert untergetaucht. Wieviele IS-Sympathisanten oder ‑Aktivisten unten ihnen sind und was sie in Deutschland bzw. Europa planen, darüber kann nur gemutmaßt werden. Bezeichnend für diese Situation ist, daß ein mutmaßlicher Terrorist quer durch Österreich fahren konnte, ehe er in Bayern aufgegriffen wurde.
Paris ist deshalb ein Menetekel für Deutschland. Ich möchte an dieser Stelle aber auf etwas anderes hinaus und den Fokus von den Opfern auf die Täter richten. Martin Lichtmesz hat den Tarkowski-Film „Opfer“ (1986) genannt. Hier sei aus einem ganz bestimmten Grund auf Francis Ford Coppolas Meisterwerk „Apocalypse now“ (1979) hingewiesen, und zwar auf jene Szene, in der Colonel Walter E. Kurtz (Marlon Brando) Captain Willard (Martin Sheen) von einem für ihn einschneidenden Erlebnis berichtet:
Wir gingen in ein Lager, um einige Kinder zu impfen. Wir verließen das Lager, nachdem wir die Kinder gegen Polio geimpft hatten. Da kam ein alter Mann hinter uns hergelaufen, und er weinte … Wir gingen in das Lager zurück. Sie waren inzwischen gekommen und hatten jeden geimpften Arm einfach abgehackt. Sie lagen auf einem Haufen … Und ich erinnere mich, wie ich schrie, ich weinte wie ein altes Waschweib. Ich wollte mir die Zähne herausreißen, wusste nicht mehr, was ich tun sollte.
Dann aber läßt Kurtz die Betroffenheitsebene schlagartig hinter sich; es setzt sich eine andere Sichtweise durch, die das Psychogramm der „Täter“ fokussiert:
Und dann war mir, als würde ich durchbohrt, durchbohrt von einer diamantenen Kugel, direkt durch die Stirn. Und ich dachte, mein Gott, diese Schöpferkraft, dieses Genie, dieser Wille, das zu vollbringen. Vollkommen, unverfälscht, vollendet, kristallen, makellos. Und dann wurde mir klar, dass sie viel stärker als wir waren. Weil sie alles ertragen konnten. Das waren keine Ungeheuer, sondern geschulte Einheiten … Dass sie die Kraft haben, die Kraft, das zu vollbringen. Wenn ich zehn Divisionen mit solchen Leuten hätte, dann wären wir unsere Sorgen hier rasch los. Denn dazu gehören Männer, die Überzeugungen haben. Und die dennoch imstande sind – ohne Hemmungen, ihre ursprünglichen Instinkte einzusetzen – zu töten. Ohne Gefühl, ohne Leidenschaft.
Feinden dieses Typus steht heute die westliche Welt gegenüber, das zeigen die Anschläge von Paris nochmals in aller Deutlichkeit. Die Auftraggeber dieser Terroristen wissen, daß der Einsatz des eigenen Lebens den Schrecken auf der Feindseite erhöht, vor allem aber, siehe oben, daß diese Art von Attentat die eigene bedingungslose Entschlossenheit, die eigene Überzeugung brutal zum Ausdruck bringt.
Ich sage bewußt Auftraggeber, weil etliche der Selbstmordattentäter, die auch aus Europa kommen, aus Sicht der IS-Drahtzieher bestenfalls eine kostengünstige Alternative zu einem Lenkflugkörper darstellen. Diese Attentäter sind vielfach erst nach Wochen oder Monaten massiver Indoktrination für derartige Kommandos bereit. Von europäischen IS-Rückkehrern wissen wir auch, daß man insbesondere ihnen mit Mißtrauen begegnet, weil sie „Spione“ sein könnten.
Die demokratischen Gesellschaften des Westens sind von der Warte dieser Drahtzieher aus ideale Ziele; sie sind am verletzlichsten und eröffnen mit dem Einsatz des taktischen Mittels Selbstmordattentäter einen Weg, dem strategischen Ziel, nämlich der langfristigen Sicherung des Terrorstaates IS, näherzukommen.
Es geht den Attentätern nicht darum, die „Kritischen Infrastrukturen“ westlicher Gesellschaften auszuschalten (Energieversorgung, Informationstechnologien und Telekommunikation, Transport und Verkehr etc.), sondern darum, mit der gezielten Tötung von beliebigen Individuen aus den Reihen des Feindes eine nachhaltige psychologische Wirkung zu erzielen. Das ist ihnen, schaut man auf die laufende Berichterstattung, voll und ganz gelungen.
Auf der Seite der Zielstaaten wirft der Einsatz von Selbstmordattentätern erhebliche operativ-taktische Probleme auf, basieren doch die klassischen Sicherheitskonzepte unter anderem darauf, daß ein Attentäter in der Regel versucht, sein Leben zu retten. Das Verbauen von Rückzugswegen entfällt bei islamistisch motivierten Attentätern. Entsprechend komplex ist der Aufwand, der betrieben werden muß, um diese Aktivisten im Vorfeld zu identifizieren und unschädlich zu machen.
Diesen Sicherheitskonzepten ist in den letzten Monaten durch das ungefilterte Hineindrängen Hunderttausender von Flüchtlingen weitgehend der Boden entzogen worden. Eine größere Zahl potentieller Überzeugungstäter dürfte, um Mao Tse-tung zu zitieren, wie „Fische im Wasser“ der Flüchtlingsmassen längst intra muros sein. Die Anschläge in Paris könnten deshalb, je nachdem, wie sich die Lage im Mittleren Osten entwickelt, der Anfang einer blutigen Spur durch Westeuropa sein.
Belsøe
Wenn dieser 13. November in irgendeiner Weise als quasi-Bündnisfall ausgelegt wird, erscheint mir die Merkelsche Flüchtlingspolitik in einem anderen Licht. Da in einem der Assange-/WikiLeaks-Papiere die direkte Formulierung Auftaucht, mit Schwedens Aufnahmebereitschaft für so und so viele Kriegsflüchtlinge sei die "contribution" zum Irakkrieg abgegolten, möchte ich nach Paris nicht wissen, welches Argument pro Bodentruppen Merkel uns evt. ersparen will.