„Meines Wissens sind alle hier Atheisten. Und, ha, wenn, dann beten die doch nicht auf englisch! Was soll das? Aber jetzt werden sie alle halb ohnmächtig und weinen dreisprachig, vor allem aber darüber, daß nun die sogenannten Rechten daraus ihr Süppchen kochen. Dabei hätte das alles doch gar nichts mit dem Islam zu tun, dieser Verdacht sei ja das eigentlich Schlimme! In Wahrheit läge der Skandal darin, daß wir diese Leute nicht hätten partizipieren lassen. Ich mein: die Terroristen erschießen Leute und brüllen Allah ist groß, aber nee, schon klar, verrückte Einzelfälle, Täter, die rein gar nichts mit dem Islam zu tun haben. Regt mich so auf! Beten, logisch – aber jetzt, und zwar nur jetzt, kommen die mir so – ! Mit beten!“ Als ich heute die Tochter zum Training fuhr, waren die Terminzettel noch nicht wieder aufgehängt. Es stand dort: „PRAY FOR PARIS Hilton!“
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20. November 2015
(Andere) Tochter: „Heute haben wir im Unterricht das Deutschlandlied gehört. Also alle drei Strophen, zur Aufklärung. Kam echt der Rektor rein und meinte: ‚Ah, gut, kommt also nicht von der Straße, sondern im geschützten Raum, ich bin beruhigt.´“ -
„Und dann? Hat der Lehrer euch bestimmt erklärt, daß die erste und zweite Strophe verboten seien, oder?“ – „Nein, aber er hat gesagt, wenn wir je irgendwo die erste oder zweite Strophe hören sollten, dann gäbe er uns den dringenden Rat, die Beine in die Hand zu nehmen und schnell das Weite zu suchen. Hat er sehr ernst gemeint.“-
„Hm. Weil ihr euch dann mit nationalistischem Geist infizieren könntet, oder was?“ –
„Nein! Er sagte, dann sei die Gefahr groß, daß man aus diesem Umfeld Prügel kriegt und daß es richtig gefährlich wird.“
Wirklich: hm. Stelle mir vor, da sitzen so fiese, notorische gewalttätige Kameradschaftler zusammen – und brummen voll Ingrimm, Gewaltlust und mit „Wut im Bauch“: das Deutschlandlied… Der Lehrer muß ein krasser Innenseiter sein.
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21. November 2015
Zum Katzenthema hab ich hier schon ein paarmal geschrieben. In unserer Familie haben wir Katzenskeptiker und Katzenfreunde, 5:4. Wir haben etwa acht bis zehn Streuner in Stall, Scheune und Garten, die sich von Mäusen ernähren und von uns unbeachtet bleiben. Eine kleine weiße beherbergen wir als echte Asylantin. Sie wurde als minikleines Kätzchen von der Achtjährigen ins Haus getragen, wir hielten sie für eine zwar häßliche, doch bemitleidenswerte Riesenechse. Die Tierärztin beschied uns damals, daß man „einen solchen Zustand“ kaum durchkriegen würde. Wir haben weder Kosten noch Mühen gescheut und aus der Echse ein äußerst possierliches Katzentierchen gemacht.
Leider hat sie allen Freunden weitergesagt, daß hier Leute mit Herz für Katzen wohnen. Und nun hat sich mit zunehmender Kälte die Situation verschärft. Die Stallkatzen drängen ins Haus. Unsere Balkontür war mal rot, die Farbe wurde in den letzten Tagen völlig abgekratzt von den Kumpels unserer Weißen. Manchmal hängen sie paarweise an den Sprossen des Fensterteils der Tür und begehren Einlaß! Alle wollen rein. Bei jedem Öffnen einer unserer Türen (Fenster im Erdgeschoß können nicht mal gekippt werden) dringen die Invasoren ein, sie lauern schon. Nein, wir füttern nicht an.
Uns Katzenfreunden ist es etwas lästig, dauernd eingedrungene Frierkatzen (und: ihre Hinterlassenschaften) aus dem Haus zu entfernen. Die Katzenhasser der Familie hingegen toben! (Man muß auch wissen, daß bereits drei junge und sehr süße Kaninchen den hungrigen Streunern zum Opfer gefallen sind. Daß jüngst die von Kinderhand gemolkene, zentrifugierte und gestampfte Ziegenbutter von kätzischen Kücheninvasoren vertilgt wurde.)
Die härteste Katzengegnerin & zugleich scharfzüngigste Tochter setzte heute zu einer großen Wutrede an: „ Mama, das ist sowas von inkonsequent! Denk e i n m a l darüber nach! Das ist so unlogisch! Du läufst bei Pegida mit, und dann sowas! Wie naiv kann man sein??“ -
„Also hör mal: Da war eine arme, bemitleidenswerte, halbtote Kreatur. Der mußte ich mich annehmen. Alles andere wäre barbarisch gewesen. Ein klassischer Einzelfall. Wir müssen jetzt einfach drauf achten, daß die Türen und Fenster geschlossen bleiben.“ –
„Arme Kreaturen [mit höhnischer Stimme gesprochen] sind die doch alle. Die fühlen sich voll im Recht. Das spricht sich rum unter denen, im ganzen Dorf. Mama, das ist das Krokodilsyndrom, du begreifst es nur nicht: Du reichst den kleinen Finger und, schwupp, greifen sie nach der ganzen Hand! Wie ich das hasse, daß die dutzendfach lauern, sobald ich nach draußen gehe. Guck denen mal in die Augen: Gier! Nach meiner Ansicht bist Du ein Gutmensch!“
Sie übertreibt immer so.
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22. November
Karen Krüger schreibt in der FAS über ein seit Jahren im Netz kursierendes Handbuch der islamistischen Welteroberung. Ein ehemaliger Chefdenker von Al Qaida habe es verfaßt, und Terrorismusexperten seien davon überzeugt, daß die Führung des IS sich daran orientiere.
„Es ist ein Manifest der islamistischen Welteroberung, die mit „unzähligen kleinen Operationen“ erreicht werden soll. Die Gewalt soll zu Unsicherheit und zum Kollaps der Ordnung führen, die Menschen sollen das Gefühl bekommen, der Tod sei „immer nur einen Herzschlag entfernt“. (…) Oft ist in diesen Tagen die Rede davon, die Anhänger des IS seien nihilistische Verbrecher. Das greift zu kurz. Die Bereitschaft, systematisch Menschenleben auszulöschen, erfordert tiefe moralische Überzeugungen.“
Für Krüger ist der IS die „dynamischste Jugendbewegung der Gegenwart.“ Es sei eben „weitaus spannender, ein gefährlicher Krieger, ein Mujaheddin, zu sein, als ein rechtschaffener junger Erwachsener, der, wie man das heute eben so macht, aufgeklärt über Klimawandel, Flüchtlingskrise und Konsumterror spricht und sich mit Bio-Brot und Yogakurs auf Ich-bezogene Sinnsuche begibt. Wer hingegen beim IS mitmacht, ist Avantgarde. Und engagiert sich bei einem globalen Projekt, das sich als progressiv versteht.“
Natürlich spricht nichts dafür, daß Karen Krüger dieses kultige „Jugendprojekt IS“ gutheißt. Sie schildert nur und weist auf Plausibilitäten hin. Ist sie schockiert von diesem Trend? Als Leser merkt man es nicht.
Eine völlig schockierte, ja empörte Karen Krüger hingegen äußerte sich eine knappe Woche zuvor in der FAZ.
Sie beschreibt dort den schweren Gang eines Herren, der in Dresden am 9. November einen (seinen Paten-) Stolperstein polieren wollte.
“Neben ihm marschieren die Anhänger von Pegida. Was er über sich ergehen lassen muss, ist furchtbar.“
„Furchtbar“, ein Wort, das wie sämtliche seiner Synonyme in Krügers IS-als-Jugendkult-Artikel fehlt. Was also ist dem Stolpersteinpaten passiert? Eine Frau habe gelacht, eine andere eine wegwerfende Handbewegung gemacht. Ein Mann (dies der krasseste Vorfall des Abends) habe gebrüllt: „ An die ermordeten Kommunisten wird auch nicht erinnert!“. Avantgarde wie der IS: sicher nicht.
Was ist noch „ergangen“, in Dresden? Naja, das war’s schon.
Gerd-Jürgen Scholz
Liebe Frau Kositza, Ihre Impressionen lese ich gern! Aber wir haben auf unserem großen Anwesen überhaupt keine Katzen - dafür sieben brave Hunde.
Kositza: Als Katzen- u n d Hundefreund (u n d Freund der natürlichen Ordnung der Dinge...) find ich das natürlich sympathisch, will aber nachfragen: Mit Mäusen geben die sich nicht zufrieden, oder? Die vertilgen mehr als unsere menschliche Brut es tut, stimmt´s?