ja buhlen derzeit wie noch nie zuvor um das Vertrauen ihrer Wähler, Abonnenten, Kunden, Mitglieder. Sie fordern gar Vertrauensvorschüsse ein, als wäre Vertrauen käuflich, eine handelbare Ware wie Würste oder Kohlköpfe.
Dem vorausgegangen ist ein spürbarer und sogar messbarer Vertrauensverlust, verursacht durch fahrlässiges oder gar absichtsvoll zerstörerisches Handeln derer, die nun um Vertrauen werben. Dieser Vertrauensverlust ist massiv und irreversibel.
Man scheint verdrängt zu haben, daß Vertrauen erst verdient und durch verantwortungsvolles und richtiges Handeln tagtäglich gerechtfertigt sein will. Vielleicht hält man uns auch nur für gutmütige Trottel, denen unter dem Einfluss der Rund-um-die-Uhr-Unterhaltung und billigen Konsums längst jedes eigene Denkvermögen, jede Erinnerungsfähigkeit und jede Selbstgewissheit abhanden gekommen ist.
Dem ist – in noch kleinen, aber beständig wachsenden Teilen der Bevölkerung – nicht so. Wir sind diejenigen, die denen, die uns um einen Vertrauensvorschuss anwinseln, einen fetten Strich durch die Rechnung machen. Wir haben das Vertrauen aufgekündigt. Diese Kündigung ist endgültig.
Daran werden auch dem Schielen auf künftige Wahlen geschuldete marginale „Kurskorrekturen“ nichts mehr ändern. Vertrauen ist das Lebenselixier des Staates – kein Staat kann ohne das Vertrauen seiner Bürger bestehen. Deshalb ist der endgültige Vertrauensentzug kein schwächlicher, individueller Rückzug in den Schmollwinkel, sondern ein mächtiges Instrument. Er ist unsere schärfste Waffe.
Denn mit dem Vertrauen entziehen wir dem Staat unsere Bereitschaft, seinen Worten jemals wieder zu glauben. Wir entziehen ihm Gefolgschaft und Mandat. Das muss nicht zwangsläufig in einen Steuer- oder Generalstreik münden, die innere Abkehr ist viel einschneidender. Sie erfolgt aus eiskalter Tiefe und ist zugleich voll brennender Sehnsucht nach etwas wesensmäßig Anderen und damit all den Lauheiten aus Politik und Medien in der Intensität des Temperaments überlegen.
In anthropologischer Hinsicht erscheint die Vertrauensaufkündigung freilich als Rückschritt. Erst durch Vertrauen in die Leistungsfähigkeit und Vertrauenswürdigkeit von Institutionen konnte der moderne Staat entstehen. Man legte – vereinfacht gesprochen – einen Teil der persönlichen Freiheit in die Hände des Staates, der im Gegenzug Sicherheit versprach und gab und einen Teil der Daseinsfürsorge übernahm.
Das Vertrauen der Bürger in die unbedingte Verlässlichkeit dieser Grundlagen führte Staat und Gesellschaft mehr oder minder sicher auch durch Notzeiten und Gefahren. Dieses Vertrauen unterliegt nun einer massiven Erosion.
Wie schnell der Entzug des Vertrauens ganze Machtblöcke kollabieren lässt, konnte man zuletzt in den späten 80er Jahren in den Ländern jenseits des sogenannten eisernen Vorhangs sehen. Hier und heute wird der Prozess vielleicht langsamer ablaufen, denn die Voraussetzungen und Umstände sind andere.
Zum einen erscheint die ökonomische Lage durch Konsum auf Pump und eigens bereitgestellte Endloskredite weniger desaströs als damals im Osten, zum anderen und vor allem aber wird dieses Mal niemand da sein, der für einen weichen Fall sorgen wird. Denn wer könnte, wer würde und wollte den im Kern und nicht bloß wirtschaftlich verfaulten Gesellschaften des Westens Halt geben? Rußland? China?
Der Kollaps geht schleichender vonstatten, wird sich wohl nicht innerhalb weniger Monate vollziehen und daher eher einem langjährigen Siechtum gleichen. Doch die Folgen werden gravierend sein. Denn was macht der Vertrauensverlust mit den Staatsbürgern – mit uns? Sucht das verwaiste Vertrauen sich rasch andere Fixpunkte, lässt es sich anderweitig adoptieren („Wes’ Brot ich ess’, des’ Lied ich sing“)? Oder kommt unter dem erodierten Vertrauen etwas anderes zum Vorschein – etwas Älteres, Härteres, Mächtigeres?
Dem Schock des Erkennens, daß der Staat, dem man eben noch bedenkenlos und vertrauensselig seine Sicherheit anvertraut hatte, sich nun als Sicherheitsrisiko und als Feind entpuppt, folgt im günstigen Fall die Einsicht in die Notwendigkeit, die eigene Sicherheit so gut und weit wie möglich selbst zu organisieren – sei es durch Auswanderung, durch gewisse Vorkehrungen und Zurüstungen oder durch den Aufbau handfester Widerstandsstrukturen hier im Land.
Daraus folgt ein gestärktes Selbstvertrauen, das – sofern es sich beweisen kann – weiter anwachsen wird. Längst verloren geglaubte Kräfte der Selbstorganisation werden wieder wach und schaffen viele kleine Sicherheiten im Umkreis der Person, der Familie, der Freunde und Nächsten.
Doch dieses Selbstvertrauen wird durch kleinere und größere Krisen immer wieder herausgefordert werden. Es ist so schwach und verletzbar wie das einzelne Selbst. Deshalb wird das Selbstvertrauen alleine nicht genügen. Ihm muss sich etwas noch Stärkeres beigesellen – das Urvertrauen.
Das Urvertrauen gilt nicht der eigenen Kraft und erst recht nicht irgendwelchen Institutionen (weder nationalen noch solchen in Brüssel oder gar in Washington). Das Urvertrauen – das Gefühl letzter Sicherheit, die Gewissheit eines sinnvollen Ganzen – transzendiert das Selbst ebenso wie die Institutionen. Es ist die Sicherheit der Christen im Kolosseum, die Sicherheit der Spartaner wie auch der asengläubigen Krieger vor der Schlacht, die Sicherheit, die nur die Bindung an das All-Eine zu geben vermag.
Dieses Urvertrauen erst gibt dem individuellen Selbstvertrauen Kraft und Sicherheit in allen Krisen – eine Sicherheit, die kein säkulares Staatswesen seinen Bürgern geben kann. So wie die Machtübertragung auf den Staat nur einhergehend mit einer neuen metaphysischen Grundausrichtung des Menschen möglich war, so ist die Rückforderung und Neubegründung der Macht ebenfalls nur an einer neuen Zeitenwende möglich, die wiederum mit einer gewandelten metaphysischen Grundausrichtung des Menschen verbunden ist.
Zieht das die Notwendigkeit einer neuen politischen Theologie nach sich? Wie sähe diese aus? Wäre diese noch christlich oder handelt es sich eher eine politische Theologie neuen Zuschnitts – ohne personal gedachte Gottheit? Lassen sich Konturen erahnen?
Die gegenwärtig aufbrechende Vertrauenskrise, die das Ende dieses Staates und seiner Werteordnung bedeuten wird, wird für uns jedenfalls keinen substanziellen Verlust bedeuten, sondern einen erheblichen Gewinn – den Gewinn eines neuen Selbst- und Urvertrauens und metaphysischer Sicherheit.
John Haase
Mir geht es wir Ihnen, ich weiß auch nicht mehr weiter. Ich sage das aber ganz offen, das ist der Unterschied. Wobei ich auch noch anfallsweise an Hoffnung leide, aber das gibt sich mehr und mehr.
Wenn wir nur gegen das Regime antreten müssten, dann hätten wir eine Chance. Leider steht aber mindestens eine gute Minderheit des Volkes ganz auf Seiten des Feindes und die große Mehrheit ist so kaputtgebildet, daß es nicht darauf ankommt, wo sie steht, weil sie für den Kampf schlichtweg zu degeneriert ist, mithin also letztlich auf Seiten des Feindes steht: "Aber wo sollen die Menschen denn hin? Wir müssen sie halt aufnehmen, auch wenn ich das nicht gut finde. Ich will ja auch, daß die Grenzen dicht gemacht werden, aber ich würde niemals AfD wählen." So oder ähnlich oft genug gehört die letzten Monate.
Neenee, hier ist durch. Game over.