Während sich Bernards Willms’ Text über Antifaschismus und Heideggerrezeption in Deutschland im »Vorhof der Philosophie bewegt«, führt uns George Remetes Werk über Heidegger und die Gottesfrage tief in das Denken des Philosophen.
Willms, Professor für Politwissenschaften, Republikaner und ausgewiesener Hobbes-Experte, nahm in seinem um 1989 entstandenen Text die Kontroverse um Heidegger zum Anlaß einer geschliffenen Antifaschismuskritik. Vor dem Erscheinen der Schwarzen Hefte verfaßt, ist seine Analyse der Struktur intellektueller Debatten in Deutschland immer noch gültig.
In spritzigem Stil führt er die antifaschistische »Betroffenheit« der linken Kulturhegemonie vor. Er sieht im modernen Antifaschismus ein überlebtes Konzept, das sich zu Unrecht auf seine »Märtyrer« beruft. Willms stellt fest, daß die sowjetische Parole des Antifaschismus, anders als die transatlantische Totalitarismusthese, den Kalten Krieg überlebt hat. Sie führe zu einer »Barbarisierung« des Denkens, die von einem »Verlust der Fähigkeit zur Differenzierung« gekennzeichnet sei. Es herrsche erstickender Bekenntniszwang. Bereits der Vorwurf des »Faschismus« komme dem Schuldspruch gleich.
Der »eliminatorische Antifaschismus« entschulde den Archipel Gulag und wolle zugleich die gesamte konservative Traditionslinie austilgen. Gerade weil Heidegger diese »Signatur des Zeitgeistes« am klarsten gesehen habe, werde er zum Opfer des Antifaschismus. Er ist nach Willms der letzte und größte Vertreter einer Tradition, die sich der Vermassung und der »materiellen Gesinnung des technischen Zugriffs auf die Welt« entgegenstellt. Lesenswert ist dieser Text in der Zeit von »refugees welcome« vor allem durch seine schonungslose Bloßstellung der »betroffenen« Gutmenschen, die eigentlich die wahren »Dunkelmänner« (Willms) sind.
Der orthodoxe Theologe George Remete nähert sich Heidegger anders. Kontroversen sind ihm keine Erwähnung wert. Er geht ohne Umschweife »ad rem«, Kenner der Materie fühlen sich hier sofort zu Hause. Remete ist ein geschulter Heideggerianer. Seine These, die das ganze Werk durchzieht, lautet: Heideggers Ablehnung des Christentums bezieht sich primär auf die Westkirche und ihren »rationalistischen« christlich-platonischen Gottesbegriff. Die »apophantische Theologie« der Orthodoxie ist, so Remetes Überzeugung, mit Heideggers Philosophie vollkommen vereinbar.
In elaborierter und quellennaher Ausführung arbeitet er Heideggers Kritik an der westlich-scholastischen Ontotheologie heraus. Er sieht darin eine »gottesfürchtige Gottlosigkeit«, einen »heroischen A‑Theismus«, der keine Gleichgültigkeit, sondern ein ehrliches Ringen mit der Gottesfrage ist. In einem »götzenvernichtende[n] Apophantismus« nietzscheanischer Prägung »legt er die Katastrophe bloß«. Gott, als »das, wozu ihn die Theologen machten«, ist tot.
Er trifft so jene, die »mit Gott umgehen wie mit einem Taschenmesser« (Heidegger) und denen Remete ein »konformistisches, gemütliches, träges und scheinheiliges theologisches Denken« vorwirft. Heidegger sei damit ein »Korrektiv«, ein Feuer der Kritik, durch das alle wahre Theologie und Gläubigkeit gehen müsse.
Remete sieht in seinem Seinsdenken und der »lichtenden Verbergung« eine Strukturähnlichkeit zum sich verbergenden »apophantischen« Gott der Orthodoxie. Der orthodoxen Mystik entspricht, daß Heidegger der Wahrheit der Kunst ihre Würde zurückgibt und die Alleinherrschaft des rationalen Denkens bestreitet.
Bei aller Bewunderung und Sympathie bekennt Remete aber ehrlich die Differenz. Heidegger war ein Grenzgänger des Heiligen. Er steckte hütend und wehrend den Raum des Sakralen denkerisch ab. Doch seine phänomenologische »Rigorosität«, so Remete, verunmöglichte ihm einen »leap of faith«. Heidegger sei endlich an Jesus Christus, dem »alleinigen Dasein«, »vorbeigezogen«.
Sein Glauben sei eine »unmögliche Mischung von Heidentum und Christentum« gewesen, doch seine gelebte »lebenslange Frömmigkeit« gegenüber den heiligen Dingen überzeugt Remete: Heidegger sei in seiner heroischen Gläubigkeit, seiner frommen Rebellion im »Schoß der christlichen Urkirche« geblieben.
Remete ist in seiner Quellenkenntnis beeindruckend, in seinem Feuer mitreißend, in seiner Empathie berührend und in seinen Thesen herausfordernd. Schützenhilfe bekommt er von keinem Geringeren als Friedrich-Wilhelm von Herrmann. Dieser meinte unlängst in einem Interview mit Alexander Dugin, daß er Heideggers gesamte Philosophie mit einem christlichen Glauben für vereinbar hält. Mehr noch – von Herrmann wird zum Kronzeugen von Remetes These: Heidegger habe explizit im »ostkirchlichen Gottesverständnis« eine Möglichkeit zur Erneuerung des ausgetrockneten, westlichen Glaubens gesehen.
Bernard Willms: Heidegger und der Antifaschismus, hrsg. von Till Kinzel, Wien: Karolinger 2015. 135 S., 19.90 € – hier bestellen!
George Remete: Martin Heidegger zwischen Phänomenologie und Theologie, Wachtendonk: Hagia Sophia. 198 S., 18.90 € – hier bestellen!