Sie (die Kleinste, Gewitzteste und definitiv Verwöhnteste) steht bockig in ihrem Blaumann im Garten, während die Geschwister Laubhaufen zusammenrechen, beim Umgraben helfen, Ställe säubern oder die restlichen Äpfel und Birnen aufzusammeln haben.
Streng: „Hör zu, meine Liebe. Rummaulen und anderen Leuten auf die Nerven gehen, das gibt´s nicht bei uns. Entweder du gehst dort hinten Birnen sammeln, oder du räumst die Sachen aus dem Sandkasten, verstanden?“
Die Kleine will trotzig die Hände in die Taschen stecken. Blaumann hat aber keine Taschen, also steckt sie die Fingerchen zwischen die Druckknöpfe des Anzugs, leicht napoleonesk. „ Nee, mach ich aber nicht. Was ich mach, ist auch ein Beispiel für: wenn es auch alle tun: ich nicht.“
26. November
Aha, drei Affen sind also aktuell. Auf Pullovern, als Kettchen und so weiter.
Wir alle kennen die drei symbolischen Affen: Der eine will nichts hören (hält sich die Ohren zu), der andere nichts sehen (Augen zugehalten), der dritte nicht den Mund auftun. Die drei Affen stehen nach gewöhnlicher Lesart für eine Klientel, die alle Sinne „auf Durchzug“ gestellt hat: für Ignoranten. Belehrungen zu Konfuzius wären hier unnötig: kenn ich, weiß ich.
Es sind aber (meiner stets vergröbernden & pauschalen Einschätzung nach) nicht grad Konfuzianerinnen, die zur Zeit mit den Affen gehen. Wieso ist dieses Drei-Affen-Symbol grad en vogue? Vielleicht gibt´s ja irgendeine Serie/ein Model/einen Popstar, die/der die Affen populär gemacht hat? Ich frag die Kinder. Die wissen´s nicht.
Ich: „Dann werd ich wohl mal die nächste Affenträgerin ansprechen.“ Die Kinder verdrehen die Augen. Ihnen ist meine freundliche Fragerei an Unbekannte manchmal peinlich. Ich frage aber gern und aus echtem Interesse. Wofür die Totenköpfe auf dem Schal stehen, wofür die breite Hemd-Aufschrift Camp David im Allgemeinen, das Heritage Island Escape auf der Brust im Besonderen, etc.
Im Falle der Affen treffe ich auf eine kluge Frau. Sie sagt, die Affen bedeuten für sie, daß sie sich von Geschwätz und anderen negativen Dingen enthalten will. (Ich: „Also wirklich – Konfuzius!“ Sie: „Klar, die Inder wußten Bescheid!“ )
Ich präsentiere die schlaue Antwort den Kindern. Notorisches Augenrollen. Tochter: „Klar, und wenn Dir einer mit Hose auf Halbmast erklärt, diese Tragart diene der hygienischen Durchlüftung der Untergürtelzone, dann hältst du das auch für eine rationale Begründung! Daß die Leute immer Gründe haben – das glaubst auch nur du!“
27.11. 2015
Die studienbedingt ausgezogene Tochter: „Seit wir nicht mehr gemeinsam essen, merk ich, daß ich gar nichts mehr mitkrieg.“ Radio & TV mag sie nicht. Nun probiert sie Zeitungen aus. Die Süddeutsche zur Probe ist grad durch. Sie fragt sich ernsthaft, „was das mit einem Hirn macht, das täglich das SZ-Feuilleton konsumiert!“
SZ-Schreiber Brembeck („eigentlich weiß ich mittlerweile schon vor der Lektüre, daß es Kappes ist“) habe heute auf fast einer ganzen Seite argumentativ begründet, inwiefern Beethovens Eroica und Schubert Streichquintett gleichsam als Vorläufer der Neuen (multikulturellen) Weltordnung gehört werden müßten.
Anhand dieser Stücke, so Brembeck, lasse
„sich nachweisen, wie dort die Kategorien des Anderen und des Unvereinbaren, die derzeit auch die Diskurse über die Flüchtlinge und den IS-Terror bestimmen, die Voraussetzung sind, um neue und großartige Kunstwerke zu schaffen. Deren formale Stimmigkeit wird durch diese ihr widerstreitende Elemente nicht gefährdet, sondern ermöglicht – und stellt so alles Vorausgehende in den Schatten.“
Brembeck (Tochter: „Ich gehe mittlerweile davon aus, daß sie gerade im Feuilleton nicht unterhalb eines gewissen Promillegrades schreiben“) untersucht Themenwechsel und die Verwendung sich abstoßender Tonarten und findet (zu Recht), daß dennoch alles ganz wunderbar harmonisiere.
Sein Schluß daraus:
„Niemand, der das Fremde, Neue und Unvereinbare ausgrenzen will, kann sich auf Beethoven und Schubert berufen. (…) Mögen zwei Menschen auch noch so verschieden sein, in der DNA ist der Unterschied zwischen ihnen so gut wie irrelevant.“
Innerhalb dieser Argumentationslinie wäre der gute alte Bach der Bachmann unserer Tage, oder wie?
30. 11. 2015
Turbulenz am Küchentisch: Die Kinder, allgemein & seit je weitgereist und mittlerweile teils an unterschiedlichen Flecken dieses schönen Landes wohnhaft, ahmen aus eigenem Erleben & Hörverstehen nach , wie 1. ein Sachse, 2. ein Anhalter, 3. ein Hesse, 4. ein Thüringer, 5. einer aus Vorpommern, 6. einer aus Bayern, 7. ein Schwabe a) auf dem Bürgeramt, b) im Zeitschriftenhandel c) als Sprechstundenkraft spricht und agiert.
Filmreif! Und wahr! Diese Herzlichkeit! Diese Geschwätzigkeit! Diese Borniertheit! Dieser Pragmatismus! Was für eine Vielfalt!
Kleiner Streit darüber, ob Thüringen/Land und Thüringen/Stadt sich nennenswert trennen lassen oder inwiefern Frustration (Anhalt) und Derbheit (Meckpomm) klar unterscheidbar sind. Und ob jemand, der die Franken kennt, notwendig eine Ahnung von den Baiern hat.
Fazit: „Deutschland ist so was von bunt!“ – „Extrem bunt!“- „Langt jedenfalls!“- „Dicke!“
Ein Fremder aus Elea
Man darf wohl voraussetzen, daß Beethoven eine genaue Vorstellung davon hatte, welche Gegensätze er zu welchem Zweck vereinigen wollte.
In jeder Schulklasse gibt es wohl einen Schüler oder eine Schülerin, bei dem oder der der Sinn für Humor etwas verschroben ist, so daß man betreten fliehen möchte, wenn er oder sie den Mund aufmacht, aber daß all diese schließlich Kommentatoren bei Zeitungen und Rundfunk geworden sind - befremdlich.
Oder ist es eine Mode?
Dagegen spricht das Selbstwertgefühl dessen, wer Geschmack und Urteilskraft hat.