aus dem gesamten deutschsprachigen Raum nicht von der Anreise ab. Am frühen Freitagnachmittag eröffnete Dr. Erik Lehnert die 16. Winterakademie des Instituts für Staatspolitik, diesmal zum Thema “Widerstand” – ein großes Wort, das verschiedenste Assoziationen hervorruft. Grundlegend für eine widerständige Haltung sei aber immer das Verhältnis des je Einzelnen zu Gesellschaft und Gemeinwohl.
Auch stelle sich die Frage, unter welchen Bedingungen Widerstand legitim und ob bei zu großer Verhaltenheit infolge fehlenden Leidensdrucks der »Rückzug in die Nische« eine Alternative sei. Ein beispielhafter literarischer Versuch über den Zwiespalt des Widerständlers liege mit Kleists Michael Kohlhaas vor; die Widerstandsfrage sei jedoch auch Thema in verschiedensten konservativ-revolutionären Auseinandersetzungen, so zwischen Carl Schmitt und Ernst Jünger. Die zentralen Faktoren, die es bei jeder Gegenbewegung zu bedenken gebe, seien stets die gleichen: Maßstab, Zeitpunkt, Form, Ziel und mögliche Konsequenzen.
Diese Konstanten bestimmten auch die künstlerische Verarbeitung des Widerstandssujets, womit zu Dr. Michael Rieger übergeleitet werden konnte. Rieger sprach über »Literatur als Widerstandsakt – III. Reich, DDR, BRD« und schlug einen weiten Bogen vom Eingeständnis der politischen Wirkmacht – also potentiellen Gefährlichkeit – von Literatur, das die “Aktion wider den undeutschen Geist” ab April 1933 darstellte, über einschlägige Schriftsteller der Inneren Emigration (Ernst Wiechert, Reinhold Schneider, Jochen Klepper) und ihre kunstvolle Kritik bis hin zum Nachkrieg, seit dem für die DDR Uwe Johnson und Heiner Müller sowie für die BRD Botho Strauß, Peter Handke und Martin Mosebach Beispiele einer schriftstellerischen Verweigerungshaltung gegenüber den Zumutungen der Zeit abgaben.
Eben dieser Zumutungen bildeten den wesentlichen Betrachtungspunkt der anschließenden politischen Lageanalyse Götz Kubitscheks. Kann die Lage im Januar 2016 – unter dem Vorbehalt eines nicht verhandelbaren »Erhalts der ethnokulturellen Identität« des deutschen Volks – planbar sein? Zwei exemplarische Zeitungsartikel der vergangenen Woche, Karlheinz Weißmanns »So günstig wie nie« und »Die wehrhafte Wut des Winkelzahnmolchs« aus der FAS (über den AfD-Parteiphilosophen Marc Jongen), dienten dem Geschäftsführer des Verlags Antaios als Wegweise hin in eine Analyse der allgemeinen gesellschaftlichen Verschärfung.
Nun werde sich abzeichnen, ob das wahrnehmbare Brodeln jenseits der Parteiarithmetik und des »Machterhaltungstriebs der Altparteien« Ausdruck eines »notwendigen Zorns«, einer Thymosspannung, sei oder doch nur einer »amorphen Tendenz« der Bürger entspreche, mit den tagespolitischen Reizen hierhin und dorthin zu treiben. In jedem Fall aber sei nun eine Dynamik in Gang gesetzt, und deren Schwung müßten wir Dissidenten mitnehmen: »Ausweitung der Kampfzone, Erhöhung der Spannung, Vertiefung des Risses« seien nun die dringlichen Aufgaben; rückgebunden, ohne Distanzierungen und ohne Versöhnung mit den Chaos-Verantwortlichen.
Am Samstagmorgen setzte um 09:00 Uhr Dr. Dr. Thor v. Waldstein die Vortragsreihe fort. Seine Ausführungen Widerstandsrecht umfaßten eine eingehende rechtstheoretische Heranführung an das Thema, konkrete Fallbeispiele für die mögliche Geltung des grundgesetzlich verankerten Widerstandsrechts sowie einen flammenden Schlußappell, der – abzulesen am Beifall – seine Mobilisierungswirkung voll entfaltete und eine rege Diskussion nach sich zog. Die juristische Analyse v. Waldsteins wird alsbald als Teil der »Wissenschaftlichen Reihe« des IfS veröffentlicht werden: »Wir Deutsche sind das Volk«. Zum politischen Widerstandsrecht der Deutschen nach Art. 20 IV Grundgesetz in der »Flüchtlingskrise«.
Lange her.
In der Folge berichtete Rolf Stolz, Mitbegründer der GRÜNEN und seinerzeit Angehöriger des auf dem Weg an die Schalthebel letztlich ausgebooteten nationalneutralistischen Lagers, von seinen persönlichen Erfahrungen – einerseits als Mitglied einer sich betont “widerständig” gerierenden Partei, andererseits mit dem »Widerstand gegen den Widerstand« innerhalb derselben, im Spannungsfeld zwischen einander spinnefeind gegenüberstehenden Interessengruppen und ideologischen Fronten. Der promovierte Psychologe Stolz lieferte dabei zusätzlich eine interessante Typologie der verschiedenen Widerständlerpersönlichkeiten, an der auch mit einem zeitlichen Abstand von rund 30 Jahren kaum zu rütteln war.
Nach Mittagessen und Sportsegment war Martin Sellner, Obmann der Identitären Bewegung in Wien, an der Reihe. Sellner befaßte sich in einer vorbereitenden, theoretischen Erläuterung mit den Lehren aus Hannah Arendts Macht und Gewalt sowie insbesondere Malcolm Gladwells The Tipping Point. Für die Identitären wie für alle Kräfte eines neuen nationalen Aufbruchs der europäischen Staaten bedürfe es daher letztlich einer gelungenen Fusion von »patriotischer Erneuerung« und »patriotischer Eroberung« – Renaissance und Reconquista. Insbesondere die politische Vita Viktor Orbáns sei beispielhaft für eine sinnvolle Verknüpfung von realpolitischem Gestaltungswillen und nationalem Mythos. Den Samstagabend beschloß dann die ausführliche Beschäftigung der Runde mit dem antikommunistischen Widerstand rumänischer Partisanen.
Unter kundiger Anleitung eines Marketingfachmanns wurde am Sonntagmorgen die Frage erörtert, wie eine Prägung von Marken (im Sinne von eingängigen Bildern, Mems, kurz: eine “Kommunikationsergreifungsstrategie”) durch die Rechte aussehen und vor allem funktionieren könne. Die neuen Medien und der aktuelle Stand der Kommunikationswissenschaft eröffneten hierzu eine Unzahl möglicher Verfahrenswege, auch wenn letztlich die Bewußtmachung des Kommunikationsquadrats Friedemann Schulz von Thuns und des Watzlawick’schen Postulats »Man kann nicht nicht kommunizieren« am Anfang aller Pläne stehen müsse.
Den Abschluß bildete ein weiterer Bericht aus der Praxis: Dr. Hans-Thomas Tillschneider berichtete von der alltäglichen »Parteipolitik als Widerstandsakt« und insbesondere von den derzeit hervorragenden Möglichkeiten des Wirkens der AfD. Die Entwicklungen seit dem Essener Parteitag und dem Sturz Bernd Luckes, daß die AfD die gegenwärtige Sammlungsbewegung für alle an einem gründlichen Schwenk in der Politik der Bundesrepublik Interessierten sei. Und gerade im Hinblick auf die auch in diesem Netztagebuch gepflegte Analysenkultur bracht Tillschneider geradezu eine Lanze für die Parteiarbeit: Es handele sich bei der weiteren Entwicklung um eine, die man nicht aus der Distanz vorhersagen könne, sondern »handelnd entscheiden« müsse – wer gestaltend tätig werden wolle, müsse sich eben regen, und für ihn persönlich – so Tillschneider – sei der Eintritt in die AfD ein unverzichtbarer Schritt auf diesem Weg gewesen.
Das handelnde Entscheiden und entschiedene Handeln war denn auch die Quintessenz des gesamten Wochenendes, für jeden an seinem Platze; denn, um mit Martin Sellner zu sprechen: »Jetzt gilt’s!« Und hinsichtlich des entschiedenen Handelns zur Teilnahme an den Staatspolitischen Akademien des IfS spricht es für sich, daß abermals rund ein Drittel der jungen Zuhörer zum ersten Mal dabei war. Es geht voran!
Thomas Friedrich aka Friedfertig
Vielen Dank für den ersten Bericht über die Themen der Veranstaltung.
Man wird sicherlich auch aus der Ferne noch inhaltlich über all das näher diskutieren können.
Vorab möchte ich kurz einen Aspekt ansprechen, der einigen möglicherweise nebensächlich oder gar abseitig erscheinen könnte:
"Unter kundiger Anleitung eines Marketingfachmanns wurde am Sonntagmorgen die Frage erörtert, wie eine Prägung von Marken (im Sinne von eingängigen Bildern, Mems, kurz: eine „Kommunikationsergreifungsstrategie“) durch die Rechte aussehen und vor allem funktionieren könne."
Das ist m.E. ein extrem wichtiger Aspekt. Hier besteht für uns noch erheblicher Nachholbedarf.
Anders ausgedrückt: es besteht noch Raum für Optimierung ...
Gut, dass bei der Akademie auch dieses Thema auf die Tagesordnung genommen wurde.
Botschaft, Marke, Bilder:
Absolut notwendig für jedes erfolgreiche Agieren.
Konkret (im Kleinen gesagt):
Wenn ein Motiv, ein Bild erst einmal von einer Botschaft erfüllt ist, fällt
1. deren Verbreitung wesentlich leichter, und
2. spricht es auch andere Sinne an, wodurch die Verankerung der Botschaft im Bewusstsein des (potentiellen) Empfänger besser gelingt, was
3. die weitere Verbreitung weiter erleichtert und beflügelt (es erleichtert das "Jeder kann etwas tun", und wenn es nur Aufkleber wären).
Massen erreicht man durch Bilder.