Nun, es gab in Schnellroda keine Sitzblockade-Übungen; die bleiben weiterhin dem einen oder anderen AStA überlassen. Tiefergehende Überlegungen zu Sinn und Form des Widerstands versammelt nun die 70. Sezession im entsprechenden Themenheft. Mag das Titelbild auch einige Irritation auslösen – diese Dame muß wohl nicht von sich aus »eine Armlänge Abstand« zu irgendwem einhalten…
+ Während sich Götz Kubitschek in seinem Geleitwort mit dem Widerstand auf der Mikroebene – und der wohl allen vertrauten Beißhemmung gegenüber unverschämten Zeitgenossen – auseinandersetzt,
+ betrachtet Felix Menzel in der Folge die immer brüchiger werdenden, »hypermoralischen« Einhegungen des Widerstandspotentials im Volk angesichts des Flüchtlingsansturms.
+ Ein dickes Brett bohrt Martin Lichtmesz mit seinem Charakterporträt des traditionalistischen Erzbischofs Marcel Lefebvre (1905–1991), Gründer der Priesterbruderschaft St. Pius X. und fast 30 Jahre lang unbeugsamer Streiter wider die Verweltlichung und Liberalisierung der katholischen Kirche infolge des Zweiten Vatikanischen Konzils. Den besonderen Zwiespalt Lefebvres faßt Lichtmesz in eine Beschwörung: »Wie er müssen wir zu Desperados um des Gesetzes willen, zu Revolutionären um der Ordnung willen werden.«
+ Auf der Winterakademie gingen die Meinungen über angemessene Weisen des Widerstands (sofern man ihn denn überhaupt befürwortete) anfangs weit auseinander. Kubitscheks ursprünglich als Abschlußvortrag geplante, dann aber auf Freitagnachmittag vorgezogene Überlegungen zur thymotischen Qualität unserer Lage schafften frühe Klarheit: Der Widerstand ist eine Frage von Zorn und von Zeit; wo beides zusammenfällt und das menschliche Selbstachtungsbedürfnis berührt wird, ist – statt »neblig-distanzierender« Wochenkost – Großes zu erwarten.
+ Ebenso am thymós orientiert ist Michael Wiesbergs Meditation über die »“Feldkräfte” des Widerstands«. Ausgehend vom antikommunistischen Freiheitskampf der baltischen “Waldbrüder” und rumänischen “Partizanii” (vgl. die intensive Beschäftigung mit Ion Gavrilă Ogoranu in Tristesse Droite) vollzieht der Autor einen Sprung zurück zum caudillo Francisco Franco und schließlich wieder weit vor zur PEGIDA-Bewegung (!) – und deren Mangel an Identifikationsfiguren.
+ Martin Sellners Akademievortrag »Polarisierung und Wende« befaßte sich mit der Strahlkraft der aktuellen nationalpolitischen Entwicklungen in Ungarn. Eingehend betrachtet, liefert das dortige strategische Vorgehen von Fidesz und assoziierten Gruppen von 2002–2010 eine Art Blaupause des erfolgreichen Vorgehens gegen eine Regierungsclique, die den galoppierenden Ausverkauf des eigenen Landes betreibt – in seinem Beitrag nennt Sellner es Viktor Orbáns »konservative Revolution«.
+ Der rheinische Historiker Arne Freiwald widmet sich gleich zweierlei Widerstand: Wer in den jetzigen Zeiten der Flüchtlingsflut und des Silvesterfanals von Köln etc. der Meinung ist, die nun angestimmten Töne in Politik, Medien und auf der Straße seien ein immenser Schwenk, der wird angesichts der 1970er Parolen des deutschen Maoismus (!) wohl in Ohnmacht fallen. Kleinstparteien wie KPD/AO und KPD/ML verfochten damals einen höchst radikal antiimperialistischen, neutralistischen und einheitsorientierten Kurs: Befreiungsnationalismus in Reinkultur.
+ Im Anschluß geht es Freiwald dann um Ernst Niekischs Widerstand und insbesondere die Rolle des »wahren Waldschrats« (Friedrich Hielscher) A. Paul Webers. Kombiniert mit einer Auswahl der bekannten Federzeichnungen des Künstlers im Bildteil ergibt sich eine Facette kreativ-ästhetischer Widerständigkeit im Angesicht überwältigender Drangsal.
+ Die juristischen Aspekte der Widerstandsthematik beleuchten Dr. Dr. Thor v. Waldstein und Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider: Während ersterer soeben eine Analyse Zum politischen Widerstandsrecht der Deutschen nach Art. 20 IV Grundgesetz vorgelegt hat und deren Schlußfolgerungen in zehn Thesen zusammenfaßt, ist zweiterer just durch seine Verfassungsbeschwerde gegen die Einwanderungspolitik der Bundesregierung hervorgetreten, deren Volltext sich im Heft findet.
+ Unter dem Eindruck der Anschläge in Paris vom 13. November 2015 hat Alain de Benoist dem Netzportal Boulevard Voltaire zwei Interviews zur politischen Lage in Frankreich und Europa gegeben, deren Quintessenz Martin Lichtmesz unter dem Titel »Der Frieden ist eine fragile Sache…« zusammenfaßt.
+ Benedikt Kaiser hat den neoleninistischen, medial derzeit sehr gefragten Philosophen Slavoj Žižek von rechts gelesen und dessen interessanteste Gedanken zur Unterfütterung einer konservativen Kulturkritik aufbereitet.
+ Mit der »erweiterten, berichtigten und kommentierten« zweiten Auflage von 2015 liegt Carl Schmitts berühmtes Glossarium endlich in vollständiger Form vor. Dr. Erik Lehnert hat das Werk aus diesem Anlaß auf’s Neue zur Hand genommen und auf die Widerständigkeit des Staatsrechtlers hin durchgemustert; wenig scheint dafür ertragreicher als das Denktagebuch Schmitts aus den Jahren 1947–1958, in denen der Alte von Plettenberg, just aus amerikanischer Haft entlassen, »in der Sicherheit des Schweigens« Unmengen an geistigem Sprengstoff aufhäufte.
+ Der Literaturwissenschaftler Dr. Michael Rieger sorgte mit seinem Vortrag über den literarischen Widerstand der vergangenen 80 Jahre in Deutschland für eine rege Diskussion – vor allem zur Frage, ob im erweiterten Westdeutschland nach 1989 noch wirklich widerständige Schriftsteller vorhanden oder überhaupt denkbar (gewesen) seien. Von Reinhold Schneider über Uwe Johnson bis hin zu Botho Strauß spannt Rieger im 12. Teil der Reihe »Vor dem Bücherschrank« den Horizont eines Nicht-Abfindens mit den jeweils aktuellen “Sachzwängen” auf.
+ Die Rezensionen umfassen unter anderem Angela Rohrs Lebensroman Lager, Andreas Lombard, den Versuch einer Ehrenrettung Houston Stewart Chamberlains, Neuerscheinungen zum Werk Carl Schmitts, Herfried Münklers Kriegssplitter, die Beitragssammlung einer Dresdner Tagung zum Thema »Linker Kitsch« sowie die neuen kaplaken-Bände Gelassen in den Widerstand und Metapolitik.
Abonnenten sollten das Heft spätestens heute oder morgen erhalten; Einzelbestellungen und die Einsicht in das Inhaltsverzeichnis sind hier möglich. Ein Jahresabonnement kostet innerhalb Deutschlands und Österreichs 50 Euro, ermäßigt für Nichtverdiener 35 Euro (jeweils inkl. Porto); drei ältere Hefte gibt es zudem als Prämie.
Schopi
die konservative Revolution sieht dann so aus.
https://www.pesterlloyd.net/html/1505halbierungsozialhilfe.html
alles auch immer eine Frage des Blickwinkels.