Die Grünen – die zersetzende Kraft der Emanzipation

PDF der Druckfassung aus Sezession 56 / Oktober 2013

vom Institut für Staatspolitik

Die Partei Bündnis 90 / Die Grünen gehört zu den Verlierern vom 22. September 2013.

Sie konn­ten weni­ger Stim­men auf sich ver­ei­nen als bei der letz­ten Bun­des­tags­wahl 2009 und für ihre bevor­zug­te Koali­ti­on mit der SPD gibt es kei­ne Chan­ce. Wenn man den Blick jedoch von den Zah­len abwen­det und zu den The­men und Wahl­pro­gram­men schaut, sind die Grü­nen wei­ter­hin auf der Siegerstraße.

Die The­men, mit denen sie vor bald 35 Jah­ren ange­tre­ten sind, um die Bun­des­re­pu­blik zu ver­än­dern, sind mitt­ler­wei­le im Main­stream ange­kom­men und größ­ten­teils in Geset­zen fixiert wor­den. Das gilt nicht nur für die Öko­lo­gie, mit der die Grü­nen bis heu­te in Ver­bin­dung gebracht wer­den, son­dern vor allem auch für The­men wie »Gen­der Main­strea­ming«, Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus, Homo­ehe und Pazi­fis­mus – eine Agen­da, die nicht zuletzt von CDU-geführ­ten Regie­run­gen durch­ge­setzt wurde.

Die­se CDU konn­te einen über­wäl­ti­gen­den Wahl­er­folg fei­ern und hat, da die FDP den Wie­der­ein­zug in den Bun­des­tag ver­fehl­te, nur zwei Optio­nen: Die Gro­ße Koali­ti­on mit der SPD oder die klei­ne Lösung mit den Grü­nen. Wer sich noch an den CDU-Wahl­kampf­don­ner gegen die Grü­nen erin­nert, wird letz­te­re Opti­on für unwahr­schein­lich hal­ten. Aller­dings wird dabei über­se­hen, daß bei der CDU kei­ne grund­sätz­li­chen Vor­be­hal­te gegen die Grü­nen mehr existieren.

Schwarz-grü­ne Koali­tio­nen hat es auf Län­der­ebe­ne bereits gege­ben und bun­des­po­li­tisch wur­de eine sol­che bereits am Tag nach der Wahl gefor­dert. Die CDU-Vize­vor­sit­zen­de Julia Klöck­ner sah nur in den grü­nen Steu­er­erhö­hungs­plä­nen ein Pro­blem. Selbst ein The­ma wie die Ver­stri­ckun­gen der Grü­nen in Bestre­bun­gen, Sex mit Kin­dern und Jugend­li­chen zu lega­li­sie­ren, führt also nicht dazu, daß eine Koali­ti­on mit den Grü­nen aus­ge­schlos­sen wer­den würde.

Im Wahl­kampf wird natür­lich wei­ter­hin behaup­tet, daß die Unter­schie­de zu den Grü­nen groß sei­en. Bei gewis­sen, nicht mehr­heits­fä­hi­gen The­men, wie dem ver­un­glück­ten Ver­such, in öffent­li­chen Kan­ti­nen einen »Veggie-Day« ein­zu­füh­ren, mag das so sein. Jedoch han­delt es sich hier­bei um Ober­flä­chen­phä­no­me­ne, die über die wirk­lich vor­han­de­nen Gemein­sam­kei­ten nur hin­weg­täu­schen. Denn mitt­ler­wei­le betrei­ben auch die soge­nann­ten Volks­par­tei­en das Geschäft der Zer­set­zung durch die grü­ne Emanzipationsideologie.

Die ideo­lo­gi­sche Hege­mo­nie der Grü­nen wäre weni­ger schlimm, wenn es bei ihnen um das gin­ge, was man mit grün gemein­hin asso­zi­iert: Natur­schutz, Hei­mat­schutz, eine res­sour­cen­ori­en­tier­te Wirt­schaft und einen skep­ti­schen Blick auf den Men­schen. Doch dar­um ging es von Beginn an nur einer Min­der­heit der Grü­nen. Der Rest war vor allem dar­an inter­es­siert, die Mar­ke »Grün« als Man­tel für alle mög­li­chen Eman­zi­pa­ti­ons­be­stre­bun­gen zu nutzen.

Die Stra­te­gie der Melo­nen­par­tei, innen rot, außen grün, stand von Beginn an sym­pto­ma­tisch für die­ses Bestre­ben. Ob es dar­um geht, Min­der­hei­ten auf Kos­ten der Mehr­heit zu päp­peln, das Geschlecht abzu­schaf­fen oder die Kin­der von ihren Eltern zu tren­nen – all das geschieht unter dem Ban­ner der Eman­zi­pa­ti­on, der Befrei­ung des Men­schen von sei­nen natür­li­chen Lebenszusammenhängen.

Des­halb kön­nen die Grü­nen in ihrem aktu­el­len Wahl­pro­gramm auch behaup­ten: »Wir kämpf­ten an der Sei­te von Les­ben, Schwu­len, trans- und inter­se­xu­el­len Men­schen, als die­se sozi­al viel­fach geäch­tet wur­den. Wir waren in Ost und West Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rer und Frie­dens­be­weg­te, als Kal­ter Krieg und ato­ma­res Wett­rüs­ten als poli­ti­sche Not­wen­dig­keit gal­ten. Wir zeig­ten bereits Ver­ant­wor­tung für die Eine Welt, als der Main­stream noch zwi­schen drei Wel­ten unter­schied und nur das natio­na­le Wohl zählte.«

Im Vor­feld der Bun­des­tags­wahl sind die Grü­nen zwar von libe­ra­ler und kon­ser­va­ti­ver Sei­te nicht sel­ten als Ver­bots­par­tei geschmäht wor­den. Es gab in der Tat eine lan­ge Lis­te kru­der Ver­bots­for­de­run­gen, die sich bei nähe­rem Hin­se­hen aller­dings oft­mals als Mei­nungs­äu­ße­run­gen ein­zel­ner Par­tei­mit­glie­der oder Man­dats­trä­ger her­aus­stell­ten. Das Pro­blem bei der pau­scha­len Stig­ma­ti­sie­rung der Grü­nen als Ver­bots­par­tei ist nicht das Ver­bot an sich, son­dern das, was kon­kret ver­bo­ten wer­den soll. Ver­bo­te sind sinn­voll und not­wen­dig, wenn sie ein höhe­res Rechts­gut schüt­zen, bei­spiels­wei­se das Ver­bot von Expe­ri­men­ten am Menschen.

Die Grü­nen haben in der Zeit ihrer gemein­sa­men Regie­rung mit der SPD für eini­ge Ver­bo­te gesorgt, die sinn­voll waren, wie bei­spiels­wei­se das Ver­bot der Käfig­hal­tung. Das Dosen­pfand, das für ein Qua­si­ve­r­bot von Geträn­ke­do­sen sor­gen soll­te, hat sich als kon­tra­pro­duk­tiv her­aus­ge­stellt, da das eigent­li­che Ziel, die Mehr­weg­quo­te zu erhö­hen, nicht erreicht wer­den konn­te. Über die Schmä­hung der Grü­nen als Ver­bots­par­tei darf zudem nicht ver­ges­sen wer­den, daß die CDU-geführ­ten Regie­run­gen nach 2005 naht­los an die Ver­bots­pra­xis ange­knüpft haben und auch hier die Ver­bo­te vor allem mit (umstrit­te­nen) Kli­ma­schutz­zie­len begrün­det werden.

In ihrem aktu­el­len Wahl­pro­gramm sind die Grü­nen mit der For­de­rung nach kon­kre­ten Ver­bo­ten recht spar­sam, auch wenn eine Rei­he von Ver­bo­ten gefor­dert wird. Die­se betref­fen u. a.: groß­ka­li­bri­ge Waf­fen, Pro­vi­sio­nen bei Finanz­ver­trä­gen, Ver­su­che an nicht­mensch­li­chen Pri­ma­ten, Wild­tier­bör­sen, Nacht­flü­ge an Ver­kehrs­flug­plät­zen, die NPD, »Eth­nic Pro­fil­ing« und voll­stän­dig auto­no­me Waf­fen (u. a. Kampf­droh­nen). Wie unschwer zu erken­nen ist, han­delt es sich um eine Lis­te, die kei­ne kla­re welt­an­schau­li­che Prä­fe­renz erken­nen läßt, ins­be­son­de­re weil vie­le For­de­run­gen auch schon von ande­ren Par­tei­en erho­ben wurden.

Viel wich­ti­ger jedoch als die­se expli­zi­ten For­de­run­gen sind die Kon­se­quen­zen, die sich aus der grü­nen Grund­hal­tung erge­ben. Abschlie­ßend und resü­mie­rend heißt es im Wahl­pro­gramm: »Ener­gie­wen­de und Öko­lo­gie, Gerech­tig­keit und eine moder­ne Gesell­schaft – das sind für uns die zen­tra­len Ori­en­tie­run­gen. Sie geben grü­ner Poli­tik die Rich­tung vor und unse­ren Vor­schlä­gen Pro­fil.« Was bedeu­tet das?

Ins­be­son­de­re das Wort »Gerech­tig­keit« soll­te stut­zig machen, auch weil das Wort »Eman­zi­pa­ti­on« im Wahl­pro­gramm nur noch als Adjek­tiv vor­kommt, wenn es bei­spiels­wei­se um »eman­zi­pa­ti­ve Sozi­al­po­li­tik« geht. Statt­des­sen ist viel von Gerech­tig­keit die Rede. Wer jetzt jedoch auf den Gedan­ken kommt, daß die Grü­nen sich von der Gleich­heits­lü­ge ver­ab­schie­det haben und für eine Ungleich­be­hand­lung von Unglei­chem plä­die­ren, sieht sich getäuscht. Viel­mehr geht es ihnen um eine sub­ti­le Umwer­tung des Wor­tes Gerech­tig­keit. Bedeu­te­te Gerech­tig­keit klas­si­scher­wei­se »Jedem das Sei­ne«, wird dar­aus bei den Grü­nen ein »Jedem alles«.

Ganz ähn­lich sind die Grü­nen zuvor bei dem Begriff der Eman­zi­pa­ti­on ver­fah­ren. Die­ser beschrieb ursprüng­lich den Akt des Selb­stän­dig­wer­dens und wur­de im Lau­fe der Geschich­te auf die Erlan­gung gesell­schaft­li­cher Frei­heits­räu­me aus­ge­wei­tet. 1968 erfolg­te der ent­schei­den­de Bruch: »Die Apo­lo­ge­ten der Kul­tur­re­vo­lu­ti­on von 1968 haben mit der Kan­ti­schen Meta­phy­sik auch die­ses Ver­ständ­nis der Frei­heit als Gehor­sam gegen­über dem Ver­nunft­ge­setz gestri­chen. In Anknüp­fung an den Eman­zi­pa­ti­ons­be­griff der mar­xis­ti­schen Tra­di­ti­on bedeu­te­te Frei­heit von nun an die voll­stän­di­ge Befrie­di­gung der natür­li­chen Bedürf­nis­se und die Besei­ti­gung sämt­li­cher For­men von Herr­schaft.« (Gün­ther Rohrmoser)

Im Zuge einer anthro­po­lo­gi­schen Revo­lu­ti­on soll­te dem Men­schen die unbe­schränk­te Ver­fü­gungs­ge­walt über sich selbst gege­ben wer­den, was die »Eman­zi­pa­ti­on von der Ethik« (z. B. die »Pädo­phi­lie-Debat­te«) ein­schließt. Daß die Eman­zi­pa­ti­ons­ideo­lo­gie auch in einem unauf­heb­ba­ren Wider­spruch zum öko­lo­gi­schen Gedan­ken steht, erschließt sich aus der Tat­sa­che, daß die Befrei­ung des Men­schen auf Kos­ten der natür­li­chen Lebens­zu­sam­men­hän­ge des Men­schen gehen muß. Wer sich auf die Fah­nen geschrie­ben hat, allen alle Bedürf­nis­se zu erfül­len, hat den Anspruch, grün zu sein, längst aufgegeben.

Das alles sind For­de­run­gen, die nicht mehr unge­wohnt klin­gen, weil sie letzt­lich als Merk­mal einer welt­of­fe­nen, mul­ti­kul­tu­rel­len Gesell­schaft gel­ten, die von allen im Bun­des­tag ver­tre­te­nen Par­tei­en ange­strebt wird. Daß sich unter dem Stich­wort »Eman­zi­pa­ti­on« noch ganz ande­re Zie­le ver­fol­gen las­sen, zeigt hin­ge­gen die Ver­gan­gen­heit der grü­nen Par­tei, in der man sich zeit­wei­se nicht zu scha­de war, für die Lega­li­sie­rung von Pädo­phi­lie und Päd­eras­tie einzutreten.

So laut im Bun­des­wahl­pro­gramm die lücken­lo­se Auf­klä­rung der Umstän­de gefor­dert wird, unter denen die NSU-Mor­de mög­lich waren, so still­schwei­gend drückt man sich um die eige­ne Ver­gan­gen­heits­be­wäl­ti­gung in Sachen Eman­zi­pa­ti­on als Umstand, unter dem sol­che Extrem­for­de­run­gen ver­tret­bar schienen.

Die Grü­nen haben Gesell­schaft und Staat nicht mit der Brech­stan­ge ver­än­dert, son­dern fle­xi­bel auf die jewei­li­ge Lage reagiert. Das war 1999 bei ihrer Zustim­mung zur deut­schen Betei­li­gung am Koso­vo­krieg der Fall und das wird in Zukunft nicht anders sein, wenn die CDU eine ernst­haf­te Macht­per­spek­ti­ve anzu­bie­ten hat.

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