den Erdrutsch in Sachsen-Anhalt. 15 Direktmandate, der ganze Süden unseres Bundeslandes ist gekippt. Inmitten aller Begeisterung ist nun an uns, von vornherein davor zu warnen, diesen Erfolg mit einer grundsätzlichen Wende zu verwechseln:
Jede Partei – egal welcher Färbung – ist ein Biotop, in dem bestimmte Typen gedeihen: brave Soldaten mit Aussicht auf einen guten Posten, naive, parteibegeisterte Verschiebemasse und dann vor allem die Kenner der Macht – ausgesprochen talentiert darin, Mehrheiten zu organisieren, Konkurrenten einzufangen oder wegzubeißen, Strukturen um sich herum aufzubauen und nie zu stürzen.
Der Soziologe Robert Michels sah deshalb zurecht in jeder Partei das “eherne Gesetz der Oligarchie” wirksam werden, also die zwingende Verschiebung des Antriebs führender Personen weg vom eigentlichen, inhaltlichen Ziel hin zu einer Absicherung der eigenen Führungsposition.
Wir müssen uns ungemütliche Fragen stellen: Wie lange liegt die AfD – begriffen als gewichtiger Stein im Fundament eines möglichen Widerstands- und Wende-Gebäudes – noch in unserem Baukasten? Wie lange bleibt sie Teil einer auf vielen Ebenen in Schwung kommenden Revolte in unserem Land? Wird sie vielleicht viel zu früh zu einem strukturell unglaublich potenten, aber eingebundenen Beschwichtiger des Widerstandsfurors, eine Bremserin im Sinne dieser gefledderten Republik?
Es sind in dieser Zeitschrift die möglichen Entwicklungen der AfD mit den Begriffen “Öffnung eines Resonanzraumes” und “Kantenschere des Establishments” bezeichnet worden, das ist über zwei Jahre her. Uns sollte klar sein, daß wohl beides eingetroffen ist oder noch bevorsteht:
Unser Resonanzraum hat sich fraglos erweitert, auch wir können die Gangbarmachung unserer Argumentationswege in ein bisher unerreichtes Milieu hinein betreiben. Wir sehen aber auch jetzt schon einer Entwicklung zu, die uns nicht gefallen kann: Der Korrumpierung einzelner AfD-Politiker (sehr rasch) und ganzer Partei-Strukturen (ziemlich bald) durch die Privilegien und Vorzüge eines Lebens hinter den Zäunen des Parlaments, und diese Korrumpierung wird dazu führen, daß den grundsätzlich gestimmten und auf die eigentlichen Ziele pochenden Nervensägen die “realpolitische Vernunft” abgesprochen werden wird, mithin die “Politikfähigkeit” und die “Einsicht” in die Kunst des Machbaren.
Wem am Kampf gegen die Oligarchisierung der AfD gelegen ist, sei hiermit gewarnt: Es kann nur um eine Verzögerung des Ablaufs dieser Gesetzmäßigkeit gehen, niemals um ihre grundsätzliche Aushebelung. Wieviel an Lebenszeit dafür eingesetzt werden sollte? Keine Ahnung, nur: Es ist Kärrnerarbeit in Niederungen und ein Flüssighalten des sowieso gefrierenden Wassers.
Es wird sich zeigen, ob diejenigen, die nun in Stuttgart, Mainz und Magdeburg ihren Stuhl freimachen müssen, ersetzt werden von solchen, die es tatsächlich besser meinen mit Volk und Land – und nicht nur mit sich selbst.
treu
Man sollte sich da nichts vormachen, der Korrumpierungsprozess kommt schneller als man glaubt und hat ja großteils schon begonnen. Wohl viele AfD-Mitglieder, insbesondere die Politikneulinge, konnten schon auf Kreisebene zügig und enttäuscht erkennen, daß insbesondere die Parteiwechsler, also ehemalige CDU-ler, FDP-ler, ganz routiniert und ungeniert die Posten und Pöstchen ergatterten und die Idealisten schnell das Nachsehen hatten. Nicht immer, aber zumeist. Das Machtgerangel geht also schon in den Kreisen ungemmt los und steigert sich dann in Aufstellungen für die Landeslisten. Von einigen eklatanten Fällen wie in M-V oder in S-H kann man leider auch schon in der Presse lesen, die meisten Fälle werden intern über den Buschfunk bekannt, auch über die Ländergrenzen hinaus. Die AfD bleibt von diesen typischen Auswüchsen leider nicht verschont. Die Frage ist daher also nicht wann sondern wie umfassend.