sieht sich heute abermals eines Besseren belehrt. Schwarzer beklagt den überheblichen Umgang mit der AfD und ihren Wählern:
Denn die AfD-Wählerinnen sind nicht die Anderen – es sind wir selber.
(…) Am Wahlabend fiel, auch bei den Differenzierteren, immer wieder ein Satz: „Jetzt müssen wir Demokraten zusammenrücken.“ Wer ist „wir“? Sind die etablierten Parteien die Demokraten und die AfD ist das nicht? Aber dann hätte sie gar nicht zur Wahl antreten dürfen, denn das können in Deutschland nur demokratische Parteien.
Und weiter: “Die Deutschen sollten endlich lernen, zwischen rechts und rechtsradikal zu unterscheiden.”
Endlich sagt´s mal eine!
Daneben darf ausgerechnet Barbara Vinken im Deutschlandradio ein Frauke-Petry- Pressebild „lesen“, ein seltsames Format für’s Radio, zumal der Zuhörer das interpretierte Bild ja gar nicht sehen kann. So stellt es sich dar: Die Berliner Zeitung hatte Petry auf dem Titel. Sie ist dort anscheinend übergroß auf dem Bildschirm zu sehen, über ihr ein güldener Glorienschein, entstanden durch Lichtreflexe. Vor ihr ein vergleichsweise kleiner Mann, gesichtslos, von hinten, Verkabelungen führen an sein Ohr: Der Interviewer als willfährige Marionette.
Hübsch zu hören, wie Barbara Vinken angesichts dessen ins Schwärmen gerät: über das „offene, sehr offene“ Gesicht der treffend als „garconnehaft“ bezeichneten Petry, über ihren eindringlichen Blick, ihre Energie: Sie, die Petry, gegen die Lügenmachenschaften der Medien! „Aug in Aug“ mit dem Marionettentyp, eindringlich, souverän.
Scheint, man könnte die AfD sehr gut zu einer Partei auch für Frauen ausbauen. Sollte man. Muß man.
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21. März 2016 – Unter der illusionslosen Überschrift „Keine Fragen, keine Interessen, keine Antworten“ beschreibt ein Schriftsteller in der ZEIT, wie er ein Semester lang vergeblich versucht hat, mit Studenten der Gesamthochschule Essen ins Gespräch zu kommen. Es ist das Protokoll einer „Bildungsnot“.
Und eine Fortsetzung: Bereits ein paar Ausgaben zuvor hatte ein Professor der Literaturwissenschaft an gleicher Stelle geklagt: „Sie schreiben falsches Deutsch, sie lesen keine Bücher: Studenten verlernen das Denken“. Unseren hochengagierten Schrifsteller nun ödet bereits der Weg zur Uni an, all diese in den verödeten Kaufschluchten herumhängenden Jugendlichen, die trübselige Architektur.
In seinem Seminar finden sich anfangs fünfzig Hörer ein, am Semesterende fünf oder sechs, die Veranstaltung lief nämlich außerhalb der Zertifkatbetriebs. Aber auch die verbleibenden „Germanistinnen und Germanisten“ hatten keinen Redebedarf; „alles, worüber ich sprach, schien unbekannt zu sein“, „freischweifendes Kombinieren und Assoziieren“: erst recht Fehlanzeige. Selbst der „übliche Linksüberholer“ verstummt bald träge.
Das, so die Folgerung des Schriftstellers, sei das Resultat eines „Schulsystems, in dem allein das Auswerten von Ergebnissen, aufgespalten in Bits und Terms, die strömungsgünstig und funktionstüchtig unserer Leitplankenkultur zum Gedeihen“ verhülfen.
Wie wahr, eine notwendige Klage! Und das – in der ZEIT? Ja, nämlich in der Ausgabe vom 4. April 1980. Ein Leser hat uns gerade ein mächtiges Konvolut an alten, sorgsam sortierten Zeitungsartikeln überlassen. Merke: Manche Zustände dauern schon länger an. Manche Medien haben sich ihnen angepaßt: strömungsgünstig und funktionstüchtig.
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22. März 2016 – Zweimal zum Lächeln, erstens: Im elektronischen Postfach zwei mails unbekannter Herkunft mit dem Betreff „Ihre Osterwerbung“. Gleich rattert‘s im Hirnkasten: Ah, kommen diese Leute jetzt drauf, daß wir uns im „Osten“ ein Rittergut gekauft haben? Olle Kamellen! Oder was ist das? Ich surfe gelegentlich auf „schlesischen Seiten“ – sorgt diese meine Aktivität nun algorithmisch dafür, daß „man“ denkt, ich hätte Interesse an einer Erwerbung im Osten? Klar ratterts nur kurz: Gemeint ist keine Ost-Erwerbung“, sondern die „Oster-Werbung“ des Verlags. (Hörte gelegentlich, der Bindestrich gelte als „undeutsch“…)Zweitens: Tochter lächelt mit gewisser Überlegenheit über einen Lehrer, der in letzter Zeit immer ein Luhmann-Bändchen bei sich trägt. (Wortlaut: „Der mit seinem kindischen Luhmann-Bändchen immer…“) Nun handelt es sich um einen Lehrer, über dessen Sprüche ich mir gelegentlich schon Gedanken gemacht habe. Welchen Luhmannband trägt der wohl bei sich? In den Gängen der Schule, in der Pause, oder was?
Staune noch mehr über die Überheblichkeit der Tochter. Wann habe ich Luhmann entdeckt? Mit 15 sicher nicht. Was weiß sie von Luhmann, was sind ihre („kindisch“) Argumente? Zwanzig Sekunden intensivsten Grübelns, dann die Auflösung: Der Mann trägt ein Loom-Armbändchen am Handgelenk, ein modischer Zuspätkommer…
Westpreuße
Frau Kositza,
ich verfolge mit Interesse und Vergnügen die "Querfront", die von Ihnen zu Frau Alice Schwarzer seit einiger Zeit angebändelt wird. Gibt es denn schon eine Rückmeldung...? Halten Sie uns auf dem Laufenden? Bitte, ja!
"Garconnehaft"; da mußte ich nachschauen!
Hat das etwas mit Stoffen, Kleidung, Brautkleidern, Schnittmustern...
zu tun? Bin etwas verunsichert...Klären Sie mich bitte auf, falls möglich! Danke!
Man soll ja bekanntlich anderen Menschen von Zeit zu Zeit Freude bereiten:Hier, für Sie und Frau Alice Schwarzer und wen es immer interessiert, das grüne Fräulein aus der Schweiz vielleicht auch noch,
ein ganzes Bündel von Lexika. Ein ganzer Schatz...!
https://www.deacademic.com/
Darf ich Ihnen das "Damen Conversations Lexikon", 10-bändige Ausgabe, Leipzig 1834 bis 1838, besonders ans Herz legen?
Aber, Vorsicht Vorsicht..., stammt alles aus Rußland. Bin ich drauf gekommen, als ich auf der Seite der "Baltischen Föderalen Immanuel-Kant-Universität" in Kaliningrad, unser liebes Königsberg/Preußen, herumstöberte...
Nun mal ernsthaft: Tolle Lexika, bei uns fast vergessen...
Sie nehmen meinen Kommentar bitte mit Humor?
P.S. Und natürlich ein frohes Osterfest, Ihnen und denen, denen Sie besonders verbunden sind: Zuerst die Familie, danach die anderen...
: Patriotische Grüße von der Weichsel