Als solcher hat er unlängst ein seitenlanges und „kenntnisreiches“ Traktat über die Neue Rechte „von Sibirien bis zu den Pyrenäen“ verfaßt, auf das ich hier reagieren möchte.
Denn Brumlik stehen als kritischem Zionisten bei der Verteidigung eines “linken Universalismus” theoretische Instrumentarien zur Verfügung, die man bei seinen ethnomasochistischen, deutschen Kollegen bitter vermißt. So wird Brumliks Kritik der Neuen Rechte teilweise zu einer entlarvenden, neokonservativen Selbstkritik jener Widersprüchlichkeit, die jeder politische Universalismus in sich trägt.
Der Text ist von einem politisch Korrekten für politisch Korrekte verfaßt. Brumlik ignoriert, daß er und das Projekt, für das er einsteht, bereits radikal in Frage gestellt sind und daß sein Resonanzraum der fraglosen Zustimmung täglich kleiner wird. Da er auch mich erwähnt und ausgiebig zitiert, will ich für einen seltenen Moment der Muße die Arbeit am Abbruch dieses Resonanzraumes unterbrechen und ihm einiges erwidern – obwohl die „Ideologeme“, die er vertritt, längst von der Realität widerlegt wurden und die ganze Zunft der Zensoren, Experten und Kommentatoren, die er vertritt, jeden Tag unbedeutender wird. Denn während er und seinesgleichen fassungslos und besorgt über unsere Ideen debattieren, arbeiten wir unermüdlich an ihrer Umsetzung. Und die Zeit arbeitet für uns.
Die „Bewährungsprobe in Theorie und Praxis“ einer „linken Politik“, die sich „um die Welt als Ganzes kümmern“ will, steht nicht erst „bevor“, wie Brumlik behauptet. Das ganze 20. Jahrhundert war nichts anderes als eine Bewährungsprobe des westlichen Universalismus in all seinen Spielarten und das Ergebnis ist klar: Er ist gescheitert.
Brumlik gesteht das zwischen den Zeilen selbst: Er beklagt eine „Raumvergessenheit“ der europäischen Linken und kritisiert damit zu Recht ihre postmoderne, apolitische Traumtänzerei.
Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, daß das selbstverliebte europäische „antiimperialistische Imperium“ (Barroso), unser freizügiges, weltoffenes, entmilitarisiertes, tolerantes Wohlfahrtsparadies mitsamt seiner arroganten Verve gegenüber den „dumpfpatriotischen“, „prüden“ und „militaristischen“ USA nur in deren Windschatten entstehen und existieren konnte.
Es ist die knallharte neokonservative Außenpolitik der amerikanischen Hawks, es ist ihre „heroisch-liberalistische“ (Dugin) Ideologie der „City on the Hill“, es ist die Fruchtbarkeit und Stabilität der konservativen Bible-Belts, in deren Windschatten sich Europa seine Pause vom Politischen und den Traum vom „Ende der Geschichte“ leisten konnte. (Auch Europas wuchernde xenophile Sozialsysteme sind zu einem gewissen Teil von den fehlenden Militärausgaben finanziert, die man die „Schutzmacht USA“ tragen lässt.) Doch der Traum ist aus. Der Universalismus der westlichen Ideologie trieb in seiner europäischen Spielart eine seltsame Blüte, die meinte, die normative Kraft des Faktischen ignorieren zu können. Europa erscheint wie der mißratene Sprössling eines reichen Industriellen, der mit dem Geld seiner Eltern an der Uni „Revolution“ spielt, sie für ihren Reichtum verachtet, um beim kleinsten Problem denselben schluchzend in Anspruch zu nehmen. Ideengeschichtlich betrachtet ist Europa heute eine Art universalistisches Disneyland, in dem seit 1989 das „Ende der Geschichte“ nach- bzw. „vorgestellt“ wird. Ein Raum ohne Politik, ohne Grenzen, ohne Religion, dessen Hymne John Lennons „Imagine“ und dessen primäre Probleme z.B. die gendergerechte Inklusion von Trans-Lebensentwürfen in Grimms Märchen sind. Wie ein eisiger Guß, hier hat Brumlik recht, weckt die Überschwemmung mit Wirtschaftsmigranten Europa aus seinem delirium clemens. Das verdrängte Politische sprengt sich von Bataclan bis Brüssel zurück ins Bewußtsein, und das universalistische Disneyland wird von der Wirklichkeit gestürmt.
All dem liegt eine unausrottbare Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit universalistischer Politik zugrunde, die vor Nassehi und Brumlik schon Autoren wie Leeden, Krauthammer, David Goldman, Huntington etc. erkannt haben.
„Double standards in practice are the unavoidable price of universal standards of principle.“
(Samuel Huntington)
Diese Namen sind nicht zufällig ausgewählt. Wenn Brumlik auf eine linke Wiederentdeckung der Räumlichkeit hofft und dabei (wie Laclau und Mouffe) sogar wagt, Schmitt als Kronzeugen aufzurufen, vertritt er am Ende nichts anderes als eine Spielart des Neokonservativismus. Er will die Mauern und Wachen um das gesellschaftlich liberale Disneyland verstärken, um seine innere Libertinage zu erhalten. Dabei befindet er sich in einer Zwickmühle. Zwar argumentiert er mit der Faktizität der Endlichkeit für den Raum als „fundamentale politische Kategorie“ und spricht von einer „rechtlich und politisch gestalteten Form des Wohnens“ und damit letztlich gegen den Weltstaat und die „no border“- Utopie. Ein Linker muß also bei Kant nachlesen, um das Politische zu entdecken.… Doch gleichzeitig kann er sich auch nicht zur kleinsten Rechtfertigung des Grenzschutzes durchringen, ohne den diese Erkenntnis völlig hinfällig ist. Das Politische bedeutet notwendig und immer Ab‑, Ein- und Ausgrenzung. Auch der Universalismus als totalitäre ideologische Struktur der Entgrenzung, Gleichschaltung, Vereinheitlichung benötigt immer ein begrenztes Kollektiv als geschichtliches Vehikel und politischen Akteur.
Der Neokonservativismus will genau dieses Kollektiv stärken. Er will die Verortung des geistig ortlosen Universalismus. Er vertritt damit einen Standortpatriotismus und Strukturkonservativismus, der sich, im Grunde widerwillig, konservativer Techniken, Ideenfragmente und Erkenntnisse bedient, um sie einer anti-konservativen Ideologie dienlich zu machen. (Max Weber hat diese Synthese aus gesinnungsethischem Fanatismus und eiskalter, planender Machttechnik in seinen Schriften zur Religionssoziologie beschrieben.) Die offene Gesellschaft muß zur Sicherung ihres Überlebens eine Außengrenze definieren. Für den Außenbereich werden die universalistischen Prinzipien, der totale Egalitarismus und Individualismus territorial und personell suspendiert. Es geht um einen neuen liberalen Imperialismus, wie ihn Robert Cooper vertritt, der derzeit das ECFR berät.
„Among ourselves, we keep the law, but when operating in the jungle, we must also use the laws of the jungle.” (Robert Cooper, Britischer Diplomat und Neocon)
Das ist auch Micha Brumlik als „Realo“ des linken Universalismus bewußt: dieser muß, um sich in der Welt einzurichten und erfolgreich, d.h. überlebensfähig, zu sein immer bis zu einem gewissen Grad mit den Bedingungen der Welt, d.h. mit dem Räumlichen, Endlichen und Politischen abfinden.
Der „Sozialismus im eigenen Land“ läßt grüßen.
Denn die Kernidee des Universalismus ist ein linearer, globaler und konvergenter Fortschritt einer imaginierten (und unbewußt ethnozentrischen Version der) Menschheit, hin zu einem Zustand der totalen Gleichheit. Oft ohne dass es ihm bewußt wird, wird der Universalismus auf diesem Weg aber schleichend „identitär“. Er entwickelt seine Mythen, seine Rituale, seine Geschichtlichkeit, seine Feindbilder. Und er schafft sich – mitten im Profanen – einen „pseudo-sakralen Raum“, wie es Mircea Eliadebeschreibt.
Diese universalistische Geschichtlichkeit und Identität, die z.B. die Sowjetunion und die USA noch aufweisen, ist im europäischen neulinken Universalismus völlig preisgegeben worden. Was bleibt, ist einzig ein „Universalismus der eigenen Schuld“ , eine ethnomasochistische Pose, aus der sich nur noch „Sonderpflichten“, aber keine Vorrechte mehr ableiten lassen. Die universalistischen Prinzipien kennen kein Innen und Außen und kein Trägerkollektiv mehr. Jede orts- und gruppenbezogene Ethik wurde aufgelöst, sodass heute im Grunde jeder der 7,4 Milliarden Menschen ein subjektives Recht auf deutsches Steuergeld zu haben scheint. Wir sind verantwortlich für das „Ganze.“
In den weltabgeschiedenen Klausen der linken Unis wurde dieser lebensunfähige Hyperuniversalismus herangezüchtet und auf die Gesellschaft losgelassen. In ihm wird die Vergessenheit und Gleichgültigkeit für jede Form von Begrenzung, ob biologisch, geographisch oder ökonomisch, zur offenen Leugnung. Sie nimmt dabei die Selbstzerstörung bewußt in Kauf, ja strebt diese geradezu an. Lustvoll sägt sie an dem Ast auf dem sie sitzt. „Deutschland verrecke!“ Deutschland soll sterben, seine Grenzen aufreißen, sein Geld nach Griechenland und in die ganze Welt schicken, alle Menschen der Welt aufnehmen und durchfüttern, es soll in seinem Hyperverbrechen alle Schuld der Welt auf sich nehmen, und sich aus „Verantwortung für das Ganze“ aufopfern (und bei all dem gefälligst nicht so streberhaft „typisch deutsch“ vorgehen, oder sich gar etwas darauf einbilden). Am Liberalismus gehen die Völker als Kollateralschaden zugrunde. Der neulinke Universalismus zerstört seine Trägervölker gezielt.
(Man tut im Übrigen so, als hätte Deutschland metaphysische Attribute und wäre das „Lamm Gottes“. Die Theodizeefrage der Scholastik scheint heute in der Kritik Deutschlands wiederzukehren, das sich für jedes Übel in der Welt rechtfertigen muß. Die Parolen und das ganze Gehabe wird dabei immer ritueller und sektenartiger, je näher wir ihrer Ethno-Apokalypse kommen.)
Das, was sich Brumlik, Cooper und andere wünschen, ist in Europa unmöglich geworden. Eine neokonservative, liberal-imperialistische Kurskorrektur ist unmöglich geworden. Ebenso wie die USA zu Sozialismus und Faschismus unfähig sind (Sombart), so scheint Europa zum Neokonservativismus ungeeignet. Die unerbittliche Konsequenz, mit der bereits Adorno in jeder Faser von Poppers Denken eine „selbsterhaltende Vernunft“ nachwies, die wie alle wußten, am Ende „nach Auschwitz“ führe, lebt heute in den fanatischen Jugend-Orgas der Linken und Grünen, die gegen jeden Hauch von law&order in den Altparteien vorgehen. Dort wo eine raum- und grenzbewußte Linke sich verorten könnte, befindet sich ein ideologisches Niemandsland, ein Graben, den sie selbst geschaffen haben und der ihnen jetzt zum Abgrund wird. Es ist die „List der Identität“.
Jeder Bezugspunkt, jeder nationale Wert auf dem sich ein neokonservativer Standortpatriotismus aufbauen ließe, wurden von ihnen zerstört. Denn auch ein künstlicher pro forma-Mythos braucht Symbole, er braucht Räume, Feiertage und Helden, die es in Europa nicht gibt. Nassehi, Brumlik und viele andere sehnen sich vielleicht nach diesem Mythos und spüren seinen leichten Schauer, wenn sie von „wehrhafter Demokratie“ sprechen. Gleichzeitig haben sie panische Angst vor jeder „Sakralisierung“ des politischen Raumes. Sie ersehnen die, wie Dugin sagt, „heroischen Phasen“ des Liberalismus aber ertragen sie nicht. Was sie wollen, ist ein wehrhafter Liberalismus, der seine „Prinzipien“ verteidigt und gleichzeitig ein völlig entkernter, entzauberter und ethnokulturell neutraler Diskursraum ist. Die Prinzipienverteidigung als Prinzip. Für diese Hirngeburt, deren Vertreter genauso langweilig und unansehnlich sind wie sie selbst, läßt sich niemand begeistern. Niemand wird sich dafür in die Bresche werfen. Am allerwenigsten die importierten Migranten, deren Helden und Ikonen gerade in Syrien Köpfungs- oder in Berlin Deutschrapvideos drehen.
Heute kündigt sich eine einschneidende Identitätsfrage an, die ihre Furche tief durch die liberalen „offenen Gesellschaften“ ziehen wird. Islam- und Einwanderungskritik verschmelzen. Merkels Verfassungsbrüche in Multikultis Namen machen den Verfassungspatriotismus zur eminent ethnokulturellen Frage. Die Rufe nach Rechtsstaatlichkeit sind zudem untrennbar mit der Forderung nach geopolitischer Souveränität verbunden und tendieren daher naturnotwendig gen Osten. Die dominierende Kraft der Opposition wünscht heute europaweit eine echte metapolitische Wende und keine halbherzige Reform. Es bedeutet, daß der Konservativismus in Europa nicht „neo“ sondern revolutionär wird. In Ungarn und Polen ist das bereits Realität geworden und die Orbanisierung Österreichs kündigt sich an. Das Pendel schwingt weiter in unsere Richtung.
Die normative Kraft des Faktischen wird ganz Europa in den nächsten Jahren zu einer „kontinentalen Schließung“ zwingen. Die neue Linke hat aber keinerlei ideologische Konzepte und Legitimationen, kein passendes Narrativ und keine Schlagworte auf Lager, um diesen Notwehr-Reflex zu umrahmen. In der Übernahme unsere Begriffe, von „Islamisierung“ bis „Festung Europa“, zeigt sich bereits jetzt, von wem die kommenden, tragenden Konzepte stammen werden. Die Zersetzungsarbeit der neuen Linken hat in den letzten Jahren jeden Bezugspunkt zerstört, an dem ihr ort- und raumloses Universalismuskonzept, an eine identitäre, antaiische Kraftquelle „andocken“ könnte. Diese neuralgischen Punkte haben sie achtlos preisgegeben. Sie gehören heute alle „uns“. Jede Wiederentdeckung, etwa des Heimatbegriffs durch die Österreichischen Grünen wird auf lange Sicht nur uns nützen.
Ja, der Hyperuniversalismus der Linken, der bereits Geschlechtertrennung bei WCs als Vorstufe zum Pogrom empfindet, läßt nicht einmal mehr die neutralste und pragmatischste aller Begrenzung, die Staatsgrenze gelten. In der bestehenden Konstellation und politischen Spannung bedeutet das formelhaft ausgedrückt: Jeder, der für den Erhalt der Staatsgrenze und damit das Funktionieren des gesamten Apparats eintritt, wird über kurz oder lang in Schnellroda landen.
Die Angebliche „Mitte“ unserer Gesellschaft, die man linkerseits immer wieder mobilisieren will, wird dabei jeden Tag kleiner und entlarvt sich als Mythos. Es gab sie nie. Denn die „Mitte“ der BRD lebt, denkt und atmet bereits, eingesperrt in einem stickigen, hochideologisierten, politischen Raum, gegen dessen Grenzpolitik Ungarn als „no border“-Vertreter durchginge. Die „Vertreter der offenen Gesellschaft“ befinden sich in einem hermetisch abgeriegelten ideologischen Raum in dem auf bestimmte „Buzzwords“ nicht mehr mit Debatten, sondern mit eingeübten emotionalen Reflexen reagiert wird. Wer nicht überzeugend mitspielt, fliegt schneller raus als ein illegaler Vergewaltiger aus Polen. Es gibt keine „Mitte“ – es gibt nur politisch Interessierte und Desinteressierte. Erstere kommen im Moment viel häufiger zu uns. Zweitere werden im Druck der Ereignisse bald gezwungen sein, sich zu interessieren.
Die ideologische Entscheidungsschlacht um Sinn und Souveränität, die im 20. Jahrhundert begann, ist in Wahrheit noch immer unsichtbar im Gange. Der „wahre Krieg“, der wie van den Bruck sagt, immer „erst nach dem Kriege“ entschieden wird, tobt noch und tritt heute, wie ein unterirdischer Strom, wieder an die Oberfläche. Die jahrzehntelange Einigelung in ihrer Hegemonieposition und die Züchtung ihres raumvergessenen Hyperuniversalismus wird den Linken jetzt zum Verhängnis, was nur einigen „Realos“ nervös bewußt wird. Mitgehangen – mitgefangen: sie müssen den Weg des Wahnsinns entweder bis zur Selbstzerstörung mitgehen, oder die Seite wechseln.
Auch Brumlik selbst droht ständig dieses Schicksal. Mit den vorsichtig vorgebrachten „Bezugsautoren“ Heidegger und Schmitt wagte er sich ohnehin bereits in die „Zone der Kopfschüsse“ vor. Würde ihm eines Tages einfallen, daß nicht nur politischer Raum, sondern auch ethnokulturelle Identität ein „wesentlicher Modus menschlicher Existenz“ ist, wären es seine eigenen Gesinnungsgenossen, die ihn aus ihrem Lager, in den gesellschaftlichen Abgrund drängten. Doch für Brumlik und andere bleibt immer noch eine Alternative: der Ausflug über die Brücke, über die emotionale Barriere in „unser Lager“. Dahin wo das gefährliche Denken und die „wilden Kerle“ wohnen.
Ich kann ihn beruhigen: so „wild“ ist es hier gar nicht. Es gibt hier sogar eine ausgeprägte Willkommenskultur gegenüber Spätberufenen und Renegaten. Im Moment heißt es aber leider aufgrund des großen Zulaufs: „hinten anstellen“.
Schnellroda ist auf Monate hinaus ausgebucht.
kW
Eine glänzende Darstellung! Ich werde von meinen vielen Kumpels telefonisch ja immer als zu optimistisch beschimpft, aber ich fühle schon lange den Sieg. Ich begründe ihn mal so: Unnatürliches und etwas gegen die Natur Gerichtetes kann niemals siegen. Wer Familie, Volk verneint, wer Grenzen öffnet und sogar Geschlechter negiert, ist nicht ganz dicht und somit für alles offen. Sowas absolut Krankes kann man als normal denkender Mensch nur ablehnen. Selbst in der DDR ging es natürlicher zu als in dieser BRD. Ja, es wird eine Revolution folgen, denn die Mißgeburt kann man nicht nur schminken.