Vielmehr seien rechtliche Bedenken ausschlaggebend gewesen, etwa angesichts von Aussagen wie »Die Kindersexpartei, die Grünen haben das Land kaputtgemacht«.
Kurz darauf strich das »Frühstücksfernsehen« von SAT1 ein bereits aufgezeichnetes Gespräch mit Pirinçci aus dem Programm. In der Folge zogen weitere Sender den Schwanz ein. Am 23. April berichtete Pirinçci auf seiner Facebook-Seite: »Nach sage und schreibe drei Vorgesprächen, die summa summarum zweieinhalb Stunden gedauert haben, hat mich heute die Redaktion des SWR-Talks ›Das Nachtcafé‹ wieder ausgeladen. So wie vorher ›Günther Jauch‹ und ›3nach9‹ in den letzten Wochen.«
An seinem Hang zur deftigen Sprache könne das wohl kaum gelegen haben, denn »bei Charlotte Roche hat man Schlimmeres über sich ergehen lassen«. Der Grund müsse woanders liegen: »Wenn der die Grünen als eine Kindersexpartei bezeichnet, dann meint der das auch so. Noch schlimmer, das kommt beim Zuschauer auch so an! Und überhaupt redet er haargenau so, wie er die Dinge in seinem Buch auch dargestellt hat, und nimmt überhaupt keine Rücksicht auf die Talk-Etikette.«
Das ängstliche Verhalten der Sender ist in der Tat aufschlußreich. Als Schmutzsprache gelten heute weniger ausgemachte Unflätigkeiten, sondern vielmehr alles, was Kritik am »Kult um Schwule, Einwanderer und Frauen« formuliert oder auch nur von Deutschland in einem emphatischen Tonfall spricht.
Will man heute wahrhaft schocken und den Bundeshühnerstall aufscheuchen, braucht man bloß unironisch »dirty words« wie diese zu schreiben: »Deutschland, o du goldenes Elysium! Du kraftvoller Stier! Du bist die Macht, die ganz Europa trägt! Du bist das schönste aller schönen Länder!«
Allein diese Overtüre zu der Punkrockoper Deutschland von Sinnen muß vielen der tonangebenden Meinungsmacher wie ein surrealer Witz erschienen sein. Bei Pirinçci haben sie es mit einem weitaus zäheren Brocken als mit Sarrazin zu tun. Er hatte bereits im Vorfeld signalisiert, daß es ihm völlig gleichgültig ist, ob er als »Nazi oder Klobürste« beschimpft werde.
Es ist bezeichnend, daß ausgerechnet ein sonst eher besonnener Feuilletonist wie Ijoma Mangold als erster die Nerven verlor, und den Hitler-Springteufel aus der Kiste platzen ließ, indem er Deutschland von Sinnen in der Zeit mit Mein Kampf verglich, was nicht nur angesichts von Pirinçcis Hymnen auf »die coole Musik der Bee Gees« und die von ihnen angestoßene »Kulturrevolution« saukomisch ist.
Caroline Fetscher brachte im Tagesspiegel die dicke Breivik-Bertha in Stellung, während der Vogel wieder einmal vom Großmeister des Genres, Georg Diez, abgeschossen wurde. Dieser nannte Deutschland von Sinnen ein »Haßbuch«, das ein »Hintergrundrauschen für echte Gewalt gegen Menschen« erzeuge:
Bücher töten nicht, und Autoren sehr selten, aber es ist auch nicht so, daß Gedanken harmlos sind und keine Konsequenzen in der realen Welt haben. … Es ist, leider, nicht mal überraschend, daß manche Menschen zu Waffen greifen in ihrem Wahn.
Dick aufgetragene Denunziationen dieser Art haben vor allem die Funktion, ihre Urheber in die Position des moralisch Überlegenen zu setzen. Doch wer kauft ihnen diese Rolle eigentlich noch ab?
Die Folgen der von ihnen verteidigten Politik, zu denen immerhin eine wachsende Anzahl von Todesopfern zählt, winken sie, sofern sie diese überhaupt zur Kenntnis nehmen, als Kollateralschäden ab und unterstellen denjenigen, die sie zur Sprache bringen, niedrigste Absichten, verletzen sie in ihrer Ehre, sprechen ihnen die Menschlichkeit und damit das Menschsein ab, verhöhnen sie, schlechte Verlierer des großen Modernisierungspiels zu sein, als dessen schlaue, prahlende Sieger sie sich inszenieren.
»So was kommt von so was« lautet ein alter linker Slogan, und das Pirinçci-Buch ist nicht von heute auf morgen vom heiteren Himmel gefallen, sondern auch eine Frucht des Verhaltens der Diezens und Mangolds dieser Welt.
Beide Seiten beschuldigen sich in dieser Diskussion gegenseitig des »Wahns«. »Sie sprechen, ernsthaft, immer noch von ›politischer Korrektheit‹: Aber schon die von Martin Walser in den neunziger Jahren erfundene ›Auschwitz-Keule‹ war eine Waffe, die niemand schwang, außer der Autor und Erfinder selbst«, schrieb Diez über »die Pirinçcis und Sarrazins dieser Welt«.
Ob man dies nun für krasse Verblendung oder für freche Demagogie halten mag: An dieser Stelle hat das landesübliche Spielchen des »Ich seh’ etwas, was du nicht siehst« seine äußerste Zuspitzung erfahren. Genau in diesem »deadlock« sind die Diskussionen in Deutschland festgefahren, und genau hier setzt Pirinçcis Verbalkeule an.
Über all dem stereotypen und dummen Gerede über »Haß«, »Haß« und noch mal »Haß« wird übersehen, daß Pirinçci aus einem starken moralischen Impuls heraus schreibt, den er aber lieber hinter einer schimpfenden Schale verbirgt, als ihn zur Schau zu stellen wie Diez und Fetscher, die es für nicht nötig erachteten, etwa den Mord an Daniel S. in Kirchweyhe auch nur zu erwähnen.
Hätte ein linker Autor, etwa Deniz Yücel, eine ähnliche Nummer gegen Sarrazin und die sogenannten »Rechten« verfaßt, hätte sich dasselbe Federvieh vor Vergnügen die Schenkel rot geklopft und statt von »Haß« von gerechtem »Zorn« und ähnlichem gesprochen. »Hassen« kann in ihrer Weltsicht bekanntlich nur der »Rechte«.
Hier wird kein Zentimeter preisgegeben, weil es um nackten Machterhalt geht. Linke Journalisten sind heute die strammsten »Systemkonservativen«, und ihre Sprache hat den satten Sound derer, die sich auf der Siegerseite der Geschichte wähnen und nichts anderes mehr zu tun haben, als etwaige Insurrektionen gegen den Status quo niederzuschlagen und aufkommendes Gemurre in den Kajüten zu ersticken.
Pirinçcis Sprache dagegen ist die klassische Waffe der Underdogs, der Outsider, der Oppositionellen, der Machtlosen, denen nur mehr die Provokation bleibt, um Gehör zu finden. Vor ihrem Aufstieg ins Establishment hat auch die deutsche Linke reichlich Gebrauch von Obszönitäten, Tabubrüchen, Fäkalwörtern gemacht, die als »progressiv« und absolutes Muß im Kulturkampf galten.
Nun, da sie eine systemerhaltende Funktion innehat, haben sich die Vorzeichen geändert.
Richard Gebhardt meinte in der Zeit, eine besondere Pointe darin zu erkennen, daß die Rechten und Konservativen, die er als vorgestrige Tugendbolde karikierte, nun soweit auf den Hund gekommen seien, einem Straßenköter wie Pirinçci zu applaudieren. Die Wirklichkeit ist freilich komplizierter.
»Das ist Bukowski-Sound, Céline-Gepöbel und Kurt-Hiller-Fluchen, ein Wutanfall im Straßenjargon«, schrieb der Verleger Thomas Hoof im Vorwort zu Deutschland von Sinnen, vielleicht, um das Buch auch literarisch aufzuwerten.
Ob Pirinçci es verdient, mit solchen Namen in einem Atemzug genannt zu werden, sei dahingestellt. Anzumerken ist, daß es in der Tat einen nicht unerheblichen konservativen Vorbehalt gegenüber dem Verlust der Manieren und der Inflation der Fäkalsprache gibt.
Dazu ein kleiner literarischer Exkurs: Ernst Jünger notierte am 20. April 1948: »Man druckt jetzt auch in Deutschland Bücher, in denen obszöne Worte im Klartext stehen – ich meine Worte, die man früher nur an den Wänden schlechtbeleuchteter Bahnhofsabtritte las. Das Ausland ist uns darin vorausgegangen, grobschlächtige Amerikaner und Pariser Verbrechercliquen, die den Argot in die Literatur einführten. Ein Zeichen der Auslöschung, des Schwundes mehr. Zugleich ein unheilvolles Signal, das aufgezogen wird.«
Wen hatte Jünger hier im Kopf? Henry Miller? Jean Genet? Louis-Ferdinand Céline? Dieser publizierte im selben Jahr eine Replik auf einen Text von Jean-Paul Sartre, die etwa so klang:
Dieses verdammte verkommene Arschloch! Was wagt er da zu schreiben? ›Wenn Céline die sozialistischen Thesen der Nazis unterstützt hat, dann deshalb, weil man ihm Geld dafür gegeben hat.‹ Zitatende. Sieh an! Und das hat dieser kleine Mistkäfer verzapft, während ich im Gefängnis saß und fast aufgehängt wurde! Dreckiger kleiner Bastard, randvoll mit Scheiße, du kommst aus meinen Arschbacken gekrochen, um mich von außen zu beschmutzen! Anus-Kain pfuipfui! Was willst du eigentlich? Daß man mich umbringt! Da ist der Beweis! Komm, laß dich zerquetschen! Ja! … Ich schaue mir seine Fotos an, diese Glotzaugen … dieser Giftzahn … dieser geifernde Saugnapf … er ist ein Bandwurm!
Jünger hatte eine herzhafte Abneigung gegen Céline, den er in seinen Tagebüchern als ausrottungslüsternen Nihilisten zeichnete. Er sah einen Zusammenhang zwischen der Verrohung der Sprache und dem Abgleiten der Zivilisation in die Barbarei:
Der niederträchtige Stil beschränkt sich nicht auf das Buch. Das hieße Ordnung in einer Stadt erwarten, in der man Brunnen und Märkte mit infamen Denkmälern schmückt. … Bei Sade schließt sich der Zote unmittelbar die Gewalttat an. Sie gibt das Stichwort; der erste Tabubruch zieht alle anderen nach. Vermutlich hat man in unseren Schinderhütten ähnliches erlebt. Erst kommt die Entwürdigung durch die Worte, dann durch die Tat. Wo der Liberalismus seine äußersten Grenzen erreicht, schließt er den Mördern die Türe auf.
Sätze wie diese liest man im Jahre 2014 mit einem seltsam zwiespältigen Phantomschmerz. Wieviel Feingefühl, wieviel Intensität der Wahrnehmung ist uns verlorengegangen! Wie sehr haben wir uns an die Trivialisierung und Vulgarisierung aller Dinge gewöhnt! Wie viele Wörter, die in passenden Umständen, im Bett oder an der Bar, wie Dynamit zünden sollen, sind heute ihres Pulvers beraubt, mit dem Wasser der inflationären Vernutzung verschnitten worden! Wie schön waren doch manche Tabus, die bestimmte Nischen und Kammern des Daseins in stetiger Spannung hielten!
Jünger hatte ein feines Ohr für die Macht und Magie der Sprache, die es verbieten, das gedruckte wie gesprochene Wort zu unterschätzen. Sein »abenteuerliches Herz« wußte dabei durchaus um die Genüsse der Unterwelt. 1929 hatte er sich noch fasziniert über Sade geäußert: »Dies ist der Erdwolf, der heulend durch die Kloaken jagt, mit feuchtem, klebrigem Fell und dem unersättlichen Fleischhunger, der endlich Blut säuft und die Abfälle des Lebens frißt.«
Nach der Orgie und dem Tabubruch kommt jedoch der Katzenjammer, und selbst in der Hölle akklimatisiert man sich rasch, bis man kein Gefühl mehr dafür hat, wieviel von seiner Seele man verloren hat: »Und endlich«, so Jünger, »artistisch gesprochen, welcher Abstieg in die platte Gemeinheit, welcher Mangel an Phantasie.«
Unsere Gegenwart nun ist auf beispiellose Weise durchtränkt mit Obszönitäten und Fäkalausdrücken. Allein im alltäglichen Umgang wurde wohl nie so epidemisch geflucht wie heute. Figuren des öffentlichen Lebens, von Popstars bis zu Politikern, werfen mit Kraftausdrücken um sich. Songtexte und Filmdialoge sind gesättigt davon. In Kino und Fernsehen sind Sex- und Gewaltdarstellungen expliziter als je zuvor, während die Abstumpfung zugenommen hat.
In der Erziehung gilt es beinahe schon als lächerlich, Kinder zu einer gezügelten Sprache zu ermahnen. Heute kommunizieren bereits die Achtjährigen auf der Straße im Pornosprech, während zehnjährige Mädchen auf Konzerte von Sido gehen, um den »Arschficksong« zu hören. In all dem gleicht unsere Zeit eher einer faulenden, regressiv-infantilen Suppe als einem sadeschen oder célinesken Wüten. Sie ist auf ihre Weise allerdings nicht weniger nihilistisch.
In genau diesem Kontext tritt nun ein Pirinçci auf, der von diesen Exzessen durchaus angeekelt ist und dafür zahlreiche Beispiele nennt.
Ich kann mich nicht genau entsinnen, aber so vor sieben oder acht Jahren war das überhaupt nicht talentierte und allein wegen seiner Schwulenpropaganda von öffentlichen Geldern existierende Junger-deutscher-Film-Relikt Rosa von Praunheim bei der Harald-Schmidt-Show eingeladen, und das erste, was der sichtlich Gealterte dem lustigen Harald und dem Publikum total provokant mitzuteilen hatte, war, daß er gerade aus der ›Sauna‹ käme. Dann knallte er ein von ihm vollgespritztes Kondom auf den Tisch. Woraufhin sowohl der lustige Harald als auch das debile Publikum in ein verständig dreckiges Lachen, vor allem aber in einen tosenden Applaus verfielen. Warum eigentlich? Hatte Rosa gesagt, ich habe den Drachen getötet oder ein für allemal den Krebs besiegt?
Diese Episode ist trefflich und mit fühlbarer Abscheu geschildert. Pirinçci in einem gesellschaftlichen Klima wie diesem vorzuwerfen, sich unfein auszudrücken, ist wie Strafzettel für zu schnelles Fahren auf der Rallye Monte Carlo auszuteilen. Pirinçci nennt das Kind beim Namen, ohne alle Schönfärberei. Über die Zurschaustellungen der Schwulen-Paraden schreibt er:
Es ist, als hätte man diesen Leuten jene Hirnregion wegoperiert, die für Scham und Erkenntnis zuständig ist, und dafür, daß wir, egal welcher Veranlagung, keine Tiere sind und unser sexuelles Geschäft tunlichst im Privaten verrichten. Ist mir scheißegal, ob das spießig klingt.
Wer den »common sense« hinter Pirinçcis Polemik nicht spürt, hat ihr Anliegen nicht richtig verstanden. Seine Sprache versucht, Feuer mit Feuer zu bekämpfen. Kraftausdrücke sind das Vokabular spontaner und intensiver Emotion.
Es gibt medizinische Studien, die behaupten, daß Fluchen einen schmerzlindernden Effekt habe. Daß das stimmt, weiß jedermann aus Streßsituationen. Es geht hier allerdings nicht bloß darum, auch mal »Aua« schreien zu dürfen, wofür Anlaß genug besteht. Die Frage ist vielmehr, wie man Zustände, die derart verkommen, absurd und pervers sind wie die herrschenden, adäquat benennen und kontern soll.
Welche Sprache ist nötig in einer Welt, in der nichts mehr schockiert und die Wörter verbraucht scheinen? Dávila spricht von den Schweinen, die müde lächeln, wenn einer den Schlamm kritisiert. Wie bereits angedeutet: Wer schon so weit akklimatisiert ist, daß er die Perversität und Absurdität der Zustände nicht mehr wahrnimmt, mit dem ist keinerlei Diskussion mehr möglich. Man muß an dieser Stelle auch ein Schwein ein Schwein nennen dürfen.
Im Grunde ist hier bereits, zumindest ideell, die Grenze zum Bürgerkrieg erreicht. Diez hat ein Körnchen Wahrheit auf seiner Seite, wenn er bei Pirinçci so etwas wie »Gewalt« wahrnimmt. Es handelt sich dabei allerdings um eine verbale »Gewalt«, die, im linken Jargon gesprochen, auf eine strukturelle Gewalt antwortet, um die Ultima ratio derer, die nicht nur eine Lage beschreiben, sondern sich wehren und die festgefahrenen Verhältnisse «zum Tanzen bringen« wollen.
Die obszöne Sprache ist in einem solchen Fall Ausdruck einer leidenschaftlichen Indignation, eines legitimen Zorns auf Heuchelei, Lüge und bigotte Posen. »Allen diesen Leuten müßte einmal ein Schwärmer in den Arsch gesteckt und abgebrannt werden, damit sie springen lernen und schreien, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist«, schrieb Ernst Jünger 1928 in einem Brief über allzu gestelzte Exemplare der Jugendbewegung, denen er außerdem einen »gesunden Fick« empfahl.
Ein Bukowski oder ein Céline oder ein Léon Bloy kannten Armut, Krankheit, Schmutz, Elend, Ausbeutung, Häßlichkeit, Korruption aus nächster Nähe und suchten dafür einen schonungslos ehrlichen und widerständigen, radikal individualistischen Ausdruck; und selbst wenn etwa Céline oft in den nihilistischen Rausch abgeglitten ist, so kann man kaum sagen, daß seine ursprünglichen Impulse inhuman waren: Bücher wie Reise ans Ende der Nacht und Tod auf Kredit zeugen davon.
Eine solch radikale Ehrlichkeit mußte auch Ijoma Mangold bei Pirinçci anerkennen: »Ein solches Buch kann man nur aufrichtigen Herzens schreiben. In dieser Aufrichtigkeit und Authentizität aber liegt die beispiellose Enthemmtheit dieses Buchs, das eine Raubeinigkeit an den Tag legt, die auch für das Genre des Pamphlets Neuland betritt.«
Georg Diez behauptete, Pirinçci und Sarrazin würden sich in der Rolle der »Erniedrigten und Beleidigten« gefallen, auf die sie als »erfolgreiche Männer, die genug Geld verdienen«, kein Anrecht hätten.
Pirinçci hat aber nicht für sich selbst, sondern für die erniedrigten und beleidigten Deutschen geschrieben, die ihre Würde und ihre Selbstachtung verloren haben: »Aber was ist los, Deutschland, liebste Mutter? Du bist so bleich, du blutest ja! Man hat sich an dir vergangen, sagst du? Wie denn das? Man hat dir Leid zugefügt, indem man dir deine Zukunft gezeigt hat? Wie sah sie aus, deine deutsche Zukunft?« Und insbesondere das Kapitel »Das Schlachten hat begonnen« über die »sich steigernde Deutsche-Totschlägerei« durch bestimmte Ausländerbanden ist ein eindrucksvolles »Update« des Jüngerschen Satzes über den Liberalismus, der »den Mördern die Türe aufschließt«.
Auch Ezra Pound hat sich in seinen Cantos zuweilen eine äußerst drastische Sprache erlaubt; meist wohldosiert, um ihre Effekte nicht zu verbrauchen.
In seinen dantesken Cantos XIV und XV ließ er allerdings die Zügel schießen und verdammte mit glühendem Haß die Kriegstreiber und Profitmacher seiner und aller Zeiten (er überließ es dem Leser, die jeweils aktuellen Namen einzusetzen) in Höllenkloaken aus Gestank und Exkrementen. Kostprobe?
Das weite schrundige Arschloch fetzt Fliegen / und poltert vor Imperialismus, / letzter Pißort, Jauchgrube, Harnsiel ohne Abfluß … Die forschen Draufgänger / hacken mit Messern aufeinander ein, / die feigen Scharfmacher, / Wilson mit Soundso, von Milben befallen, / Churchill wie ein gequollner Fötus, / die Bestie mit hundert Beinen, USURA, / der Rotz zum Brechen voll von Jasagern / das buckelt vor den Bonzen des Ortes / und stellt seine Vorzüge richtig, / und die laudatores temporis acti betonen, / daß die Scheiße einst schwärzer und sämiger war, / und die Fabianer drängen auf die Verkäsung der Verwesung, / auf einen neuen Darmfluß, in Pastillen gepaßt …
Und zusammen mit den »Wucherern« und Politikern verdammte er »die da die Sprache verraten«,
Soundso und das Zeitungspack / Und wer sich zur Sprachreglung verdingt hat; / Die Perversen, die da die Sprache verdrehen, / die Perversen, die ihre Geldgier / Vor die Freuden der Sinne stellen; / Geschrille wie ein Hühnerhof in der Druckerei, / das Rattern der Pressen, / Schwaden von trockenem Staub und papiernem Abfall, / benehmender Gestank, Schweiß, Orangen im Kahm, / Kot, letzte Senkgrube auf der weiten Welt …
Die heutigen Äquivalente zu den hier Angesprochenen suchen überall nach Erklärungen für Phänomene wie Deutschland von Sinnen, nur nicht in der Wirklichkeit, nur nicht in sich selbst. Schon allein deswegen haben sie einen, zwei, drei, Hunderte Pirinçcis verdient, und kein Tonfall ist inzwischen zu scharf für sie.