Pirinçci? Wir tun, was wir für richtig halten!

PDF der Druckfassung aus Sezession 60 / Juni 2014

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

SEZESSION: Sind Sie über­rascht vom Erfolg des Buchs Deutsch­land von Sin­nen, das bei Manu­scrip­tum erschie­nen ist, Herr Lom­bard? Wel­che Zuta­ten mach­ten und machen die­sen Pirin­çci-Cock­tail so süffig?

Lom­bard: Über­rascht – ja und nein. Ein gewis­ser Erfolg war vor­her­seh­bar, aber unse­re rea­lis­ti­sche Erwar­tung wur­de deut­lich über­trof­fen. Als kurz nach dem Erschei­nen jemand ein Sel­fie mit dem von der Post gelie­fer­ten Buch pos­te­te (»Ich hab das Ding!«), da wur­de mir klar, wie scharf die Leu­te dar­auf sind. Und die Zuta­ten? Pirin­çci hat ein simp­les Rezept benutzt, er hat Ele­men­te der Pop­li­te­ra­tur mit liber­tä­ren, natur­recht­li­chen oder schlicht ver­nünf­ti­gen Posi­tio­nen ver­bun­den, ver­nünf­tig im Sin­ne des gesun­den Men­schen­ver­stan­des: Ein Mann ist ein Mann, eine Frau ist eine Frau, und jeder (oder die Fami­lie) sorgt für sich selbst. Beim Schrei­ben ist das Ein­fa­che aber bekannt­lich das Schwers­te. Und die­se Ein­fach­heit hat natür­lich auch ihren Preis, was die ana­ly­ti­sche Tie­fen­schär­fe angeht. Dafür hat das Buch anar­chi­sche Züge, iro­ni­sche Bre­chun­gen und schlag­fer­ti­ge Zwie­ge­sprä­che, es gibt lus­ti­ge, sen­ti­men­ta­le, zor­ni­ge und melan­cho­li­sche Pas­sa­gen in leb­haf­tem Wech­sel, ein rich­ti­ger Schmö­ker eben.

SEZESSION: Sie haben die fäka­len und die geni­talen Pas­sa­gen ver­ges­sen. Pirin­çcis Buch bleibt nicht zuletzt wegen die­ser Stel­len in Erin­ne­rung, und man lehnt Pirin­çcis Deutsch­land instink­tiv in Tei­len ab: die­se Mischung aus Auf­stiegs­chan­ce, neu­rei­cher Frech­heit, liber­tä­rem Ego­is­mus und Macho­tum, die recht wenig mit dem zu tun hat, was unser­eins unter Deutsch­land ver­steht. War­um ver­legt man derlei?

Lom­bard: Nichts gegen Auf­stiegs­chan­cen! Ansons­ten gibt es die­se Spit­zen, ja, aber sie zie­hen sich kei­nes­wegs durch das gan­ze Buch. Gene­rell kann man ein Manu­skript nur ableh­nen oder anneh­men. Auch ein inten­si­ves Lek­to­rat kann und soll den Stil des Autors nicht umkrem­peln. Die erhoff­te Wir­kung ist ein­ge­tre­ten, und was mein Ton als Autor nicht wäre, gehört nun ein­mal zu Pirin­çcis Tem­pe­ra­ment. Man muß die­sen Ton nicht mögen, um zu sehen, daß er eine Art Stell­ver­tre­ter­funk­ti­on erfüllt hat: Die Pres­se nahm die Gele­gen­heit dank­bar wahr, den Inhal­ten aus­zu­wei­chen und umso hef­ti­ger auf die Form drauf­zu­hau­en. Ohne die­se Mög­lich­keit hät­te sie viel­leicht geschwiegen.

SEZESSION: Also, anders aus­ge­drückt: Pirin­çci will die Deut­schen vom iugum ger­man­o­rum befrei­en, vom Joch also, das sie sich zu einem nicht uner­heb­li­chen Teil selbst auf­er­legt haben. Mün­den soll die neu­ge­won­ne­ne Frei­heit indes in einen BRD-Libe­ra­lis­mus, der – das wis­sen wir Kon­ser­va­ti­ven – nichts auf­bau­en, aber alles entor­ten wird. Über­wö­ge am Ende nicht der ange­rich­te­te Scha­den den gestif­te­ten Nutzen?

Lom­bard: Pirin­çci pflegt sehr liber­tä­res Gedan­ken­gut, aber kei­nen liber­tä­ren Ego­is­mus. Dage­gen spre­chen die Pas­sa­gen zur ehe­li­chen Treue, zur fami­liä­ren und nach­bar­schaft­li­chen Soli­da­ri­tät – Poten­tia­le, die er an die Stel­le staat­li­cher Betüt­te­lung setzt. Ob sich alle öffent­li­chen Sicher­heits- und Ord­nungs­auf­ga­ben pri­va­ti­sie­ren las­sen, wie er meint, ist eine ande­re Frage.

SEZESSION: Pro­fi­tiert haben Pirin­çci und damit auch der Ver­lag Manu­scrip­tum vom isra­el­freund­li­chen, west­ori­en­tier­ten, liber­tär ange­hauch­ten und islam­kri­ti­schen Blog poli­ti­cal­ly incor­rect, im Netz unter pi-news zu fin­den. Auch die AfD hat Pirin­çci mitt­ler­wei­le als zug­kräf­ti­ge Num­mer inklu­si­ve poli­ti­scher Nähe ent­deckt und in Nürn­berg einen Saal mit ihm gefüllt. Ist das alles schon eine sta­bi­le Gegen­öf­fent­lich­keit oder doch nur ein vor­über­ge­hen­des Phänomen?

Lom­bard: Es ist eine erstaun­lich star­ke Gegen­öf­fent­lich­keit, und sie könn­te noch stär­ker wer­den, je ver­rück­ter sich die Din­ge ent­wi­ckeln. Aber ob sie sta­bil ist – kei­ne Ahnung. Wir wis­sen nicht, wel­che Ein­schrän­kun­gen mög­li­cher­wei­se auf das Inter­net zukom­men oder wie scharf eines Tages die Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­ge­set­ze exe­ku­tiert wer­den, die in Ber­lin und Brüs­sel in den Schub­la­den lie­gen. Man­che hal­ten die Gen­der­ideo­lo­gie poten­ti­ell für noch gefähr­li­cher und gewalt­tä­ti­ger als Kom­mu­nis­mus oder Faschis­mus, weil sie theo­re­tisch auf jeden »iden­ti­tä­ren« Men­schen zielt und nicht nur auf defi­nier­te Grup­pen von Feinden.

SEZESSION: Sie kom­men­tie­ren auf der Inter­net-Sei­te deutschland-von-sinnen.de die Bericht­erstat­tung über das Buch umfas­send und ver­fol­gen damit die Stra­te­gie der per­ma­nen­ten Ent­lar­vung durch Rich­tig­stel­lung. Kön­nen Sie an Medi­en- und Kun­den­re­ak­tio­nen bereits abschät­zen, ob die­se auf­wen­di­ge Stra­te­gie Früch­te trug?

Lom­bard: Ich glau­be, das tut sie. Der Ver­le­ger Tho­mas Hoof möch­te übri­gens gene­rell das Mar­ke­ting für unse­re Bücher stär­ker auf Inhal­te stüt­zen. Es ist ja nicht gera­de üblich, daß Ver­la­ge die Pres­se­re­ak­tio­nen auf ihre Bücher auf einer eigens ein­ge­rich­te­ten Home­page beglei­ten. In die­sem Fall dräng­te sich das aber regel­recht auf. Die Sei­te wird auch nicht nur von Jour­na­lis­ten gele­sen. Die hohen Zugriffs­zah­len, die wir an man­chen Tagen errei­chen, deu­ten dar­auf hin, daß ganz ver­schie­de­ne Nut­zer gern auf die Rich­tig­stel­lun­gen zurück­grei­fen, die wir den zum Teil gro­tes­ken Ver­schwö­rungs­theo­rien ent­ge­gen­set­zen, die mit dem Buch und sei­nem Inhalt so gut wie nichts zu tun haben. Viel­leicht trägt das auch dazu bei, daß eine Ver­ur­tei­lung des Buches sel­ten ein­deu­tig und nie uni­so­no statt­fin­det. Kürz­lich gab es wie­der Stim­men wie im Cice­ro und in der NZZ, denen es um die abgrund­tie­fe Dis­kre­panz zwi­schen den Medi­en und ihren Zuschau­ern und Lesern ging.

SEZESSION: Die füh­ren­den Medi­en strei­ten die von Ihnen als gege­ben vor­ge­stell­te »abgrund­tie­fe Dis­kre­panz« zu den eige­nen Zuschau­ern und Lesern rund­weg ab. Wor­auf grün­det Ihre Annah­me, daß die Leser anders ticken als die Mei­nungs­ma­cher? Gibt es da hand­fes­te Argumente?

Lom­bard: Die füh­ren­den Medi­en haben ihre Anhän­ger, aber nicht nur. Sie brau­chen doch nur in die Leser­fo­ren zu schau­en. Die Pirin­çci-Debat­te läuft par­al­lel zur Mei­nungs­schlacht um Ruß­land und die Ukrai­ne, und hier wie dort ist die Mehr­zahl der Leser völ­lig ande­rer Mei­nung als die Medi­en. Ich habe oft nach­ge­zählt: Es ist wirk­lich die Mehr­heit derer, die sich da äußern, und es ist völ­lig egal, ob es sich um das ZDF, den Spie­gel, die FAZ oder Die Zeit han­delt. Letz­te­re hat die­se Dis­kre­panz schließ­lich offen zuge­ge­ben und ihr Stau­nen zum The­ma eines eige­nen Feuil­le­ton-Auf­ma­chers gemacht, ohne Selbst­kri­tik zwar, aber immer­hin: Sie hat aus Anlaß von Deutsch­land von Sin­nen ver­nehm­lich gestaunt. Ein zwei­ter Beleg ist das schnel­le Wachs­tum alter­na­ti­ver Nach­rich­ten­por­ta­le im Netz, das wis­sen Sie selbst. Die Leu­te lesen nicht weni­ger, sie lesen woan­ders, und das immer mehr.

SEZESSION: Die füh­ren­den Medi­en argu­men­tie­ren stets auch mit dem Ver­weis dar­auf, daß ihnen die Abstim­mung mit den Füßen recht gebe. Ist die Ein­schalt­quo­te ein basis­de­mo­kra­ti­sches Argu­ment? Ist die Mas­sen­zu­stim­mung zu Con­chi­ta Wurst eine demo­kra­ti­sche Aus­sa­ge? Oder ist der­lei ein Kenn­zei­chen für geglück­te Moment-Manipulation?

Lom­bard: Weder noch, da wird sys­te­ma­tisch und euro­pa­weit mani­pu­liert. Die­se Con­chi­ta W. ist letz­tes Mal bei der Vor­auswahl geschei­tert und wur­de dies­mal ohne Vor­auswahl nach Kopen­ha­gen geschickt. Ein abge­kar­te­tes Spiel, eine wei­te­re PR-Akti­on, anti­rus­si­sche Pro­tes­te aus­dem Publi­kum inklu­si­ve. Wie bei Hitzl­sper­gers Outing wur­de das gründ­lich vor­be­rei­tet; man sieht es am Timing. Zwei Tage nach dem Fina­le wird in Wien das Pla­kat für den dies­jäh­ri­gen »Life­ball« prä­sen­tiert, das ein bar­bu­si­ges Zwit­ter­we­sen mit männ­li­chen Geni­ta­li­en zeigt. Prompt soll in Öster­reich das Adop­ti­ons­recht für Homo­se­xu­el­le ein­ge­führt wer­den … Euro­pa von Sin­nen. Und was die Ein­schalt­quo­ten betrifft: Die wer­den auf einer sehr klei­nen, frag­wür­di­gen Basis erho­ben (FAZ vom 16. 2.). Und selbst wenn sie wirk­lich ein­mal hoch sind, sagen sie nichts über die Zuschau­er­mei­nun­gen aus. Ich höre oft Deutsch­land­funk, obwohl der ja fast nur noch von Frau­en mit Frau­en für Frau­en gemacht wird. Viel­leicht, weil es mich amü­siert, für welch nai­ven Unsinn die bezahlt werden.

SEZESSION: Sie amü­sie­ren sich, aber das Pro­gramm bleibt in deren Hand, trotz der Best­sel­ler, die Pirin­çci und vor allem Sar­ra­zin vor­ge­legt haben, und trotz der gegen­läu­fi­gen Kom­men­tar­spal­ten. Sehen Sie wirk­lich ein Tauwetter?

Lom­bard: Um auch mal etwas Gutes über den DLF zu sagen: Am 17. Mai gab es einen ehr­li­chen Bei­trag zur Aus­län­der­kri­mi­na­li­tät und zur Radi­ka­li­sie­rung mos­le­mi­scher Jugend­li­cher bei uns. Die­se Ehr­lich­keit könn­te durch­aus von Pirin­çcis Erfolg inspi­riert sein, auch wenn ich das nicht gleich für ein Anzei­chen von Tau­wet­ter hiel­te. Aber die Tat­sa­che, daß Die Zeit bei ihrer Leser­be­fra­gung durch Herrn Wil­le­ke die Hosen run­ter­ge­las­sen hat, hat mich schon über­rascht. Ansons­ten hal­te ich viel von der »gehei­lig­ten Par­tei­lich­keit«, von der der Theo­lo­ge Urs von Bal­tha­sar sprach, ein Schwei­zer übri­gens. Sie macht die Fra­ge von Sieg und Nie­der­la­ge, von Opti­mis­mus und Pes­si­mis­mus weni­ger dring­lich – eine Fra­ge, die mich immer sofort ver­krampft. Opti­mis­mus ist naiv, was die irdi­schen Fra­gen betrifft, Pes­si­mis­mus wie­der­um ist irgend­wie »unehr­lich« (Gada­mer). Die ande­ren tun das, was sie für rich­tig hal­ten, aber wir tun es auch, und dann schau­en wir mal, was dabei her­aus­kommt. Das Ergeb­nis liegt nicht in unse­rer Hand. Das heißt nicht, daß einem die Wir­kung egal ist, aber es macht einen gelassener.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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