sind kaum möglich. Jeder noch so gut belegte und sachlich vorgetragene Einwand löst zuverlässig innerhalb von 10 Sekunden heftige Erregungszustände beim Gegenüber aus.
Als Andersdenkender fühlt man sich in solchen Momenten unweigerlich in der Position des Leibhaftigen, der vom rechtschaffenen Gläubigen gerade noch rechtzeitig enttarnt wurde – und sieht schon das Tintenfass im Anflug. Ist die Willkommenskultur gar keine politische Ideologie, sondern eher ein Willkommenskult mit religiösen Zügen?
Die Willkommenskultur versteht sich selbst als modern und aufgeklärt und keineswegs als Religion. Indes weist sie viele Elemente und Strukturen auf, die man mit religiösen Überzeugungen verbindet und an Kulten beobachtet – damit ist ausdrücklich nicht gemeint, daß einige Anhänger des Willkommenskultes gleichzeitig auch Mitglieder einer der christlichen Kirchen sind.
Willkommenskultur bzw. Willkommenskult kann man im Folgenden übrigens auch durch Gender- oder Klimaideologie ersetzen, der Willkommenskult dient hier nur als ein Beispiel für einen in mancher Hinsicht neuen, in anderer Hinsicht recht vertrauten Typs von Religiosität. Wahrscheinlich braucht es zur Destruktion des Willkommenskultes mehr als nur eine kurze Aufzählung wie die folgende. Gefragt wäre vielleicht ein zeitgemäßer Feuerbach, der das Ganze systematisch angeht. Oder doch eher ein versierter Abrissunternehmer vom Range Nietzsches? Das Folgende also nur zur Verkürzung der Wartezeit auf diese kommenden Geister und als Ermutigung.
Augenfälligstes Merkmal sind die Denk- und Redeverbote, die von den Vertretern des Willkommenskultes gegen alle verhängt werden, die ihren Glauben nicht teilen. Man möchte die Diskurshoheit, obwohl man gar nicht in der Lage und auch nicht willens ist, einen Diskurs zu führen. An die Stelle des Austausches von Argumenten tritt das unbedingte, das alternativlose Bekenntnis.
Zu den Denk- und Redeverboten gesellen sich handlungsanleitende Gebote – vorgetragen im normativen Stile des „Du sollst“. Die permanente Erinnerung an diese Gebote hat rituellen Charakter und ist nicht hinterfragbar. Hier bricht der alte scholastische Universalienstreit auf – für die Anhänger des Willkommenskultes sind die leitenden Begriffswelten keine bloßen Begriffe, sondern absolute Realität („Menschlichkeit“ in Gestalt gefühliger und allgemeiner Forderungen, die fast ausschließlich zu Lasten der Allgemeinheit gehen und den Forderer selbst nichts kosten, „Flüchtling“ als prägende Fiktion des 21. Jahrhunderts, verordnete „Nächstenliebe“ bis zur Selbstaufgabe, „Solidarität“ ohne Limits und ohne solides Finanzierungsmodell, „Rassismus“ schließlich als Brandzeichen aller, die den Glauben nicht teilen usw.).
Das bedeutet: sie, die Gläubigen des Willkommenskultes, glauben daran – diese Abstraktionen sind ihre Fetische. Die Wirklichkeit hat demgegenüber keine Bedeutung. An die Stelle nüchterner Verantwortungsethik tritt dementsprechend eine eifernde Gesinnungsethik.
Drittes Merkmal ist der Drang, möglichst viele Gleichmeinende um sich zu scharen. Die Gemeinschaft der Gläubigen empfängt ihre Stärke aus der großen Zahl, die sich nicht irren kann. Die Gemeinschaft bildet ein Kollektiv, das sich selbst seiner Macht durchaus bewußt ist.
Abweichungen vom kollektiven Glauben ziehen Konsequenzen für die Abweichler nach sich – sie werden ausgeschlossen, ausgegrenzt aus der menschlichen Gemeinschaft (Toqueville-Syndrom). Als treues Mitglied der Gläubigengemeinschaft hingegen wird man mit dem guten Gewissen desjenigen belohnt, der das moralisch Richtige tut. Das hieraus entstehende Wohlgefühl macht süchtig nach mehr.
Neben dem guten Gewissen winkt dem Anhänger des Willkommenskultes etwas noch weitaus Wertvolleres – sein Dasein wird mit einer umfassenden Sinngebung belohnt. Sinnhaftigkeit ist das, was die meisten Menschen aufgrund einer weitgreifenden lebensweltlichen Entfremdung heute entbehren. Man kann sein ganzes Leben lang im Modus eines unbedeutenden Gegenwartsteilnehmers verbracht haben – doch sobald man sich zum Willkommenskult bekennt, erstrahlt das eigene Dasein plötzlich im Glanze eines weitgespannten Heiligenscheins. Man dünkt sich stark, wichtig und moralisch überlegen.
Aus diesem Grund reagieren Anhänger des Willkommenskultes auch extrem gereizt oder gar hysterisch, wenn man sich ihrem Heiligsten kritisch-analytisch nähert – man bekommt es mit einem heiligen Ernst zu tun, einem wahren Glaubensfuror, der zum mörderischen moralischen Fanatismus entarten kann – ein weiteres Wort nur noch, und der Willkommensgläubige wird sich mit Wonne der Errichtung von Scheiterhaufen widmen.
Nichts wärmt das Herz dieser Gläubigen so sehr wie ein anständiges Autodafé. Da mag man sich als Häretiker noch glücklich schätzen, wenn nur die Bücher brennen. Doch, man muss es einmal erlebt haben, wie bei einem an sich harmlosen Wort wie „Sozialmigration“ die Gesichtszüge eines zuvor als gesittet eingestuften Mitteleuropäers des 21. Jahrhunderts ins Vorzivilisatorische entgleiten – da werden Zähne gefletscht, da wird mit den Augen gerollt, da schwillt der Kamm. Man fühlt sich an erschröckliche Kannibalendarstellungen aus dem frühen 17. Jahrhundert erinnert.
In einem solchermaßen moralisch erregten Klima gedeiht auch der Typus des Denunzianten hervorragend. Seine Aufgabe ist es, regelmäßig den Brennstoff nachzuliefern, auf daß die Erregnungstemperatur noch ansteige. Er schnüffelt herum, nimmt die Witterung auf, spitzt die Ohren, gibt sich zuweilen gar als Freund aus – und eilt mit der erworbenen Erkenntnis des Unglaubens flugs zum nächsten Inquisitionsgericht. Das kann eine Zeitung sein, vielleicht auch der Arbeitgeber des Entlarvten oder im Extremfall auch die höheren Instanzen der Ordnungsmacht.
Je mehr der Glaubensfanatismus sich in Richtung Massenhysterie bewegt, desto öfter wird man den Typus des eifrigen Angebers finden. Seine Belohnung sind keine schnöden Silberlinge, sondern gesteigerte Wohlgefühle. Das macht ihn so menschlich, aber nicht unbedingt sympathisch.
Harte Sanktionen gegen Ungläubige gehören zu jedem Kult – und sei es auch nur, um die eigenen Gläubigen in der Furcht des Herrn zu halten. Auch ruft man gern zum Kreuzzug auf – heute als „Kampf gegen rechts“ ebenso oft und gern gesehen wie der noch etwas weihevollere „Aufstand der Anständigen“. Das so erzeugte Klima der Hetze (sic!), der Bedrohung (sic!) und der Angst (sic!) ist charakteristisch für den Willkommenskult unserer Tage.
Selbstverständlich fehlt es im Willkommenskult auch nicht an einer mächtigen Priesterkaste. Von der Großen Hohepriesterin über den Kreis erleuchteter Adepten in den tonangebenden Medien, Institutionen (merke: Institutionen lassen sich von jedem Machthaber willig in die Pflicht nehmen – traue niemand den Institutionen!) und Parteien bis hinab in die Niederungen pfäffischer Gesinnung in den Lokalzeitungen, Kommunalverwaltungen, Betrieben und Nachbarschaften hat man Strukturen geschaffen, die jede altehrwürdige und in die Jahre gekommene Religionsgemeinschaft vor Neid erblassen lassen (weswegen sich diese auch so gern und bewundernd im Kielwasser der Großen Hohepriesterin bewegen).
Jeder handfeste Kult hat außerdem seine Märtyrer – die sind unantastbar und stehen ebenso für das eigene Gute wie für das abgrundtiefe Böse des Gegners. Hat man keine Märtyrer, macht man sich welche. Zur Not tun es auch solche aus der Vergangenheit. Märtyrer sind überlebenswichtig für den Willkommenskult, weil sie sein zentrales Element am Leben erhalten – den Schuldkult. Im Kern gilt dieser den vermeintlich oder tatsächlich Benachteiligten dieser Welt, solange sie nur nicht europäischer Herkunft sind. Europäisch bzw. deutsch sind fast immer nur die Täter, selten die Opfer.
Ach, und sind nicht alle Religionen irgendwie unterbelichtet? Das war doch zumindest seit Zeiten der Aufklärung stets der mehr oder minder explizite naturwissenschaftliche wie auch philosophische Vorbehalt gegen jeden Glauben. Wie auch immer man sich persönlich dazu stellen mag – Unterbelichtetheit im Sinne einer (durchaus bewussten) Ignoranz empirischer Fakten ist unbestreitbar ein Charakteristikum des Willkommenskultes.
Bleiben noch die Rituale als weiteres Erkennungsmerkmal. Die pflegt unser Willkommenskult in Gestalt von Lichterketten, den immer gleichen Bekenntnisformeln, dem unermüdlichen Drehen der Gebetsleiern und – ach, setze doch ein jeder diese Aufzählung nach eigenem Belieben und Vermögen fort. Mich schüttelt es schon jetzt…
Am Schluss steht die denn auch nicht gänzlich unerwartete Erkenntnis, daß jeder Diskursversuch hier auf nichts als Irrationalität stößt. Man könnte es also auch gleich bleiben lassen. Im Vorgriff auf das Lutherjahr dürfen wir es mit dem ehrwürdigen Reformator halten: „Wer mit einem Scheißdreck rammelt, er gewinne oder verliere, er gehet beschissen davon.“* – - – (Scheißdreck? Beschissen? Oh. Pardon… Liebe Ellen Kositza – darf ich um die Seife bitten? Die extra starke Sorte bitte… Danke!**)
* eh jemand nach der Quelle fragt: so zitiert bei E. Jünger „Autor und Autorschaft“, Einzelausgabe S. 49
** Kanal Schnellroda auf https://www.youtube.com/watch?v=6UkTcmDOqBA – ab Minute 2.20
Fredy
Alles richtig, teilweise neu formuliert, aber doch dieselbe Wiederkäuerei. Und wieder ein dummer Kommentar meinerseits mehr dazu.
Ich will gar keine Diskurse mehr führen. Mir genügt es zu wissen, dass wir nicht nur recht haben, sondern auch im Recht sind. Sie werden nur durch Erfahrung und Leid klug. Und das soll ihr gerechter Lohn sein.