Der doppelte Mosebach. Eine Skizze zum 65.

aus Sezession 73 / August 2016

von Max Seidel

In trotziger Abwendung von seiner Generation habe er gelebt, bekannte Martin Mosebach 2013,... 

gele­gent­lich jedoch mit Gefüh­len des Neids. Die eige­ne Lebens­welt als ein Atlas zu stem­men und ihr etwas ent­ge­gen­zu­set­zen, erfor­dert Kraft und Res­sour­cen. Auf die­se konn­te der jun­ge Abitu­ri­ent zurückgreifen:

Vater Heinz Mose­bach war ein »in der Lyrik leben­der Arzt«, sein Deutsch­leh­rer ein eiser­ner Goe­thea­ner. Im Lau­fe sei­nes Lebens soll­ten wei­te­re Rie­sen Schüt­zen­hil­fe leis­ten: Der Maler Peter Scher­mu­ly, dem Mose­bach mit dem Buch Das Rot des Apfels ein Denk­mal setz­te, öff­ne­te dem jun­gen Mann die Augen für bild­haf­tes Sehen. Mose­bach soll­te in sei­nen Roma­nen ein gro­ßer Bild­be­schrei­ber werden.

Gómez Dávila wird sich in den spä­ten Acht­zi­gern als phi­lo­so­phisch-welt­an­schau­li­cher Prä­ge­stock erwei­sen, der sei­nem geneig­ten Leser den Stem­pel auf­drückt: Mose­bach wird einer sei­ner pro­f­lier­tes­ten – darf man sagen: Jün­ger? Von nun an wer­den Roma­ne mit Phi­lo­so­phe­men gewürzt – kaum eine Beschrei­bung, die kei­ne Tie­fen­refle­xi­on nach sich zöge.

Am Ende des Jura­stu­di­ums 1979 ver­sucht sich der »ver­bum­mel­te Stu­dent« in der Kurz­pro­sa, gewinnt 1980 einen Lite­ra­tur­preis. Ab 1980 sei er »frei­er Schrift­stel­ler«, kann man auf Klap­pen­tex­ten lesen, doch erst ab 1995 wer­den die Minia­tu­ren gedruckt, alle­samt soli­de, lie­bens­wer­te Arbei­ten unde­fi­nier­ba­rer Gat­tung. Das Lek­to­rat von Hoff­mann und Cam­pe emp­fiehlt statt­des­sen den Roman als Betätigungsfeld.

Der Erst­ling Das Bett (1983) ver­ar­bei­tet iro­nisch eine über­zo­ge­ne Holo­caust­lek­tü­re der sieb­zi­ger Jah­re. Zwei Roma­ne fol­gen im sel­ben Ver­lags­haus: Rup­perts­hain (1985) und West­end (1992). Allen drei­en ist eines gemein­sam: Trotz der je eige­nen Qua­li­tät – man kann beob­ach­ten, wie sich hier ein Schrift­stel­ler schrei­bend stei­gert, wie er vom Lehr­ling zum Gesel­len auf­steigt – ist noch nicht das Maxi­ma­le erreicht.

Der Fol­ge­ro­man Eine lan­ge Nacht1995–1997 in einem fran­zö­si­schen Klos­ter ver­faßt, wird zunächst gar nicht gedruckt. Mose­bach hat­te Hoff­mann und Cam­pe nach dem wenig erfolg­rei­chen West­end ver­las­sen; er sieht es jedoch immer noch als sein »Haupt­werk« an. Man muß ihm dar­in nicht folgen.

Die Lek­tü­re von Die Tür­kin (1999) hebt den Leser schlag­ar­tig auf ein ande­res Niveau. In die­sem Roman stimmt alles: Die nach vor­ne drän­gen­de Sto­ry (ein Mann reist einer Frau in ihr Hei­mat­land nach und schei­tert im Lie­bes­wer­ben), das Ver­hält­nis von Hand­lung und Refle­xi­on, die Glaub­wür­dig­keit trick­rei­cher Wen­dun­gen, das unauf­dring­li­che Sym­bol­geflecht, die Span­nung bis zum lako­ni­schen und dop­pel­sin­ni­gen Schluß. Die­ser Roman braucht kei­ne Ver­glei­che im 20. Jahr­hun­dert zu scheuen.

Ver­in­ner­lich­tes Hand­werk wird unter dem Einfluß der Musen zur gro­ßen Kunst. Der Erfolg des Romans – Mose­bach erhält nun Lite­ra­tur­prei­se – ermu­tigt das Lek­to­rat des Auf­bau-Ver­lags zum Text­re­cy­cling: Eine lan­ge Nacht wird in den Druck gege­ben und erscheint 2000, Jah­re spä­ter als fak­si­mi­lier­te Hand­schrift sogar ein zwei­tes Mal.

Wie soll man Mar­tin Mose­bach über­haupt lesen? Als schrift­stel­lern­den Essay­is­ten, als essay­is­ti­schen Schrift­stel­ler? Hier geht eines ins ande­re über. Der Roman ist beleh­rend, die Beleh­rung poe­tisch. Der Wech­sel ermög­licht eine per­spek­ti­vi­sche Betrach­tung sei­nes Wer­kes. Die rei­ne Fokus­sie­rung auf Per­so­nen und Gestal­ten kann in den Roma­nen ein kurio­ses und welt­an­schau­lich neu­tra­les Kas­per­le­thea­ter erblicken.

Was da alles her­um­läuft: schrä­ge Typen, skur­ri­le Per­so­nen in Nah­auf­nah­me, bizar­re Leu­te, deren Exis­tenz man für erfun­den hiel­te, wenn sie nicht so echt wirk­ten. Eine Han­gel­lek­tü­re an den welt­an­schau­li­chen Ein­sich­ten ent­lang ist jedoch eben­so legi­tim: In Neben­sät­zen wer­den gan­ze Pro­gram­me for­mu­liert, und am Ende bleibt von einem Fünf­hun­dert­sei­ten­buch vor allem die Sen­tenz auf Sei­te sound­so, aber die läßt nicht mehr los.

Par­al­lel zum Auf­stieg des Schrift­stel­lers ist der des Essay­is­ten zu beob­ach­ten. In dem Mit­tei­lungs­blatt der Lai­en­ver­ei­ni­gung für den klas­si­schen römi­schen Ritus hat­te Mose­bach in den 1990er Jah­ren eigen­sin­ni­ge und kämp­fe­ri­sche Minia­tu­ren zu Fra­gen rund um die Lit­ur­gie for­mu­liert. In die­sen Copy­shop-Heft­chen ris­kiert er viel. 1995 hält er einen Vor­trag bei der Jah­res­haupt­ver­samm­lung, der als einer der bes­ten und wirk­sams­ten Tex­te in das Œuvre ein­ge­hen wird.

Auf hohem Niveau wird ange­klagt und poe­ti­siert, geschimpft und geprie­sen, argu­men­tiert und pole­mi­siert. Als Zen­tral­text der 2002 bei Karo­lin­ger erschie­ne­nen Schrift Häre­sie der Form­lo­sig­keit wirkt er wie eine intel­lek­tu­el­le Frä­se, die mühe­los theo­lo­gi­sche Argu­men­te, schal gewor­de­ne theo­lo­gi­sche Kor­rekt­heit und ein bie­de­res Katho­li­ken­milieu aufschreckte.

Er schuf im theo­lo­gisch einfluß­rei­chen Land der Refor­ma­ti­on den Vor­raum, in dem die päpst­li­che Anord­nung von 2007, den alten römi­schen Ritus for­mell mit der refor­mier­ten Lit­ur­gie gleich­zu­stel­len, mühe­los zu pla­zie­ren war. Der deut­sche Papst hat­te eine Art ver­rück­ten Lieb­ha­ber auf sei­ner Sei­te, dem, so soll­te sich das Katho­li­ken-Tri­um­vi­rat abrun­den, von einem der füh­ren­den Phi­lo­so­phen des deut­schen Sprach­raums sekun­diert wur­de: Robert Spae­mann. Die­ser Text vol­ler Fin­ten und Abgrün­de, ele­gan­ter Feh­ler und Über­trei­bun­gen ist ein Klotz, vor dem die Zunft steht wie die Affen in 2001 – Odys­see im Welt­raum.

»Ich will das Mis­sa­le behan­deln, als hät­te ich es an einem ein­sa­men Strand gefun­den.« In die­sem Bild ist die Zeit­lo­sig­keit der Ver­bal­in­spi­ra­ti­on ange­deu­tet, jedoch nicht bestä­tigt: Ist das Buch vom Him­mel gefal­len und ange­schwemmt wor­den? Das hie­ße, es wäre immer schon fer­tig gewe­sen, und der theo­lo­gi­sche Fun­da­men­ta­list wäre überführt.

Oder geht es um den sub­jek­ti­ven Zugang, der das Buch nach zwei­tau­send Jah­ren nur als Gan­zes vor­fin­den kann? Der Gläu­bi­ge als Fin­der, das ist modern gut denk­bar. Oder am Ende doch kon­kret: Wie sieht ein klatsch­nas­ses Mis­sa­le am Strand aus? Ver­mut­lich mit­ge­nom­men und wenig ansehn­lich. Wel­cher Zele­brant nimmt denn sol­che Bücher in die Hand usw.

Es sind Sät­ze wie die­ser, die Fall­tü­ren nach unten und Fens­ter nach oben öff­nen, die den Leser zwin­gen, in Bewe­gung zu blei­ben. Daß die theo­lo­gi­sche For­schung mit Mose­bachs Lit­ur­gie­buch nichts Rech­tes anfan­gen kann (der geneig­te Leser um so mehr), obwohl es frag­los eines der wirk­mäch­tigs­ten und kraft­volls­ten Bücher über die katho­li­sche Lit­ur­gie seit dem Zwei­ten Vati­ka­num ist, zeigt die der­zei­ti­ge Form­schwä­che der Zunft.

Auch das Läs­ter­wort von Alt­meis­ter Slo­ter­di­jk über das dort beschrie­be­ne Knien erweist sich als zu klein­ka­li­brig; so kommt man dem Text nicht bei. Mose­bachs intui­ti­ver Zugriff auf anthro­po­lo­gi­sche Kon­stan­ten, die den gro­ßen, gedul­di­gen, medi­ta­ti­ven und kom­bi­nie­ren­den Beob­ach­ter, den gebo­re­nen Roman­cier aus­weist – hier­in übri­gens ganz tho­mis­tisch detail­verses­sen –, hat an der klas­si­schen römi­schen Lit­ur­gie ihre Meis­ter­schaft bewährt. Glück­lich die Reli­gi­on, die sol­che Apo­lo­ge­ten hat!

Die Häre­sie und Die Tür­kin sind die Kern­stü­cke von Mose­bachs Werk. Mit Der Nebel­fürst (2001), erschie­nen in Enzens­ber­gers Ande­rer Biblio­thek (Eich­born-Ver­lag), gelingt ein Anschluß­tref­fer. Der Roman steht inhalt­lich noch voll unter dem Lit­ur­gie-Dik­tat: Streit­punkt ist eine Polar­in­sel mit Grä­bern von alt­gläu­bi­gen Liturgieverweigerern.

Man wird nicht zu hart sein, wenn man Mose­bachs Lyrik auf den zwei­ten Rang ver­weist. Gewoll­te Komik des Kis­sen­buchs (1995) ist bewußt dem Kin­der­reim ent­nom­men und will auch reli­gi­ös pro­vo­zie­ren. For­mu­lie­run­gen wie »Wer den Tod sucht, muß ihn zuerst ver­lo­ren haben« las­sen an Erich Frieds Wort­kom­bi­na­to­rik den­ken, eine Rich­tung also, in die Mose­bach ver­mut­lich weni­ger arbei­ten will.

2007 wird für Mose­bach zum ein­schnei­den­den Jahr. Seit zwei Jah­ren ist er Han­ser-Autor und erhält nun den Büch­nerpreis. Seit zwei Jah­ren regiert Papst Bene­dikt, und die gelieb­te alte Mes­se wird reha­bi­li­tiert. Die Häre­sie der Form­lo­sig­keit wird nun bei Han­ser erwei­tert vor­ge­legt, der Autor steht im Zenit der gesell­schaft­li­chen Aner­ken­nung – auch und gera­de als Querschläger.

Er hält die Balan­ce zwi­schen In- und Out­si­der, sein Außen­sei­ter­tum ist »in«. Geg­ner haben sogar den Begriff Feuil­le­ton-Katho­li­zis­mus geprägt, um Leu­te wie ihn zu dif­fa­mie­ren – ein frag­los pole­mi­sches Unter­fan­gen, das der per­sön­lich-christ­li­chen Glau­bens­po­si­ti­on die kul­tu­rel­le Prä­ge­kraft abspre­chen will.

Die Dan­kes­re­de der Preis­ver­lei­hung gerät zum Eklat, als wol­le da einer nicht ins Sys­tem ein­ge­speist wer­den: Mose­bachs Ver­gleich von Fran­zö­si­scher Revo­lu­ti­on und NS-Regime wird von Pres­se­ver­tre­tern nicht akzep­tiert, ein Ver­gleich übri­gens, den der Dra­ma­ti­ker Hei­ner Mül­ler, die Iko­ne der DDR-Anhän­ger, zur selbst­ver­ständ­li­chen Grund­la­ge sei­nes geschichts­pes­si­mis­ti­schen Den­kens gemacht hat­te. Wenn Mül­ler das unter dem Bei­fall der Medi­en ver­kün­den konn­te, bleibt Mose­bach der Applaus verwehrt.

Lorenz Jäger ver­tei­digt ihn zwar auf der Titel­sei­te der FAZ, aber das nützt nicht viel, der Mann ist ange­schos­sen: Meint er dies alles am Ende doch ernst? Der Umgang treibt komi­sche Blü­ten: Rom­ken­ner Mose­bach (er hat kurz zuvor ein Rom­bu­ch ver­öf­fent­licht) wird erst 2014, im Vor­ru­he­stands­al­ter, zusam­men mit jun­gen Künst­lern zum Sti­pen­dia­ten der Vil­la Massimo.

2009 stellt sich Mose­bach in rebel­len­haf­ter Pose vor Navid Ker­ma­ni, da Kar­di­nal Leh­mann nicht gemein­sam mit dem beken­nen­den Mos­lem den hes­si­schen Kul­tur­preis ent­ge­gen­neh­men will. In der FAZ erscheint eine Gene­ral­ab­rech­nung mit dem Main­zer Kar­di­nal, in der alte Kon­flik­te neu auf den Tisch kom­men, von der bischöfli­chen Umdeu­tung des Abtrei­bungs­scheins 1999 bis hin zur Kri­tik an Leh­manns Theo­lo­gie und, sin­ni­ger­wei­se, an der Tat­sa­che, daß sie preis­ge­krönt sei. Nimmt man die­sen Text zusam­men mit Mose­bachs Abrech­nung mit Papst Fran­zis­kus im Spie­gel 2014, so wird man eines neu­en Tons gewahr. Eine ursprüng­li­che Wild­heit hat sich verkrampft.

So kri­tik­los er ab einem gewis­sen Zeit­punkt Papst Bene­dikt zu loben begann und über des­sen moder­ne Ein­las­sun­gen groß­zü­gig hin­weg­sah, so scho­nungs­los wur­de auf die Geg­ner ein­ge­dro­schen. Die Leh­mann-Replik traf den Sach­ver­halt übri­gens auf den Kopf: Ob die Tra­di­tio­na­lis­ten ihm nicht umge­kehrt eine gewis­se Libe­ra­li­tät gegen­über dem Islam bei der gemein­sa­men Preis­ver­lei­hung hät­ten vor­wer­fen können?

Tat­säch­lich ist hier Mose­bachs blin­der Fleck: Ker­ma­nis Fähigkei­ten als Roma­ne­schrei­ber und ästhe­ti­scher Betrach­ter des Korans las­sen ihn des­sen neo­idea­lis­ti­sche Les­art der Reli­gi­ons­phi­lo­so­phie – die jener übri­gens mit Leh­mann teilt – über­se­hen. Ker­ma­ni und Leh­mann, zwei Män­ner vom Geis­te der Les­sing­schen Ring­pa­ra­bel, ste­hen sich theo­lo­gisch näher als Mose­bach und Ker­ma­ni, und des­sen ver­zück­te Beschrei­bun­gen christ­li­cher Iko­nen (Ungläu­bi­ges Stau­nen, 2015) ändern dar­an nichts.

Mose­bach ist – bei allen Ein­schrän­kun­gen und Varia­tio­nen – Tho­mist, Ker­ma­ni – ohne Ein­schrän­kun­gen und Varia­tio­nen – Auf­klä­rer. Auch die Kri­tik an Papst Fran­zis­kus rela­ti­viert sich ange­sichts der Tat­sa­che, daß Katho­li­ken auf des­sen Anord­nung neu­er­dings und off­zi­ell bei der Pius­bru­der­schaft beich­ten dürfen.

2012 erscheint Mose­bachs Papst­buch Der Ultra­mon­ta­ne im St.-Ulrich-Verlag auf eine kurio­se Wei­se: Des­sen zen­trals­te Äuße­run­gen über das Papst­tum feh­len, etwa eine Ver­tei­di­gung von Bene­dikts Auf­he­bung der Exkom­mu­ni­ka­tio­nen der Pius­bi­schö­fe (Der Spie­gel, 2009). Offen­bar war das Vor­le­gen der unzen­sier­ten Vari­an­te im Karo­lin­ger-Ver­lag kei­ne Opti­on wie 2002.

Das Bänd­chen wird mit ande­ren Auf­sät­zen auf­ge­füllt, dar­un­ter der Zei­tungs­ar­ti­kel über das The­ma »Blas­phe­mie« von 2012, so daß in dem zen­sier­ten Büch­lein über Zen­sur nach­ge­dacht wird. Mose­bachs Ruf zur Ord­nung schei­ter­te an miß­ver­ständ­li­chen For­mu­lie­run­gen, in denen er Ver­ständ­nis für die (gesetz­lich nicht gedeck­ten) Ein­schüch­te­run­gen durch Mos­lems zeig­te. Das Büch­lein ins­ge­samt erscheint trotz beschnit­te­ner Text­ba­sis als vor­zei­ti­ger Nach­ruf auf ein geglück­tes Pon­ti­f­kat; Mona­te spä­ter soll­te der deut­sche Papst abdanken.

Auf den ers­ten Blick scheint das Gesamt­werk unüber­sicht­lich auf Ver­la­ge ver­teilt. Bei genaue­rem Hin­se­hen blei­ben Hoff­mann und Cam­pe, Auf­bau, Han­ser und neu­er­dings Rowohlt übrig. Ansons­ten wur­den Nischen­the­men in Nischen­ver­la­gen unter­ge­bracht. Die Ver­la­ge spie­geln Mose­bachs Wer­de­gang und peri­odi­sie­ren qua­li­ta­tiv: Die erfolgs­ar­men Lehr­jah­re, die Meis­ter­schaft und schließ­lich die Jah­re des Ruhms im renom­mier­tes­ten deut­schen Ver­lags­haus. (Daß Han­ser neue Wege geht, erklärt den Wech­sel zu Rowohlt.)

Vie­le vor­der­grün­di­ge Wider­sprü­che, mit denen Mose­bach als ver­meint­li­cher Quer­den­ker koket­tiert, lösen sich auf, wenn der rech­te Blick­win­kel ein­ge­nom­men wird: Der Katho­lik, der mit einem Mos­lem befreun­det ist, ist pri­mär mit einem Ästhe­ten befreun­det; der Anzug­trä­ger, der sich im Polo­shirt ablich­ten läßt, koket­tiert mit dem Stil­bruch; der Papist, der den Papst beschimpft, beschimpft einen Mann, der ver­meint­lich das Amt schlecht aus­übt; der Reak­tio­när, der sich im Lager des Geg­ners tum­melt, ver­mei­det mitt­ler­wei­le jugend­li­chen Sturm und Drang – was die Gele­gen­heits­ran­da­le nicht ausschließt.

Mose­bach kann in die Pha­se der Ein­ho­lung tre­ten: Sei­ne Strahl­kraft ist stark. Sei­ne Über­le­gun­gen zur klas­si­schen und moder­nen Archi­tek­tur sind Refe­renz­punk­te der Zunft gewor­den, man beginnt dort zu ahnen, daß »beton­ge­wor­de­nes Mil­li­me­ter­pa­pier« nicht ausreicht.

Sei­ne theo­lo­gi­schen Refle­xio­nen gra­ben sich in den Fuß­no­ten­ap­pa­rat aka­de­mi­scher Arbei­ten, Geg­ner geste­hen, sei­ne The­sen sei­en zwar irgend­wie ein­sei­tig, jedoch »anschluß­fä­hig«. Sei­ne Rei­se­ta­ge­bü­cher inspi­rie­ren Glo­be­trot­ter. Der Adel will ihn an der fürst­li­chen Tafel.

Man wird nicht fehl­ge­hen, wenn man ein Wech­sel­ver­hält­nis von Kunst und Refle­xi­on, Roman und Essay aus­macht. Mose­bach sel­ber hat ja ein Roman­ka­pi­tel in der Häre­sie der Form­lo­sig­keit abge­druckt. Der Mond und das Mäd­chen (2007) lebt von den katho­li­schen Ein­sich­ten in das Wesen des Exor­zis­mus. Bei allem Humor und bei aller Iro­nie: Der his­to­ri­sche Kon­text ist die För­de­rung des Exor­zis­mus­we­sens durch Papst Benedikt.

Daß in Frank­fur­ter Gara­gen nach mus­li­misch-afri­ka­ni­schem Volks­ri­tus Dämo­nen aus­ge­trie­ben wer­den, ist im Bereich des Rea­lis­ti­schen wie die wüs­te Par­ty aus dem Blut­bu­chen­fest. Die Roma­ne ent­hal­ten kla­re inhalt­li­che State­ments zu har­ten ethi­schen und poli­ti­schen Fra­gen: Moder­ni­sie­rung, Städ­te­bau, Abtrei­bung, Bür­ger­krieg, Monarchie.

Das dort Gesag­te mag auf man­che skur­ril und abwe­gig, ja lach­haft wir­ken; es bleibt der Ver­dacht, daß der Autor es trotz Iro­nie grund­sätz­lich ernst meint. Wenn man auf Inter­net­bil­dern Feli­ci­tas von Loven­berg strah­lend neben einem ihrer Lieb­lings­au­toren sieht, dann darf ver­mu­tet wer­den, daß sie sich nicht über welt­an­schau­li­che Stel­lung­nah­men im Roman­werk freut.

Miß­ver­ständ­nis­se wer­den die­sen Mann wei­ter beglei­ten, er wird sie auch genie­ßen; sie gehö­ren zu Mar­tin Mosebach.

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Kommentare (46)

Winston Smith 78699

1. August 2016 23:20

Dieser brave Aufsatz oder gar Vortrag liest sich wie von einem deutschen Goldrandprofessor, der immer schon Stipendieat sein durfte. Gut gemeint in seiner Bemühung um gönnerhafte Differenziertheit, kann ihm in diesem Habitus keine Werbung für Mosebach gelingen, es sei denn er wendet sich an Leser, die lange über das in eine bestimmte Lücke im Regal einzupassende Buch nachdenken, des würdigen Regals wegen.

Viele vordergründige Widersprüche, mit denen Mosebach als vermeintlicher Querdenker kokettiert, lösen sich auf, wenn der rechte Blickwinkel eingenommen wird: ...

Na dann, wozu noch lesen? Bei Faust 2 hatte ich immer dieses Problem. Eigentlich alles geklärt, ein weiser Mensch läßt ein paar Puppen tanzen, aber alles wird sich in Wohlgefallen auflösen, so kam mir das ab den ersten Zeilen vor und so trieft hier ab Seite drei oder vier, nach Verlöschen der kleinen Liturgierakete, jeder Satz von Abgeklärtheit. Und ich weiß bis heute nicht, was in Faust 2 drinsteht.

Mosebach kann in die Phase der Einholung treten:

... und dieser Aufsatz oder gar Vortrag eines Professors mit akademischem Verein und Goldrandbrille (langweilt die Wiederholung bereits?) hat das schon hinter sich. Das hat Gomez-Davila nicht verdient. Jetzt weiß ich auch, an was mich der Stil (neben einem Dichterfürsten) erinnert. Jene Landschafts- und Architektursendungen von Dieter Wieland waren immer so klug und so weise und so tief und so umsichtig, aber in der Vortragsweise derartig deprimierend, dass sie nachhaltigen Schaden bei Kindern anrichteten. https://www.br.de/br-fernsehen/sendungen/unter-unserem-himmel/dieter-wieland-topographie-100.html

hubschrauberpilot

2. August 2016 11:54

@78699
Dann hamse Faust II nih rischdsch gelesen.

Der_Jürgen

2. August 2016 14:53

@Winston Smith

Ich kenne die Bücher von Martin Mosebach (noch) nicht, wundere mich aber, dass Sie, ein Mann, an dessen Kommentaren es sonst herzlich wenig auszusetzen gibt, sich abfällig über Faust II äussern. In einem seiner Romane, ich weiss nicht mehr in welchem, zitiert Friedrich Dürrenmatt eine Frau, für die Faust II das Allerheiligste ist und die jeden, der ihre Begeisterung für dieses Werk nicht teilt, mit einem Bannfluch belegt. Sehen Sie sich vor, dass Sie kein Bannfluch seitens entrüsteter Sezessionisten trifft, sonst geht es Ihnen nach der Wende womöglich ebenso wie dem tragischen Romanhelden Orwells, nach dem Sie sich nennen!

Winston Smith 78699

2. August 2016 17:30

@ hubschrauberpilot
@ Der_Jürgen

Entschuldigung, ersetzen Sie den Faust einfach durchs Glasperlenspiel, den Rest können Sie lassen, den "Dichterfürst" ja auch. Hier ein kleines Mosebach-Quiz (Teil 1):

"Wirkliche [......] hat etwas mit vollständiger Gerechtigkeit gemeinsam. Sie vermag sogar als [......] erscheinen und dämpft zunächst auch die Empörung der anderen."

(aus Mond u. Mädchen)

Was könnte da stehen?

Nemo Obligatur

2. August 2016 20:56

Bei allem schuldigen Respekt, aber ich glaube, Mosebach wird ein wenig überschätzt. Seine Bücher fallen eher in die Rubrik "gehobene Langeweile". Nur, weil er auch schon zu Hause zum Frühstück Sakko und Krawatte trägt, ist er doch noch kein bedeutender Autor. Und konservativ bin ich selbst, dafür alleine gab es noch nie einen Literaturpreis.

Brettenbacher

2. August 2016 21:37

Quiz betreffend (auf Gefahr, für einfältig gehalten zu werden):

!)Wirkliche EXKLUSIVITÄT hat etwas mit vollständiger Gerechtigkeit ... ?
2) Sie vermag sogar als HIERARCHIE zu erscheinen und dämpft...?
oder
2)Wirkliche DESPOTIE hat etwas mit vollständiger....?
"2) Sie vermag sogar als COMON SENSE zu erscheinen...?

oder

.. aber es ist schon sauschwer. Und im Falle der Lösung lauert ja noch:

"....
Wenn sie denn Stein der Weisen hätten,
der Weise mangelte dem Stein."
"
Kaiserlich Pfalz, -freilich und naturgemäß Mephisto

Aaron

2. August 2016 22:57

FAUST II habe ich noch auf alten LP's mit Gründgens.

Wer kann und will gegen Faust 2 etwas sagen?

Leider nicht von mir, aber treffend:
"Dem Kritiker geht's wie dem Eunuchen, er weiß zwar wie's geht, kann es aber selber nicht."
Bitte nichts mehr gegen Faust, det hat der olle Joethe nich verdient!

Bannfluch gibt's von mir nicht, aber ich bastele schon an einer VOODOO-Puppe für den nächsten Goethe-Schlechtmacher, dann also
lieber nichts unangemessenes mehr über Goethe .
Wo sind denn jetzt nur die benötigten verflixten Stricknadeln.

Drastischeres habe ich bewußt weggelassen, da mir Seife nicht so gut schmeckt.

Winston Smith 78699

3. August 2016 00:10

@ Brettenbacher

Darf ich mich virtuell zutiefst vor Ihnen verneigen, Meister? Und mit dieser hiermit bewiesenen Geisteskraft (und für den Anfänger in Subversion etwas Sun-Tzu oder Ähnlichem im Gepäck) könnte man doch auch geschickte Sabotagen von Wirkorganen dieses suizidalen Staatswesens ersinnen, oder nicht? Das wäre ärztliche Heilkunst.

Bevor ich auflöse, noch flugs Teil 2:

Unter diesem Baum zu spielen und aufzuwachsen, in der Gegenwart seiner friedlichen Größe – konnte ein solches Jugenderlebnis nicht vor einer Kindheit im [……..] bestehen?

(ebendort)

Übrigens: wieso „sauschwer“? Sie erschaffen gerade Neues, und diesen Witz brauchen wir jetzt. Himmeln wir meinetwegen weiterhin die alten Meister an, aber ehren und loben wir nun bitte auch die neuen Meister ineinander, auf dass diese endlich mutiger und tätig werden dürfen. Was ist Aufklärung?

Waldgänger aus Schwaben

3. August 2016 08:45

@Winston Smith

Ihre beiden Quizfragen sind mittels google lösbar. Dies nährt einen schlimmen Verdacht.

Um dem Vorwurf zu entgegen, dass sie Mosebach nur aus dem Netz kennen, kein Buch von ihm von vorne und hinten durchgelesen haben, sollten Sie flugs noch eine dritte Frage stellen, die nicht mittels einer 10 sekündigen google-Suche zu beantworten ist.

firenzass

3. August 2016 10:18

@Waldgaenger aus SchwabenGOOGLESUCHE/QUIZFRAGEN/MILCHMANN
Ich bin kein Intellektueller und auch kein Akademiker. ich habe nicht einmal Abitur und meine Mittlere Reife musste meine Mutter beim Verwaltungsgericht einklagen, denn Kunstlehrer Mika hatte mir eine 6 ins Zeugnis geschrieben und damit war eine Versetzung eigentlich ausgeschlossen. Und doch habe ich mich an den Mosebach herangewagt.
"Mit einem Fleischer rede ueber Fleisch und mit einem Milchmann ueber Milch" Nun, nehmen Sie einfach an, ich waere meinetwegen der Milchmann. Ich kann nur Milch und moechte wissen ob dieser Mosebach irgendetwas ueber Milch zu sagen hat und kann diesen Mosebach auch nur auf seine Milchkompetenz hin abklopfen, denn, wie gesagt, ich selbst kann ja nur Milch.
In italienischen Foren las man erst vereinzelt und dann immer oefter:" es gibt nur einen Papst und der heisst Benedikt XVI. Jetzt las ichs hier in Florenz das erste mal auch als Graffity, als writing on the wall/Ich moechte nicht schreiben, wo/:
"es gibt nur einen Papst und der heisst Benedikt der XVI" Ist hier was am entstehen, etwas Grosses?
Inzwischen wird hier jedes Lebenszeichen, jede Aeusserung, jede kleinste Regung des Benedikt auf ihren antifranziskanischen Gehalt hin abgeklopft.
Dabei gehen ernsthafte Intellektuelle wie etwa Antonio Socci/Franziskushasser/ soweit, Hoerensagen und Tratsch,-etwa, dass Benedikt einem von den franziskus'schen Machenschaften zutiefst verstoerten deutschen Geistlichen vor dem letzten Konzil geraten haette, "Halten Sie sich unbedingt an die Lehre",-in seitenlangen Artikeln antifranziskanisch auszudeuten.
Das italienische il giornale hat vorgestern gross aufgemacht, aus dem Gedaechntis: "Die Profezeiung des Benedikt. Er hat alles gewusst"
Danach folgen Strecken aus der Regensburger Lectio Magistralis, -discorso di Ratisbona-. Dabei sprengt aber die Regensburger Lectio vom Anspruch her eindeutig das Format des giornale. Vor allen Dingen meine ich auch , dass Benedikt ueber das Verhaeltnis Verstand/Vernunft vs. Glauben am Beispiel des Islam gesprochen hat. Es war also keineswegs eine Abrechnung mit dem Islam. usw, usf.
Auf jeden Fall liefert Benedikts Handeln waehrend seiner "aktiven Zeit" keinen Hinweis darauf, dass er etwa eine Kurskorrektur einleiten wollte, nicht den geringsten.
Die Verzweiflung muss also schon sehr gross sein, wenn man jetzt den Ratzinger wieder augraebt. Auch ich hbe andieser Verzweiflung Anteil, auch ich bin ein Verzweifelter.Und als verzweifelter Michmann habe ich mich jetzt an den Mosebachtext rangewagt um zu sehen, ob da auch fuer mich ein paar Tropfen Milch abspringen. Zurueck zur alten Messordnung,Latein und Priester mit dem Hintern Richtung Publikum? Mein Gefuehl sagt mir, eitles BlaBla, steckt nix hinter, kannste vergessen, no milk today. Mosebach nicht hilfreich, brauche ich hier in Italien keinem mit kommen.
Womit ich nun zu Quizfragen und Googlesuche ueberleiten moechte. Es taete mir leid, wenn Sie mit Ihrem Vorwurf gegen Winston Smith nicht ganz unrecht haetten. Fuer mich ist das hier keine Gara der (intellektuellen) Eitelkeiten. Wuerde mir als Michmann auch nicht gut anstehen. Ich lese hier bei SiN, ( regelmaessig), und bringe mich im Rahmen meiner sicher eng beschriebenen Moeglichkeiten -Milchmann-dann und wann mal ein. Es geht mir nur um die Sache, la causa, allles andere waere fuer mich Zeitverschwendung.

Winston Smith 78699

3. August 2016 10:56

@ Waldgänger aus Schwaben

Machen Sie doch bitte selbst ein Rätsel! Übrigens: wo habe ich behauptet, dass ich Mosebachs Schriften gut kenne? Etwas dort, wo ich behauptet habe, dass Faust 2 schlechte Literatur ist? Merken Sie was - etwa den Unterschied der (typisch deutschen?) Einstellungen hinter solchem Gemecker zu der sportlichen (eher britischen?) von Brettenbacher? Wenn Sie lieber sofort googlen, anstatt zu spielen, wie können Sie sich dann von Nemo Obligatur's "gehobener Langeweile" abgrenzen? Meinen Sie denn, Konservativismus könne sowas wie bräsige Butzenscheibengemütlichkeit sein, oder daß der Stolz auf Belesenheit zwischen Schwarzbier, Krautwürsteln und Kommersbuch irgendjemanden retten wird? Mit dem dick aufgetragenen vorletzten Satz in meiner Antwort an Breitenbacher meine ich auch etwas, sonst hätte ich ihn gelassen. (Apropos Kommersbuch: wer fällt eigentlich derzeit all diese Urteile zur geschmeidigeren Umvolkung? Sollten das etwa jene Farbenstudenten von dereinst sein? Was ist geschehen?)

der Gehenkte

3. August 2016 11:39

@firenzass

Das italienische il giornale hat vorgestern gross aufgemacht, aus dem Gedaechntis: „Die Profezeiung des Benedikt. Er hat alles gewusst“

Versuche schon lange, eine italienische Tageszeitung zu finden, die die Probleme auch benennt, und die ich bei meiner täglichen Presseschau einbeziehen kann, aber egal, wohin man schaut - La Repubblica, La Stampa, Panorama, il Corriere - überall der gleiche Brei. Il Giornale macht da einen Unterschied, ist aber ob der Berlusconi-Besessenheit unter Verdacht. Dort scheint man eher einen direkten einwandererfeindlichen Weg zu gehen. Allein das heutige Titelblatt stellt eine martialische "Hetze" dar.

firenzass, kennen Sie eine im Internet zugängliche Quelle? Oder einen Blog?

Den von Ihnen erwähnten Artikel kann ich nicht finden, oder ist dieser alte hier vom letzten Jahr aufgewärmt worden?
Grazie!

firenzass

3. August 2016 12:43

Der Gehenkte//il giornale.it vom 27.07.2016 "L'islam usa la spada non la ragione. Così Ratzinger ci....."
Das giornale kommt ein bisschen martialisch daher, ja. Da ich selbst kein "I"-Freund bin stoert mich die "I"-Feindlichkeit aber auch nicht sonderlich. Ich bin da nicht so zartbesaitet. Persoenlich kann ich auch der hier im Mainstream von SiN vorherrschenden "Intesa" nichts abgewinnen, wonach sich nur schlichtere Gemueter am "I" reiben ...da waere man hier schon weiter, jedoch: eine Wahrheit wird nicht dadurch unwahrer, dass man sie TSDmal wiederholt. Da halte ichs eher mit Lichtmesz: Coudenheuve_Kalergi haengt mir langsam zum Halse raus.
Das Konzept des giornale ist denkbar einfach: Sex, Gossip und die taegliche Chronik migrantischer Crimes als Aufmacher. il giornale ist nicht ueberparteiisch und auch nicht ueberpartelich. il iornale ist rechts und gehoert der Berlusconifamilie. Klar fliessen hier Partikularinteressen der Berlusconis mit ein, andersrum, ohne Berlusconis gaebe es das giornale garnicht. Ausserdem, il giornale ist bei der Aufdeckung der Schweinereien des politischen Gegners=Berlusconigegners hochinvestigativ. Eigene Interessen sind also nicht per se immer etwas Negatives.
il giornale ist eher deutschlandfeindlich und eher russlandfreundlich. und die Auslandskorrespondenten des "selbst" il giornale sind top und bestens vernetzt, erste Sahne, dagegen sind z.B die Italienkorrespondenten der FAZ Bremer, Piller oder auch diese Michaela Weigel fuer Frankreich arme Wuerstchen, sie sind nicht linked in, sie sind sconnessi, fanno pena.Allenfalls die Beitraege von Luca Steinmann bei il giornale, gleichwohl auch dieser eigentlich ein grosser Koenner, sind mit grosser Vorsicht zu geniessen. Redaktionslinie ist halt Deutschlandkritik und es soll tunlichst alles unterlassen werden, dass gemeinsame Elemente zwischen italienischer und deutscher Rechter hervorhebt. Und der LUca Steinmann ist halt dieser Linie treu. Steinmann war neulich in Schnellroda und hat sich dann ueber seinen, wie mir dann mitgeteilt wurde, unangekuendigten Besuch in Schnellroda auf dem dem giornale angeschlossenen Blog "gli occhi della guerra" sehr negativ eingelasssen. " So kommt also dem giornale, indem es die italienische Rechte einhegt und ihrenLesern Gemeinsamkeiten zu anderen nationalen Bestrebungen ausredet, auch eine bedeutende politische Rolle zu.
Was das giornale aber fuer mich wirklich interessant macht sind die vielen
Blogs, "anarchica","gli occhi..." "Luca Foa Blog"!, "giornale off" und die Tatsache, dass das giornale vom Mainstream verfemten Schreibern und Intelktuellen Asyl bietet, die sich haeufig mit Gastbeitraegen zu Wort melden. Das sind die Perlen hinter der martialischen Aufmachung.

der Gehenkte

3. August 2016 15:53

@firenzass

Sauber! Vielen Dank - das ist doch mal 'ne Ansage. Da habe ich 'ne Weile zu tun.

Zumindest dieser Luca Steinmann, der wohl auch für die "Welt" arbeitet, ist mir nicht ganz unbekannt. Er hatte letztens im Giornale ein cleveres und entlarvendes Interview mit einem Imam aus Nizza geführt, das man hier auch auf Deutsch lesen kann.

Sie scheinen sich ja sehr gut auszukennen. Halten Sie nicht hinterm Berg - gerne auch mal einen Literaturtipp: Theorie und italienische Mosebachs (um nicht gänzlich off topic zu sein).

firenzass

3. August 2016 16:41

@ der GehenkteNoch ein Wort zur "I"-Kritik auf il giornale. Mit der taeglichen fortgeschriebenen Chronik moslemischer Missetaten ist ja nicht nur Terror und Alltagskriminalitaet gemeint: es werden auf der einen Seite sehr genau die immer erfolgreicheren Versuche der Infiltration der Institutionen, der Parteien, der Kirche, der Gewerkschaften, der Justiz aufgezeigt, auf der anderen Seite eben am Beispiel von taeglich neu aufbereiteten Einzelfaellen die Menschen an den Pranger gestellt, die die Kirche, die Caritas, die Justiz an die Wand fahren und die Italiener langsam aber sicher entrechten und auf das Niveau von Parias herabwuerdigen. Ich nenne das mutig.
Was dabei den "martialischen" Auftritt und die "Hetze" angeht sehe ich das so. Wer soetwas als niveaulos beklagt betreibt Abrenzeritis. Das lehne ich ab.
Ausserdem, sehen Sie es auch mal so: Wenn das giornale auch nur einen Tag darauf verzichten wuerde "seine Wahrheit" aus dem Fenster zu schreien, dann wuerden morgen andere dieses (Meinungs-)fenster fuer immer zuschlagen. Nicht nachlassen, das ist die Devise.
Ich moechte noch sagen, dass einige Mitarbeiter des giornale aber auch von libero quotidiano immer wieder vor den Kadi gezerrt werden wegen Meinungs- und Hassverbrechen, und so. Es werden fantastische Gedlstrafen verhaengt mit dem Ziel die unbotmaessigen Journalisten wirtschaftlich zu ruinieren. Ich vermute mal so, dass die Berlusconis mit ihren unendlichen Mitteln da viele gute Werke verrichten. Ist aber, wie gesagt, nur meine Vermutung..

firenzass

3. August 2016 17:03

An die Redaktion, auch hier waere ich Ihnen dankbar wenn Sie mir noch einmal mit 2 Nachbesserungen zur Hilfe kommen koennten:
5. Zeile von oben Institutionen statt Insti.......
9. Zeile von oben Niveau..statt.......Nivea

Monika

3. August 2016 20:27

@firenzass

Danke für Ihre interessanten Ausführungen über den "einen Papst Benedikt".
Selbst der Islamische Staat unterscheidet zwischen Papst Franziskus und Papst Benedikt. In Dabiq 15 heißt es:
"Benoît XVI dit la vérité"
siehe da:
https://www.lefigaro.fr/actualite-france/2016/08/01/01016-20160801ARTFIG00185-break-the-cross-le-magazine-de-propagande-de-l-etat-islamique-cible-les-chretiens.php

P. S. Mit einer 6 in Kunst in Florenz zu leben, das ist nicht fair.
Ich hatte immer eine 1 in Kunst, liebe die italienische Renaissance und beneide Sie ( ein bißchen) .
Hochachtung vor dem Einsatz Ihrer Mutter. Das gefällt mir .

Lutz

3. August 2016 21:49

zu Winston Smith 78699
Dienstag, 2. August 2016, 17:30 (URL)

Kunst, denke ich. Wahrheit würde auch passen.

firenzass

4. August 2016 08:14

Monica zu le figaro : Wie wir sehen ist Franziskus fuer die ISIS Leute kein Gegner, er hat das Buch schon verlassen, einen Irrweg beschritten und ist aus Sicht dieser Moslems praktisch schon ein Unterworfener. Interessant allein, dass ISIS mit keinem Wort auf die Franziskusvision der Ein-Welt-Kirche eingeht. Lapidar heisst es, Dreifaltifkeit und derselbe Gott geht nicht.( die braven DaeshLeute wissen ja nicht, dass der gute Franz die Lehre von der hl. Dreifaltigkeit lieber heute als morgen ueber Bord werfen wuerde, wenn er damit den Moslems, "es sind ja unsere Brueder auf der Suche nach ein bisschen Glueck", einen Gefallen tun koennte). So richten sich in diesem Beitrag fur das Daeshmagazin die Vorwuerfe auch allein gegen diejenigen Moslems, die sich mit dem guten Franziskus auf einen "Dialog" einlassen.
Bevor Franziskus die Bildflaeche betrat wusste ich nicht, dass moralin-sauer noch steigerungsfsaehig ist. Franziskus hat ein klebrig suesse Verraeterstimme, bei der es einem eiskalt den Ruecken runter laeuft.
Es ist auch der im Irrtum, der glaubt, Giovanannino Guareschi haette mit seinem Don Camillo allein vor dem Kommunisten Peppone warnen wollen. Auch Peppone wird ja eigentlich mit viel Liebe gezeichnet, mit all seinen menschlisch allzumenschlichen Unzulaenglichkeiten. Der wahre Feind heisst Don Chicchi, der progressistische Priester,der ueber die Lande zieht und dem Volke die Vorzuege der Armut naeherbringen moechte. Eine verschrobene und linkische Menschenkarikatur, die all das vorwegnimmt, das uns heute mit Franziskus, den Bedford-Strohms, den "Bischoefinnen", dem Kardinal Woelki mit seinem zur Relique stilisierten Fluechtlingsboot wiederbegegnet und die uns heute ernsthaft die Armut als erstrebenswertes Ideal verkaufen moechten: das Blechkreuz des Franziskus.------
Die Benediktleute betrachten Franziskus als illegitimen Usurpator des Stuhle Petri. In seinem Buch "Non è Francesco" erklaert Antonio Socci, dass es bei der Wahl des Franz zu Unregelmaessigkeiten kam. Es wurden an einem Tag mehr Wahlgaenge als erlaubt zugelassen=die Kardinaele solange eingesperrt bis Franziskus rauskam=Wahl nach kanonischem Recht ungueltig. Ausserdem werden die Benediktleute nicht muede, darauf hinzuweisen, dass in der Kirchengeschichte alle Paepste, die entsagten wieder in den Kardinalsstand zuruecktraten, nicht so Benedikt, der Papst im Ruhestand. Es gibt also 2 Paepste. Welcher ist jetzt der echte? Fuer die Benediktianer ist der Fall klar.
Vielleicht wissen Sie ja, dass bereits Jean Raspail mit "Heerlager der Heiligen" den Dritte Welt Papst ankuendigt hat.

Auch die katholische Seherinnen und Seher reden von 2 Paepsten:
Katharina von Emmerich, "...und der Papst( der echte) hatte grosse Angst"
Auch Lucia von Fatima kuendigte fuer unsere Zeit den falschen Papst an.
Ich hielt diese Seherinnen immer fuer die hysterischen Stimmen einer lebendigen Volkskirche, die man gewaehren liess aber im Stillen belaechelte.
Weit gefehlt: diese Visionen werden zum Teil wie Offenbarungen behandelt
Noch mehr als es bei dem Polen Johannes Paul der Fall war kreisen die Gedanken des Benedikt immer wieder um die Weissagungen der Lucia von Fatima. Das hatte ich nicht gewusst und haette ich auch nie fuer meoglich gehalten.

Meier Pirmin

4. August 2016 10:40

@Monika. Ihren Ausführungen über die "Verräterstimme" und die angeblichen zwei Päpste fehlt die ausgeruhte zweitausendjährige Perspektive der Ecclesia Catholica, die schon immer zwischen jesuanisch und cäsarisch schwankte, wobei schwache Päpste weder das eine noch das andere waren. Netto sind die Aussagen von Papst Franziskus meist allzu dürftig, dass man von einem grossen Papst sprechen könnte, wie es zum Beispiel einst Leo XIII. war. Ratzinger war wohl der theologisch gebildetste Papst der Geschichte, jedoch seinerseits fast ohne Führungsfähigkeiten und insofern auch unfähig zu Reformen in der katholischen Kirche. Über sein Jesusbuch hinaus wird wohl seine Regensburger Rede in die Geschichte eingehen. Damals glaubte ich noch, Papst Benedikt habe sich undiplomatisch ausgedrückt, heute scheint mir, dass es die deutlichste Aussage zum Islam seit mehreren hundert Jahren war und auch eines der bedeutendsten Bekenntnisse zum Katholizismus in der gesamten Kirchengeschichte.

Die Frage, ob ein Pontifex, übrigens ein cäsarischer Begriff, ein Papst der Vorsehung sei oder als ein Papst der Zulassung zu erdulden sei, kann in der Regel erst hinterher beantwortet werden. Ein noch guter Papst war zweifelsohne Pius XI. mit seinen nicht ungeschickten Konkordaten mit Mussolini und dem Deutschen Reich sowie seinen Enzykliken Quadragesimo Anno zur Arbeiterfrage mit dem Subsidiaritätsprinzip sowie "Mit brennender Sorge" gegen läppischen und dümmlichen Pseudorassismus, damals beraten von Eugenio Pacelli, dem späteren theatralischen Papstdarsteller.

Der Papalismus, der mit und nach Pius IX. aufkam als Ersatz für die weltliche Macht des Papstes, hat der Kirche und der Christenheit mehr geschadet als genützt, was um 1870 schon der Schweizer Staatsphilosoph Philipp Anton von Segesser gesehen hat. Desgleichen vor ihm der Bayer Franz von Baader, einer der bedeutendsten Katholiken der Geschichte, wiewohl sich die Kirche von ihm distanzierte, unter dem Einfluss von Joseph de Maistre einen anderen Weg ging, es war eine Art katholischer Schmittianismus, was Carl Schmitt dann bei der Analyse politischer Theologie durchaus gemerkt hat. Man sollte den Nutzen und Schaden des gegenwärtigen Papstes nicht überbewerten. An der Dreifaltigkeit kann er nicht rütteln, sie besteht, solange das Kreuzzeichen und die Taufformel im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes weiterpraktiziert werden, wiewohl in der Regel ungenügend verstanden. Besser als die Dogmatik hat wohl Meister Eckhart dieses Glaubensgeheimnis erfasst und gedeutet, entsprechend in die europäische und deutsche Mystik als Grundlage abendländischen Denkens eingebaut. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dieses mystische Erbe die Existenz Deutschlands überdauert.

@Faust II. Es gibt Kommentatoren, die mit diesem Werk, dem bedeutendsten Beitrag der deutschen Klassik und Romantik zum Thema Kapitalismus (nebst Chamissos Peter Schlemihl) so wenig anfangen können wie gewisse illiterate Politaktivisten vor 80 und mehr Jahren, was ich möglicherweise etwas unfhöflich ausgedrückt habe. Deswegen wohl ist mein vorgestriger bildungskritischer Beitrag nicht publiziert worden. Mich störte auch der Vergleich von Faust II mit Mosebach, von dem ich freilich noch nichts gelesen habe, obwohl ich mich schon seit über 60 Jahren täglich an ein Buch heranmache. Es ist noch nicht erwiesen, dass Mosebach und generell diese Art Literatur im Moment gegen oder für den Zeitgeist noch etwas ausrichtet. Auch hob ich hervor, dass etwa Faust II, welches Grossdrama jeweils in Dornach bei den Anthroposophen ungekürzt aufgeführt wird, meines Erachtens auf einen humanistisch Gebildeten noch längst nicht so langweilig wirkt wie etwa eine der grösseren Wagner-Opern, von denen keine die geistige Substanz von einer Seite Faust II erreicht zu haben scheint.

Was sodann die Bedeutung von Faust II für den Kapitalismus betrifft, so möchte ich auf das Buch "Geld und Magie" des Oekonomen Hans Christoph Binswanger aus dem Jahre 1986 verweisen. Binswanger stammt noch, wie weiland Wilhelm Röpke, aus der Generation der umfassend gebildeten Oekonomen. Zu den bedeutenden Wirtschaftsdenkern aus diesem Geist gehörte auch der Religionsphilosoph Leopold Ziegler, Goethepreisträger, kurz nach Freud und Stefan George, verstorben 1958 in Überlingen und u.a. auch Träger des Bodenseepreises der Stadt Überlingen. Wenn ich mal alle Werke von Ziegler gelesen haben werde, kann ich mich dann wohl auch mal an die Lektüre von Mosebach machen.

Winston Smith 78699

4. August 2016 11:16

@ Meier Pirmin

Was man nicht alles für die Unterhaltung tut, oder? Nachdem dieser sechsseitige Nachruf geschlagene zwei Tage ohne einen Kommentar herumgelegen war und zwar nicht zu stinken, aber mir echt leid zu tun begonnen hatte - nicht mal über seine Länge regte sich jemand auf, und DAS hatte er nun wirklich nicht verdient -, überlegte ich mir eben, an welchen Stellen man ihn etwas anfackeln könnte. Mit Goethe hat's geklappt, merkwürdigerweise aber nicht mehr, als ich mit Hesse noch eins draufsetzen wollte, damit hier mal Rambazamba in die Bude kommt. Sie haben das wohlverstanden, wenn sie mir's ankreiden, dabei aber mit Wagner gleich die nächste heilige Kuh anstechen. Danke für die Parodie. Übrigens: wenn Sie mich mit "illiteraten Politaktivisten vor 80 oder mehr Jahren" gleichsetzen (Uiuiui, Godwin-Preis heute an Sie!), lesen Sie lieber schnell noch mal nach, ob ich Faust 2 wirklich mit Mosebach verglichen habe, oder nicht vielleicht doch vielmehr mit der Darstellung Mosebachs durch Seidel. Nix für ungut.

der Gehenkte

4. August 2016 12:05

@Monika

Ich fürchte, daß hier etwas hineingelesen wird, was in Wirklichkeit nicht drin steht. Die Begeisterung für Benedikt hält sich bei den IS-Leuten in Grenzen. Lediglich seine Einsicht, daß Demokratie und Islam nicht zusammen gingen, wird gewürdigt.

In Dabiq 15 steht:

Benedict XVI – the predecessor of Francis –
explained, for example, that democracy “contradicts
the essence of Islam, which simply does not have the
separation of the political and the religious sphere that
Christianity has had from the beginning” (Truth and
Tolerance). Despite being a liar, he certainly spoke the
truth on this issue – democracy undoubtedly contradicts
the essence of Islam – showing thereby that the
apostates from Islam, like many of the “imams” in the
West and teachers at so-called “Islamic” universities,
have less of an understanding of Islam than Benedict
the Disbeliever has.

Zu Franziskus:

So while Benedict
and many before him emphasized the enmity between
the pagan Christians and monotheistic Muslims,
Francis’ work is notably more subtle, steering clear of
confrontational words that would offend those who
falsely claim Islam, those apostates whom the Crusaders
found played the perfect role for their infiltration
into Muslim lands. While Benedict XVI met public
disapproval for quoting a centuries-old Byzantine emperor,
Francis continues to hide behind a deceptive
veil of “good will,” covering his actual intentions of
pacifying the Muslim nation. This is exemplified in
Francis’ statement that “our respect for true followers
of Islam should lead us to avoid hateful generalizations,
for authentic Islam and the proper reading
of the Quran are opposed to every form of violence”
(The Joy of the Gospel).

Meier Pirmin

4. August 2016 12:07

@Winston Smith. Ich schätze Sie nicht so ein, aber ich bitte Sie meinen Ärger betreffend Faust II, ein Werk, das ich seit 1963 regelmässig wieder lese, zu begreifen und dass man auf Ärger nicht immer objektiv reagiert, auch ich nicht, wie Sie nicht. Natürlich wollten Sie den Mosebach relativieren, was ich meinerseits angedeutet habe, wiewohl dies nicht mein letztes Wort sein kann. Hingegen freute ich mich über Ihre Bemerkung betreffend "heilige Kuh Wagner", was bei mir zwar die Begeisterung für den Fliegenden Holländer und anderes nicht ausschliesst. Aber mit dem Wagnerkult ab Parsival habe ich mindestens so viel Mühe wie damals Nietzsche. In diesem Sinn meinerseits "nix für ungut", dass ich Sie nun mal suboptimal wahrnehmen musste.. Den Kampf gegen das Illiteratentum in einem selber müssen wir natürlich alle führen, vielleicht dann zur Bekämpfung desselgben doch mal ein Originalwerk von Mosebach lesen. Wie gesagt, wird es mir aus verschiedenen Gründen dieses Jahr noch nicht möglich sein.

@Monika und alle Papstkritiker. Sofern dem Père Jacques Hamel von Saint-Etienne bei Rouen nicht private Verfehlungen nachgewiesen werden können, was ich nicht annehme, was aber bei einem Priester immer noch zu untersuchen bleibt vor Heilig- und Seligsprechung, hat er - unbeschadet politischer Irrtümer - in seiner Gesamthaltung viele Merkmale eines Heiligen. Er ist auch klar für die Kirche von heute spirituell repräsentativer und wichtiger als der Papst, so wie die Heiligen schon immer für die Kirche wesentlicher waren als die Hierarchen. Auch ein youtube-Porträt von ihm in der Sakristei, wie er dort singt, ist schlicht wunderbar, das ist mehr wert als eine Milliarde Kirchensteuergelder und alle Kirchtürme der letzten 100 Jahre. Zu bedenken bleiben seine letzten Worte, die aber dem Papst noch sauer aufstossen könnten. Er soll sie zweimal zu seinen Mördern gesagt haben: "Geh weg, Satan!" Fürwahr eine Jahrhundertformel. Als Bibel- und Dostojewskij-Leser glaube ich diese Worte richtig einschätzen zu können. Meines Erachtens sollte Père Jacques Hamel für seine Heiligsprechung von den verlangten zwei Wundern dispensiert werden, die Lage ist nämlich viel zu ernst für solchen Hokuspokus. Es ist aber völlig klar, dass so ein schlichter Landpfarrer - unter Vorbehalt dessen, was ich oben schon ausgeführt habe - das Wesen des mystischen Leibes Jesu und des Sakraments auf eine ganz andere Weise repräsentiert als die Päpste der letzten hundert Jahre. Am Ende sind natürlich das Vaterunser und das Hoc est enim corpus meum aber im übernatürlichen Sinne noch wichtiger als das "Weiche Satan!", was aber ernster gemeint war als alles, was zum Beispiel deutschsprachige Bischöfe und Bischöfinnen in den letzten 50 Jahren verbal abgesondert haben.

firenzass

4. August 2016 12:52

Meier Pirmin/der Gehenkte: eine kleine Richtigstellung:
der Monikatext ist von mir. Dabei antworte ich Monika auf ihren link, der nach le figaro ueberleitet. Dort wird die 15. Ausgabe des, ich nenne das jetzt mal so, Daesh Magazins besprochen, das sich schwerpunktmaessig an die Christen richtet. Daraus wird dann auszugsweise zitiert und besprochen.
Abgesehen davon, dass ich natuerlich nur das heraugehoben habe, das mir
erwaehnenswert scheint, kann ich nicht sehen, dass ich meiner Phantasie da irgendwo freien Lauf gelassen haette, Habe das gerade noch einmal auf le figaro nachgelesen. Geht auch nicht um Begeisterung fuer Benedikt sondern darum, dass Benedikt klare Ansage macht und das Feindprofil schaerft. Dad haben die Djihadisten gerne. Der schleimige Zuckerbaecker Franz ist nicht Fisch und nicht Fleisch, zu glitschig, oder, wie es in der jetzt von der Gehenkte vorgesllten englischen Ausgabe heisst, more subtle. Von subtil kann bei Franziskus natuerlich ueberhaupt keine Rede sein: diese verschlagenen Daeshbrueder schauen in den Spiegel und was sehen sie, Franziskus

firenzass

4. August 2016 13:20

zu Meier Pirmin und Jaques Hamel.
Der jetzt zutode gekommene Jaques Hamel verschwendete Jahrzehnte seines Lebens auf den "Dialog" mit dem Islam. Zum Schluss verschenkte er den Vorgarten der schoenen Kirche von St. Etienne an eine im Kern noch garnicht vorhandene islamische Gemeinde, auf dass die Moslems dort ihr Gotteshaus errichten moegen. Die Moslems fanden sich auch bald zahlreich ein und das verschlafene Fleckchen St. Etienne fand so durch das unermuedliche Wirken des guten Don Jaques endlich zu seiner Bestimmung.
Fuer die Katholiken wurde der Gang zur Kirche fortan zum Spiesrutenlauf und die Gemeindearbeit von den Moslems auf jede erdenkliche Weise behindert. Nicht, dass der Priester Jaques sich das irgendwie zu Herzen genommen haette.. In der Juniausgabe der katholischen Wochenzeitung Famille Chretienne gibt Jaques Hamel seinem Sprengel noch ein paar Zeilen mit in den Sommer: "....auch im Urlaub.....nicht nachlassen....fuer gerechte Welt...der Bruederlichkeit"
p.s. Diese Moschee stand dann wegen wahabistischer Umtriebe bald unter Beobachtung. Einer der Moerder des Jaques Hamel war da Stammgast.
Jaques Hamel hat seinen Tod also selbst gesucht um nicht zu sagen, er hatte seinem Tod ein Haus gebaut.
Jaques Hamel war der ewige Don Chicchi. Hier hat sich ein Mensch verrannt, sonst garnix.

Meier Pirmin

4. August 2016 14:41

@Firenzass. Sie wissen selber, dass, was man nicht selber recherchiert hat, im Zusammenhang mit der Lügenpresse und auch sonst nicht ernst nehmen kann. Was Sie schreiben, steht bloss im Netz und ist von Ihnen nicht selber recherchiert, fast wörtlich aus dem Internet abgeschrieben, ohne die geringste Ueberprüfung von Ihnen. Ich meinerseits werde nach Abschluss meiner gegenwärtigen Schreibprojekte, wenn möglich aber noch dieses Jahr, selber vor Ort hinfahren und mir diese Konstellation studieren. Falls ich einen Essay über den verstorbenen Pfarrer schreibe, so gewiss keine Zeile auf der Basis dessen, was man wie das meiste nicht zum Nennwert nehmen kann. Einstein sagte mal: "Ich bin auf Zeitungen angewiesen, ich weiss nicht was geschieht."

firenzass

4. August 2016 15:50

meier pirmin///Reise nach St. Etienne, auf die Idee muss man erstmal kommen.
Zu Netz und Luegenpresse: wenn mir der Faust dann morgen im Netz daherkommt soll ich dann wohl eine Reise nach Leipzig antreten um in Auerbachs Keller eine Ortsbesichtigung vorzunehmen.
Bis hierhin war natuerlich nur Spass, werter Meier Pirmin. Meine Herangehensweise
ist nunmal nicht die allerwissenschaftlichste, woher auch, zudem bediene ich mich oft des Stilmittels der ueberspitzten Formulierung, was auch nicht gerade fuer mehr Klarheit sorgt. Ich bin hier bei SiN eigentlich ja mehr Leser. Es ist ja, wie Sie wissen, selten der Fall, dass ich mal zur Feder greife. Mein kleiner Eingriff hier mit 7 Wortmeldungen soll eine Ausnahme bleiben,versprochen.
Internet oder nicht, ich bemuehe mich schon um soetwas wie Wahrhaftigkeit , wenn ich mich zu Wort melde und Wahrhaftigkeit ungleich Wahrheit, auch das wissen Sie ja.

Monika

4. August 2016 16:37

@Meier Pirmin
Ich finde es bemerkenswert, dass Sie nach St. Etienne fahren wollen.
Ich bin sicher, dass der Mord an Père Hamel eine Wirkungsgeschichte entfalten wird. Er wird schon jetzt zum Heiligen gemacht:
https://www.lanouvellerepublique.fr/Indre-et-Loire/Actualite/Economie-social/n/Contenus/Articles/2016/07/29/Un-peintre-tourangeau-offre-le-portait-du-pere-Jacques-Hamel-2796701
@firenzass
Ich weiß nichts über die Persönlichkeit dieses Priesters und seine Gemeinde.
Seinen Umgang mit Moslems. Es scheint mir aber von anderer Qualität als bei Kardinal Woelki gewesen zu sein.
Mit der gleichen Begründung könnte man sagen, dass auch Jesus seinen Tod selbst gesucht hat , oder ?

Um den Bogen zu Martin Mosebach zu schließen:
Die Ästhetik des Filmes " Von Menschen und Göttern" rührt mich mehr an als die Ästhetik eines lateinischen Gottesdienstes. Sinn und Form fallen zusammen: Unvergeßlich die Szene, wo die Mönche, um ihren nahen Tod wissend, "Schwanensee hören und Wein trinken" . Die Gesichter zwischen Todesangst und Auferstehung.
Geheimnis des Glaubens.
https://www.zeit.de/2010/50/Kino-Menschen-Goetter

der Gehenkte

4. August 2016 19:48

@Meier Pirmin

Über sein Jesusbuch hinaus wird wohl seine Regensburger Rede in die Geschichte eingehen.

Das würde mich brennend interessieren: Was hat Sie am Jesus Ratzingers derart begeistert, daß Sie es herausheben? Ich bin bei der Lektüre des Buches fast erfroren. Noch nie war mir Jesus ferner als durch Ratzingers umgestülptes Fernglas.

Winston Smith 78699

4. August 2016 21:51

@ Lutz @ Brettenbacher

Redlich gekämpft, umso größer der Kontrast. Ich hätte das nicht geschafft.

1:

Wirkliche Kälte hat etwas mit vollständiger Gerechtigkeit ge‐
meinsam. Sie vermag sogar als Stärke erscheinen und dämpft
zunächst auch die Empörung der anderen.

2:

Unter diesem Baum zu spielen und aufzuwachsen, in
der Gegenwart seiner friedlichen Größe – konnte ein solches
Jugenderlebnis nicht vor einer Kindheit im Hochgebirge be‐
stehen?

Ich habe beide Stellen absichtlich aus dem ersten Kapitel und nur aus einem Buch genommen, um eine gewisse Dichte von Gedanken anzuzeigen (und hätte noch mehr davon gehabt) - jene Dichte, von der Seidel zwar schreibt, sie aber leider nicht mit Beispielen schmackhaft macht , was meiner Ansicht nach der Hauptmangel des obigen Textes ist. Denn Seidel hat wohl im Prinzip recht mit Mosebach, aber dies eben uneschickt vorgebracht. Vorher kannte ich nichts von M., hatte nur von der Liturgiekritik gehört.

Meier Pirmin

4. August 2016 22:53

@der Gehenkte. Ausgerechnet was Ratzinger über Judas, den Gehenkten, schrieb, schien mir stark, und noch stärker die für einen Papst hohe Freiheit im Umgang auch mit einer durchaus kritischen Bibelbetrachtung, abseits von Fundamentalismus. Begeistert war ich freilich nicht, ich fand es aber gut, dass endlich mal ein Papst ein ganz normal erörterndes Buch über Jesus schreibt, und zwar auf vernünftige und vertretbare Weise, das mir mein eigenes Jesus-Verständnis nicht verbaut. Da ich Ratzinger 1972 in Freiburg begegnen durfte bei einer Tagung der Reinhold-Schneider-Gesellschaft, wo er sehr gut über den Menschenrechtler und Indianerbefreier Bartolomé de Las Casas sprach, höre ich beim Lesen jeweils seine durchaus feine Stimme. Ich kann wirklich weit mehr mit ihm anfangen als zum Beispiel mit Küng oder mit einem der gegenwärtigen Bischöfe, etwa Schönborn. Ich bin froh, dass es ihn noch gibt. Natürlich halte ich vom Ersten Korintherbrief und von Dostojewskijs Legende vom Grossinquisitor noch mehr, ausserdem orientiere ich mich nach den Forschungen meines verstorbenen Freundes Carsten Peter Thiede über Jesus, die oft, bis ins banale Detail, von frappierender Genauigkeit sind. Aber eines ist klar: Auch ohne den neuesten Stand der Exegese haben Meister Eckhart und Erasmus von Rotterdam und Blaise Pascal die christliche Substanz wohl tiefer erkundigt als alle Theologen von heute, es liegt gleichsam an ihrer religiösen Begabung, ihrer "Musikalität" sozusagen. Das mit dem umgestülpten Fernglas haben Sie vielleicht sehr treffend gesagt. Aber wie gesagt höre ich seine Stimme, wenn ich ihn lese.

Zu Mosebach, @Monika: Das klingt vielversprechend. Von Texten christlicher Autoren, deren Lebenszeit sich mit der meinigen überschneidet, bedeuten mir bis anhin am meisten "Winter in Wien" von Reinhold Schneider und "Das Lächeln des Buddha" von Alexander Solschenizyn. Dort wird ein Besuch der amerikanischen Präsidentenwitwe Eleanor Roosevelt im Moskauer Butyrka-Gefängnis geschildert, das für diesen Besuch zu einem Potemkinschen Dorf umgewandelt wird. Nach ihrem Weggang werden nicht nur die amerikanischen Zeitungen wieder eingezogen, auch die kurzfristig verteilten Bibeln. Ein Gefangener reisst die Bergpredigt aus dem Buch raus und verschluckt diese dann bei anschliessender Filzung. Meines Erachtens die stärkste literarische Darstellung des Abendmahlsempfangs als Empfang des Wortes Gottes, des Logos, der absolute Ernstfall von Kommunion. Einen so starken Text gibt es in der christlichen Literatur durchschnittlich alle hundert Jahre. Der Vorgänger war die Legende vom Grossinquisitor von Dostojeswkij aus den Brüdern Karamasow.

der Gehenkte

5. August 2016 01:31

@ Meier Pirim

Wenn ich das Buch jetzt, fünf Jahre danach, noch einmal durchblättere, dann verstehe ich plötzlich, weshalb es mich hat frösteln lassen. Ein Satz wie dieser, denn Ratzinger im Zshg. von Joh. 10.14f. fallen läßt - "Die Seinen sind in den trinitarischen Dialog (sic!) eingewoben" (327) - macht die Distanz deutlich, die er gewahrt wissen will.

Er schreibt für Leser, die in den hermeneutischen Kreis bereits hinein gesprungen sind; man muß sich in diesen inneren Diskurs schon eingeschlossen haben, um solche Gedanken goutieren zu können. Man wärmt sich dort am eigenen Feuer - aber es ist nicht meins. Ein Buch also, das einen Außenstehenden nicht einbeziehen kann. Aber ist das nicht von je her das Paradox des Gaubens? Des "Sprungs in den Glauben?"

Doch es gibt ja den Ausweg und das ist - Eckhart! Erasmus (und Pascal) im gleichen Atemzug? Das verstehe ich nicht.

Eine Zeit lang hat mir - unter den Neuen - Drewermann sehr viel bedeutet - heute menschelt er mir zu sehr ...

Danke!

Brettenbacher

5. August 2016 10:12

,@Monika, die da schreibet
"Die Ästhetik des Filmes “ Von Menschen und Göttern“ rührt mich mehr an als die Ästhetik eines lateinischen Gottesdienstes. Sinn und Form fallen zusammen: Unvergeßlich die Szene, wo die Mönche, um ihren nahen Tod wissend, „Schwanensee hören und Wein trinken“ . Die Gesichter zwischen Todesangst und Auferstehung."

Das MESSOPFER ist UNBLUTIG.
Ein Film, ganz sicher seine Aesthetik, ist auch unblutig. Ist er aber gut gemacht, kann er es machen "als ob".
Eine Messfeier ist aber gerade das nicht, ein "als ob". Sie ist Vollzug.
Freilich ohne uns in den Genuß markanter Männergesichter kommen zu lassen, die da faszinierend flackern zwischen "Todesangst und Auferstehung". (O, die Alten wußten schon, warum sie abgewandten Gesichts... .)
Es ist dieser - auch noch wertende - Vergleich von Film und Messopfer
so abgrundtief verfehlt, daß uns schwindelt.

Brettenbacher

5. August 2016 10:55

@Winston Smith

Wirkliche Kälte hat etwas mit vollständiger Gerechtigkeit ge‐
meinsam. Sie vermag sogar als Stärke erscheinen und dämpft
zunächst auch die Empörung der anderen.
2:
Unter diesem Baum zu spielen und aufzuwachsen, in
der Gegenwart seiner friedlichen Größe – konnte ein solches
Jugenderlebnis nicht vor einer Kindheit im Hochgebirge be‐
stehen?

Danke! Und da haben wir ja den ganzen Mosebach in nuce.
Mosebach ist ein großartiger Autor. Die uns so sanft anflutende Dünung seiner Prosa -möge sie nicht enden!- hat es sozusagen in sich; mag auch die Fühlung schläfernd sein dem einen, sieht ein andrer sich von Seegewürm und andrem Graus umglitten. Und das kann wechseln zwischen beiden.

Übrigens noch ein Sommerlesetip:
Es gibt da zwei prächtige, unvergessliche Figuren(die einzigen?) in der zeitgenössischen deutschsprachigen Literatu.
Antonia und "ihr" Alfred, den Langnasenaristokraten.
Schöne Stunden !

Meier Pirmin

5. August 2016 11:39

@Der Gehenkte

Eckhart: Wenn Sie da mal eingearbeitet sind, sehen Sie, dass die Frage nach der "Existenz" Gottes wohl falsch gestellt ist, weil es auf den Umgang der Seele mit sich selber ankommt. Wenn Sie mit Gott nichts anfangen können, dann kann Gott seinen Himmel behalten. So hat es auch Kierkegaard gesehen. Eckhart ist nicht nur eine ganz andere Liga als herkömmliche Dogmatik, zu schweigen vom Islam, er zeigt auch, dass der Buddhismus für Europa kein Angebot ist, weil Eckhart die buddhistische Substanz noch mit europäischem Intellekt übersteigt.

Erasmus: Schlicht der beste humanistische Schriftsteller (wohl nebst Montaigne) und der wohl bedeutendste Kritiker der Kirche aber jenseits des Lutherschen Fanatismus und der Dekrete des Konzils von Trient. Auch ein grossartiger Satiriker und so etwas wie ein Narr in Christo. Er war ein entschiedener Gegner des Krieges unter Christen, sah jedoch gegenüber dem Islam, den er keineswegs bloss kritisierte, für Europa jedoch eine Notwehrsituation gegeben. Letztlich kommt es aber darauf an, dass man die Texte richtig versteht, was aber doch nur dann hilfreich ist, wenn man selber etwas damit anfangen kann. Die schönsten Vergnügen im Leben sind geistiger Art.

Pascal. "Nous ne nous connaissons nour-mêmes que par Jésus Christ" und schliesslich die Pascalsche Wette. Da können Sie nicht sagen, Glauben sei für einen vernünftigen und mathematisch denkenden Menschen keine Option. Es gibt freilich neben dem Geist der Geometrie noch den esprit de finesse. Wenn Sie wollen, können Sie übrigens noch Kant, Nietzsche und Baader dazu nehmen. Kierkegaard habe ich schon genannt. Ob Mosebach hier mithalten kann, könnte interessieren, man müsste wohl mal einen guten Text von ihm lesen.

Winston Smith 78699

5. August 2016 13:08

@ der Gehenkte

Ein Buch also, das einen Außenstehenden nicht einbeziehen kann. Aber ist das nicht von je her das Paradox des Gaubens? Des „Sprungs in den Glauben?“

Können Sie mir das erklären? Ist dieser Sprung der von Kierkegaard? Als Protestant verstehe ich vom "Geheimnis des Glaubens" nicht so viel. Ich halte die christliche Lehre für alles andere als esoterisch. Sie ist nicht stufenweise zugänglich, jeder soll (seit Pfingsten ja ganz offiziell) die Mastercard mit Code haben, unabhängig von Herkunft, Sprache, Geschlecht, Bildungsstand.

Meine Meinung hierzu: Mohammed bekommt es mit einem wütenden Gläubiger zu tun und macht ihn zum Anhänger, in dem er ihn zur mystischen Bekehrung in seinen Mantel einwickelt. (Die geheimnisvolle Bekehrung des Saulus von Tarsus dagegen wird von Gott selbst vorgenommen und verantwortet.) Zwar gibt sich der Islam mit dem Bilderverbot, dem Buch als Grundlage und Lehrerlaubnis vordergründig logos-orientiert, aber die Lehre selbst ist dann hochgradig manipulativ und nicht rational nachvollziehbar, sie ist als Hypnosegeplapper ein Mißbrauch von Kulturtechniken (Sprache, Schrift). Der christliche Glaube hingegen beruht (bis auf die rätselhafte Stelle, wo Jesus etwas nicht Überliefertes in den Sand schreibt) immer auf sinnhaft-sprachlicher und nur in Ausnahmefällen anders zeichenhafter Offenbarung. Von Jesus als Kind gibt es zwar apokryphe Geschichten als Hexer, aber aufgenommen wurde eben jene, wo er lehrt und diskutiert, so dass er von Anfang an als Intellektueller auftritt. Vor allem was er später mit Worten tut, ist in dieser Form unerreicht, in gewisser Hinsicht auch von den Weisheitslehren des fernen Ostens (ansonsten wäre er eben sowas wie einer dieser vielen indischen Wunderheiler geworden - das Wunder ist ihm Markstein für das Wichtigere: die Lehre). Am nächsten kommt ihm vielleicht noch Äsop, denn auch seine Unterrichtungen sind philosophische Rätsel und Denkaufgaben. Als Rabbi ist ihm Kohelet vertraut und er spricht als historische Figur zu realen Gelehrten, die dessen Tiefe oder auch die griechische Philosophie kennen (schon allein wegen der Synkresie, aber dann auch in der Person von Pilatus gezeigt; überliefert wurde verständlicherweise eben das im Verhältnis dazu Andere, Neuartige). Ist nicht im Christentum die Freiheit des Willens und Handelns, auch zum Glauben selbst, unabdingbar für die Ethik und das Verhältnis des Gläubigen zu Gott? Glaube muß doch demnach auch Entscheidung sein und verstandesmäßig errungen werden können.

Winston Smith 78699

5. August 2016 21:27

@ Brettenbacher

Eine Messfeier ist aber gerade das nicht, ein „als ob“. Sie ist Vollzug.

Das ist der Kritikpunkt von Gregoy Bateson an den Protestanten. So "als ob" funktioniert Religion nicht, sagt er. Buch: "Angels Fear" oder "Wo Engel zögern". Das ist einer der Gründe, weswegen ich immer wieder mit Bateson komme. Ich habe ihn noch lange nicht verstanden, er ist für mich ein ganz ungebändigtes, wildes Monstrum.

Meier Pirmin

5. August 2016 21:44

@ Was den "Sprung" betrifft, so hat dieser tatsächlich, @Winston Smith, mit dem freien Willen zu tun, über den Erasmus in Abgrenzung zu Luther ein Buch schrieb. Das ist tatsächlich sehr grundlegend, wiewohl der freie Wille nie verabsolutiert werden sollte. Es ist der Besitz eines Spielraumes, innerhalb dessen der Mensch von sich selber und aus sich selber über sich selber bestimmt einschliesslich der dazu gehörigen Reflexion. Gut dass Sie Pilatus erwähnen, von dem im Jerusalem Museum eine Steininsschrift mit Namensnennung erhalten ist, keine Kleinigkeit für die Historizität auch des Prozesses gegen Jesus.

Meier Pirmin

5. August 2016 21:53

@Breitenbacher. "Das Messopfer ist unblutig." Nicht notwendigerweise, bei Thomas Becket war es nicht unblutig, er wurde am Altar ermordet, als er gerade die Wandlungsworte sprach; es war nicht unblutig bei Erzbischof Oscar Romero und zuletzt nicht bei Père Hamel in St. Etienne bei Rouen. Man könnte es als untypische Messen bezeichnen, waren es aber nicht, es waren die eigentlichen Messen, auf die man sich stets einstellen sollte. Kierkegaard spricht von der Situation der Gleichzeitigkeit mit Christus, was er die existentielle Situation nennt.

der Gehenkte

5. August 2016 23:44

@ Meier Pirmin @Winston Smith 78699

Es geht natürlich um Kierkegaards Sprung. Dabei handelt es sich wohl um eine Hegelsche Denkfigur der Dialektik und die Frage, die sich mir dann stellt, ist, inwieweit der Umschlag von Quantität in Qualität tatsächlich für den Glaubensbereich zutreffen kann, sind die Hegelsche wie die Marxsche Dialektik doch - wie mir scheint - Seinsdialektiken, beschreiben also den ontologischen Bereich.

Daher der Satz "Glaube muß doch demnach auch Entscheidung sein und verstandesmäßig errungen werden können." m.E. äußerst problematisch. Übrigens auch psycho-logisch, denn er würde doch bedeuten, daß mein fallibles "rationales" Sinnieren seinsrelevant oder theodizeerelevant sein müßte. Immer vorausgesetzt, daß wir Individuen sind die zudem nur mäßig in der Lage sind, den eigenen Verstand tatsächlich zu gebrauchen. Wer den Sprung tut, der wagt ihn "für-sich" und nicht "an-sich". Daß viele Gläubige das nicht sehen wollen oder können, bringt das Gespräch stets an diesen Rand - dort, wo eben der Glaube beginnt.

Wie der Glaube in den Menschen kommt, ist die alles entscheidende Frage: Mir scheint, weder Offenbarung, noch Ratio, noch Geworfenheit können ihn begründen.

Zu Eckhart und Buddha: Die Existenzfrage Gottes bei Eckhart - d'accord. Daß man ihn Buddha vorziehen kann, weil er uns das Übersetzungsproblem erspart, kann ich nachvollziehen. Aber seit drei Jahren besuche ich einen Theravada-Buddhistischen Lesekreis (nach Paul Debes) und dort würde man einen Satz wie: "daß der Buddhismus für Europa kein Angebot ist, weil Eckhart die buddhistische Substanz noch mit europäischem Intellekt übersteigt", mit Erheiterung aufnehmen. Streitbarere Geister könnten Ihnen sogar Eurozentrismus vorwerfen. Intellektuell dürfte Buddha unübertroffen sein und sein durch und durch rationales System kommt eben gerade zu dem Schluß, daß ein Sprung in den Glauben immer ein Sprung ins Ungewisse, wenn nicht Falsche ist. Buddha konnte auf den Glauben verzichten. Es gibt ein aufschlußreiches Buch von Hellmuth Hecker zum Komplex Buddha-Eckhart.

Monika

6. August 2016 09:08

In seinen Frankfurter Poetikvorlesungen 2006 , die bei Suhrkamp unter dem Titel "Ich" veröffentlicht wurden, hatte der hessische Schriftsteller Andreas Maier schon einem breiteren Publikum Rechenschaft gegeben über die Hintergründe seines Schreibens:

"Ich bin nur ein Mensch auf der Suche nach Worten, die längst schon gefunden sind, die im Matthäusevangelium schon alle dastehen, in perfekten logischen Sequenzen, schärfer, als Wittgenstein es je gekonnt hätte, eine erschöpfende Analyse dessen, warum wir falsch sind und warum wir .......

Lieber Pirmin Meier,
bleiben Sie an Ihrer Idee " Heiligsprechung Père Hamel" dran. Vor hundert 100 wurde ein anderer Priester in Algerien ermordet, Charles de Foucauld, der in Frankreich und in Algerien sehr verehrt wird:
https://www.heiligenlexikon.de/BiographienC/Charles_de_Foucauld.htm
Er wurde seliggesprochen.
Charles de Foucald lebte als Kind kurz im elsässischen Weißenburg. An dem Haus erinnert eine Plakette an ihn. Wenn Sie durch diese Region kommen, können Sie einen Abstecher zum Grab des Hl. Pirmin in Kloster Hornbach machen. Kurz vor der Grenze nach Deutschland können Sie in Volmunster im " Restaurant l' Argousier" himmlisch essen !
Und jetzt ein krummer Bogen zu Martin Mosebach. In dessen Roman "Westend" bin ich leider nicht vorangekommen, obwohl ich einen Bezug zu dieser Region habe. Ein anderer Schriftsteller, Andreas Maier' hat mit seinem Roman " Wäldchestag" ( das Frankfurter Nationalfest , Dienstag nach Pfingsten) , der in der Wetterau spielt, mehr Saiten klingen lassen.
Dieser Andreas Maier sieht im Matthäusevangelium schon alles gesagt.
Das stimmt. Und jetzt der Bogen zu père Hamal.
Weg mit dir Satan sagt Jesus, als er in der Wüste versucht wird.
Mt 4,1.

Heinrich Brück

6. August 2016 11:30

Wer nach Deutschland kommt, und seinen gesunden Menschenverstand durch den Zoll rettet, wird nicht lange warten müssen, und die Gottlosigkeit in den Beziehungen zwischen den Geschlechtern wird ihn anspringen. Alle anderen Probleme sind Fruchtfleisch und hängen mehr oder weniger an diesem Hauptproblem. Das Raubtier heißt Gottlosigkeit.
Wie Mann und Frau miteinander umgehen, zueinanderstehen, zeigt die Fehler der modernen Nichterziehung. Diese Nichterziehung überantwortet immer mehr der jeweils nächsten Generation dem Tod, und nur die Überlieferer können sich halbwegs retten.
Die zeitgenössische Literatur müßte sich mehr trauen. Die meisten Bücher der Gegenwart, die noch halbwegs lesbar etwas mitzuteilen haben, sind nach fünfzig Seiten gelesen. Inhalt und Form finden nicht zueinander.
Anstatt ihre Infektionsherde schonungsloser beschreiben zu können, und den Anspruch im Vergleich nicht scheuen zu brauchen, erzieht diese Zeit absichtlich eine Bildungslücke um an diesem Mangel zerbrechen zu müssen.
Der zivilisatorisch-technologische Fortschritt scheint der Untergang jeder gottlosen Kultur zu sein. Wer sich aber traut, aus der vorgegaukelten Sicherheit auszubrechen, wird inhaltlich in die Tiefe gehen müssen.

Meier Pirmin

6. August 2016 15:11

@danke Monika. Dass ich Heiligkeit bei P. Jacques Hamel für möglich halte, schliesst auf gar keinen Fall aus, dass ich bei ihm nicht nachzuahmende politische Irrtümer voraussetze, so wie es ein Irrtum von Franz von Assisi war, in Aegypten Muslime bekehren zu wollen. Es gibt auch sonst noch viele politische Dummheiten von Heiligen, was aber an ihrer menschlich-spirituellen Qualität nichts ändert. Beispielsweise ist Feindesliebe nicht mit der Leugnung oder auch nur Fehleinschätzung des Feindes zu verwechseln, sondern es funktioniert nur bei realistischer Einschätzung des Feindes. Usw, Geschichten von Heiligen sind nun mal komplexe Geschichten.

@Der Gehenkte. Der Glaube als "Sprung" markiert in der europäischen Philosophie eine klar irrationale Entscheidung, das ist überhaupt nicht die Auffassung z.B. von Thomas von Aquin, Augustinus und Pascal, sondern Kierkegaardscher existentieller Irrationalismus, allerdings ein legitimer Spezialfall des Religiösen. Das Credo quia absurdum ist indes so unkatholisch wie nur möglich, eben protestantisch, nur nicht gerade besonders aufgeklärt. In rationaler Hinsicht bedeutete Luther, abgesehen von seinem verdienstvollen philologischen Ansatz, in der Theologie klar einen Rückschritt hinter die Errungenschaften der Scholastik. (Noch gut bei Luther aber: der Glaube braucht einen Basis-Satz, man kann nicht gleich alles, was in der Bibel steht, wörtlich und gleich wichtig nehmen.)

Was Sie über den buddhistischen Leserkreis schreiben, ist interessant. Hier muss ich noch dazulernen. Bis jetzt kenne ich nur einen Asiaten, der meines Erachtens Eckhart verstanden hat, nämlich Takashi Ueda, sein Buch "Die Gottesgeburt in der Seele" las ich auf mein Doktorexamen über Mystik bei Prof. Alois M. Haas. Natürlich existiert das Übersetzungsproblem. Ich lasse aber Ihre Asiaten gerne lachen über die Errungenschaften des europäischen Rationalismus. Ohne diesen hätte es zum Beispiel nie eine japanische Luftwaffe gegeben, welche den japanischen Bomberpiloten ihre voluntaristischern Harakiriflüge bzw. Kamikazeflüge ermöglichte. Wie buddhistisch oder shintoistisch ist letzteres?

Ein faszinierendes Thema sodann, keineswegs eine weit hergeholte Frage: Warum hatte Cäsar keine Luftwaffe? Wäre Newton, auch ein grosser Religionsphilosoph, kenne in Asien keinen vergleichbaren, statt im 17. Jahrhundert gleich mit Eratosthenes etwa 2000 Jahre zuvor auf die Welt gekommen, hätte man eine Eroberung Germaniens durch die römische Luftwaffe schon nicht mehr ganz ausschliessen können. Ich fahre übrigens selber einen japanischen Personenwagen, weiss aber im Gegensatz zu Obama, der vor 7 Jahrfen behauptete, die Amerikaner hätten das Gefährt erfunden, sehr wohl, wo diese Idee geboren wurde. Ein Seniorenblog von Mannheim ärgerte sich damals sehr über Obama, schalt ihn einen Dummkopf für diese Aussage immerhin anlässlich einer State of Union-Botschaft.

Um endgültig von den Bäumen herunterzukommen, musste die Menschheit nun mal die europäische Rationalität passieren, wiewohl ich sehr frühe technische Errungenschaften etwa der Chinesen keineswegs in Abrede stelle und sogar aufrichtig bewundere. Hätte es diese Rationalität nie gegeben, wären mutmasslich auch Milliarden von Menschen jetzt nicht am Leben.

Natürlich hätte man aus der Sicht des Buddhismus, um glücklich zu werden, sehr wohl auf die europäische Rationalität verzichten können. Das würde ich nicht mal bestreiten. Aber der Buddhismus hat nicht mal einen Bernard Bolzano, ziemlich intelligenten Priester, hervorgebracht, geschweige denn einen Gottlob Frege. Ohne diesen auch keine digitale Revolution. Und es gibt auch keinen buddhistischen Descartes. Das sind meines Erachtens kulturelle, nicht rassische Zusammenhänge. Und selbstverständlich ist auch der intellektuelle Unterschied zwischen Mohammed und Paulus kolossal, obwohl letzterer selbstverständlich den Ansprüchen einer toleranten Gesellschaft in keiner Weise genügt.

firenzass

6. August 2016 19:07

Wenn sich Menschen Ihres Zuschnitts jetzt dazu hergeben, an der Legende des guten Frere Jaques mitzustricken?
Wenn Sie di vom Bischof von Rouen in Auftrag gegebene kleine Schmierenkomoedie, ( je suis Frere Jaques),um den sehr problematischen
Menschen und Geistlichen Jaques Ham(m)el so dankbar annehmen?
Wenn Sie sich weigern zur Kenntnis zu nehmen, was die Spatzen inzwischen von den Daechern pfeifen?
Wenn Sie, aus welchen Gruenden auch immer,-wer weiss das schon so genau-, diese laecherliche Scharade
um den heiligen Jaques mitspielen, der ja nix anderes war als eine weiterer der vielen bienenfleissigen Totengraeber, zu seiner und unser aller Verderben?
Dann fragt man sich langsam wirklich, wo Goetz Kubitschek sein EIN PROZENT noch hernehmen soll!!

der Gehenkte

6. August 2016 21:37

@ Meier Pirmin

Sie bringen es mit Bolzano auf den Punkt. Es gibt einige Weisheitslehren, die ihren Höhepunkt zu Beginn, mit dem Gründer erlebten und danach nur noch Verfall und Abklatsch sind und auch nicht mehr weiter entwickelt werden können, sondern nur noch verändert (verfälscht). Buddhismus und Kynismus sind die Idealbeispiele, Buddha und Diogenes sind unerreicht. Bolzano hingegen ist eine Stufe auf der Leiter die zu Frege, Husserl, Heidegger ... führte, fortschritt.

Inwieweit das Christentum auch darunter fällt, hängt von der Bewertung Christi ab. Wir sind also beim Thema "Fortschritt" - man denke hier in etwa an Evola, der sich auch mit dem Buddhismus beschäftigt hatte. Am Fortschritt gemessen, technisch verstanden, ist der Buddhismus freilich ein Atavismus. An der Perfektion gemessen, vielleicht das Vollkommenste System aller Zeiten.

Dieses doppelbödige Faß Fortschritt will ich jetzt nicht aufmachen. Ob er uns von den Bäumen herunterbrachte oder ins Grab bringen wird, ist noch nicht entschieden.

Vielen Dank für die Anregungen!

Götz Kubitschek

6. August 2016 21:40

feierabend!
gruß aus schnellroda!

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