„Naja, unprofessionell. Sollten ja neun Schulstunden sein, ist so gefordert, der Kerl hat das aber in zwei Vollstunden durchgezogen. Wegen ´dem Klima´, sagte er.“ – „Uns sonst?“ – „Naja, ein Syrer war mit dabei. Also, ich sag mal ‘Syrer´, ich hätte es eigentlich gern genauer gewußt. Der konnte aber überhaupt kein Deutsch, kein Wort.“
„Und, war das nicht ein Problem?“ – „Na, voll! Das alles lief ja verbalisiert ab, größtenteils. Der brauchte das für’n Führerschein. Der Fahrlehrer hatte mich gebeten, ihm wichtige Sachen zu übersetzen. Stellte sich aber heraus, daß der kaum Englisch konnte.“ – „Ah, witzig. Aber Geld für´n Führerschein?“ – „Ja, sehr komisch. Superteure Klamotten, richtig gestylt, neuestes Smartphone, das war dauernd in Gebrauch.“ – „Vielleicht wegen Übersetzungshilfe?“- „Nee, das garantiert nicht, das war mit Musik.“
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25. August 2016 – Als wir letzthin an unserer „geheimen“ Badestelle schwimmen gingen, schlugen sich drei, vier Familienmitglieder zunächst mit Sammelkörbchen in die Brombeeren. Ich mit drei Töchtern wählte Freizeit: gleich rein ins kühle Naß. (Unsereins trägt übrigens seit vielen Jahren ein sittsames Badekleidchen, ein Zwischending zwischen Bi- und Burkini also.) Daß sich ein Typ (Typ: „ junger Syrer“) am Rande unserer Einstiegsstelle niedergelassen hatte, bekam ich am Rande mit. Na und!, ich kraulte los.
Hörte dann aus weiter Entfernung, daß es da draußen einen Disput gab, gellende Stimme der Ältesten, die allein noch am Ufer war: „Dann hau ab! Hau einfach ab!“ Ich machte mir keine großen Sorgen, die Tochter ist stark und hat als Kräutersammlerin (große Portionen Pfefferminze waren bereits im Stoffsack) seit frühester Jugend immer ein scharfes Messer dabei. Der Typ gab aber leise Widerworte und blieb hocken, also kehrte ich um. Der Kerl verschwand, bevor ich das Ufer erreichte. Tochter erzählte, der habe sich „untenrum“ manipuliert und „ I just look, just look“ gesagt.
Heute sind wieder „Syrer“ an der „geheimen“ Badestelle, Mücheln hat sich in den letzten achtzehn Monaten ja stark verändert. Nun waren es aber echte Syrer, Kurden, Mann und Frau. Man kommt ins Gespräch. Akademiker. Er kann sehr passabel deutsch. Interessiert mich: woher sie kommen, wie es ihnen gefällt, welche Perspektiven sie sehen. Töchter lauschen dem Dialog und werfen sich Blicke zu, als das Gespräch „Tendenz“ bekommt.
Der freundliche Syrer antwortet stromlinienförmig: Doch, die Leute hier seien sehr nett. Überhaupt seien alle Leute im Kern nett, insofern gäbe es keine Unterschiede. Es gäbe ja nur eine Welt, und wenn es überhaupt Unterschiede gäbe, dann aufgrund mangelnden Wissens. In Wahrheit seien wir ein globales Dorf, und diese Einsicht müsse sich durchsetzen. Wir hätten alle ein Herz und eine Seele, und… Daß ich an diesem Punkt innerlich unwillig werde, liegt daran, daß sich just ein Ohrwurm eingeschlichen hat in „mein Herz und meine Seele“, nämlich We are the world, we are the children, und ich kann solchen Säuselpop nicht leiden.
Ich verlasse die Uferzone und schwimme los: „Na los, es ist schön warm! Wagen Sie es!“ Er: „Oh nein, für uns ist das zu kalt!“ Tochter, die griesgrämige, folgt mir und schaltet sich ein: „Na sehen Sie, es gibt halt doch Unterschiede.“ Sie bleibt übertrieben lang drin, ihr blonder Schopf verschwindet irgendwann zwischen den Booten in der Seemitte. Klarer Fall von Temperaturerhöhung.
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26. August 2016 – Es ist schon einiges geschrieben worden über den neuen Ikea-Katalog und diese gefühlsduselige Masche, den Käufer („Du“) in eine globale, ästhetisch verkürzte Weltfamilie einzuladen. „Zuhause kannst du deine Individualität rundum ausleben. Im IKEA Katalog 2017 findest du jetzt jede Menge Inspiration und Produkte, die genau zu dir passen.“
Genau zu D i r! Das numinose individeuelle Ich & Du ist gleich auf dem Katalogcover abgebildet, eine multikulturelle Truppe tafelt hier. Eine üppig dunkelgelockte Weiße wirft einer tiefdunklen Rastafrau schelmisch eine Sentenz zu, die antwortet keck und mit hochgerecktem Kinn mit einer Gegensentenz, derweil der vollbärtige „Syrer“ wissend und schelmisch in sich hineinlacht.
Von der Blondine mit lockerer Flechtfigur sehen wir nur den Rücken, aber sie wirkt durchaus beteiligt und eingebunden. Kerzen erhellen die Szenerie, eine Gitarre steht bereit, gleich wird es bedeutsame, wenngleich entspannte Weltmusik geben. Alles ist okay. Ikea bietet auch Unkonventionelles an für draußengrillende Familien („Diese Schale wurde für alle entworfen, die nicht nur am Esstisch essen“).
Und natürlich werden alle Farben abgebildet, Menschenfarben, ich meine: geistige. (Ich meine so flapsig: “Naja, ein paar Behinderte fehlen…” – “Quatsch. Hier fehlen Nichtbehinderte!”) Hier haben sie zum Beispiel, defintiv non-handicapped Alain de Benoist gewinnen können, der sich gerade von einem Asiatenkind einen flauen Witz erzählen läßt. Lachen hält jung, wie man sieht.
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27. August 2016 – Ein Jörg hat einen Artikel geschrieben. Über „Bionazis von nebenan“. Gemeint sind Leute, die sich „als Ökobauer, Schmied oder Imker ausgeben“ (!), in Wahrheit aber „Dorfstrukturen unterwandern und rechtsextremes Gedankengut verbreiten“ wollen. Eine anonyme sechzehnjährige Aussteigerin berichtet (und „beginnt zu weinen“): Von der Hakenkreuztätowierung auf dem Rücken der Mutter (als „Freundinnen“ das „entdecken“, „laufen sie entgeistert weg“) , von einem Kalenderblatt des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP, das herumhing, von Schlägen, Zwangszopfflechtungen und der Aufforderung „möglichst viele arische Kinder zu bekommen“.
Weiter geht es um Kinder, die nicht mit Lego spielen dürfen, sondern das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 aus Sperrholz sägen müssen. Soll man drüber lachen oder weinen? Es hängt wohl vom Wahrheitsgehalt dieser Schilderungen ab.
Jedenfalls werden auch wir in diesem Großartikel, der dieser Tage von zahlreichen Lokalzeitungen gedruckt wurde, „zur Bewegung“ gezählt. „Auch Kubitschek lebt in völkischer Siedlertradition mit seiner kinderreichen Familie auf einem Gut in Schnellroda in Sachsen-Anhalt.“ Ich ergänze: der Kerl gibt sich als „Verleger und Publizist“ aus.
Brandeburger Sandstein
Episch: "i just looook"...dass das schon draußen bei euch in der Provinz passiert sollte so langsam den Stein ins Rollen bringen. By the way..sollte Ihre Tochter mal das Minzemesser nicht dabei haben, sie soll einfach in den See hoppen wenns zuviel wird. Hab gehört die meisten Einwanderer sind zumeist ganz miese Schwimmer..
ps: Kolumne jetzt zum zweiten mal einfach spitze! Geht doch :P