Obamas Buchenwald

Sind das nicht ergreifende Bilder? Der Präsident der USA und die deutsche Kanzlerin schreiten Seite an Seite, in trauerschwarzen Anzügen und mit getragenen Mienen durch das menschenleere Gelände des Konzentrationslagers Buchenwald.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Schwei­gend pas­sie­ren sie den Tisch mit den zwei Schrumpf­köp­fen, den Lam­pen­schir­men aus tatö­wier­ter Men­schen­haut und einem Aschen­be­cher aus Menschenknochen.

Beglei­tet wer­den sie von zwei wür­di­gen alten Her­ren, eins­ti­gen Insas­sen des Lagers. Einer nach dem ande­ren legt jeweils eine fahl­gel­be Rose vor einer Gedenk­ta­fel nie­der und ver­harrt her­nach still, wie ins Gebet ver­sun­ken. Die Kame­ra­au­gen von Pres­se und Fern­se­hen hal­ten jeden Moment fest, über­tra­gen live: fer­tig ist die Ikone.

Ein Ahne des Prä­si­den­ten war bei der Roten Armee und hat einst die­sen Ort des Schre­ckens mit eige­nen Augen erblickt; dar­ob wur­de er sei­nes Lebens nicht mehr froh. Schon betrach­ten die “Über­le­ben­den” den Prä­si­den­ten bei­nah als ihren “Enkel­sohn”, wie Vol­ker Knig­ge, der Lei­ter der Gedenk­stät­te Buchen­wald, dem ame­ri­ka­ni­schen Sen­der CNN gegen­über erklär­te. Man sieht, wie ergrif­fen der Prä­si­dent ist, und wie schwer er die­ses Erbe und die Ver­an­wor­tung nun auch auf sei­nen Schul­tern las­ten fühlt.  Die­ser Ort ver­pflich­tet ihn, wie schon sei­ne Ahnen für eine bes­se­re demo­kra­ti­sche Welt zu kämp­fen, in der Ras­sis­mus und Into­le­ranz kei­nen Platz mehr haben.

Als er geen­det hat, ergreift, angeb­lich unge­plant, einer der bei­den alten Her­ren das Wort; die­ser alte Herr mit dem bit­te­ren Gesicht, dem trau­ri­gen Blick und der wehen­den grau­en Haar­mäh­ne ist nicht irgend­ein alter Herr, nicht irgend­ein stink­nor­ma­ler “Über­le­ben­der”.

Nein, die­ser alte Herr hat einen Nobel­preis gewon­nen, und steht an der hier­ar­chi­schen Spit­ze des inter­na­tio­na­len Opfer­adels des “Holo­caust”, von dem er pro­fun­de Din­ge zu erzäh­len weiß, etwa daß er “in die Fins­ter­nis führt”, “alle Ant­wor­ten ver­wei­gert”, “außer­halb, wenn nicht jen­seits der Geschich­te liegt”, “sich dem Wis­sen wie der Beschrei­bung wider­setzt”, “nicht erklärt oder bild­lich vor­ge­stellt wer­den kann”, eine “Zer­stö­rung der Geschich­te” sei und “das tiefs­te Ereig­nis, das tiefs­te Mys­te­ri­um, das nie­mals ver­stan­den, das nie­mals dar­ge­stellt wer­den kann”.

Wer aller­dings wie der alte Herr, Elie Wie­sel sein Name, durch eine solch unver­gleich­li­che Höl­len­fahrt gegan­gen ist, ist einer höhe­ren Pries­ter­schaft wür­dig.  Nor­man Fin­kel­stein weiß zu berich­ten, daß Elie Wie­sel für ein Stan­dard­ho­no­rar von 25000 Dol­lar bereit ist, das Unau­sprech­li­che in Wor­te zu fas­sen, etwa in die Erkennt­nis,  daß das “Geheim­nis” der “Wahr­heit” von Ausch­witz “im Schwei­gen liegt”.

Vor lau­fen­der Kame­ra erklärt die­ser Mann, den der Prä­si­dent sei­nen “Freund” nennt, daß er “gro­ße Hoff­nung” in Barack Oba­ma set­ze, damit eine “new moral visi­on of histo­ry” Wirk­lich­keit wer­de, was die Zeit über­setzt mit: “Oba­ma wer­de gebraucht, damit sich Gescheh­nis­se wie zur NS-Zeit nicht wie­der­ho­len könn­ten.” Der offi­zi­el­le Segen ist aus­ge­spro­chen, der Holo­caust-Papst hat den Kai­ser gekrönt, die Mis­si­on ist weitergereicht.

Hat man noch etwas ande­res gese­hen? Etwa wie jener libe­ra­le Blog­ger, der Elie Wie­sel für einen “gro­ßen Mann” und Oba­ma für einen Nar­ziß hält:

So etwas habe ich noch nicht erlebt. (…)
Oba­ma wand­te sei­ne Auf­merk­sam­keit aus­schließ­lich Wie­sel zu. Mer­kel wür­dig­te er kei­nes Bli­ckes. Ihre Ver­su­che, sich am Gespräch zu betei­li­gen, schei­ter­ten offensichtlich. (…)
Nicht anders war es, als man spä­ter in einer Grup­pe zusam­men­stand. Oba­ma unter­hielt sich mit den ande­ren. Mer­kel stand außer­halb, wie ein dum­mes Schul­mäd­chen. Manch­mal kehr­te ihr der Prä­si­dent im Wort­sinn den Rücken zu. Mer­kel ver­such­te mehr­fach, sich ins Gespräch ein­zu­schal­ten. Die Reak­ti­on Oba­mas war exakt null. Kei­ne Ant­wort, noch nicht ein­mal eine mimische.

So habe ich Ange­la Mer­kel auch gese­hen, und mit den übli­chen aus Mit­leid und Ver­ach­tung gemisch­ten Gefüh­len. Ver­mut­lich hat­te Deutsch­land nie ein hün­di­sche­res, wür­de­lo­se­res Regie­rungs­ober­haupt als Mer­kel. Ihre Phy­sio­gno­mie spricht Bän­de. Die eigen­tüm­li­che Mischung aus knet­wei­cher, tan­ten­haf­ter Ein­falt, beflis­sen-bös­ar­ti­gem Kon­for­mis­mus und keu­chen­dem Natio­nal­ma­so­chis­mus macht sie zum fleisch­ge­wor­de­nen Ava­tar des bun­des­deut­schen “Schuld­stol­zes”.

Oba­mas Arro­ganz gegen­über der unter­wor­fe­nen Süh­ne­deut­schen, die er und Elie Wie­sel vier­und­sech­zig Jah­re nach dem ame­ri­ka­ni­schen Sieg gleich­sam an einer unsicht­ba­ren Lei­ne hin­ter sich her­trot­teln las­sen und als Büßer­fi­gur vor­füh­ren, ist nur all­zu ver­ständ­lich. Sie ist der per­fekt abge­rich­te­te, rück­grat­lo­se deut­sche Vasall, in den Wor­ten Oba­mas ein “valued ally”.

Mer­kels betrof­fen­heits­zer­furch­tes Gesicht, das sie bei Elie Wie­sels schmal­zi­ger, gemein­platz­ge­sät­tig­ter Rede auf­setzt, ist bei­nah noch weni­ger erträg­lich, als die­se selbst. Es ist jäm­mer­lich mit­an­zu­se­hen, wie sie vor die­sem rou­ti­nier­ten, eit­len und mäch­ti­gen Schnul­zen- und Hei­li­gen­dar­stel­ler in die Knie sinkt. (Wer an Wie­sels tat­säch­li­cher Rol­le im “Shoa Busi­ness” noch zwei­felt, schla­ge bei Nor­man Fin­kel­stein, Peter Novick und Tova Reich nach.)

Oba­ma, Mer­kel, Wie­sel: alle drei sind sie Schau­spie­ler in einem offen­sicht­lich vom Gast – und nicht vom Gast­ge­ber! – effekt­voll insze­nier­ten, poli­ti­schen Ritu­al, und Mer­kel ist dar­un­ter wohl die am wenigs­ten rou­ti­nier­te, gut­gläu­bigs­te, die wohl gar nicht mehr weiß, ob sie heu­chelt oder auf­rich­tig ist, frei nach Ador­no: “Ein Deut­scher ist ein Mensch, der kei­ne Lüge aus­spre­chen kann, ohne sie selbst zu glauben.”

Um das Schmie­ren­thea­ter kom­plett zu machen, führ­te der Spre­cher des ZDF den Auf­tritt Wie­sels mit den Wor­ten ein:

Man hat der Kanz­le­rin ange­se­hen, wie­viel Mühe man sich geben muß, um die rich­ti­gen Wor­te und den rich­ti­gen Ton zu fin­den, wenn man gera­de in den Abgrund geschaut hat und das Grau­en ver­steht, das Men­schen Men­schen berei­tet haben. Wie muß das erst für jeman­den sein, der sich das Furcht­ba­re von damals nicht vor­stel­len muß, weil er es selbst erlebt hat. Wie Elie Wie­sel, der aus sei­ner Erin­ne­rung ein Leben für den Frie­den gemacht hat und zu einer Stim­me des Gewis­sens wur­de, vor allem für Amerika.

Nun: Wer glaubt denn im Ernst noch an eine sol­che Kit­sch­rhe­to­rik? Heu­che­lei, Mani­pu­la­ti­on, Lüge, Kulis­sen­schie­be­rei haben ein uner­träg­li­ches Aus­maß erreicht.  Es ist Zeit, des Kai­sers neue Klei­der zu benennen.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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