Das war’s. Diesmal mit: Extremismusgeschwätz, obligatorischer Stromlinienförmigkeit von Preisträgern und pochenden Herzen von Toten

20. 10. 2016 -- Sind mit der ältesten Tochter für ein Buchmessenabendessen verabredet.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Sie reist län­ge­re Stre­cken immer per Anhal­ter. Da ist Pünkt­lich­keit Glücks­sa­che. Dann ein Anruf von ihr: „Kam super durch. Jetzt steh ich an der Stadt­gren­ze Offenbach/Frankfurt. S‑Bahn-Tun­nel ist bis auf wei­te­res gesperrt. Angeb­lich Bombendrohung.“

Ich: „Na gut. Hal­te durch. Und: Laß dich bit­te in kein Atten­tat ver­wi­ckeln.“ Kubit­schek ist begeis­tert. Das sei ein wahn­sin­nig guter Titel für ein Buch­pro­jekt über naiv-besorg­te Eltern. “Jetzt bloß nicht rum­er­zäh­len, sonst schnappt uns den jemand weg!”

– – – – –

21. 10. 2016 – Lese in der taz, daß die Buch­mes­sen­leu­te den Jun­ge-Frei­heit-Stand wohl absicht­lich umpla­ziert haben:

Die Frank­fur­ter Mes­se setzt offen­kun­dig auf inhalt­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit radi­ka­len und extre­mis­ti­schen Posi­tio­nen. Die Mit­ar­bei­ter der Jun­gen Frei­heit bli­cken auf der Mes­se tag­ein, tag­aus auf den geräu­mi­gen Stand der Ama­deu Anto­nio Stif­tung. Dort leuch­ten gro­ße gel­be Pos­ter mit dem Slo­gan „Kein Ort für Nazis“.
Die Jun­ge-Frei­heit-Leu­te schau­en auch auf die Panels des Comics „Drei Stei­ne“ des Dort­mun­ders Nils Oskamp, das die Stif­tung nun mit einem didak­ti­schen Teil ver­se­hen in einer neu­en Fas­sung her­aus­ge­bracht hat. Dar­in schil­dert der Ich-Erzäh­ler Oskamps Gewalt­er­fah­run­gen in den acht­zi­ger Jah­ren: „Ich sag­te mei­ne Mei­nung gegen Nazis, das hät­te mich fast umgebracht.“

Mei­ne Güte, wie ver­dammt cool ist das! Die­se Asso­zia­ti­ons­ket­te JF- extre­mis­tisch- Nazis-fast­um­ge­bracht! Was nicht paßt, wird…

Die gro­ße Toch­ter tut sich um bei den Ama­de­us, die einen Müll­ei­mer pla­ziert haben, aus dem eini­ge Jun­ge Frei­hei­ten ragen. (Sie nen­nen es: Mut.) Die Mitarbeiter_ innen sind wahn­sin­nig freund­lich und ant­wor­ten auf die nai­ve Toch­ter­fra­ge, wie sich „das anfüh­le“, neben der JF pla­ziert zu sein, daß dies ja kei­nes­wegs unab­sicht­lich sei. „Du mußt wis­sen, die da [sie mei­nen in der Tat die JF] grei­fen Staats­kne­te in Rie­sen­hö­he hab, da muß man schon Gesicht zei­gen!“ Ich: „Und, was hast Du ent­geg­net?“ – „Ja. Blöd. Aber dazu ist mir echt nichts mehr eingefallen.“

– – – – –

22. 10. 2016 – Mei­ne eige­nen Favo­ri­ten für den Deut­schen Buch­preis 2016 stan­den lei­der nicht zur Debat­te. Hätt’ ich aus der soge­nann­ten Short­list wäh­len dür­fen, ich hät­te gesagt: Tho­mas Mel­le. Aber nein: Bodo Kirch­hoff, uäh… Der gäbe frei­lich (rein ideo­lo­gisch) eine schö­nes Paar ab mit der Gewin­ne­rin des Frie­dens­prei­ses des Deut­schen Buch­han­dels, Caro­lin Emcke. Als olle Loo­kis­tin wun­de­re ich mich nicht, daß Kirch­hoff, der knapp Sieb­zig­jäh­ri­ge, auf der Buch­mes­se dick­soh­li­ge Turn­schu­he trägt.

Ich zitie­re aus der FAZ vom 12. 10. 2016. Es geht in die­sem Inter­view um den preis­ge­krön­ten Kirch­hoff-Roman mit dem bedeu­tungs­schwan­ger-gestelz­ten Titel Wider­fahr­nis und des­sen Prot­ago­nis­ten Reither.

Kirch­hoff: Als schließ­lich auch noch die jun­ge Frau des Nige­ria­ners mit ihrem Baby auf dem Arm auf­taucht – als hei­li­ge Fami­lie, wenn man so will -, ist das für Reit­her noch so ein Moment von Wider­fahr­nis. In die­sem Augen­blick beugt er sich end­gül­tig dem, was ist, und nimmt die Gemein­schaft an.

Als Reit­her Leo­nie Palm kurz dar­auf durch Zufall am Bahn­hof wie­der­trifft, über­gibt sie ihm den Schlüs­sel zu ihrer Woh­nung. Sie sagt: „Lass sie in mei­ne Wohnung.“

Kirch­hoff: Das ist gleich­be­deu­tend mit: „Lass sie in unser Land.“ „Wider­fahr­nis“ ist also nicht nur eine Geschich­te über das Über­le­ben, son­dern auch über das Zulas­sen von Leben.

Sie erzäh­len von Reduk­ti­on und Fül­le. Wer sagt uns, wann wir Fül­le zulas­sen sol­len und wann reduzieren?

Kirch­hoff: Das ist die Fra­ge! Wer sagt uns, wie weit wir die Gren­zen öff­nen sol­len? Es ist die Geschich­te mit der Ober­gren­ze. „Wider­fahr­nis“ ist eine Para­bel auf all das. Man kann das, was uns allen hier gera­de wider­fährt, nicht auf eine Zahl redu­zie­ren, wie es die poli­tisch-katho­li­sche Sei­te tut. Das ist für mein Gefühl zutiefst unchrist­lich. Mer­kels Vor­ge­hen hin­ge­gen ist gera­de­zu luthe­risch, sie beugt sich der Grö­ße des Fak­ti­schen durch eine Tat, die für mich eher pri­vat als poli­tisch moti­viert war. Eine hoch­in­ter­es­san­te Sache, die bis­her gar nicht so kom­men­tiert wurde.

Haben Sie beim Schrei­ben von „Wider­fahr­nis“ eine Ant­wort auf die Fra­ge gefun­den: Wie weit sol­len wir uns öffnen?

Ich habe erst ein­mal eine Spra­che gefun­den, um über­haupt über das, was gera­de pas­siert, reden zu kön­nen. So dass auch ich etwas zu die­ser außer­ge­wöhn­li­chen wie dra­ma­ti­schen Situa­ti­on bei­tra­gen kann. Ich glau­be schon, dass wir uns ändern wer­den. Dass wir uns ändern müs­sen. Auch als Land. Die­ses Land kann nicht blei­ben, wie es ist. Am Ende des Buches lässt Reit­her die Fül­le zu.

Bedarf es einer gewis­sen Rei­fe oder Ein­sicht, bis man sich traut, die Ver­än­de­run­gen anzunehmen?

Es bedarf einer tief­grei­fen­den, inti­men Erfah­rung. Die Lie­be macht uns weich und durch­läs­sig. Das ist eine Grund­vor­aus­set­zung, um über­haupt eine Ver­än­de­rung zuzu­las­sen, um das Neue oder schein­bar Frem­de auf­neh­men zu können.

Das Tra­gi­sche ist ja, daß wir uns sol­che Äuße­run­gen gar nicht mehr ohne sogleich her­nie­der­pras­seln­den Preis­re­gen vor­stel­len kön­nen… Kirch­hoffs letz­ten Satz abge­wan­delt und auch auf Emcke bezo­gen: “Das lei­den­schaft­li­che Ren­nen durch scheu­nen­tor­weit geöff­ne­te Türen ist eine Grund­vor­aus­set­zung, um über­haupt als Preis­trä­ger zuge­las­sen zu wer­den, um das Wohl­fei­le oder schein­bar Muti­ge Beton wer­den zu lassen.”

22. Okto­ber 2016 – Auf dem Offen­ba­cher Wochen­markt (wie immer erstaun­lich: 90% der Pas­san­ten in der rest­li­chen Innen­stadt spre­chen frem­de Spra­chen bzw. haben fremd­län­di­sche Gesich­ter; 95% der Wochen­markt­be­su­cher aber sind wasch­ech­te Deut­sche) hän­ge ich mit mei­ner kleins­ten Toch­ter über dem Bot­tich mit den leben­den Forellen.

Der Geruch ist für mich das, was für Proust die tee­ge­tränk­te Made­lei­ne war: Odeur der Kind­heit! Den sanf­ten Schlag mit den Holz­knüp­pel, der die Fische in einen ande­ren, näm­lich leb­lo­sen Zustand ver­setzt, hab ich als Kind ein­hun­dert­mal gese­hen; Samstagvormittagserlebnis.

Wir suchen uns vier Forel­len aus und dür­fen mit ins Zelt, wo der Holz­stock war­tet. Der Händ­ler wird die Fische gleich aus­neh­men. Am Spül­stein steht eine Metall­schüs­sel mit Ein­ge­wei­den. Ein paar Tie­re waren heu­te schon dran. „Guck, mal, wie das zap­pelt“, sagt die Toch­ter. Das sei ein Herz, beschei­det der Herr der Fische. Inmit­ten des Gekrö­ses bläht es sich rhyth­misch auf. Es dau­ert eini­ge Minu­ten, bis unse­re Forel­len geöff­net, aus­ge­nom­men und gewa­schen sind. Wei­te­re Minu­ten, bis ich außer­halb des Zel­tes an der Kas­se mit dem zah­len dran bin.

Die Toch­ter bleibt im Zelt, über die Inne­ren gebeugt. „Guck mal, immer noch, als wär es leben­dig!“ Es ist das glei­che Herz, das unver­zagt zuckt und pul­siert. Es gehört zu kei­ner unse­rer Fische, der Rest­kör­per die­ses Her­zens wird schon ziem­lich lan­ge durch Offen­bach getra­gen. Ich habe unse­re Vier­fo­rel­len­tü­te in der Hand. Auch dar­in tut sich noch ordent­lich was. Herz­los, es sind nur die Flos­sen. „Ist wit­zig, gell, alles ist tot, unwi­der­ruf­lich, aber Herz und Flos­sen tun noch, als wären sie leben­dig!“, sag ich. „Mama! Das ist nicht wit­zig!“, kor­ri­giert mich die Toch­ter. Sie hat ja recht. Kein Witz. Eine Allegorie.

– – – – –

23. Okto­ber 2016 – Rück­fahrt nach Schnell­ro­da. Wir hören Ago­ta Kris­tóf. Nach der ers­ten Erzäh­lung wird es mir zu inner­lich. Ich bin müde und nicke ein. Wache rasch wie­der auf. Kubit­schek ist schweig­sam. Ich bekom­me eine Art schlech­tes Gewis­sen. Ist ihm die Kris­tóf so viel näher­ge­gan­gen als mir? Bin ich eine gefühlstau­be Pen­ne­rin? Behut­sam fra­ge ich, wor­an er denkt. „Na, immer noch dar­an: ‘Aber laß dich bit­te in kein Atten­tat ver­wi­ckeln.’ So ein tol­ler Titel. Ken­nen Sie die Geschich­te von dem Mann, der einen Knopf fand und sich einen Man­tel dazu nähen ließ? Ich über­le­ge nun, wer das Buch zum Titel schrei­ben könnte.“

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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Kommentare (48)

Hartwig aus LG8

26. Oktober 2016 11:11

Vielleicht haben es einige schon gelesen, aber der Ehmke-Rede und dem Kirchhoff-Interview stehen die u.a. Sätze aus einer Rede von Freya Klier in nichts nach. Ich kenne einige DDR-Bürgerrechtler persönlich, erkenne immer wieder ihren Mut an, den sie in der DDR bewiesen, und bin stets aufs Neue überrascht, wie sehr sie sich mit dieser BRD identifizieren. Vielleicht ist es eine Art natürliche Limitierung, dass sich der Mensch nur einem Kampf im Leben verpflichten kann, sofern er ihn mit Haut und Haaren führt bzw. geführt hat. Ich weiß es nicht; sehe nur, dass viele Bürgerrechtler, die seinerzeit drastisch drangsaliert worden sind, heute nicht mehr in der Lage sind, politisch eins und eins zusammenzuzählen (Ausnahme z.B. Lengsfeld). Die beiden letzten Sätze des u.a. Zitats versprühen eine Umnachtung inmitten eines geschlossenen Systems, die mich kopfschüttelnd zurück lässt; insbesondere auch deshalb, weil ich persönlich einen Mann kenne, der in der DDR politischer Gefangener war und heute als BVK-Träger ebenfalls zu dieser Veranstaltung eingeladen war und sich wie Klier "beeindrucken" lies.

Freya Klier:
""... Und für mich ging es am Mittag in der Semper-Oper los, beim Festakt zur deutschen Einheit, an dem etwa 1000 geladene Gäste teilnahmen. Wer immer für diese Veranstaltung die Regie inne hatte, verdient großes Lob, denn es war eine Stunde des künstlerischen Reichtums und einer politischen Aktualität, wie sie der Einheitsfeier im Jahr zuvor in Frankfurt am Main in nichts nachstand. Selbst jene, die die Feststunde vor dem Fernseher mitverfolgten, fanden sie sehr bewegend: Die Sächsische Staatskapelle begann mit Beethoven. Als bitter notwendig auch im 21.Jh. empfanden wir Lessings Ringparabel, dargeboten von einem exzellenten Schauspieler. Der Kreuzchor sang und wir sahen hinreißende künstlerische Darbietungen durch junge Leute, die das Flüchtlingsthema tanzten, Toleranz und Intoleranz.
Auch die beiden Reden kreisten um die großen Fragen, die uns derzeit bewegen. Ministerpräsident Tillich erntete einen langen Beifall für seinen Satz: " Beschämt erleben wir, dass Worte die Lunte legen können für Hass und Gewalt.“ Und Bundestagspräsident Lammert hielt eine Rede von solch historischer Tiefe, wie wohl nur er das kann. Immer wieder brandete Beifall unter den tausend Gästen auf, die ja aus verschiedenen politischen Richtungen kamen, aus Ost und West. Spürbar länger und leidenschaftlicher wurde das Klatschen, und plötzlich entstand in der Semper-Oper eine Atmosphäre von Widerstand, wie ich sie aus unserem DDR- Theater erinnere, wenn es uns gelungen war, Momente von DDR-Kritik auf die Bühne zu bringen... Es war ein Glücksmoment der deutschen Einheit in der Semper-Oper. ..."

https://www.achgut.com/artikel/was_ist_das_fremde_meine_sehr_verehrten_damen_und_herren

Stogumber

26. Oktober 2016 11:23

Zu Emcke: Ich habe bisher nur die Verlagswerbung gelesen. Demzufolge wendet sich das Buch an ein kollektives "Wir" und bietet dessen Angehörigen die Argumente, wie sie sich "gegen religiöse und nationalistische Fanatiker verteidigen" können. (Nämlich indem sie sich einreden, sie selbst seien ohne Hass und sie selbst seien verhandlungswillig und -fähig. Wenn sie selber daran glauben, können sie eventuell auch einen Teil des Publikums davon überzeugen.)

Monika

26. Oktober 2016 11:24

Gestern mit dem ältesten Sohn telefoniert, der in Freiburg studiert.
Ich:"Da ist ja eine Studentin vergewaltigt und umgebracht worden" .
Sohn: "Ja, dramatisch.Schon der dritte Mordfall in Freiburg dieses Jahr".
https://www.badische-zeitung.de/freiburg/ermordete-studentin-was-wir-wissen-und-was-nicht--128906635.html
Nun werde ich von der naiv-besorgten Mutter ( "Passt gut auf euch auf", Antwort: " Jaaaa, Mama ) zur real-besorgten Mutter:
"Laß dich bitte in keine Vergewaltigung verwickeln" , werde ich nun der Freundin meines Sohnes sagen, die den Weg an der Dreisam, wo die arme Medizinstudentin zu Tode kam, auch öfters schon nachts geradelt ist.
Allein die Vorstellung, meinen Schwiegertöchtern, Nichten und Großnichten könnte dies widerfahren, schnürt mir die Kehle zu.
Zu den Widerfahrnissen.
Nicht nur angesichts der Kölner Widerfahrnisse bekommt der Text von Kirchhoff eine seltsam reale Bedeutung:
"Wie weit müssen wir uns öffnen ? "
"Trauen wir uns, die Veränderungen anzunehmen ?"
" Es bedarf einer tiefgreifenden intimen Erfahrung"

ich sage : Nein !!!!!

Stogumber

26. Oktober 2016 11:29

Dass die Klier das Einheitsgefühl in der Semper-Oper als "Atmosphäre des Widerstands" auffasste -
ja, erinnert sehr stark an die kommunistischen alten Kämpfer, die in der DDR an die Macht kamen und auch als Machthaber noch das Gefühl hatten, ihre politische Tätigkeit sei heroischer "Widerstand".

Leser

26. Oktober 2016 11:42

Das die Amadeo Antonio Stiftung auf der Buchmesser vertreten ist, ist schon sehr verwunderlich. Welche Bücher werden denn von der herausgegeben, ich kenne nur irgendwelche "aufklärerische" Heftchen, mit denen die ihre schiefe politische Sicht verbreiten und um Spenden betteln.
Das dann deren Stand auch noch direkt neben dem der JF steht, ist ja wohl absolut politisch intrigiert um dieser zu schaden. Schade das die JF nicht darüber berichtet hat, es wäre ein sehr schön dokumentiertes Beispiel der "gelenkten Demokratie" von links.
An die große Tochter: Die passende Reaktion an die AA-Dame wäre gewesen, sie empört darauf hinzuweisen, dass doch die AA-Stiftung für ihre umstrittene Arbeit massiv Gelder von Staat und Privat kassiert.

Annemarie Paulitsch

26. Oktober 2016 11:49

Daß die Tochter per Anhalter reist, reißt mich mehr vom Hocker als alle anderen Nachrichten. Kann man ihr das nicht ausreden?

Winston Smith 78699

26. Oktober 2016 12:27

Ein Körper ohne Herz kann uns noch mit seinen toten Flossen schlagen und die Verletzung durch eine kalte Maschine schmerzt und verängstigt umso mehr. An jenes einsame Herz aber kann ein neuer Körper wachsen. Lassen wir nicht zu, dass dieses aufhört und glauben wir an die Auferstehung. Es schlägt ja schon viel länger, als wir ihm zusehen.

Ulli

26. Oktober 2016 13:01

Die Stasi 2.0 auf der Buchmesse, nicht schlecht. Schild und Schwert der Einheitspartei, auch das hatten wir erst kürzlich, nur eigene Haftanstalten fehlen derzeit noch, vorerst reicht es ja, wenn man widerborstige Existenzen öffentlich anprangert und ideell sowie materiell vernichtet.
Welche Publikationen hat man denn vorzuweisen? Der "Leitfaden zur Zersetzung feindlich- negativer Elemente" stammte jedenfalls noch von den Vorgängern.

Gustav Grambauer

26. Oktober 2016 13:07

Hartwig aus LG8

Ich finde, die beste Figur aller DDR-Bürgerrechtler macht immer noch Henrich, damals DER Gegenpol zu den Zottelbluesern vom Prenzlauer Berg:

https://www.henrich-lipinsky.de/publikationen/

Weil es hier um die Buchmesse geht: die eigentliche Stärke von "Der vormundschaftliche Staat" war - und ist heute noch - das eine Kapitel darin über die abgekartete Aufteilung der Seelenbewirtschaftung in der DDR zwischen Nationaler Front und protestantischer Kirche. Sein Aufsatz-Band "Gewalt und Form in einer vulkanischen Welt" (1996) war für meine Kreise damals ein Meilenstein im Zugang zu metapolitischer Literatur. "Die Schlinge" ist ihm für meine Begriffe nicht gut gelungen, "Belletristik" ist nicht seine Stärke.

Meine Erklärung für das, was Sie an vielen anderen damaligen Bürgerrechtlern beschreiben, ist die folgende:

https://de.wikipedia.org/wiki/Fixe_Idee

Auch Sigmar Gabriel ist ja davon besessen, seine Mutter nachträglich am Deutschen Volk stellvertretend für seinen Nazi-Vater zu rächen. Die weitaus meisten damaligen Bürgerrechtler hatten irgendeine Rechnung mit irgendeiner DDR-Institution oder irgendeinem Apparatschik (dabei sehr oft ebenso mit dem eigenen Vater) offen, das haben sich die Betreffenden mit ihren angeblichen hohen Idealen nur bemäntelt, of sogar vor sich selbst. Dabei hatten sie durchaus eine gemeinsame philosophische Basis, die Totalitarismus-Doktrin, die als Pseudo-Erlösungsangebot im geistigen Hamsterrad wie auch ihrerseits als Fixe Idee geradezu wie geschaffen oder sogar erschaffen worden ist.

Somit warten viele von denen mit den Stasi-Prangern und dem Rentenstrafrecht für die DDR-Nomenklatura tatsächlich am Ende ihrer Kleinkaro-Fahnenstange angelangt und mehr war da vonvornherein gar nicht zu erwarten gewesen.

- G. G.

philos

26. Oktober 2016 13:08

Das Büchlein sollten Sie untetiteln mit: "Warum Björn-Malte und Laura-Sophie nicht lebensfähig sein werden." Greifen Sie zur Feder, Frau Kositza, bitte!

Die Allegorie! Wunderbar! Sollte es wider Erwarten doch noch zur großen Zeitenwende kommen, freue ich mich auf den Ausruf, den die im Selbsthass erstarrten Verantwortlichen der heutigen Misere panisch tun werden: Dieses Herz! Es schlägt!

Meier Pirmin

26. Oktober 2016 13:09

zu Carolin Emcke: Ich glaube nicht, dass diese Frau, die sich in der Eigenwerbung als eine der "bedeutendsten Intellektuellen der Gegenwart" anpreisen lässt, sich wissenschaftstheoretisch halbwegs genügend mit Geschichte befasst hat oder auch nur die diesbezüglichen Bücher einiger der bedeutendsten Preisvorgänger gelesen, so Carl J. Burckhardt oder Reinhold Schneider, die beide ihre Nomination Theodor Heuss verdankten, dessen geistiges und geschichtsphilosophisches Profil anlässlich seines Hinschieds mit dem Prädikat "Ein pfingstlicher Mensch" umschrieben wurde. Das war noch vor der Zeit, als die deutschen Bundespräsidenten hoch in den gelben Wagen des Mittelmasses stiegen. Ich glaube auch im Ernst, dass ich als Gymnasiallehrer mehrere Schülerinnen zu Abitur gebracht habe, die dieser Emcke aufgrund ihres Publikationsausweises überlegen sind, wiewohl hier Namensnennungen nur ablenken würden. (Vgl. den Porträtband "Philosophinnen im Gespräch" von Bernadette Strässle.)

Auch hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass man die Vulgärphilosophie von Francis Fukuyama mit der Formel vom "Ende der Geschichte" durch eine noch dümmere Formel toppen kann, nämlich "Demokratische Geschichte wird von uns allen gemacht" (Emcke in der Ansprache in Gegenwart von Bundespräsident Joachim Gauck.) Der Text scheint mir um Klassen schlechter als die historisch nicht unbedeutende Ansprache von Daniel Cohn-Bendit vom 3. Oktober 2016 ebenfalls in der Paulskirche mit der im Vergleich zu Emcke doch epochalen These vom Unterwegssein zu einer "neuen europäischen Bevölkerung", womit der abgenutzte Begriff der "Umvolkung" politisch korrekt und trotzdem keineswegs verlogen der historischen Situation von 2016 angepasst wurde. Einigermassen arrogant war es von einer philosophisch ungenügenden Autorin wie Emcke bei einem Buchtitel "Hass" mehr oder weniger bei André Glucksmann abzukupfern, den vor Jahresfrist verstorbenen französisch-jüdischen Denker, den ich bei www.portal-der-erinnerung.de und www.schweizermonat.ch zu seinem Hinschied kritisch zu würdigen versuchte.

Zur geschichsphilosophischen und methodischen Widersinnigkeit des Satzes "Demokratische Geschichte wird von allen gemacht" bleibt vorauszuschicken, dass Leopold von Ranke und in seinem Gefolge Josef Goebbels den Satz für wahr hielten "Männer machen Geschichte" uneingedenk dessen, was für ein riesiger Zufall es nur schon wahr, dass die Grossmutter sich vom Grossvater heiraten liess und dass Herbert Frahm alias Willy Brandt wegen einst schlechter sozialer Aussichten nicht schon als Fötus abgetrieben worden war. (WB blieb sich dessen immer bewusst, weswegen er sich bei der Fristenlösung im Kabinett der Stimme enthielt.) Geschichte wird aber leider weder von Männern noch von allen gemacht, sondern ist ein Vorgang ohne Handlungssubjekt, welches dann Hegel mit seinem "Weltgeist" identifizieren wollte, einem rein ideologischen Begriff für nachträgliche Rechthaber. Eher noch wäre es realistisch zu sagen: Gott ist der Herr der Geschichte, wobei man aber für den Wissenschaftsgebrauch besser dabei bliebe: Es gibt keinen Herrn der Geschichte. Die Geschichte ist ein interreferentieller Vorgang ohne Handlungssubjekt mit zuzuschreibender Gesamtverantwortung. Verantwortung ist stets individuell und für den Erfolg oder Misserfolg einer Gewissensentscheidung kann niemand garantieren. Hegel behält insofern recht, als der sogenannte Weltgeist, die Geschichte, über das Individuum, wie er sich brutal ausdrückte, hinwegschreitet.

Es gehört nun mal zum Wesen der Geschichte, dass sie niemand macht und dass sie auch alle zusammen nicht so machen, wie sie es gern hätten, weshalb erdgeschichtlich mittelfristig das Verschwinden der kontingent existierenden Menschheit nicht auszuschliessen ist. Dies hat sich selbt ein Materialist und historischer Optimist wie Friedrich Engels in seiner "Dialektik der Natur" klargemacht. Von Friedrich Dürrenmatt ganz zu schweigen. Dies noch näher zu erläutern überlasse ich der Lektüre von Lübbes Standardwerk "Geschichtsbegriff und Geschichtsinteresse" (Neuausgabe Schwabe Verlag 2012), ohne dessen Grundlagen wenigstens im Hinblick auf geschichtsphilosophisches Basiswissen niemand in Deutschland als Intellektueller oder als Intellektuelle durchgehen kann. Auch Karl Popper als Verfasser von wahren Sätzen in das "Elend des Historizismus" hätte wohl über die These von Emcke nur den Kopf schütteln können. Es ist aber keine Kleinigkeit, dass in Deutschland in der Paulskirche im Ernst Reden gehalten werden über Gegenstände, zu deren Behandlung das Voraussetzungswissen fehlt. Das war zur Zeit von Vaclav Havel doch noch nicht der Fall. Peinlich scheint mir, dass die Auszeichnung von Carolin Emcke möglicherweise aufgrund einer fälligen Frauenquote erfolgte. Dabei ist vor falschen Rückschlüssen auf das tatsächliche intellektuelle Potential deutscher Frauen zu warnen. Der Entscheid ist politisch zu erklären.

v. Korsch

26. Oktober 2016 13:27

Frau Paulitsch, das Reisen per Anhalter ließ auch mich aufmerken. An sich: an dieser Art zu reisen ist ersteinmal nichts auszusetzen - es gab in diesem Land ja anscheinend einmal Zeiten, zu denen es das normalste der Welt gewesen ist, größere Distanzen "per Daumen" zurückzulegen.

Ich selber bin in jungen Jahren ebenfalls des Öfteren per Daumen gereist und nehme auch heute noch Anhalter mit, sofern es Ladezustand und aktuell montierte Bestuhlung meines Fahrzeugs zulassen. Wie gesagt: auch ich dachte reflexartig: "In diesen Tagen per Anhalter? Als junge Frau?" Je mehr ich die Sache aber überdenke komme ich zu dem Schluß, daß man sich als junge Dame dieser Tage in Bus und Bahn (oder schlicht in der hannoveraner Innenstadt) in wesentlich größere Gefahr begibt als als Anhalterin.
Abschließend kann ich mir die zynische Bemerkung nicht verkneifen, daß das Reisen per Ahnalter dieser Tage sicherer geworden ist, als die "Deutsche" Bahn. (pünktlicher vermutlich ebenfalls)

Kositza: Wir verstehen uns-!

Altbayer

26. Oktober 2016 13:31

@ Annemarie Paulitsch:
Ich glaube, das war hier schon Thema. Ich glaube mich auch erinnern zu können, dass die per Anhalter reisende Tochter im Nahkampf geschult ist.
Das Restrisiko bleibt. Aber das kann man im Leben sowieso nie ausschließen.

@ Leser:
Das ist doch eine CDUSPDGRÜNELINKS-treue Einrichtung. Die dürfen alles.

Brettenbacher

26. Oktober 2016 14:44

Autonom schlagende Herzen........... .
Die Notiz vom 22. Oktober zum Offenbacher Wochenmarkt hat uns so stark an eine Passage aus Ernst Jüngers Siebzig verweht erinnert, daß wir es nicht lassen konnten, uns auf die Suche zu machen.
Das Werk umfasst fünf Bände und deren Lektüre liegt auch schon an die dreißig Jahre zurück, und da war's natürlich schön - soviel Selbstfreud darf sein - bereits nach kaum einer Stunde auf die entsprechende Stelle zu stoßen.
Es ahndelt sich um den Eintrag "Singapur, 20. Juli 1965" in SV I, und zum vollen Verständnis müßte zuvor der vom 14. Juli d.J., ebenda, gelesen werden.
Über die harmlose Literatenvergnüglicheit(des Finders) hinaus, können sich Frau Kositza und ihre Tochter vielleicht ein wenig am Einblick in das Gezweig korrespondierender Röhren erfreuen, von dem wir einen winzigen Bruchteil auch nur erahnen.
"Das kann kein Zufall sein", hätte der Alte von Wilflingen dazu wohl gesagt, ein hüstelndes Lachen als Dreingaber hinterher schickend.
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„Das leidenschaftliche Rennen durch scheunentorweit geöffnete Türen ist eine Grundvoraussetzung, um überhaupt als Preisträger zugelassen zu werden, um das Wohlfeile oder scheinbar Mutige Beton werden zu lassen.“

Dieser Satz ist ins Arsenal genommen!

Nemo Obligatur

26. Oktober 2016 15:09

@ Hartwig aus LG8 und Stogumber

Vielen Dank für Ihre interessanten Beobachtungen. Das war mir bisher ganz entgangen, dass sich eine erkleckliche Zahl von Bürgerrechtlern mit der neuen BRD so arrangiert haben. Ist aber auch nicht weiter verwunderlich, denn die alten Versprechungen der Reisefreiheit, der freien Berufswahl, des Rechtsstaates etc. sind ja erfüllt worden. Meinungsfreiheit gibt es im Prinzip auch, nur muss man eben auch bereit sein, die Konsequenz der öffentlich geäußerten eigenen Meinung zu tragen (wer sagte das? Egon Krenz? Heiko Maas?). Gemessen an den Maßstäben der DDR ist das heutzutage sicherlich alles noch recht harmlos.

Verblüffend war für mich der freilich nur am Fernsehschirm gewonnene Eindruck, bei der (völlig inhaltsleeren) Festrede von Frau Ehmcke in der Paulskriche handelte es sich um eine Art zweiten Aufguß des Staatsaktes in der Dresdner Liebfrauenkirche. Es gab wohl nicht wenige Anwesende in Frankfurt, die schon in Dresden mit von der Partie waren. Für die Teilnehmer des Festaktes war es ganz sicher erhaben: Blumenschmuck, Fernsehteams, Streichquartette. Aber das ist eben nur die Binnenschau. Vor der Tür sieht es schon ganz anders aus. In Frankfurt würde es genügen, dazu den kurzen Weg von der Paulskirche zum Hauptbahnhof zurückzulegen, um diesbezüglich klüger zu werden; ganz ohne "Pöbel" mit Trillerpfeifen. Wer von den Besuchern mag das getan haben?

Interessehalber eine eher allgemeine Frage in die Runde: Gibt es eigentlich eine kulturhistorische Untersuchung zum Thema "Staatsakt" bzw. "Festakt"? D.h. was die Wahl der Ortes, den Teilnehmerkreis, der Ablauf und diverse andere Merkmale angeht? Und welche Schlüsse man daraus ziehen kann? Einiges klang hier in der Diskussion ja schon an.

ene

26. Oktober 2016 15:40

Ich möchte mich den Bedenken von Annemarie Paulitsch anschließen!
Und ich bin überzeugt, daß es schon immer gefährlich war, in als junge Frau (egal wie sportlich) in das Auto einer unbekannten Person zu steigen, die einen dann irgendwohin fährt. Das kann man überhaupt nicht "einschätzen". Mit einem Psychopathen kann man auch nicht "kommunizieren".
Wer das nicht glaubt, kann sich ja mal die alten diesbezüglichen xy-Fälle bei youtube ansehen.

eulenfurz

26. Oktober 2016 16:51

Welche Revolutionsgarde macht nach einer erfolgreichen ersten noch eine zweite Revolution, wenn sie im System angekommen ist? Bestenfalls einige ihrer Außenseiter!

Vielen der Ex-Bürgerrechtler ist mit dem "Erfolg" 1989 das Ende der Geschichte eingetreten, sie sind im neuen System angekommen und natürlich schmeichelt es auch, plötzlich hofiert zu werden. Zudem ist das System der sozialen Ächtung ein völlig anderes - in der DDR war man im normalen Alltag geächtet, wenn man sich als linientreu geriert hat. Diesem Zustand schreiten wir zwar ebenfalls entgegen, sind ihm aber insbesondere im urbanen und akademischen Milieu noch meilenweit entfernt.

Annemarie Paulitsch

26. Oktober 2016 17:14

Die Zeiten ändern sich leider nicht zum Besten. In den frühen Siebzigern bin ich einst alleine mit dem Greyhound-Bus durch einige Staaten der Vereinigten Staaten gefahren, zeitweise nicht nur als einziger weiblicher Passagier, sondern auch als einzige Weiße unter Schwarzen und Indianern. Die Weißen, die es sich damals nur halbwegs leisten konnten, fuhren mit dem Auto oder benutzten den Flieger. Heute geht das mit der Alleinreiserei nicht mehr so ohne weiteres, das Risiko überfallen zu werden, ist erheblich gestiegen, auch hierzulande, auch für in Selbstverteidigung geschulte Frauen. Leider ist eine Frau, selbst die verteidigungserfahrene, aufgrund ihrer natürlichen körperlichen Schwäche den bösen Kerlen, aufgrund deren natürlicher körperlicher Stärke immer unterlegen, zumal die üblen Typen das Überraschungsmoment auf ihrer Seite haben.
Kürzlich spätabends mit dem Taxi in Frankfurt am Main gefahren! Trotz meiner Hundebegleitschaft (habe den Wauwau immer dabei) schwor ich mir, das nächste mal wieder die S-Bahn zu nehmen.

Maxx

26. Oktober 2016 17:29

Wieder wunderbar geschrieben, Frau Kositza... Tja, die Madeleine-Erinnerung - bei mir ist es immer der Geruch von (speziell) gekochtem Rotkohl mit Apfel, der ein Feuerwerk an Assoziationen zur Kindheit auslöst...

Die weitaus meisten damaligen Bürgerrechtler hatten irgendeine Rechnung mit irgendeiner DDR-Institution oder irgendeinem Apparatschik (dabei sehr oft ebenso mit dem eigenen Vater) offen, das haben sich die Betreffenden mit ihren angeblichen hohen Idealen nur bemäntelt, of sogar vor sich selbst.

Ja, das sehe ich ganz ähnlich, @GG. Mir fällt auch nur Vera Lengsfeld ein, der ich aus dem Lager der Ex-Bürgerrechtler respekt zollen würde.
Ist im übrigen schon paradox, dass ich das geistige Klima und die Repressionen gegen Andersdenkende im jetzigen System als viel unerträglicher empfinde als damals in der DDR. In der DDR gab es höchstens die SED-Bonzen da oben und uns, aber keine Spaltung innerhalb des Volkes.
Daher empfinde ich es auch "witzig", dass sogenannte Ex-Bürgerrechtler, die m.E. dies im eigentlichen Sinne nie waren, sich kadavergehorsamst im merkelschen Sinne gegen "ihre" Bürger, quasi für die Selbstabschaffung der deutschen Nation einsetzen.

Clairvoyance

26. Oktober 2016 17:33

In der gelenkten Lügenpresse entsprechen den »schrecklichen Bildern«, die absichtsvoll gezeigt werden, dem Tausendfachen von ungeheuerlichen, abscheulichen, widerlichen und unerträglichen Bildern, die unterdrückt werden. Das kann pietätvoll sein und es kann die seelische Gesundheit des mittelmäßigen Publikums der MSM tatsächlich schützen.

Im Ergebnis aber entsteht auf diese Weise eine geschlossene Matrix der Fehlwahrnehmung. Sämtliche Regierungslügen ― über einen »Krieg gegen Drogen« und einen »Krieg gegen den Terror« ― werden wirksam geglaubt, weil jene Matrix geschlossen ist. Um zu verstehen, was tatsächlich geschieht (Regierungskriminalität in obszönstem Ausmaß nämlich, staatliche Akteure, die Drogenhandel organisieren und abschöpfen sowie Terroranschläge organisieren, inszenieren und fördern, um sie politisch auszunutzen), müßte man sich Tatsachen, Bildern und Filmen aussetzen, die allerdings kaum zu verkraften sind.

Ich weise im Folgenden nur auf einen Einzelfall hin, den alle Eltern kennen sollten, auch wenn es nicht leicht ist, die eigene Wahrnehmung den Quellen auszusetzen: Der amerikanische Serienmörder Rodney Alcala vergewaltigte und tötete zwischen 1971 und 1979 eine unbekannte Anzahl junger Frauen. Er fotografierte sie zuvor in Model-Posen; mehrere tausend dieser Fotos sind erhalten. Noch heute zeigt YouTube aus Fahndungsgründen hunderte dieser Fotos aus dieser Fallreihe, weil immer noch nicht alle damals (in den »Hippie-sein«/»per-Anhalter-Reisen«-Jahren um 1970) allein wegen Alcala verschwundenen Frauen identifiziert sind.

Leider ist es nötig, Fakten dieser Art auch einmal explizit anzusprechen. Akademiker und sogenannte »Intellektuelle« in der BRD sind häufig erschreckend unfähig, eigenständig zu recherchieren ― natürlich bei weitem nicht bloß auf YouTube, das dürfte selbstevident sein ― und beispielsweise die abgrundtiefe Bösartigkeit der NWO-Agenda zu erkennen; viele sogenannte »Gebildete« haben noch nicht einmal von ungefähr von dieser Agenda etwas erfahren.

Am Beispiel der tief verstörenden Dokumente zum Fall Alcala (in dessen Umständen sich geradewegs ein Bündel liberaler Lügen verschränkt) zeigt sich dasjenige, was gesteuerte Medien erfolgreich totschweigen und alternative Medien dennoch bekannt machen: Wie »frei« diese sogenannte »westliche Wertegemeinschaft« angeblich ist, während Globalisten ungestört die totale Unfreiheit organisieren ― gerade auch mittels liberaler Phrasen.

Gast auf Erden

26. Oktober 2016 18:24

Buchmesse FFM I (wg. Offenbach)
Auf dem Weg nach Frankfurt per öffentlichem Nahverkehr habe ich einen Zwischenstopp in Offenbach/S-Bahn: Marktplatz eingelegt, um auf 10 min. mal einen von vielen Seiten mir apostrophierten „failed state/city“ oder so ähnlich mal anzugucken. Komme also aus dem S-Bahn-Schacht hoch, erblicke erstmal rund um die große Kreuzung eine Menge Glücksspiel-Etablissements und recht abstoßende Betonfassaden. Dann eine einzelne Muslimin, „normales“ Kopftuch und gedankenversunken mit Ohrstöpseln. Und dann ein ca. 8-jähriges – ich glaub’s kaum – blond gezopftes Mädchen, das Pippi-Langstrumpf-mäßig an mir vorbeihüpft. Wie aus einer anderen Welt! Ansonsten nicht viel zu erblicken. Während ich noch gedankenvoll wieder nach unten strebe, macht eine wohl psychisch am Rad drehende Mittzwanzigerin ihren (reine Vermutung!) Chaos-Freund per Handy am anderen Ende der Leitung so was von rund. Und ich denke nur, wie viele Paralleluniversen bestehen so allein in Offenbach? – Aber vielleicht wär das mal ein Tipp für Reisebüros: Besichtigungstouren zu failed areas mitten in - D -?
Buchmesse FFM II
Bei der geografischen Distanz zwischen dem JF-Stand und AMADEUS habe ich gleich gedacht: „Ist jetzt der Gang auf der Buchmesse eine neue Art von Schützengraben?“ Man hat sich ja nichts getan, aber wie war es bei unseren Rangeleien auf dem Schulhof? Aus Spaß wird Ernst.

Dietrich Stahl

26. Oktober 2016 18:30

@Hartwig aus LG8, Gustav Grambauer, Maxx & Clairvoyance

Der Diskussionsstrang weckt zwiespältige Erinnerungen.
DDR Widerstand.
Es gibt ja diese „Ich war dabei“ T-Shirts. Meins ist in der Wäsche.

Die einzige DDR „Dissidentin“, die sich dieser Benennung nach dem 89er Herbst des Volkes würdig erwies war Bärbel Bohley.
Sie verweigerte sich konsequent der BRD „Demokratie“ und half lieber beim Wiederaufbau im ehemaligen Jugoslawien mit.

Fast alle der späteren BRD Karreristen sind Kinder der DDR Nomenklatura bzw. Intelligenzija. Sie waren eine ganz eigene Clique. Das Ziel vieler dieser Leute war ein „Sozialismus mit menschlichem Angesicht“. Zum Basis Widerstand hatten sie kaum Kontakt. Das Volk interessierte sie kein bisschen.
Nicht zu vergessen sind die vielen Wendhälse, die dissidierten, als es ungefährlich war.

Die Entwicklung eines Thomas Krüger, einer Freya Klier, um nur zwei zu nennen, überrascht mich nicht sonderlich, sie ist nur zu konsequent.

Eckesachs

26. Oktober 2016 18:38

Ich bevorzuge die Sichtweise, daß die AA-Stiftungsleute den ganzen Tag auf den JF-Stand schauen müssen.

Winston Smith 78699

26. Oktober 2016 19:45

@ Meier Pirmin

Zum Werdegang der Emcke bitte "Herrhausen" miteingeben - das ist in der BRD so üblich, so jemand kann kaum mehr was falsch machen und möglicherweise gibt es da auch frühzeitig schon Zuarbeitende. Und den Satz „Demokratische Geschichte wird von uns allen gemacht“ bitte mit "Ein Tag" von der Gruppe "Fehlfarben" vergleichen - vorsicht, das ist scheußliche Musik. Die PR-Idee, musikalisch ins Unterbewußtsein geprügelte Szeneparolen aus den 70ern und 80ern an möglichst ehrwürdiger Stelle anzubringen und damit ach wie rebellisch zu wirken, hat sich zwar real wohl längst überlebt, aber es geht hier wohl nurmehr darum, konditionierte Reaktionen von wenigen echten Betonkopfgreisen zu "triggern", mit einem symbolischen Credo, welches Emckes Generation längst nicht mehr entspricht.

Winston Smith 78699

26. Oktober 2016 19:47

@ Meier Pirmin
"Ein Jahr" von "Fehlfarben", nicht "ein Tag". Entschuldigung, das ist nicht meine Welt.

Hartwig aus LG8

26. Oktober 2016 20:04

@ Nemo Obligatur

""Gemessen an den Maßstäben der DDR ist das heutzutage sicherlich alles noch recht harmlos.""

Es wäre OT und wohl nur in einem längeren Aufsatz detailliert zu begründen, deshalb belasse ich es bei der Bemerkung, dass ich das mittlerweile anders als Sie sehe.

herr k.

26. Oktober 2016 21:01

@eckesachs

...Sie gefallen mir, das ist die genau richtige Einstellung!

Waldgänger aus Schwaben

26. Oktober 2016 21:02

OMG - Dieser Kirchhoff interpretiert sein eigenes Werk in einem Interview.
Warum hat er dann nicht statt des Romans gleich die Interpretation geschrieben?

Es gibt kein vernichtenderes Urteil über unsere "Kulturschaffenden" als Preise für solche geistigen Gartenzwerge.

@Pirmin Meier
Ihren Ausführungen über die Geschichte als "ein Vorgang ohne Handlungssubjekt" kann ich uneingeschränkt zustimmen. Wer allerdings diesen Gedanken wirklich erfassen will, dem rate ich dazu einen nicht unbedeutenden Betrag an der Börse zu verzocken.

Am besten nach der Lektüre umfangreicher Börsenratgeber. Denn ein Verzocken wird es stets sein.
Es gibt an der Börse, wie in der Geschichte Gesetze, die jeder der sich mit der Materie befasst, erkennen kann - im Nachhinein.

Zum Beispiel das da:

Politische Börsen haben kurze Beine.

Nach dem Brexit kaufte mein Freund Egon (ich nenne ihn gerne alter ego) Allianzaktienmit 129. Sie waren von 142 auf 129 gefallen, verharrten dort stabil. ("Kaufen wenn der Werte einen Boden gebildet hat").

Nach dem Kauf stürzten sie weiter ab auf 120. Nach einer Erholung auf 125 stieg mein alter ego wieder aus, froh mit einem Blauen Auge raus gekommen zu sein.
Heute stehen sie wieder auf 143.
Ja, politische Börsen haben kurze Beine. Stimmt!

Franka Frey

26. Oktober 2016 21:23

@ Autostop Bedenkenträger

Meine gesamte Jugend über einen Zeitraum von 15 Jahren bin ich als Frau alleine per Anhalter unterwegs gewesen auch in den USA und sogar noch mit meiner ersten Tochter als diese Kleinkind war. Ich habe insgesamt sehr viele, sehr nette Menschen dabei kennengelernt. Die brenzligen Fälle lassen sich an genau drei Fingern abzählen (zwei davon in den USA) und ließen sich gut abwenden.

Meine mittlere Tochter inzwischen 17 Jahre alt ist in diesem Sommer in Norwegen mehrfach pro Woche getrampt und ich hatte dabei nie ein schlechtes Gefühl. Sie hat eine gute Intuition und ist in jeder Hinsicht wach und schlagfertig. Sie würde einfach nicht bei jedem einsteigen. Bei uns in Freiburg ist das Fahrradfahren und auch das Wildpinkeln inzwischen viel gefährlicher.

Dieter Rose

26. Oktober 2016 21:25

@Hartwig aus LGB

Natürlich ist es heute schlimmer, als an der DDR gemessen.

Unsere "Erzieher zur Demokratie"
schienen zumindest mal
andere Ideale gehabt zu haben,
als die Vollzieher/Vollstrecker
das heute glauben umsetzen zu müssen.

Ich frage mich, ob das allein der Weichenstellung
durch APO, 68er, Grüne und Gutmenschen geschuldet ist.
Da scheinen die Erzieher zur Demokratie
zu sehr an das Gute im Menchen geglaubt zu haben:

"Das wird schon werden."

Dass echte Demokratie immer wieder
neu erkämpft und erdacht werden muss,
haben sie nicht vermittelt...

Franka Frey

26. Oktober 2016 21:49

Jetzt klappt es hoffentlich mit dem link. In Freiburg wurde ein 51jähriger aus eine Umlandgemeinde am hellichten Tag vor einer Kirche von drei "südländisch aussehenden Männern" zu Tode geprügelt.

Monika

26. Oktober 2016 22:04

@ Franka Frey

Ja, um den Tod des "Wildpinklers" wollte ich meinen Beitrag von heute morgen auch noch ergänzen:
https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/wildpinkler-in-freiburg-zu-tode-gepruegelt-zeugen-gesucht-14491365.html
Mein eher linksalternativer Sohn war darüber ziemlich geschockt. Es ist in der Nähe seiner WG passiert.
Hätte nicht gedacht und gewollt, dass wir uns über ein so trauriges Thema wieder annähern. Meine Söhne trampen auch viel und das mit der Intuition stimmt. Die nicht mehr intuitiv einzuschätzenden Gefahren, die auch durch einen Wechsel der Straßenseite nicht auszuschalten sind, geben mehr Anlaß zur Sorge. Wer denkt etwa, dass eine 90jährige Frau nach dem Kirchenbesuch überfallen und mißbraucht wird, wie in Düsseldorf geschehen .

Schildmaid

26. Oktober 2016 22:09

@Winston Smith Winston Smith 78699 "Und den Satz „Demokratische Geschichte wird von uns allen gemacht“ bitte mit „Ein Tag“ von der Gruppe „Fehlfarben“ vergleichen – vorsicht, das ist scheußliche Musik."

Hier grätsch ich dazwischen. Ich find die Musik der Fehlfarben zeitlos und kraftvoll und wenn ich richtig stinkig bin liegt "Monarchie und Alltag immer griffbereit.
"Paul ist tot", "Grauschleier". Dazu haben wir (in Leipzig) nächtelang getanzt. Hinter "Punkmusik" steckt oft mehr als man oberflächlich deutet und meint. Und: Es wird deutsch gesungen!

Kebab-Träume in der Mauerstadt,
Türk-Kültür hinter Stacheldraht.
Neu-Izmir ist in der DDR,
Atatürk, der neue Herr.

Miliyet für die Sowjet-Union,
in jeder Imbißstube, ein Spion.
Im ZK, Agent aus Türkei,
Deutschland, Deutschland, alles ist vorbei!

Kebab-Träume in der Mauerstadt,
Türk-Kültür hinter Stacheldraht.
Neu-Izmir ist in der DDR,
Atatürk, der neue Herr.

Miliyet für die Sowjet-Union,
in jeder Imbißstube, ein Spion.
Im ZK, Agent aus Türkei,
Deutschland, Deutschland, alles ist vorbei!

Kebab-Träume in der Mauerstadt,
Türk-Kültür hinter Stacheldraht.
Neu-Izmir ist in der DDR,
Atatürk, der neue Herr.

Miliyet für die Sowjet-Union,
in jeder Imbißstube, ein Spion.
Im ZK, Agent aus Türkei,
Deutschland, Deutschland, alles ist vorbei!

Wir sind die Türken von morgen!
Wir sind die Türken von morgen!
Wir sind die Türken von morgen!
Wir sind die Türken von morgen!
Wir sind die Türken von morgen!
Wir sind die Türken von morgen!
Wir sind die Türken von morgen!
Wir sind die Türken von morgen!

(Original von "DAF")

Monika

26. Oktober 2016 22:18

Aber was tun wir, die weder mit Pegida spazieren gehen noch die AfD wählen wollen und trotzdem davon überzeugt sind, dass ein nicht absehbarer Flüchtlingsstrom Deutschland nicht ökonomisch, aber in seinem politischen und kulturellen Fundament gefährdet? Warum gehen wir nicht wie die freiheitsliebenden Polen auf die Straße, um von der Regierung zu fordern, dass sie das Gesetz nicht bricht? Warum stehen wir nicht an einem Sonnabend vor dem Reichstag und protestieren gegen eine kopflose Flüchtlingspolitik, die zudem rassistischen und rechtsextremen Kräften, die sie bekämpfen will, Vorschub leistet? Wir sind selbst verantwortlich für unser Land.

Monika Maron

Das Un-entschiedene vieler ehemaliger Bürgerrechtler der DDR ist m.E. ein spezifisch deutsches Phänomen. Vielleicht kommt aber die Zeit, wo wirklich zusammenkommt, was zusammen gehört.
Auf Freya Klier lasse ich allerdings nichts kommen. Sie hat wichtige Bücher geschrieben und Dokumentationen erstellt:
https://www.amazon.de/Verschleppt-Ende-Welt-Freya-Klier/dp/3548332366

Monika

26. Oktober 2016 22:29

In Schmölln hat sich jetzt ein somalischer Asylbewerber aus dem Fenster gestürzt, und viele Medien verbreiteten ungeprüft das faktisch haltlose, aber im Kern eine höhere Wahrheit bergende Gerücht, schaulustige Dunkeldeutsche hätten den Mohren mit „Spring doch!“-Rufen angefeuert. Zur gleichen Zeit brachte ein Landsmann des Selbsttöters in einem norddeutschen Seniorenheim eine 87jährige Frau um. Das war wiederum nur wenigen Medien eine Meldung wert, wobei die Herkunft des Täters meist kultursensibel unter den Tisch fiel. Ein Kommentator des Deutschlandfunks schrieb zu Schmölln, auch wenn es keine „Spring!“-Rufe gab, sei es immerhin schlimm genug, dass dergleichen vorstellbar sei. Was den Fall von der unvorstellbaren, total unwahrscheinlichen und deshalb besser beschwiegenen Ermordung einer Seniorin durch einen Schutzsuchenden unterscheidet.

Klonovsky, acta

im Altersheim ist es mitunter auch gefährlicher als beim Trampen....

swallow

26. Oktober 2016 22:40

@ Hartwig aus LG8 (11:11)

Verbindlichen Dank für den Hinweis auf die schier unglaubliche Klier-Rede, die ich am angegebenen Ort glatt übersehen hatte. So hoch, wie es angemessen wäre, vermag ich meine Augenbrauen gar nicht zu heben und versehe derlei Geschwurbel daher intern immer gern mit meinem Brandzeichen: "Die unerträgliche Seichtigkeit des Schleims."
Die Dame sollte künftig wirklich Arztromane schreiben. Das Zeug dazu hat sie unbedingt.

Stefanie

27. Oktober 2016 09:12

Zu den im System nistenden Wendehälsen: Gegen die eigenen Eltern zu revoltieren ist Hinsichtlich der kulturellen Evolution sicher sehr sinnvoll. Schließlich wird auch Evolution von uns allen "gemacht " (jedenfalls hat jeder, selbst Frau Emcke , eine Teilnehmerurkunde). Auch Vera Lengsfelds Vater war wohl Major bei der NVA und zeitlebens überzeugter Antifaschist. Vielleicht ist ihr diese :Whret den Anfängen Haltung" deshalb auch zu billig. Doch das Kritisieren und Überwerfen von Überkommenen ist eben nur ein Teil der (kulturellen ) Evolution : das Neue muss sich eben auch Bewähren und dazu brauchen die Träger der Neuen Kultur eine gewisse Beharrlichkeit. Die Eigenen Überzeugungen in Frage zu stellen und ggf. Neu zu justieren schaffen nicht viele - vielleicht ist es auch nicht sinnvoll, dass es die Masse tut. Das "Umwerten aller Werte" und das Kritisieren um der Kritik willen führen allein nur zur Desorientierung. Besonders wenn Familie, Geschlechterrollen und Führungsstrukturen in Frage gestellt werden, die es gibt solange es Menschen gibt. In der Hoffnung , wenn man den " Überbau" nur gründlich genug abschafft, wird sich schon was Neues entwickeln. Im Gegenteil scheint es eher ein archaisches "Backup" zu geben hin zu Gangs, Stammesgesellschaft und stärkeren Hierarchien (sowohl zwischen den Geschlechtern, sls auch innerhalb und außerhalb der Männergesellschaften). Möglicherweise liegt dieses " Eingerichtetsein in den Verhältnissen " ja am hohen Durchschnittsalter und einer Jugend, die sich keine Stellungen erkämpfen muss, durch Neuentwicklungen in Kultur und Technik. Vielleicht lässt die Innovationsfähigkeit einer Gesellschaft mit dem steigen des Durchschnittsalters und dem damit sinkenden "Kriegsindex" (nach Heinsohn) nach.

Meier Pirmin

27. Oktober 2016 09:15

@Schildmaid. Es ist gewiss richtig, obwohl man, wie ich als Anti-68er- im Jahre 68, gegenüber der Pop-Musik nicht aufgeschlossen, die musikalische Orientierung anderer nicht pauschal abzulehnen, wiewohl selbst auch Bob Dylan mir nie etwas bedeutete und ich bei den Beatles die Poesie des gelben Unterseebootes und der anarchischen Formel "We need no education" erst später gesehen habe. Mir ist auch aufgefallen, dass an den in Buchform dokumentierten Abenden in Schnellroda Ende Dezember 2013 über die Ablösung Goethes durch Benjamin von Stuckrad-Barre oder wie er heisst erörtert wurde.

Wenn ich Winston Smith richtig verstanden habe, lehnt er die Gruppe "Fehlfarben" nicht ab, es ist bloss nicht sein Geschmack. Im Durchschnittsfall handelt es sich bei Popmusik um Lärm, das muss man schon sehen, aber sie kann im Einzelfall ebenso gut genial sein wie zum Beispiel fasnächtliche "Gugge-Musik", wie man in der Schweiz sagt. Hingegen, ehrlich @Schildmaid, kann man das von Ihnen oben zitierte Gedicht mit dem Türkenrefrain am Schluss nicht gleichzeitig gut finden, wenn man zum Beispiel Gedichte von Stefan George zu schätzen weiss, "Das Lied", das vom Jungen, der hinaus in den Wald geht und nach sieben Jahren, bei seiner Heimkehr wie Alexius nicht mehr erkannt wird. Die Einsamkeit des ganz Anderen und des Andersdenkenden, wie sie auch etwas im Band "Tristesse Droite zum Ausdruck kommt, der ein repräsentatives Beispiel ist für die geistige Situation der Zeit. Dabei @Monika, ist mir die Formulierung Ihrer Namensbase @Monika Maron durchaus aufgefallen. Sie hätte, von der Qualtität her, den Friedenspreis des deutschen Buchhandels weit eher verdient als Herrhausens Nichte, übrigens eine merkwürdige undurchsichtige Geschichte, der Onkel war, Bilderberger hin oder her, bedeutender war als die Frau, die nicht mal bei meinen besseren Schülerinnen mithalten würde und darauf angewiesen war, sich als Lesbe zu outen. Wie gesagt, Quotenauszeichnungen sind eine Demütigung für das durchaus vorhandene Potential von Deutschlands Frauen. Was jedoch politische Auszeichnungen betrifft, so ist es doch keine Kleinigkeit, dass Monika Maron es wenigstens gesagt hat. Und dass Günter de Bruyn wenigstens noch am Leben ist. Ansonsten empfehle ich, mal bei youtube "Das Lied" von Stefan George sich anzuhören. Man versteht dann, dass das von @"Schildmaid" zitierte "Gedicht" einem körperlich weh tun kann, wiewohl wenigstens ein Kompliment von Bedeutung bleibt: "Es wird deutsch gesungen!" In Frankreich verwendete sich noch der verstorbene sozialistische Präsident Mitterand dafür, dass bei den öffentlichrechtlichen Sendeanstalten Chansons usw. in französischer Sprache auf keinen Fall verdrängt werden sollten.

PS. Vaterschaft brachte es auch bei mir mit sich, dass totale Ablehnung der Pop- und Rockmusik im Sinne von Aufkeinenfallverstehenwollen pädagogisch nicht machbar war. Und bei genauerem Hinhören entdeckte ich mit 50 Jahren Verspätung Nancy Sinatra. Das ist doch eine ganz andere Liga als Nena.

Fritz

27. Oktober 2016 10:34

"We don´t need no Education" ist von Pink Floyd.

ene

27. Oktober 2016 10:55

Franka Frey,

mein Onkel Hans starb mit 95 Jahren, er war zeitlebens ein starker Raucher gewesen. In meiner Familie wurde dieser Fall oft als Beispiel dafür herangezogen, daß Rauchen ja wohl nicht so gesundheitsschädlich sein könne, wie immer behauptet.
Wenn man will, kann man das so sehen.

Man kann auch das Fahren per Anhalter für ungefährlich halten: die meisten machen schließlich gute Erfahrungen. Die, bei denen es anders verläuft, sind eben bedauerliche Einzelfälle.

Was ich aber nicht verstehe: warum schärft man kleinen Kindern ein, keineswegs "mit Fremden mitzugehen", "nicht in Autos von Ungekannten zu steigen" usw.- und bei einer 17jährigen hält man das für unbedenklich?

Und - verzeihen Sei, ich meine das nicht böse - "gute Intuition", "in jeder Hinsicht wach" - das ist nichts weiter als Selbstüberschätzung. Ganz normal in diesem Alter. Von "Menschenkenntnis" ganz zu schweigen.
Die 19jährige, die in Freiburg ermordet wurde, hat sich diese Eigenschaften bestimmt auch zugeschrieben. Nur leider nützen sie nichts, wenn man hinterrücks vom Fahrrad gerissen wird.
Mit erscheint es besser und realistischer , bestimmte Örtlichkeiten (dunkle Anlagen) zu bestimmten Zeiten und bestimmte Situationen ganz einfach intuitiv konsequent zu meiden.

Meier Pirmin

27. Oktober 2016 11:16

@Danke vom Pop-Laien für diese Richtigstellung!

Gustav Grambauer

27. Oktober 2016 12:06

Dietrich Stahl, Stefanie

"Fast alle der späteren BRD Karreristen sind Kinder der DDR Nomenklatura bzw. Intelligenzija. Sie waren eine ganz eigene Clique."

So homogen waren die nicht, denn die DDR war nicht so homogen wie man sie heute gern hätte. Das einmal auf Szondi-Ebene

https://de.wikipedia.org/wiki/Leopold_Szondi
https://de.wikipedia.org/wiki/Leopold_Szondi#Werk

tiefer zu untersuchen führte hier zu weit, wäre aber mal sehr wichtig zum Verständnis der gesamten Lage. Man würde noch viel weiter kommen als z. B. Frau Höhler mit ihrem Buch über Merkel.

Nach Szondi gibt es auch hier, wie sollte es auch anders sein, zwei Gruppen, die zweite läßt sich nach meinen Privatforschungen wiederum in zwei antagonistische Untergruppen unterteilen:

(1.): die mit Abstoßungseffekt (Szondi: "familiärer Negation"), klassisch: Vater Stalinist. Die meisten hier gleiten in antiautoritäres Gehabe ab (die Masse der DDR-Opposition sofern man von einer Masse reden kann), manche setzen den Gegenakzent aber gerade im "Stolzer-Bürger-Kult" wie z. B. Monika Maron.

(2.): die mit Synergieeffekt (Szondi: "familiärer Identifizierung"). Hier wird es spannend.

Die erste Untergruppe, (2. a.), hat "offene alte Rechnungen" wegen ihrer Väter, klassisch: Joachim Gauck und eben: Freya Klier.

Die anderen, (2. b.), haben Quasi-Trotzkisten / Kulturzersetzer (offen oder unter stalinistischer Legende) zu Vätern, welche dabei zugleich Mentoren für die Kinder sind, wie z. B. Klaus Gysi, Horst Kasner, Max Kahane.

Man muß insofern auch fragen: sind es deutsche oder jüdische Dynastien? Gehörte der Vater zu einer der drei Gruppen, in die wir damals die Nomenklatura eingeteilt haben:

- Ideologen
- Technokraten
- Betonköpfe?

Wie stark und in welcher metamorphosierten Kontinuität schwingt das familiäre Nazi-Element mit, so wie man etwa bei Gauck oder Eppelmann fragen müßte (der größte Januskopf ist in der Hinsicht Havemann), oder ist vielmehr die antifaschistische Disposition ein familiärer Grundzug, worauf Stefanie hinweist.

Der Vater von Frau Lengsfeld war Major gehörte eben nicht bei der NVA (das war nur seine Legende) sondern bei der MfS-HA XXII (Terrorabwehr) an, hat sich nach ihrer Inhaftierung sofort mit seiner Tochter solidarisiert, alle Konsequenzen von Zuckerbrot und Peitsche ("operative Bearbeitung") dafür getragen und dazu gesagt: "Dann sind das nicht mehr meine Genossen".

Für mich ist das interessanteste DDR-Nomenklatura-Kind der Neffe von Margot Honecker, Peter Feist, der heute zum deutschnationalen Lager gehört.

https://www.youtube.com/results?search_query=peter+feist

Nach Szondi ein "Wahlschicksal" mit sehr respektabel und respektvoll einkomponierten Elementen "familiärer Identifizierung"; so differenzierend, daß sich die Frage gar nicht stellt, ob er seine Tante dabei idealisiert. Ein damals sehr großer, von Hunderttausenden getragener Flügel der SED hat sich heute in verblüffender Kontinuität bis in den Habitus hinein auf diesen einzelnen Mann verengt.

- G. G.

Wolfsjagd

27. Oktober 2016 16:23

@Meier Pirnim

bezüglich des „Gedichtes mit dem Türkenrefrain“ muss ich auch
mal reingrätschen und widersprechen bzw. ich glaube, dass sie
bei der hier Erwähnung von George aus Unkenntnis Äpfel mit
Birnen vergleichen, weil das zitierte Stück eben kein „Lied mit
Text“ ist.

Das von @schildmaid zitierte Stück „Kebapträume“ u.a. des Duos
„DAF“ (Deutsch-Amerikanische Freundschaft, zwei seinerzeit junge
in Deutschland lebende Südländer, genauer weiß ich das jetzt
nicht) ist m.E. kein Lied im Sinne der hiesigen Liedtradition,
sondern ein rohes, plebejisches, in seiner Monotonie in
psychodelische gehendes musikalisch-politisches Statement.
Interessant und m.E. auch eben nicht mehr besonders deutsch ist
die Verbindung zwischen Rohheit und Ironie (Man weiss eben nie
genau, ob der Text als Anklage, Blödelei oder Drohung verstanden
werden will).

Die Wiedergabe des Textes, zumal der Text beim Lesen durchaus
plump wirken kann, gibt die Wirkung des Stückes vermutlich nicht
wieder, und die Musik ist, wenn jemand nicht in diese Richtung
vorgeprägt/trainiert ist, auch schwer zu ertragen oder es ist
möglich, sie für Lärm zu halten.

Aber letztendlich ist das doch etwas anderes als Stefan George,
oder, dessen Pathos würde solcherart Musikstück wohl eher
zerstören bzw. ins Lächerliche ziehen.

Franka Frey

28. Oktober 2016 10:11

@ ene

Ich lasse meine Tochter nicht leichtfertig und ohne Vorbereitung trampen. Menschenkenntnis kann man auch lehren und das tue ich als Mutter und Ethnologin. Ich erkläre meinen Töchtern die Sicht eines Zigeugers auf die Gadsche (Nichtzigeuner), (Habe Anfang der 80er Jahre drei Jahre unter Sinti gelebt), die Sicht der Juden auf die Goyim), das Frauenbild der Moslem, den Umgang der Schwarzen mit Frauen... Dann zeig ich ihnen, wie diese Menschen aussehen, woran man sie erkennt und natürlich bediene ich Stereotypen, weil diese meine eigene Sicherheit und die meiner Töchter vergrößern. Ich würde ihnen genauso sagen, dass sie keine roten Pilze sammeln sollen, weil diese in der Regel Fliegenpilze sind und giftig. Da mag es auch irgendeine genießbare andere rote Pilzart geben. Es muss nicht sein, solange sie Pfifferlinge und Steinpilze kennen und es von denen genug gibt.

Dietrich Stahl

28. Oktober 2016 14:00

@Gustav Grambauer

Danke für Ihren Beitrag, der mir ein besseres Verständnis der „Bonzenkinder“ vermittelt hat. Das in Anführungszeichen gesetzte Wort dient als Symbol dafür, wie wir, die „Basis Widerständler“, sie damals gesehen haben.
Was Sie über diese Gruppe herausgefunden haben, ist erhellend.

In meinem erweiterten Freundes/Bekanntenkreis waren ein paar von ihnen. Was ich damals nur spürte, kann ich heute formulieren.
Meinen Freunden und mir war der Widerstand Herzensangelegenheit und gleichzeitig überlebensnotwendig. Wir konnten nicht anders. – Übrigens ist jetzt genau dieselbe Situation.

Der „Widerstand“ der obigen Gruppe war, wie Sie es beschrieben haben, vielfach Rebellion gegen die Väter. Die Kids wollten aber auch an die Macht – über den Weg „Sozialismus mit menschlichem Angesicht“. Vatermord zum Machtgewinn, ein mythisches Motiv.

Auf KEINEN Fall kam ihr Widerstand von Herzen [Es wird wie immer Ausnahmen geben]. Das Volk interessierte sie kein bisschen. Da waren sie wie ihre Eltern.

So homogen waren die nicht, denn die DDR war nicht so homogen wie man sie heute gern hätte. Das einmal auf Szondi-Ebene …

Die „Schicksalsanalyse“ und Szondi waren mir kein Begriff. Ein interessanter Ansatz.

Übrigens habe ich im ersten Beitrag von „einer ganz eigene Clique“ gesprochen. Inhomogenität schließt das nicht aus.

Für mich ist das interessanteste DDR-Nomenklatura-Kind der Neffe von Margot Honecker, Peter Feist, der heute zum deutschnationalen Lager gehört.

In den 1950iger Jahren gab es ja die russisch-ostdeutsche Initiative zur deutschen Einheit gegen strikte Neutralität des vereinten Deutschlands. Da spielte aber Adenauer nicht mit. Ja, es gab diese deutsch-nationalen Kräfte sogar in der SED.
In der heutigen Situation ist mir ein Peter Feist als Bündnispartner willkommen. Je breiter der Widerstand aufgestellt ist, umso besser.

Winston Smith 78699

29. Oktober 2016 19:32

@ Schildmaid
Entschuldigung, dass ich nicht eher geantwortet habe. Persönich bin ich dafür, ästhetische Urteile mit viel Schmackes und Absolutheitsanspruch (dass alle anderen auch so urteilen müssen) zu formulieren und sich dann in Friedenszeiten auch ordentlich darüber zu fetzen. Deswegen vielen Dank für die Grätsche. Dass ich diese Band und Musik nicht mag, hat bestimmt auch mit der der eigenen Geschichte zu tun: unter welchen Leuten und an welchen Orten ich das hörte: Punks, Antifa etc. - mit was oder wem ich das assoziiere. Und es steht für mich persönlich für ein Merkmal mancher Spielart von Punk und Heavy Metal, nämlich wenn die Gesinnung oder Lebenshaltung der Musiker die Qualität der Werke ausmachen soll, meist über den Text. Theoretisch ist Geschmack natürlich relativ - und doch kann ich nicht anders als glauben, dass so manches Fach im Plattenladen für Käufer gemacht ist, die gar nicht wirklich zuhören, sondern eher Identifikation suchen oder Zustimmung zu Stimmungen, Problemen, Lebenslagen. Glücklich ist, wen das Genre dann weiterführt - über sich hinaus, in andere hinien, wie es mir in einem entscheidenden Moment mit den Scorpions und AC/DC ging. Dagegen sind mir manche Metaller und Punkhörer (ich kenne Sammler) ein Rätsel, Rap-Freunde sowieso. Aber ich habe gerne gutherzige Kunstbanausen als Freunde.

Andreas Walter

30. Oktober 2016 14:17

Teil 2

Sie selbst, Frau Kositza. Auch bei der Allegorie beweisen sie doch bereits Ihr unglaubliches Talent. Fiel mir die Tage schon mal auf, bei der Geschichte mit dem Bock.

Nein, sind Sie nicht. Doch irgendetwas hindert Sie (noch), diese Seite mehr zu zeigen, oder sogar auszuleben. Ein Buch ist dazu ein möglicher Weg, sich dieser Seite stärker zuzuwenden, eben über einen Protagonisten oder, wenn nötig, über einen Antagonisten, bei stark abgelehnten Bewusstseinsinhalten.

Wahr-Sager

30. Oktober 2016 21:48

"Meine Güte, wie verdammt cool ist das! Diese Assoziationskette JF- extremistisch- Nazis-fastumgebracht! Was nicht paßt, wird…"

Da übt sich Herr Stein ständig in Distanzeritis, holt Stauffenberg aus dem Hut, gibt sich deutlich philosemitisch und dann sowas... Tss, tss. Da muss wohl noch erheblich mehr mit den Buntis gekuschelt werden.

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