Fidel Castro und Che Guevara

Jetzt sind sie beide tot - der eine starb vorgestern, der andere schon vor Jahrzehnten, und erstaunlich ist, wie gut die ...

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

lin­ke Iko­ni­sie­rung die­ser sicher­lich cha­ris­ma­ti­schen, frag­los tap­fe­ren, poli­tisch aber inkom­pe­ten­ten und in der Durch­set­zung ihrer Uto­pien natür­lich men­schen­ver­ach­ten­den, per­sön­lich sogar grau­sa­men Revo­lu­tio­nä­re gelang. Es gibt über Cas­tro und über Che ein jeweils sehr gelun­ge­nes Hör­buch, das der Zeit, den Umstän­den und den Lebens­we­gen gerecht wird, den Iko­nen aber jeden roman­tisch-nost­al­gi­schen Anstrich nimmt:

Fidel Cas­tro und Che Gue­va­ra sind zwei­fel­los das alle ande­ren Namen über­strah­len­de Zwil­lings­ge­stirn der kuba­ni­schen Revo­lu­ti­on von 1959, dem Jahr, in dem Prä­si­dent Batis­ta zurück­trat und den Staat den sieg­rei­chen Rebel­len über­ließ. Cas­tro war schon auf­grund sei­ner in ihr 57. Jahr gehen­den Amts­füh­rung die gewis­ser­ma­ßen lebend ein­bal­sa­mier­te Iko­ne lin­ker Auf­stands­ge­schich­ten – man ließ ihn ein­fach machen.

Im März erst war Oba­ma in Kuba, der Papst bereits im Sep­tem­ber ver­gan­ge­nen Jah­res, und das alles beför­der­te eine alters­mil­de Atmo­sphä­re: Es scheint, als habe das kraft­strot­zend Gute (Oba­ma) neben dem gebrech­li­chen Schlech­ten (Cas­tro) Anek­do­ten aus­tau­schend mit einem Drink ober­halb von Guan­ta­na­mo geses­sen, auf die Käfi­ge und die oran­ge­nen Gefan­ge­nen dar­in bli­ckend und dar­über sin­nie­rend, war­um es den Guten nicht gelang, die­ses Lager end­lich auf­zu­lö­sen, den Schlech­ten nicht, wenigs­tens die eige­ne Insel ganz frei von US- ame­ri­ka­ni­schen Saue­rei­en zu halten.

Das Hör­buch: auf­wen­dig recher­chiert, wirk­lich lehr­reich, span­nend, den Mythos Cas­tro aus sei­ner Zeit her­aus ver­ste­hend, die iko­ni­sie­ren­den Berich­te indes um jenes Stück Wahr­heit (und das heißt: Unzu­läng­lich­keit, Schä­big­keit, Skru­pel­lo­sig­keit) ergän­zend, daß der Hörer letzt­lich Zeu­ge einer Ein­ord­nung gewor­den ist:

1. Die Geschich­te wird von Per­sön­lich­kei­ten gemacht, und was in der Luft liegt, geschieht nicht ein­fach von selbst;

2. Der Kampf um Kuba war durch­aus ein Kampf um die Iden­ti­tät, die Selb­stän­dig­keit, die Sou­ve­rä­ni­tät, denn die Insel war drauf und dran, ein Mega-Las-Vegas in der Hand US-ame­ri­ka­ni­scher Inves­to­ren, Poli­ti­ker und Mafio­si zu werden;

3. Der Kampf dage­gen wur­de von Leu­ten geführt und gewon­nen, die ihrer­seits das Land ver­ge­wal­tig­ten, auf den Kopf stell­ten und sich zur Beu­te mach­ten – in heil­lo­ser Selbst­über­schät­zung und berauscht vom selbst ange­stimm­ten Lied über das eige­ne Heldenleben.

Man könn­te den Unter­ti­tel des Hör­buchs – »Revo­lu­tio­när und Staats­prä­si­dent« – auch erset­zen durch »War­um Che ging und Fidel blieb«, denn die Redak­teu­rin Elke Bader arbei­tet glück­li­cher­wei­se den wich­ti­gen Aspekt her­aus, daß der eine rasch die Lust ver­lor, der ande­re aber vom Amt des Prä­si­den­ten sich in die Pficht genom­men sah und nach den Mühen der Gue­ril­la auch die Mühen der Staats­po­li­tik schulterte.

Über den Revo­luz­zer-Pop­star Ernes­to Che Gue­va­ra ist also auch ein sehr emp­feh­lens­wer­tes Hör­buch erschie­nen, ebe­falls ver­faßt von Elke Bader: 3 CDs ohne Län­gen, samt sehr hilf­rei­chem Book­let. Es ist von vorn­her­ein ein Signal, daß Bader sich stark an den Deu­tun­gen des Halb­re­ne­ga­ten Gerd Koe­nen ori­en­tiert, der als Betei­lig­ter der Sze­ne gründ­lich mit sei­nen 68er-Genos­sen abge­rech­net hat.

Ches Leben wird vom ers­ten Atem­zug bis zur letz­ten Kugel nach­er­zählt, und zwar mit einem hauch­fein iro­ni­schen Unter­ton: Che wird nicht als der Heroe gefei­ert, der er als WG-Zim­mer-Pla­kat-Iko­ne für lin­ke Gefüh­le samt ver­ruch­tem Hin­ter­grund war. An etli­chen Stel­len sei­nes Lebens­wegs hät­te es näm­lich auch ganz anders wei­ter­ge­hen kön­nen – Marx und Coca-Cola kon­kur­rier­ten ernst­haft um die­sen selbst­ver­lieb­ten Ego­ma­nen. Marx gewann, und das wird stim­mig erzählt: wie die Unent­schie­den­heit aus Che Gue­va­ras Leben wich, als er sich ein­ge­ord­net und gebraucht sah als Teil der kuba­ni­schen Befrei­ungs­be­we­gung und bald als eine deren trei­ben­den Kräfte.

Der Ein­bruch der Rele­vanz in das Leben, so könn­te die Über­schrift zu die­ser Lebens­pha­se lau­ten. Es ist ein Ver­dienst des Hör­buchs, daß es auch das indi­vi­du­ell grau­sa­me Vor­ge­hen Che Gue­va­ras gegen die tat­säch­li­chen und ver­meint­li­chen Fein­de der Revo­lu­ti­on aus­führ­lich the­ma­ti­siert: die eigen­hän­di­gen Fol­te­run­gen und Hin­rich­tun­gen, außer­dem das poli­ti­sche Ver­sa­gen Ches als Prä­si­dent der kuba­ni­schen Natio­nal­bank und als Han­dels­mi­nis­ter Kubas.

Che hat­te an Fak­ten, an sach­kun­di­gen Ent­schei­dun­gen und an ver­ant­wor­tungs­be­wuß­ter Kärr­ner­ar­beit für das revo­lu­tio­nier­te Volk kein Inter­es­se. Der Ton des Hör­buchs paßt aus­ge­zeich­net zu Che Gue­va­ras stän­di­ger Flucht nach vorn in eine per­ma­nen­te Revo­lu­tio­nie­rung sei­ner Umge­bung. Wei­te­res Plus: Für die Enthe­roi­sie­rung die­ser Iko­ne konn­te Gri­ot mit Johan­nes Steck und Gert Hei­den­reich zwei pro­fes­sio­nel­le Spre­cher gewin­nen. Natür­lich wer­den kaum die­je­ni­gen, denen es vor allem gut­tä­te, die 3 CDs hören. Aber die Bekämp­fung des Halb­wis­sens, gepaart mit Aus­nüch­te­rungs­pas­sa­gen, ist nie falsch in Zei­ten völ­lig unan­ge­mes­se­ner lin­ker Mythenbildung.

Bestel­lun­gen:

Hör­buch Fidel Cas­tro – hier ein­se­hen.
Hör­buch Che Gue­va­ra – hier ein­se­hen.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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Kommentare (37)

Caroline Sommerfeld

27. November 2016 12:23

Partytalk gestern Abend, ein Schiff voller Van-der-Bellen-Narren (Werbung außen am Bord des Partyschiffes: "Das Boot ist toll. Das Boot ist voll. Mehr denn je: VdB". Das mit dem vollen Boot ließ mich stirnrunzeln.
Ein Bekannter zu mir:"Meine Mutter zündet für Fidel eine Kerze an, möge die Erde ihm leicht sein. Es war schon genial, dieses Land aus der Diktatur zu befreien." Ich:"Hm, aber auch eine eigene brutale Dikatur darauf zu errichten."
Er:"Tjaaa, d a s bleibt dann halt meistens nicht aus."

Wolfram Zwegat

27. November 2016 12:54

Herr Kubitschek, zunächst vielen Dank, dass Sie dieses Thema aufgegriffen haben. Es wird ja dieser Tage vielerorts über Fidel und in diesem Zuge auch über Alternativen zur US-Hegemonie gesprochen und geschrieben. Von rechts prallen hier Welten aufeinander: die Versteher einerseits, die totalen Verurteiler auf der anderen.

Was mir jedoch immer wieder auffällt, sei es NS, Faschismus, Fidel usw.: Einerseits wird (im Sinne Noltes) mit jenen Bewegungen sympathisiert, sie werden also eingeordnet und verstanden; andererseits verurteilt man sie dann selbst als Zerstörer, Vergewaltiger und Unvernünftige.

Wer hätte denn etwa '33 übernehmen sollen? Wer zu Zeiten Mussolinis und Castros? Sie haben es selbst gesagt: Geschichte wird von Persönlichkeiten gemacht, nicht von denen, die meinen, verantwortungsvoll vorzugehen und einzuhegen. Der behutsame Gärtner wird NIE der Sieger der Geschichte sein.

Fidel hat, bei aller Kritik, sein Land gegen US-Einflüsse verteidigt, gegen brutale Sanktionen, gegen die übermächtige CIA, gegen Feinde im Inneren. Wer will da ernsthaft ankommen und sagen: dieser Mann war inkompetent, menschenverachtend? Wollen Sie Castro wirklich vorwerfen, die Ausbeuter des eigenen Landes ins Exil getrieben zu haben? Anderen Autoritären, eine kurzweilige Rache gegen die ehemaligen Feinde verübt zu haben? Ein Umsturz ist nun mal kein Prozess der Vernunft, kein Kampf um ein Grundgesetz oder dergleichen.

Ebenso wird sich für unser Volk eine entscheidende Frage stellen, und somit auch für Sie: Halten wir uns aus Gründen der Vernunft zurück und verurteilen weiter die Radikalen (verlieren dann!), oder gehen wir über Leichen...

der Gehenkte

27. November 2016 13:25

Paradoxon des Epimenides:

"Wir haben niemals zur Lüge gegriffen - weder gegenüber dem Volk, noch gegenüber sonst jemandem; wer lügt, der entwürdigt, erniedrigt, prostituiert und demoralisiert sich selbst."

Großartig auch der hier: Postfaktisch vs. Postutopisch

"...daß das, was wir in Kuba geschaffen haben, unsere Träume noch übersteigt und daß wir nicht eine utopische, sondern eine nachutopische Phase erreicht haben. Das heißt: in den Träumen blieben wir hinter der Utopie zurück, und in den Werken haben wir sie übertroffen."

aus: Frei Betto: Nachtgespräche mit Fidel Castro. 1985

M. Weigel

27. November 2016 13:48

Als die Todesnachricht hereinkam und die ersten Kommentatoren sich dem Thema annahmen und sämtliche Nachrichtensendungen, fiel auf, dass nirgends von "Despot", "Machthaber", "Diktator" die Rede war. Sehr wohlwollend wurde über Castro berichtet und den meisten Deutschen dürfte diese Merkwürdigkeit kaum aufgefallen sein. Er hat seien Gegner genauso in den Kellerlöchern genauso verrotten lassen, wie das ein Saddam Husein oder Muamer al Gaddafi getan haben. Er war ein Schurke und Despot.

Dietrich Stahl

27. November 2016 14:43

Gestern war ich beim Zarah Leander Liederabend in einer Galerie.
Die wunderbare Sängerin wusste viele Geschichten zu erzählen von den goldenen UFA Zeiten.

Gustav Gründgens hatte seinen Kollegen Ernst Busch, nachdem er des Hochverrats angeklagt wurde, vor der Todesstrafe gerettet.
Busch wiederum setzte sich später für den von den Alliierten inhaftierten Gründgens ein.

Das ist wahre Freundschaft, über weltanschauliche Grenzen hinweg.

Über die Freimaurer Revolutionäre wurde nicht gesprochen.

Nemo Obligatur

27. November 2016 15:14

Huch, so viel Text für zwei Helden von vorgestern, längst aus der Zeit gefallen und von der Geschichte widerlegt? Da gab es wohl entsprechende Vorarbeiten für den Tag X. Können wir etwas von Che lernen? Eher nicht. Können wir denn etwas von Castro lernen? Immerhin hat er "die Macht" rechtzeitig aus den Händen gegeben. "Bleibt ja in der Familie" wird er vielleicht gedacht haben. Dunkel erinnern kann ich mich an Berichte aus der Tagesschau über Angola (oder war es Mosambik?), als dort kubanische Soldaten auftauchten. Heute ist das alles egal geworden. Immerhin: Die Kubaner kommen nicht in Massen nach Deutschland. Deswegen will ich an dieser Stelle kein schlechtes Wort über die Toten verlieren.

Der_Jürgen

27. November 2016 17:15

Ein wohltuend differenzierender Text, der den Mittelweg zwischen der Scylla der Verklärung und der Charybdis der Verteufelung Fidel Castros findet.

Trotz der enormen Fehler und auch Verbrechen, die er begangen hat, empfinde ich für diesen Mann Respekt, weil er jahrzehntelang einer arroganten Supermacht getrotzt hat. Das schaffen nicht viele. Er wird zweifellos als grosse Persönlichkeit in die Geschichte eingehen.

Pinochet mag weniger Menschenleben auf dem Gewissen haben als Castro, aber er wird niemals zur Ikone werden.

Willkommenskulturlos

27. November 2016 17:51

Wenn man die revolutionäre Rethorik weg lässt und nur die Ergebnisse des Castro-Regimes betrachtet, kann man Folgendes feststellen:

- Castro war ein Diktator, Diktatoren sind aber in Latein-Amerika eine normale Sache - also Castro war nichts ungewöhliches.

- Kuba ist ein marodes Land, wo alles unterentwickelt, rückständig, abbruchreif ist. Das ist aber auch für Latein-Amerika normal.

- Allerdings gibt es in Kuba keine extreme Armut / Hungersnot, keine extremen Unterschiede zwischen Arm und Reich (alle außer Nomenklatur sind mehr oder weniger gleich arm), keine inneren Unruhen und keine Immigration (dafür aber Emmigration). Hier schneidet kubanisches Regim besser als latein-amerikanisches Durchschnitt ab.

Also, gemessen an Ergebnissen war Castro ein gewöhnlicher latein-amerikanischer Diktator, der etwas besser als der Durchschnitt abschnitt.
Ihn dafür als Messias zu feiern ist einfach blöd.

Willkommenskulturlos

27. November 2016 17:55

Das Verhältnis zwischen Castro und Che Guevara war wie zwischen Stalin und Trotzki.
Der eine wollte Sozialismus in seinem Land bauen, dem anderen war es zu langweilig und er wollte Weltrevolution anzetteln.

Castro war aber klüger als Stalin:
er brachte den Rebell nicht selbst um, sondern überließ es der bolivianischen Armee.
Und so enstand eine Martyrer-Ikone (während Trotzki zwielichtig blieb).

Winston Smith 78699

27. November 2016 21:20

Vorgelesenes und Erzähltes bringt eine eigene Erlebnisqualität mit, aber mit der Suggestivkraft umzugehen traue ich mir schon zu. Hörte bei handwerklichen Arbeiten schon Molyneux oder David Buss zu oder hab mir Malaparte oder den unschreibbaren Franzosen vorlesen lassen. Auch wenn einem die Augen zu schaffen machen, bietet sich das an, und wenn man manches einfach nicht gepixelt lesen will. Leider sind manche guten Hörbücher (etwa Der Fall oder Der Großinquisitor aus den 50ern) vergriffen und auch nicht im Netz. Dabei würde mich nun aber besonders konservative oder rechte Literatur interessieren und ich würde mehr konsumieren, als es mir derzeit möglich ist. Von Evola gibt es nicht mal bezahlbare deutsche Übersetzungen der Hauptwerke auf Papier, und ich könnte zwar, aber will das nicht mehr in anderen Sprachen, denn meine eigene ist zu schön - Raskolnikows Position im Disput gegen Lichtmesz (in den Tiefen des SiN-Archivs) über synchronisierte Filme hat mich da umdenken lassen. Von d'Annunzio gibt es auf deutsch nur die Schmonzette und auch Jünger ist gelinde gesagt spärlich vertreten. Von Salomon ist im Netz, aber wohl nur in kleinen Auszügen. (Ja natürlich ist da Faschistisches dabei - erst recht will ich das hören, denn ich habe die Bevormundung satt.) Dies nur als ödes Lagebild. Irgendein Ableben oder Jubiläum hat mich noch nie zum Lesen, Hören oder Schauen von etwas bewogen, dazu sind die Welt selbst zu geheimnisvoll und ich noch zu lebendig. Einstweilen ziehe ich mir eben in der Not eben weiterhin die Lesungen auf Youtube rein, menschliche und automatische.

Gustav Grambauer

27. November 2016 21:29

Den in meinen Augen bezeichnendsten Aspekt bei der Würdigung Castros, der auch im Zusammenhang mit dem Machismo diskutiert werden sollte, vermisse ich:

"Doch die kubanischen Revolutionäre wollten, wenn sie denn abtreten mussten, dies 'con suprema dignidad' tun, mit höchster Würde, wie Castro sich damals ausdrückte."

https://www.tagesanzeiger.ch/ausland/amerika/Wie-Fidel-Castro-lernte-die-Bombe-zu-hassen/story/31737418

(Man soll über einen Toten nichts Nachteiliges sagen - erkennen wir an, daß er später die gegenteilige Haltung einnahm.)

Nemo Obligatur

"Dunkel erinnern kann ich mich an Berichte aus der Tagesschau über Angola (oder war es Mosambik?), als dort kubanische Soldaten auftauchten."

Wir haben in der DDR den Kuba-Spleen der SED-Führung, von dem sogar Ulbricht ergriffen war, immer mit größter Sorge gesehen, nicht nur wegen obiger psychiatrischer Dimension und nicht nur weil Honecker in seiner revolutionären Sentimentalität riesige Industrieprojekte u. v. a. m. dorthin verschenkt hat. Honecker und Lamberz hatten darüber hinaus auch den Afrika-Spleen, wenn Lamberz auf dem X. Parteitag wie geplant Generalsekretär und Staatsratsvorsitzender geworden wäre, wären mehrere Divisionen der NVA in die afrikanischen Bürgerkriege hineingegangen, völlig unprofiliert und politisch von einer Handvoll militärischer Stümper (wobei Lamberz äußerst "smart" war) überrumpelt, gemeinsam mit den Kubanern oder sogar unter dem Kommando der Kubaner. Der Kaffee

https://de.wikipedia.org/wiki/Kaffeekrise_in_der_DDR

wurde zur Sollbruchstelle für die Spaltung des Politbüros in Romantiker und Pragmatiker, wobei Honecker nach dem Tode von Lamberz zu den Pragmatikern übergelaufen ist. Diese Spaltung hat sich manifestiert, als Mittag Lamberz in einer PB-Sitzung in aller Schärfe gefragt hat, ob er von seinen Dritte-Welt-Abenteuern auch nur ein einziges Pfund Kaffee für die DDR mitgebracht habe. Bitte "lamberz afrika" googeln, aber nicht erschrecken über den Abgrund, der sich da auftut ...

Weltrevolution in der DDR - ja, gern, aber bitte mir "Bahnsteigkarte", ergo unter Kontrolle der Partei und - außer von 1971 bis 1977 - bitte im Interesse der DDR. Es wurde von der SED gar nicht gern gesehen, wenn sich z. B. ein FDJ-Klub nach Tamara Bunke

https://de.wikipedia.org/wiki/Tamara_Bunke

benannt hat, was vereinzelt vorkam, "Che Guevara" wäre völlig unvorstellbar gewesen, der Name war tabu. Es haben mal ein paar NVA-Offiziersanwärter von einer EOS in Ost-Berlin in einem Brief an die SED-Bezirksleitung beantragt, auf eigene Faust für den Sozialismus in Afrika kämpfen zu dürfen. Na, denen wurde in gaaanz ruhigem Ton erklärt, wo ihr Platz ist.

- G. G.

hildesvin

27. November 2016 21:49

Es sollte doch zu denken geben: Nach dem Angriff auf die Moncada-Kaserne wäre er kurz zum Tode verurteilt gewesen, dann zu fünfzehn Jahren Bau - kam aber nach weniger als zwei Jahren wieder frei. Was soll man davon halten?
---
Bei Solschenyzin sagt jemand (@ Wolfram Zwegat): Man könne keine Omeletten backen, ohne Eier zu zerschlagen, er hätte zwar jede Menge zerschlagener Eierschalen gesehen, jedoch nicht das kleinste Omelett...

Andrenio

27. November 2016 22:00

William Morgan kämpfte als US-Amerikaner gegen Batista. Ihn ereilte dasselbe Schicksal wie Jesús Carreras Zayas, einem anderen Mitkämpfer Castros: Er wurde als Abweichler gegen den kommunistischen Schwenk der Revolution 1960 erschossen.

Etwas gnädiger erging es Huger Matos, der volle 20 Jahre als politischer Gefangener absaß.

Es mehren sich die Stimmen, dass Fidel in den USA ausgebildet wurde und eigentlich nur mal schnell den unfügsamen Batista entfernen sollte.
Die über ihn laufenden Geschäfte mit Rockefeller sollen die ganzen Jahrzehnte über unbeschadet weitergelaufen sein. Mao Bay Mining als Stichwort soll genügen.

Was da wohl noch alles enthüllt werden wird in den nächsten Jahren?

Während Chile als Folge der Dictablanda Pinochets zum wohlhabendsten Land von Lateinamerika aufgestieg, ist Cuba ein unbeschreibliches Armenhaus. Wer sein Geld in den Touristenressorts ausgibt, hat es mit handverlesenem Personal zu tun, alle vom Geheimdienst kontrolliert, und alle Profite fließen in die Umgebung von Raul Castro.

Den deutschen Michel interessiert das natürlich nicht, ist die Auswahl an günstigen Frauen kaum irgendwo größer als dort.

Nemo Obligatur

27. November 2016 22:31

@ Gustav Grambauer

wobei Honecker nach dem Tode von Lamberz zu den Pragmatikern übergelaufen ist.

Bemerkenswert. Man meint fast in Honecker einen frühen Typus eines Merkelisten erkennen zu können. Wendig nach allen Seiten hin. Der ganze von Ihnen geschilderte Vorgang ist mir übrigens völlig unbekannt. Im Netz findet man heute zwar alles, aber ich hätte ja nicht einmal danach gesucht. Vielleicht wird man in ein-, zweihundert Jahren verständiger über diese Dinge urteilen können. Nebenbei ist für mich schleierhaft, ob und wie die DDR solche außenpolitische Abenteuer ohne Rückendeckung aus Moskau hätten beginnen wollen. Der "rumänische Weg" wäre für Ost-Berlin angesichts der Historie völlig undenkbar gewesen. Von den technischen Schwierigkeiten einmal völlig abgesehen.

Karl Eduard

28. November 2016 10:03

Inkompetenz. Von Anfang an. Stümperhafte Rebellen, unter deren Stümperhaftigkeit die Kubaner heute noch leiden. Wie die GRÜNEN. Nur an der Macht.

Winston Smith 78699

28. November 2016 11:51

Habe erst heute morgen ansatzweise kapiert, was das mit den Kuba-Hörbüchern wohl soll. Das kann in Richtung Aufklärung über solche Leute gehen, welchen von unseren Medien dreist kondoliert wird. Aber auch in die, über das Thema Revolution überhaupt nachzudenken. In dem Sinne thematisiere ich ja auch hier und woanders fleißig den Terror und den Tyrannozid, damit das erstmal wieder in den Bereich des Denkbaren gerät und somit überhaupt theoretisch existent wird. Allein dass es diskutiert würde, könnte Druck und somit Fahrigkeit und Fehler bei der Obrigkeit erzeugen. Dass die breite Masse sich an Maßnahmen nicht einmal mehr denken wagt, welche über die Jahrzehntausende der Menschheit immer zu den realen Möglichkeiten gehörten und die einer Opposition letztlich doch erst ihre Stimme verliehen ("Hört rechtzeitig auf uns oder die Jakobiner kommen!"), ist ja gewollt.

Coon

28. November 2016 15:44

„…daß das, was wir in Kuba geschaffen haben, unsere Träume noch übersteigt und daß wir nicht eine utopische, sondern eine nachutopische Phase erreicht haben. Das heißt: in den Träumen blieben wir hinter der Utopie zurück, und in den Werken haben wir sie übertroffen.“

Das ergibt gar keinen Sinn.

Dieser Satz von Lemmy schon eher:
„Menschen werden nicht besser, wenn sie tot sind; man redet dann bloß so über sie, als ob. Aber es stimmt nicht! Die Leute sind immer noch Arschlöcher, aber eben tote Arschlöcher.“

marodeur

28. November 2016 16:17

Willkommenskulturlos:

-Kuba ist ein marodes Land, wo alles unterentwickelt, rückständig, abbruchreif ist. Das ist aber auch für Latein-Amerika normal.

Nein, das geht mir hier deutlich in die falsche Richtung. Sie haben übrigens einiges in Ihrer Liste vergessen:
- Kuba hat eine ähnliche Alphabetisierungsquote wie wir
- Es gibt kostenlose Bildung und eine extrem hochwertige Krankenversorgung für alle
- Unter dem Grau der maroden Fassaden sitzt ein einmaliger kultureller Schatz. Im Gegensatz zur DDR hatten die kubanischen Machthaber nicht allzuviel am Hut mit sozialistischer Bauwut.

Im Übrigen zeigt sich immer noch deutlich, dass die Menschen weniger von Konsum und Kapital zermürbt sind, wie das in der westlichen Gesellschaft der Fall ist. Es gibt echte Solidarität und einen wahrhaften Patriotismus. Kuba kann man nicht in das Standard-Schema der gescheiterten Utopien pressen. Man kann meiner Meinung nach keine Bilanz aufmachen, ohne vor Ort gewesen zu sein. Kuba ist verglichen mit Lateinamerika ein wahres Paradies. Das übliche westliche Maß an Freiheit und Demokratie würde das Land buchstäblich zerreißen und (im Gegensatz zu uns DDR-Bürgern) wissen das alle Bewohner.

Mich stört in dem Zusammenhang die Assoziation eines ganzen Landes mit ein paar "stümperhaften Rebellen". In jedem stabilen Staat bildet sich mit der Zeit eine konservative Bürgerschaft, die sich effektiv mit den wiedrigsten Gegebenheiten einrichtet und eine Normalität schafft, die auch von den schärfsten Ideologen nicht mehr wirklich erschüttert werden kann. Wir sollten hier bitte das beste Beispiel sein. Ich möchte jedenfalls in 30 Jahren nicht an den Verdiensten einer Angela Merkel gemessen werden.

Der_Jürgen

28. November 2016 17:46

@Marodeur

Ihre Wortmeldung ist ein notwendiges Korrektiv zu einseitig anticastristischen Kommentaren anderer Foristen, auch wenn Sie vielleicht etwas in der anderen Richtung übertreiben. Aber ich möchte Kuba erst selber besuchen, ehe ich mich eindeutig festlege.

Desprecio

28. November 2016 19:31

@ "Marodeur" / Mo., d. 28.Nov. 2016, 16:17

".........................Kuba ist, verglichen mit Lateinamerika, ein wahres Paradies".

Als einer, der einige Jahre in Lateinamerika gelebt hat, möchte ich Ih-
nen da doch widersprechen. Bis auf die wohl überdurchschnittliche me-
dizinische Versorgung in Kuba wollte kein Bewohner der Nachbarländer
in der Karibik, Mittel- oder Südamerika mit den Kubanern tauschen.

In Kuba ist bzw. war es wie überall, wo linke Utopisten ihren Einfluß
geltend machen konnten: Linke Revolutionäre, Guerilleros oder wie
auch immer sich solche kriminelle Banden nennen, taugen immer nur
für einen möglicherweise erforderlichen Umsturz. Mit Träumen von
Gleichheit, Brüderlichkeit und Freiheit lassen sich dann halt langfristig
keine Völker ernähren.

Meine volle Zustimmung jedoch zu Ihrer letzten Aussage : "Ich möchte
jedenfalls in 30 Jahren nicht an den Verdiensten einer Angela Merkel
gemessen werden."

Aufgrund meines bisher schon erreichten Lebensalters, komme ich für eine solche Verunglimpfung wohl kaum noch infrage. Dennoch höre
ich schon heute die Schlaumeier der Jahre 2040 ff fragen:

Warum haben sich unsere Väter (und Mütter) nicht gegen die Führerin
Merkel nebst ihren Lakaien und Vasallen rechtzeitig gewehrt, obwohl
doch schon Jahre vorher abzusehen war, wohin diese Hochverratspo-
litik am eigenen Volke führen würde ?

Eines aber haben alle diese kriminellen sozialistischen, kommunisti-
schen und sonstigen Verbrecher-Regierungen, die in den letzten 100
Jahren ihre Völker beglücken durften, der derzeitigen BRD-Regierung
trotz allem voraus und werden daher vor dem "Schiedsgericht der Ge-
schichte" wohl mit einem milderen Urteil davonkommen:

Sie haben nicht ihr eigenes Volk verraten, indem sie es nicht, wie
"unsere" BRD-Regierung, de facto einem endgültigen Genozid zum
Fraße vorwarfen (einzige Ausnahme wohl das Pol-Pot-Regime in Kam-
bodscha von 1975-1979).

Fazit und auch letzter Ausweg: Nur eine rechtzeitige rechte Revolution
(ohne die Fehler derer, die es zwischen 1933 und 1945 versucht haben)
wird uns, unser Volk und unsere Kultur noch retten können !

Der seit über 70 Jahre umerzogene deutsche Michel, der selbst bei einer Revolution sich vorher noch eine Bahnsteigkarte besorgt, ist dazu wahr-
scheinlich nicht mehr in der Lage.

Als ULTIMA RATIO bliebe dann nur noch die Sezession eines (oder gar
zweier ?) Bundesländer, beispielsweise Sachsen, quasi als Reservat für
die letzten Deutschen. Ein Leben unter Deutschen, wenn auch unter
eingeschränkten wirtschaftlichen Bedingungen, erscheint mir persön-
lich erstrebenswerter als eine Zukunft im Zirkus oder Zoo, wo die letz-
ten unserer Art dann zu Schau gestellt werden.

hildesvin

28. November 2016 21:12

@ Marodeur: Extrem hochwertige Krankenversorgung? Hochwertig ohne extrem wäre schon übertrieben. In den Achzigern und mehr noch in den Neunzigern hatte ich mit etlichen Kubanern zu tun. Und was die so - glaubwürdig - vertellten, naja. Damals waren die Pharmavertreter noch nicht so geizig wie heute, und ich konnte viel Gutes tun. Zwei scharfe Stinkadoros cubanos waren das einzige Gegengeschenk, aber ich habe es gern getan.

Waldgänger aus Schwaben

28. November 2016 21:40

Castro spielte als Diktator in einer eigenen Liga. Er hat nicht nur seine Gegner, oder die, die er dafür hielt, gefoltert und ermordert.
Er war bereit sein gesamtes Volk und weitere Millionen von Menschen seinen Idealen zu opfern.
Während der Kuba-Krise forderte er Chruschtschow zum atomaren Erstschlag gegen die USA auf, für den Fall einer US-Invasion in Kuba.
Nach Beilegung der Krise äusserte er sich gegenüber Chruschtschow enttäuscht über dessen Nachgeben.

Und genau dieser Castro ist immer noch Vorbild der Salonlinken.
Jener Linken, die heute "no borders, no nations" schreien und wie ihr Vorbild bereit Völker für ihre Ideale drauf gehen zu lassen.

Wer meint an Castro noch ein gutes Haar lassen zu müsen, lese den Briefwechsel

Chruschtschow und Castro

Zitat daraus:

Viele Menschen, kubanische und sowjetische, die bereit waren, mit höchster Würde zu sterben, vergossen Tränen, als der plötzliche, unerwartete und praktisch bedingungslose Waffenabzug bekannt wurde.
...
Wir wussten, ..., dass wir, ..., im Falle eines Atomkriegs vernichtet worden wären.

Castro an Chruschtschow nach Beilegung der Kuba-Krise

H. M. Richter

28. November 2016 22:20

@ Desprecio

"Als ULTIMA RATIO bliebe dann nur noch die Sezession eines (oder gar
zweier ?) Bundesländer, beispielsweise Sachsen, quasi als Reservat für
die letzten Deutschen."
____________________________________________________

Nun stellen Sie sich gar Sachsen, Thüringen und Bayern als Zusammenschluß vor ...

Über die Durchführbarkeit des Austritts einzelner Bundesländer aus der Bundesrepublik gibt es m. W. unterschiedliche Rechtspositionen, -ausgeschlossen erscheint sie mir nicht.
____________________________________________________

Zu Kuba:

Ein einziger Umstand hinsichtlich des kommunistischen Regimes auf Kuba hat mir stets Respekt abverlangt - die Senkung der Säuglingssterblichkeit. Mehr nicht.

Raskolnikow

29. November 2016 07:28

Gerade,

kehre ich von meiner Morgenmotion zurück. Die eisige Luft injezierte mir genug Frische, um auf diesen etwas unglücklichen Kommentarverlauf eine dritte Sicht in Form einer Frage aufzuhäufen:

Wie kann man, und diese Frage sei an uns selbst gestellt, die wir außerhalb des linksliberalen Kindergartens im Wind stehen, wie kann man nun, vor allem obige Castro-Kritiker seien gefragt, gewaltfreier Demokrat sein und dieses Kriterium an fremde Politiker und ihre Methoden anlegen, aber gleichzeitig Männer wie Armin, Heinrich II., Karl Martell, Prinz Eugen, den Soldatenkönig, Napoleon, Stauffenberg usw. verehren?

Ist das nicht ebenso lächerlich, wie die trauernden Castro-Groupies für die Trump, Hofer, Höcke oder Petry menschenverachtende Teufel sind?

Der Verweis auf Demokratie, Wohlstand und Menschenrechte ist unsereiner einfach unwürdig, denn damit besudeln wir all die großen Männer, und Frauen, der Geschichte, die alle keine Demokraten, Minderheiten- oder Schwulenaktivisten waren, unter deren Regentschaft vielleicht auch Hunger herrschte und die noch wußten, wie man seinen Feinden die Fresse poliert.

Jene, die sich für wohlgeratene Anhänger von Aufklärung und Menschenrechten halten, seien daran erinnert, wie diese Schnapsideen in die Weltgeschichte traten!

Im übrigen ist Einer, der Verrätern eigenhändig in den Kopf schießt, bedeutend menschlicher, als ein Nobelpreisträger, der Tausende per Drohne aus seinem klimatisierten war room heraus zerfetzt ...

Pax vobiscum,

R.

Rumpelstilzchen

29. November 2016 09:24

Halleluja, Raskolnikow
ich wollte hier ja nichts schreiben, weil ich keine Ahnung habe, was so in Kuba abgeht, aber jetzt wurde ich, katholisch und BRD-sozialisiert und durch die kalte Morgenluft auch hier : aufgefrischt

Drei kleine Argumente gegen Ihre bestechende Logik

1. Das katholische Argument
vielleicht hätten wir mehr auf Ratzinger hören sollen:
https://www.katholisches.info/2013/06/29/bruder-von-leonardo-boff-wir-hatten-auf-ratzinger-horen-sollen/
2. das marxistisch-leninistische Argument, (noch immer wirksam in DDR-Sozialisierten), kenne ich aus der " Jungen Welt":
Auch die BRD verletzt die Menschenrechte, z. B. das Recht auf Arbeit ( finde den Fehler in diesem Vergleich)
3. das "alle Religionen sind gleich-Argument"
was habt ihr gegen die Frauenfeindlichkeit des Islam, auch die katholische Kirche ist frauenfeindlich, was habt ihr gegen Rotherham, auch katholische Priester vergreifen sich an kleinen Mädchen....

Wie scheidet man nun die Geister ? Um sich nicht für das Falsche zu begeistern ?

Fragen Sie Frau Dr, Sommerfeld...
Pax vobiscum

....einen Frieden, wie ihn die Welt nicht gibt..

Eveline

29. November 2016 12:05

- Über Kuba lacht die Sonne, über uns die ganze Welt - DDR Volksmund.

https://www.mdr.de/damals/archiv/artikel97270.html

Was ich nicht verstehe, warum der ganze Ostblock, Kuba eingeschlossen, äußerlich so marode und desolat aussahen. Natürlich wirkt dieses sich aus und macht auf jeden Fall Minderwertigkeitskomplexe.
Es fehlte immer etwas, mal die Farbe, mal Zement, mal die Steine.

Is das nun eine künstliche Verknappung gewesen oder eine tatsächliche ?

Ziel die Menschen mürbe zu machen? Um so die ganze Welt "Kaufen und Verkaufen" zu können?

Ich tippe auf eine künstliche Verknappung.

Das wäre es gewesen Volkseigentum, hübsche Infrastruktur, sehr gute Bildung.... nationale Zugehörigkeit.....

Raskolnikow

29. November 2016 13:43

Liebes Rumpelstilzchen,

Sie zielen natürlich treffsicher auf die Achillesferse meiner Ausführungen: die allgemein humane Unzulänglichkeit. Wir wandeln als einfältige und gutgelaunte Individuen auf diesem Planeten umher und lassen es uns angelegen sein, unsere Rüssel in die moralischen Blüten oder verdorbenen Jauchen Anderer zu tauchen. Wir beten die Regularien daher wie Automaten. Allein wir gehen meistens fehl.

Ich kann vor dem moralischen Urteil nur warnen, erst recht wenn es über Umstände, Zeiten, Gegenden und Personen gefällt wird, die von uns nicht bzw. kaum überblickt oder begriffen werden. Jedes Urteil ist ja auch Präzedenz und ausgemachtermaßen muß die Moral, die ich immer und überall (z.B. Cuba, 60er Jahre) in Anschlag bringen will, global und ewig gültig sein (Heinrich II.).

Und vor allem, warum urteilen wir nach den Regeln eines Systems, das derart geschmacklos ist und es in jeder Hinsicht an Anstand, Würde und Größe fehlen läßt? Menschenrechte, Basisdemokratie, Pazifismus, Emanzipation ... also bitte!

Es gibt diese Reisenden, die sich über die Sitten und Gebräuche ihrer Wirtsvölker lustig machen, vielleicht haben Sie solche Ungebildeten schon einmal erlebt und belauscht. Es ist dies der Geist des aufgeblasenen Kretins, zutiefst unaristokratisch und abstoßend, wie ich finde. In ebendiese Kategorie gehören die Fortschrittler, die wenn sie über historische Sujets parlieren, Wendungen benützen wie: "damals wußten die Menschen noch nicht, ...", "damals glaubte man noch ...". Leute, die über angesichts der Pracht in Versailles die Nase rümpfen.

Wir sind in jeder Hinsicht Krüppel, die mit den Härten und Kruditäten des Lebens nicht fertig werden können.

Ich möchte lieber nicht mit Frau Dr. Sommerfeld disputieren, ich verstehe ihre Sprache ja gar nicht, ganz ähnlich wie ich Herrn Sellner nicht verstehe. Mein Ehrgeiz in dieser Richtung ist doch arg beschränkt. Ganz ohne anti-intellektuellen Impetus mag ich mich zum schwerstgestörten Stefan in den totgesagten Park verfügen und gemeinsam mit ihm auszurufen: was nicht auf Deutsch gesagt werden kann, ist es überhaupt nicht wert, gesagt zu werden!

In eines meiner schwarzen Büchlein schrieb ich mal, daß "Moral" zu den leeren Worten gehört, derer es zahlreiche giebt, zum Exempel: groß, Wir, Gerechtigkeit, ... Man muß diese Worte erst befüllen. Weibliche Worte. Vielleicht ist die Moral ja etwas Weibliches, Mondartiges.

Wertes Rumpelstilzchen, schlüßlich kann ich Ihre Fragen nicht beantworten. Ich empfehle aber folgende Vorgehensweise: bewahren Sie sich die Härte und Grausamkeit des Urteils für die eigene Nasenspitze auf! Oje, was schreibe ich hier so schlankerhand an Unmöglichem, was bin ich für ein transzendentaler Narr ...

Bitte gehen Sie mir ruhig ein wenig zur Hand bei meinen gedanklichen Dilettantismen und wirken Sie auf mich ein, wenn verderbliche Fixierungen drohen! Aber werfen Sie mir niemals Gleichgültigkeit gegen die Nöte und Brutalitäten dieser Welt vor! Ich bin, was ich bin, was wir alle sind: verwöhnt und grausam.

Sursum corda,

R.

Eisenhans

29. November 2016 15:52

Ja, einer der großen ist von uns gegangen, einer der großen Versager
der Weltgeschichte, die ihn nicht freisprechen wird. Der Maximo Lider,
der zwar im Gegensatz zu Erich, Margot und Konsorten Charisma hatte,
aber bis zum letzten Atemzug die gleiche, kleingeistige, bockige und
geradezu infantile Uneinsichtigkeit wie jene an den Tag legte.
Der Gebietskommissar und Schlächter seiner ukrainischen Landsleute,
Nikita Chrustschow, ist auf dem Totenbett wenigstens noch ansatzweise
zu der Erkenntnis gelangt, das die von Stalin angeordneten und von ihm
durchgeführten Massenmorde wohl etwas zu viel des Guten waren.
Er hatte wohl am Ende seiner Tage begriffen, dass das Erschießen
von "Verrätern" alles andere als menschlich, sondern nur der Ausfluss
eines Systems war, dessen psychophatischer Kopf- der Maximo Lider
Stalin- von der hündischen Psyche seiner Handlanger Besitz ergriffen
hatte. Fidels Gönner Nikita hat zumindest noch einen Rest Anstand
besessen, was ihn zwar vor der Geschichte nicht freispricht,
ihn aber neben Castro eine winzige Spur größer erscheinen lässt.
Ob nachfolgende Generationen Demokratie, Wohlstand und
Menschenrechte als Ausfluss von Schwulenaktivisten betrachten
werde- warten wir`s ab....

marodeur

29. November 2016 16:39

eveline:

Was ich nicht verstehe, warum der ganze Ostblock, Kuba eingeschlossen, äußerlich so marode und desolat aussahen. Natürlich wirkt dieses sich aus und macht auf jeden Fall Minderwertigkeitskomplexe.
Es fehlte immer etwas, mal die Farbe, mal Zement, mal die Steine.

Is das nun eine künstliche Verknappung gewesen oder eine tatsächliche ?

Ziel die Menschen mürbe zu machen? Um so die ganze Welt „Kaufen und Verkaufen“ zu können?

Ich tippe auf eine künstliche Verknappung.

Die Antwort lautet Ja. Es war eine Mischung aus künstlicher Verknappung und schlichtem Mangel. Das Hauptproblem war der Außenhandel. Beispielsweise konnten bestimmte organische Farbpigmente aus Kostengründen auf dem Weltmarkt nicht beschafft werden. Dazu muss man wissen, dass die Beschaffung von Gütern innerhalb des Ostblocks teilweise noch teurer war, als der Einkauf im kapitalistischen Ausland. Die Pigmentmischung im Bereich weiß bis grau war allerdings kein Problem, dank einheimischer Quellen. Gleichzeitig wurden alle hochwertigen Produkte der einheimischen Wirtschaft bei jeder Gelegenheit im Ausland gegen Devisen verhökert. Das führte beispielsweise dazu, dass man Erfurter Rauhfaser selbst als Werksmitarbeiter nur über Beziehungen ergattern konnte.
Im Übrigen tat die Planwirtschaft ihr Übriges. Nirgends wurden Baustoffe nach Bedarf ausgegeben. Güter gab es im Überfluß oder garnicht. Lange Jahrzehnte war man sich auch nicht 100% einig, ob der DDR-Bürger nicht grundsätzlich in der Platte wohnen sollte. Es gab in vielen Städten Pläne zum Abriß der gesamten Altbausubstanz. Entsprechend wurde dort nicht investiert.

Rumpelstilzchen

29. November 2016 16:57

Der Verweis auf Demokratie, Wohlstand und Menschenrechte ist unsereiner einfach unwürdig, denn damit besudeln wir all die großen Männer, und Frauen, der Geschichte, die alle keine Demokraten, Minderheiten- oder Schwulenaktivisten waren, unter deren Regentschaft vielleicht auch Hunger herrschte und die noch wußten, wie man seinen Feinden die Fresse poliert.

Lieber Raskolnikow,
ich werde Ihnen niemals Gleich-gültigkeit gegen die Nöte und Brutalitäten dieser Welt vorwerfen !
Und ich gestehe, manchmal denke ich, Jesus hätte nicht nur die Händler aus dem Tempel vertreiben sollen , sondern von mir aus seinen Feinden auch mal die Fresse polieren können.
Dabei denke ich eher an Bud Spencer und Terence Hill, weniger an Karl Martell, obwohl
O-Ton Spencer:

Hat dir eigentlich schon mal einer mit einem Vorschlaghammer einen Scheitel gezogen ?"

Sursum corda,
R.

Einar von Vielen

29. November 2016 17:53

Kann und will nicht viel zu Kuba sagen, da ich selbst nur einmal in Guantanamo auf der US Navy Basis weilte (bevor es die Käfige gab), nur:

Gab es letztens Stadtteilfest mit den üblichen alt-alternativen Betreibern. Unter anderem ein Stand ich glaub der Grünen Jugend oder der Demenzhilfe, weiß nicht mehr genau. Dort buntes Befeiern der Errungenschaften Kubas, des dortigen Sozialismus, von Che und Fidel sowie dergleichen. Zwei Stände weiter ein paar Brüder im Geiste mit einer Spendenaktion: Es wurde für die Milchspeisung kubanischer Schüler gesammelt! Ich musste laut lachen, sah aber, dass niemand den Witz verstand.

Im Übrigen lese ich immer sehr gern Raskolnikow, danke!

Desprecio

29. November 2016 19:38

@ "Roskolnikow" / 29.Nov. 2016, 13.43 Uhr

"......................... : "was nicht auf Deutsch gesagt werden kann, ist es
überhaupt nicht wert, gesagt zu werden !"

Werter Roskolnikow !

Ihre diesbezüglichen Worte in Gottes (Kubitscheks) Ohr ! Ich gehe ein-
fach mal davon aus, daß bei all der Anerkennung, Verehrung bis hin zur
Anbetung, die Sie in diesem Forum genießen, Ihre diesbezügliche Kritik
auf eine größere Resonanz trifft, als die eines Gelegenheitskommenta-
tors, der wegen entsprechender Bitten schon des öfteren von Mitforisten
abgewatscht wurde.
Als ehemaliger Gymnasiast zähle ich mich nicht gerade zu den unbe-
darftesten Bürgern dieses Landes. Ich lehne es jedoch ab, beim Lesen
einiger Beiträge jeweils ein Fremdwörterlexikon und ein Soziologen-
handbuch hinzuziehen zu müssen.

der Gehenkte

30. November 2016 00:45

@ Raskolnikov

Ganz ohne anti-intellektuellen Impetus mag ich mich zum schwerstgestörten Stefan in den totgesagten Park verfügen und gemeinsam mit ihm auszurufen: was nicht auf Deutsch gesagt werden kann, ist es überhaupt nicht wert, gesagt zu werden!

Mich deucht, mit Verlaub, als liege hier ein kleiner Irrtum vor.

Der Satz scheint mir für Szent Istvan – siebensprachiger Translator Dantes, Shakespeares, Baudelaires, Rimbauds, Verlaines, Mallarmès, Verhaerens, Verweyens, Jacobsens, Ibsens, Roliczs ...; des Hebräischen, Griechischen, Lateinischen kundig - recht fremd zu klingen. Wohl entsinne ich mich dieser seiner Worte:

In der dichtung - wie in aller kunst-betätigung - ist jeder der noch von der sucht ergriffen ist etwas zu "sagen" etwas "wirken" zu wollen nicht einmal wert in den vorhof der kunst einzutreten.

Wohingegen es bei besagtem Satze sich um eine Germanisierung eines schnöden - but funny - albionischen Sprichwortes handeln könnte:

If It's Not Worth Saying in English, It's Not Worth Saying at All.

Doch bin ich nur ein unwissend Ding …

Andrenio

30. November 2016 07:58

@marodeur

Bitte kontaktieren Sie mal einige Venezuelaner, die in "Genuss" der Behandlung durch kubanische Ärzte gekommen sind, dann haben Sie ein klareres Bild der Qualität dortiger Medizin.

Ein deutscher Zahnmedizinstudent, der einige Monate in einer kubanischen Poliklinik famulierte, fasste seine Erfahrungen so zusammen: Patienten erschienen praktisch nie, gab es doch weder Bohrer, noch Füllungsmaterial. Besonders eindrücklich für ihn war das Phänomen, dass die Zahnarzthelferin die ganzen Tage damit verbrachte ihre Fingernägel abwechselnd mit ihren Wimpern zu pflegen.

Wer selbst viele Jahre in Lareinamerika gelebt hat, wundert sich über die Durchschlagskraft mythischer Darstellung des Castroregimes.

Übrigens: Wer die Kubaner außerhalb der Insel kennenlernen durfte, kann nur eine Lobeshymne über dieses vielleicht tüchtigste Völkchen der Karibik anstimmen.

Der_Jürgen

30. November 2016 11:13

@Der Gehenkte

Da das von Ihnen angeführte Zitat von Stefan George stammt und dieser in der Tat die erwähnten Autoren übersetzt hat, schien mir Ihr Hinweis auf einen "Szent Istvan" zunächst irritierend. Dann ging mir nach einem herzhaften Schluck Kaffee ein Licht auf: Istvan ist ungarisch für Stefan, und Szent heisst heilig. "Der Heilige Stefan" ist also nicht der bekannte König der Magyaren, sondern der von Ihnen als Heiliger verehrte Stefan George; nach dessen Gedicht vom "Gehenkten" nennen Sie sich ja.

Wir hatten zwar ein- oder zweimal unsere Meinungsverschiedenheiten in politischen Fragen, aber in Bezug auf dieses Dichtergenie scheinen wir uns einig zu sein. Vermutlich wird unsere Vorliebe noch von vielen anderen Sezessionisten geteilt. Lichtmesz und Sellner gehören ja auch dazu.

Sascha

1. Dezember 2016 14:58

"Ich tippe auf eine künstliche Verknappung."

Nein, natürliche. In den letzten Jahren hat die DDR jedenfalls zunehmend versucht, wenigstens ein oder zwei Straßen pro Stadt richtig schön auszugestalten, zumindest jedenfalls mit Anstreichen der Häuser. Für mehr hat es einfach nicht gereicht.

Eveline

5. Dezember 2016 14:38

@ Sascha
Alles sind Spiegelwelten für unser Bewusstsein.

Experiment: die eine Hälfte der Weltbevölkerung bekommt volle Regale vorgespiegelt, die andere Hälfte leere Regale.
Da wir alle nicht hinter die Spiegel schauen können, denn da ist nichts, sehen wir a. volle Regale oder b. leere Regale und schieben eine gedankliche Erklärung nach.

wie Der Kapitalismus ist effizienter, der Sozialismus ist was für Faule.

Sie können selbst mit einem klappbaren Badspiegel eine unendlich volle Welt ins Badezimmer spiegeln. Das allein macht Ihr Bewusstsein und sollte Nachbars Katze sich in Ihrem Spiegel spiegeln, fangen Sie sicher keinen Streit mit dem Nachbar an.... das ist meine Katze.. ., weil das ist zu durchschauen.

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