Kritische Weißseinsforschung 2

Als ich hier vor einiger Zeit zu eben diesem Thema schrieb, hielt ich "Kritische Weißseinsforschung" für einen kruden Einfall von "afrodeutschen" Popmusikern, ...

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

… die ihren Tex­ten irgend­ei­ne poli­ti­sche Bot­schaft ver­pas­sen wol­len. Doch jetzt will der Ber­li­ner Bezirk Fried­richs­hain-Kreuz­berg das Groe­ben­ufer an der Spree in May-Ayim-Ufer umbe­nen­nen und in dem Zusam­men­hang taucht die­se omi­nö­se “Wis­sen­schaft” wie­der auf.

Den Beschluß faß­te das Bezirks­par­la­ment vor zwei Wochen auf Antrag der Grünenfraktion.

Mit die­ser Umwid­mung wer­de zum ers­ten Mal in Ber­lin ein kolo­nia­ler Stra­ßen­na­me ersetzt, sag­te ein Frak­ti­ons­spre­cher. Statt Otto Fried­rich von der Grö­ben (1656–1728), den Pio­nier des deut­schen Kolo­nia­lis­mus, zu ehren, sol­le das Ufer nahe der Ober­baum­brü­cke nun den Namen der ver­stor­be­nen Ber­li­ner Dich­te­rin, Päd­ago­gin und Akti­vis­tin der afro­deut­schen Bewe­gung, May Ayim (1960–1996), tragen.

1895 wur­de die neu ange­leg­te Ufer­stra­ße an der Spree nach Otto Fried­rich von Groe­ben benannt, den man weni­ger als Kolo­ni­al­pio­nier (das 1683 im heu­ti­gen Gha­na gegrün­de­tes Groß­fried­richs­burg ver­kauf­te der Sol­da­ten­kö­nig bereits 1717 an die Hol­län­der) denn als For­schungs­rei­sen­den ansah; ganz im Gegen­satz zu Peters, Lüde­ritz, Woer­mann oder Wiss­mann. Für die Umben­nung ist aber letzt­lich egal, wer Groe­ben war, da es offen­bar um die mir bis­lang unbe­kann­te Akti­vis­tin geht.

Das Beson­de­re an die­ser Umbe­nen­nung sei, dass sie die Erin­ne­rungs­per­spek­ti­ve umkeh­re, sag­te die kul­tur­po­li­ti­sche Spre­che­rin der Grü­nen-Frak­ti­on und Vor­sit­zen­de des bezirk­li­chen Kul­tur­aus­schus­ses, Elvi­ra Pich­ler. Mit May Ayim bekom­me die Stra­ße am Kreuz­ber­ger Spree­ufer­stra­ße eine Namens­pa­tro­nin, die sich in den 1980er und 1990er Jah­ren wis­sen­schaft­lich, poli­tisch und lite­ra­risch mit dem engen Zusam­men­hang zwi­schen Kolo­nia­lis­mus und Ras­sis­mus in unse­rer heu­ti­gen Gesell­schaft aus­ein­an­der­ge­setzt habe.

Wenn man jetzt nach May Ayim goo­gelt, kommt man dar­auf, daß sie als eine der Pio­nie­rin­nen (!!!) der “Kri­ti­schen Weiß­seins­for­schung” (die es offen­bar wirk­lich gibt) in Deutsch­land gilt. Was ist das? Kurz gesagt: Ein Zweig der sog. Ras­sis­mus­for­schung, der den Blick auf den Ursprung der “Ras­si­fi­zie­rung”, die gesell­schaft­li­che Norm des “Weiß­seins” rich­tet. Mit ande­ren Wor­ten: Der Wei­ße ist grund­sätz­lich ras­sis­tisch, weil er weiß ist und er ist immer ras­sis­tisch, weil die “Kate­go­rie des Weiß­seins” ja auch ohne Ras­sis­mus-Objekt (den “Schwar­zen”) vor­han­den ist.

So nützt auch die schöns­te Oba­ma-Begeis­te­rung nichts, wenn man die fal­sche Haut­far­be hat. Mich wür­de inter­es­sie­ren, wie die “Dekon­struk­ti­on” des Weiß­seins funk­tio­nie­ren soll, wenn wir ein­mal davon aus­ge­hen, daß ja frü­hes­tens unse­re jewei­li­gen Nach­kom­men “Afro­deut­sche” sein kön­nen. Mit Lip­pen­be­kennt­nis­sen (“Ich bin zwar weiß, fühl mich aber nicht so.”) wer­den sich die Kri­ti­schen Weiß­seins­for­scher wohl nicht zufriedengeben.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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