Heidegger, Schmitt, Jünger – das Abdriften war schon vorgezeichnet bei dir. Trotz deiner wilden Anarcho-Phantasien damals.
B: Ach? Und du bist nach wie vor links? Wie damals vor dreißig Jahren, als du einen RAF-Stern am Revers trugst? Oh, entschuldige, daß ich dich daran erinnere… Muß jedenfalls lange vor deiner Verbeamtung als Lehrer und dem Eigenheim gewesen sein…
A: Auch ich hab mich geändert, ist doch klar. Aber nicht so radikal wie du.
B: Ich hab mich eigentlich gar nicht verändert. Die Lage ist eine andere. Mich wundert, daß ausgerechnet du als Immer-noch-Linker das nicht bemerkst. Ich hab immer geglaubt, ihr Linken wäret besonders sensibel für gesellschaftliche Veränderungen.
A: Was sollte ich bemerkt oder nicht bemerkt haben?
B: Kommt es dir nicht komisch vor, daß die heutigen Ziele der Linken eine auffällige Ähnlichkeit haben mit den Zielen der Globalisierer? Daß viele linke und sogar linksextreme Initiativen finanziell von milliardenschweren Stiftungen unterstützt werden, deren Zentralen in den USA sitzen? Wo könnte die Schnittmenge zwischen euch und denen liegen?
A: Die haben eben erkannt, daß man nicht so weitermachen kann mit der Ausbeutung. Deshalb fördern sie humanitäre Projekte weltweit, wollen den Ausgleich zwischen Arm und Reich, unterstützen deshalb zum Beispiel auch die Migration ins reiche Europa.
B: Du meinst, ein George Soros wäre auf seine alten Tage sentimental geworden? Ich bin da jetzt ein wenig sprachlos, das muß ich gestehen…
A: Warum denn nicht? Empathie, soziales Denken, Humanismus, Weltbürgertum, man setzt sich ein für offene Grenzen und unterstützt solche Projekte finanziell – was ist daran schlimm?
B: Versuch es für einen Moment mal anders zu sehen: Leute wie Soros haben sich überhaupt nicht verändert, sondern sind sich sehr treu geblieben. Es geht ihnen nicht um das Soziale im Sinne der Verbesserung der Lebenssituation der Ärmsten der Armen – das Soziale, das offensiv vorgetragene Humanitäre nutzen sie als Vehikel, um ökonomische Ziele zu erreichen.
Sehr geschickt übrigens, denn wer wollte sich schon offen gegen das Humanitäre wenden. Und ihr fallt darauf rein. Ihr seid der perfekte nützliche Idiot für Großkonzerne und Finanzwirtschaft. Ihr helft denen, die Menschen dorthin zu bringen, wo sie gebraucht werden – als Billiglöhner und als willige Konsumenten.
Mehr noch: Man mißbraucht sie als Druckmittel. Denn mit der Waffe des Lohndumpings hält man die Arbeitnehmer der Industriegesellschaften in Schach. Wenn du aufmuckst, wirst du eben ersetzt – je mieser du bezahlt wirst, desto leichter bist du zu ersetzen.
Die an Charles Dickens’ Zeiten erinnernde Gewalttätigkeit so mancher der Herbeigerufenen unterstreicht das eindrucksvoll – das ist ein weiteres Drohszenario gegenüber den Stelleninhabern und Wohlstandsteilhabern: Wir machen euch fertig, in jeder Hinsicht.
No nations, no borders – das ist nicht links, das ist der feuchteste aller Träume eines jeden Großinvestors. Ressourcen, Kapitalströme, Waren, Technologien und Menschen – alles ist ungehindert in Bewegung und kann dorthin dirigiert werden, wo der größte Gewinn zu erwarten ist.
A: Wer sagt dir, daß es sich nicht umgekehrt verhält? Die Linke benutzt die Kapitalisten – wir nehmen deren Kohle für den guten Zweck, sorgen für die Umverteilung und…
B: … und dann macht ihr Revolution? Hofft ihr also wirklich darauf, daß die Entrechteten der Erde, sobald sie alle hier sind, euch an die Macht wählen werden?
Ich denke eher, daß ihr, sobald ihr euren Job getan habt, den verdienten Tritt in den Arsch bekommen werdet. Fragt sich nur, wessen Stiefel sich als erster da reinbohren wird. Und wessen Stiefel spitzer sein wird…
Aber ich möchte auf etwas zurückkommen, was du eben gesagt hast – was wäre schlimm an Empathie, sozialem Denken und Humanismus oder so ähnlich… Das klang so, als würdest du all diese Dinge mir und jenen, die du als rechts bezeichnest, nicht zutrauen, ja sogar absprechen.
A: Richtig. Rechts, das ist soziale Kälte. Rechts ist die Unfähigkeit zur Empathie. Rechts ist inhuman. Schau dir doch mal die AfD an. Eine Mischung aus Nationalismus und Wirtschaftsliberalismus à la Thatcher und Reagan. Ich nehme da sehr viel soziale Kälte wahr.
B: Dem könnte man wenigstens teilweise zustimmen – die AfD würde mittelständische Unternehmen vermutlich anständiger behandeln als die derzeitige Regierung unter SPD-Beteiligung. Aber sonst?
Es ist doch heute so, daß gerade die Großkonzerne und die Finanzindustrie sich über die weltweiten humanitären Stiftungen mit linken Gruppen vernetzen – und dann gemeinsam Front machen gegen das, was du und sie als rechts bezeichnen. Die Zeiten haben sich wirklich radikal geändert.
„Rechts“ wird von der Globalisierungsseite als Feind wahrgenommen, weil kulturelle und auch nationale Identität, das Beharren auf so etwas wie Heimat, Herkunft und Grenzen das ungehemmte Strömen von Geld, Waren, Rohstoffen und Arbeitssklaven erschwert. Rechts ist das neue Links, so könnte man es stark verkürzt sagen.
Zumindest was die soziale Frage angeht. Das scheint auch manchen Linken zu dämmern – Lafontaine, Wagenknecht und in den USA Michael Moore…
A: Ach, jetzt kommst du mir auch noch mit Trump.
B: Was seine im Wahlkampf erklärten Absichten angeht, könnte ich das wohl. Bleibt aber abzuwarten, was daraus wird. Ansonsten: Wenn er TTIP beendet, müsste dir das doch auch gefallen, oder?
A: Nein, der Protest gegen TTIP ist genuin links.
B: Moment mal – es kommt also darauf an, wer das brennende Haus löscht und nicht darauf, daß es überhaupt gelöscht wird? Glaubt ihr ein Protestmonopol zu haben oder so was? Ich verstehe euch da nicht. Warum sollte man sich nicht, wenn man gemeinsame Ziele hat, gemeinsam ans Werk machen? Ich hätte da nicht die geringsten Skrupel…
A: Ihr nennt das Querfront, nicht wahr? So was wie Le Pen in Frankreich. Nationalismus und Sozialismus ergibt – na?
B: Ich soll jetzt wohl „Nationalsozialismus“ sagen, was? Nein, das mache ich nicht. Aber es könnte unter dem Strich etwas Gutes dabei herauskommen, wenn Rechte und Linke kooperieren. Sind in den letzten Jahren nicht auch viele Exsozialisten und Kommunisten zu Le Pen übergelaufen?
A: Lassen wir das. Noch eine andere Sache. Hast du nicht mal grün gewählt damals?
B: Klar, öfter sogar. Zuletzt 1998. Das ist mir etwas peinlich heute, das gebe ich zu… Danach kam dann schnell so eine Art Erwachen, das ich mal als „böses“ bezeichnen würde. Ich konnte nicht glauben, was dann in den Folgejahren kam… Davor hatte ich die Grünen zwar nicht gerade idealisiert, aber immerhin als eine Art bessere SPD gesehen – besser, weil sie neben sozialen auch ökologische Themen bediente, die mir immer wichtig waren und es auch heute noch sind.
A: Darauf wollte ich hinaus. Wo siehst du denn das Ökologische bei den Rechten? Sag jetzt nicht, daß du Umwelt & Aktiv liest, dieses Bauernfängerblatt der NPD…
B: Doch, das tue ich gelegentlich. Fangen lasse ich mich allerdings nicht. Ist inhaltlich übrigens teilweise gar nicht mal so ganz daneben, das Blatt. Streckenweise etwas naiv und furchtbar schlecht gestaltet, es erinnert mich ein wenig an die Anfänge der Grünen, wie ich sie damals noch zu Schulzeiten in Schleswig-Holstein wahrgenommen habe.
Aber um auf deine Frage zurückzukommen: Das ist genau der Punkt, an dem ich mir bei den Rechten am meisten Sorgen mache. Daß die Betonköpfe und Technokraten alten Schlages sich durchsetzen. Nicht, daß ich ein Freund der Windräder und Biogasanlagen wäre, aber ich will auch nicht in das Zeitalter der klassischen Kohle- und Atomenergie zurück.
Trump könnte gerade an diesem Punkt völlig versagen. Der AfD traue ich da auch nicht über den Weg. Allerdings sind in Sachen Respekt vor der Schöpfung auch die US-Demokraten keine Waisenknaben. Das waren sie nie. Und auch die Energiewende-Grünen sind es nicht.
A: So, mein Freund, jetzt hab ich dich. Ich merke, daß die ökologische Frage dein wunder Punkt ist. Glaubst du wirklich, daß beispielsweise die Klimaerwärmung nationalstaatlich geregelt werden kann? Und auch technische Katastrophen entziehen sich dem.
Weder der Meeresspiegelanstieg noch, sagen wir mal, radioaktiver Fallout von Tihange würden vor Grenzen haltmachen. Auch die Frage des sozialen Überlebens kann nur grenzenlos, kann nur global gelöst werden. One World – oder wir gehen unter!
B: Gewiß, angesichts globaler Veränderungen werden Grenzen fragwürdig. Doch zum einen sind Grenzen auch angesichts einer drohenden Katastrophe immer noch wie die Schotten an Bord eines Schiffes – reißt der Rumpf auf, mag in ein oder zwei Kammern Wasser eindringen, doch das Schiff wird nicht sinken.
Das betrifft insbesondere die soziale Frage und die Massenmigration. Was das Klima angeht: Die Veränderungen sind nach meiner Überzeugung überwiegend nicht anthropogen und können wohl auch nicht durch den Menschen gestoppt werden – in dieser Hinsicht ist die Grenzfrage also wirklich nebensächlich.
Das aber ist alles andere als ein ökologischer Freibrief für die Rechte. Hier sind noch Hausaufgaben zu machen.
Demnächst geht es weiter mit „Neue Freunde“.
Ein Fremder aus Elea
Vielleicht hätten Sie Ihrem alten Freund schlicht sagen sollen: Krieg bedeutet Krieg.
Oder: Revolution bedeutet Blutvergießen.
Und danach vielleicht: Ist dein Leben so langweilig?