Zwischen den Stühlen II – Neue Freunde

C: Wie fühlst du dich unter Rechten?

Lutz Meyer

Lutz Meyer kommt aus der linksanarchistischen Szene, seine Themen findet er auf der Straße.

B: Einer­seits gut, ande­rer­seits befrem­det. Mir fehlt ja der Stall­ge­ruch – die drei rech­ten B mei­ner Gene­ra­ti­on sozu­sa­gen: Bün­de, Bun­des­wehr, Bur­schen­schaft. Bei mir kom­plet­te Fehl­an­zei­ge. Ich ver­mis­se auch nichts davon, ehrlich.

C: Kei­ne Bun­des­wehr? Du warst also untauglich?

B: Nein, Ver­wei­ge­rer durch drei Instanzen.

C: Aber heu­te wür­dest du dich anders entscheiden.

B: Nein. Neben den soge­nann­ten Gewis­sens­grün­den haben damals für mich vor allem gewis­se Grün­de den Aus­schlag gege­ben: Ich mag kei­ne ange­maß­ten Auto­ri­tä­ten – schon gar nicht in Uni­form – und ich füh­le mich auch nicht bes­ser, wenn ich mich als Bestand­teil eines Orga­nis­mus sehe und unterordne.

Ernst Jün­ger habe ich trotz­dem immer gern gele­sen, damals schon. Ich hab ihn auch nie als Mili­ta­ris­ten gese­hen, selbst den frü­hen Jün­ger nicht.

C: Der Anarcho und der Anarch…

B: Soll vor­kom­men – Ernst Jün­ger und Erich Müh­sam schätz­ten ein­an­der bekannt­lich auch. Eine gewis­se Nei­gung zur „Annä­he­rung“ mit Hil­fe bewußt­seins­er­wei­tern­der Sub­stan­zen ein­te Jün­ger und mich über die Zei­ten hin­weg außerdem.

C: Trotz­dem bist du heu­te hier. Warum?

B: Die Lin­ken und Links­li­be­ra­len haben eigent­lich immer die Tole­ranz für sich bean­sprucht – man gab sich und gibt sich in die­sen Krei­sen über­aus welt­läu­fig und welt­of­fen, viel­fäl­tig inter­es­siert, kul­tu­rell auf­ge­schlos­sen, geis­tig über­le­gen, der Auf­klä­rung verbunden.

Das ist, solan­ge man es nicht hin­ter­fragt, eine durch­aus ange­neh­me, kul­ti­viert erschei­nen­de  Atmo­sphä­re. Aber wehe, man stellt da etwas in Fra­ge. Mora­li­sie­ren­de Zei­ge­fin­ger­he­be­rei, hys­te­ri­sche Anfäl­le, gei­fern­de Haß­aus­brü­che – hab ich unter Grün­lin­ken und Libe­ra­len alles schon erlebt, schon vor dem Som­mer 2015.

So rich­tig unap­pe­tit­lich wur­de es aber vor allem danach. Die Dia­lek­tik der Auf­klä­rung von Horkheimer/Adorno sah das Schei­tern der Auf­klä­rung an sich selbst und ihren Umschlag in jenen mora­lisch imprä­gnier­ten Tota­li­ta­ris­mus ja schon vor­aus, des­sen Kon­tu­ren sich heu­te recht deut­lich abzeichnen.

Der Hork­hei­mer/A­dor­no-Epi­go­ne Haber­mas, des­sen Bedeu­tung für den heu­ti­gen geis­tig-poli­ti­schen Zustand Deutsch­lands man kei­nes­falls unter­schät­zen soll­te, war dann der­je­ni­ge, der die Ein­sicht in das not­wen­di­ge Schei­tern des Auf­klä­rungs­pro­gramms als Pes­si­mis­mus abtat und damit dem sich anbah­nen­den Tota­li­ta­ris­mus den intel­lek­tu­el­len Segen erteilte.

Daß die Lin­ke das nicht sehen will und sich nach wie vor – außer gegen das, was sie für rechts hält – als tole­rant begreift, ist eine ein­zi­ge Lebens­lü­ge. Wenn man sich anschaut, was die Grü­nen künf­tig noch so alles ver­bie­ten wol­len, bringt man das kaum noch mit Tole­ranz zusammen.

Man hört, daß es Inter­net­ver­bo­te für Rech­te geben soll. Dann bin ich doch lie­ber bei und mit denen, die zwar auch durch­aus rup­pig sein kön­nen, aber immer­hin kei­ne Denk- und Rede­ver­bo­te erteilen.

C: Eine Stil­fra­ge also.

B: Könn­te man sagen. Aber da kommt noch mehr zusam­men. Wir haben drei Kin­der, inzwi­schen alle erwach­sen, aber man sieht die Welt mit ande­ren Augen, wenn man Kin­der hat. Der Gedan­ke an das Bewah­ren und Wei­ter­ge­ben wird ein­fach stärker.

Damit mei­ne ich kei­ne mate­ri­el­len Erb­schaf­ten, son­dern eher ein kul­tu­rell-his­to­ri­sches Ebe­ne, so etwas mit Hei­mat. Die Spra­che gehört dazu, regio­na­le Bau­wei­sen, die Natur, die Küche.

Wenn ich mir nun anschaue, wie mein, wie unser kul­tu­rell-his­to­ri­sches Erbe von Grü­nen und Lin­ken in den Dreck gezo­gen und ver­ächt­lich gemacht wird, fra­ge ich mich, wel­ches Selbst­bild die haben – schließ­lich sind sie doch selbst nichts ande­res als ein Stück von die­sem Dreck. Die­ser Selbst­haß stößt mich ab, er ist pathologisch.

C: Liebst du dein Vaterland?

 

B: (zögert lan­ge) Ja, aber auf eine ziem­lich schwie­ri­ge Art, fürch­te ich. Schon der Begriff ver­ur­sacht mir Magen­drü­cken. Es sind mehr die unter­ir­di­schen Wur­zeln, die ich lie­be, als das über­ir­disch sicht­bar Werdende.

Der deut­sche Staat seit 1871 in sei­nen unter­schied­li­chen Aus­prä­gun­gen und For­men – ich habe ihn nie gemocht. Die Reichs­grün­dung, so not­wen­dig sie aus ver­schie­de­nen Grün­den auch gewe­sen sein mag, sehe ich als bösen Fluch.

Als Nord­deut­scher – ich bin in einer klei­nen hol­stei­ni­schen Hafen­stadt auf­ge­wach­sen und bin, obwohl schon lan­ge in West­fa­len woh­nend, vom Wesen her immer noch Hol­stei­ner – spür­te ich men­ta­li­täts­mä­ßig oft mehr Gemein­sam­kei­ten mit ande­ren Ost­see-Anrai­nern als mit Rhein­län­dern, Fran­ken, Thü­rin­gern, Bay­ern. Über­trie­ben könn­te man sagen: Ich hät­te die Han­se jeder­zeit dem Reich vorgezogen.

C: Also fän­dest du es gut, wenn Deutsch­land dem­nächst verschwindet?

B: (zögert noch län­ger) Wenn es hart auf hart kommt: Der deut­sche Staat ist mir in der Tat nicht wich­tig. Das Deut­sche an sich als wesent­li­cher Teil mei­ner Iden­ti­tät schon.

Polen hat nach der drit­ten pol­ni­schen Tei­lung bzw. nach dem Wie­ner Kon­greß zwar für mehr als hun­dert Jah­re als Staat zu exis­tie­ren auf­ge­hört, aber nicht als Polen­tum – und kam dann sogar als Staat wie­der. Auch die Juden sind seit dem Baby­lo­ni­schen Exil zwei­ein­halb Jahr­tau­sen­de lang ohne jüdi­schen Staat aus­ge­kom­men – das nen­ne ich Durchsetzungskraft.

Deutsch zu sein ist vor allem eine geis­ti­ge Exis­tenz­form, nicht not­wen­dig eine politische.

C: Du hast also kein Pro­blem mit Über­frem­dung, Isla­mi­sie­rung und der Auf­lö­sung der Nationalstaaten?

B: Der Natio­nal­staat ist mensch­heits­ge­schicht­lich ein ziem­lich spä­tes Kon­strukt. War­um soll­te er ewig wäh­ren? Sei­ne Exis­tenz hat vor allem end­lo­se Krie­ge aus­ge­löst. Die Kul­tur­schicht dar­un­ter ist das, wor­auf es mir ankommt.

Die aller­dings sehe ich sehr gefähr­det, aber auch her­aus­ge­for­dert durch Glo­ba­li­sie­rung und die damit zusam­men­hän­gen­de Mas­sen­mi­gra­ti­on. Die her­auf­be­schwo­re­ne Gefahr der Isla­mi­sie­rung sehe ich übri­gens eher als Ablen­kungs­ma­nö­ver von den wah­ren Akteu­ren, also Groß­kon­zer­nen, Finanz­in­dus­trie und den gro­ßen über­staat­li­chen Stif­tun­gen und Institutionen.

Wenn die Kul­tur­schicht noch stark und leben­dig genug ist, wer­den wir damit fer­tig wer­den. Es wird ein har­ter Über­le­bens­kampf, das sehe ich auch so.

C: Aber wer soll­te die­sen Kampf füh­ren, wenn nicht der Natio­nal­staat? Den es wohl­ge­merkt erst ein­mal wie­der auf­zu­rich­ten gilt, denn der gegen­wär­ti­ge deut­sche Staat ist ja lei­der nicht mehr als eine trau­ri­ge Kari­ka­tur des­sen, was ein­mal der deut­sche Staat war.

B: Ich glau­be, ich bin weit­aus kon­ser­va­ti­ver als du – ich gehe noch hin­ter den Staat zurück, sehe ihn als Krü­cke, die wir abwer­fen müs­sen. Du willst die Krü­cke fli­cken, ich wer­fe sie ins Feuer.

C: Ohne Staat? Wie soll das gehen? Hob­bes hat nicht umsonst die Not­wen­dig­keit des Unge­heu­ers Staat betont, um den Kampf aller gegen alle zu been­den. Willst du zurück in das Zeit­al­ter der Stammesfehden?

B: Ich will eigent­lich gar nicht zurück. Ich gehe auch nicht his­to­risch zurück, son­dern eher im Sin­ne der Reduk­ti­on auf den Kern. Um was geht es uns eigent­lich? Was ist die Sache, um die wir uns bemühen?

Geht es wirk­lich dar­um, einen bestimm­ten Sta­tus deut­scher Staat­lich­keit um ihrer selbst wil­len zu restau­rie­ren und dann für mög­lichst lan­ge Zeit zu kon­ser­vie­ren? Oder geht es nicht eher dar­um, eine gemein­schaft­li­che Lebens­form zu fin­den, die es uns ermög­licht, einer­seits den Her­aus­for­de­run­gen der Zeit auf sozia­ler, tech­no­lo­gi­scher und öko­lo­gi­scher Ebe­ne gerecht zu wer­den und dabei gleich­zei­tig das Eige­ne zu bewahren?

C: Kennst du den Roman Pla­net Magnon von Leif Randt? Sämt­li­che Ord­nungs­ge­walt ist einer Art Super­com­pu­ter namens Actu­al­Sa­ni­ty über­tra­gen, der sei­ne Bah­nen im Son­nen­sys­tem zieht und die Din­ge des Lebens mit einer gewis­sen Logik und nach Maß­ga­be einer über indi­vi­du­el­le Inter­es­sen hin­aus­ge­hen­den Ver­nunft regelt. Siehst du die soge­nann­te Sin­gu­la­ri­tät als begrü­ßens­wer­te Utopie?

B: Ich sehe es als eine Mög­lich­keit unse­rer Zukunft, mit der wir uns kon­struk­tiv befas­sen soll­ten – ein­fach, weil es sonst ande­re tun wer­den. Wenn es hilft, das Eige­ne zu bewah­ren, könn­te man doch wirk­lich man­ches auslagern.

Die Fra­ge wäre nur, ob die Sin­gu­la­ri­tät die Bewah­rung des Eige­nen als ver­nünf­tig betrach­ten wür­de. Wir dür­fen die Pro­gram­mie­rung also nicht den fal­schen Hän­den und Köp­fen überlassen.

Lutz Meyer

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Kommentare (51)

Der_Jürgen

26. Dezember 2016 21:38

Ich habe an Lutz Meyers Beiträgen selten etwas zu kritisieren, aber dieser löst bei mir Unbehagen aus. Wie soll das deutsche Volk denn ohne deutschen Staat gesichert existieren und sich entfalten können? Die von Meyer erwähnten historische Parallelen - die Polen, und erst recht die Juden, die sehr lange ohne eigenen Staat überlebten  - sind fragwürdig.

Die Polen waren auf politisch mächtigere Nachbarstaaten verteilt, lebten aber in weitgehend geschlossenen Siedlungsgebieten, was ihr Überleben als  separate Ethnie begünstigte. Die Juden haben ihre Identität aufgrund des strikten Vermischungsverbots, das ihre Religion ihnen auferlegte, bewahren können. Hingegen zeigt die historische Erfahrung in den USA und anderswo, dass sich die Deutschen von allen europäischen Völkern am schnellsten an ihre Umwelt assimilieren und schon bald als identifizierbare ethnische Minderheit verschwinden (Ausnahmen wie die Amischen oder die Mennoniten fallen nicht sonderlich ins Gewicht). 

Im Gegensatz zu Meyer sehe ich keine vernünftige Alternative zu einem starken Nationalstaat. Thomas Hobbes' Klassiker "Leviathan" hat seine Aktualität bis heute nicht eingebüsst.

Nordlaender

26. Dezember 2016 22:52

"... ich fühle mich auch nicht besser, wenn ich mich als Bestandteil eines Organismus sehe und unterordne."

Als mäßiger Sänger habe ich schon sehr viel davon profitiert, mich der Chorleiterin unterzuordnen. Was für eine kostbare Erlösung, mich auch mal als Bestandteil eines Organismus, einer Gemeinschaft erleben zu dürfen, statt immer nur geschieden von der ganzen Welt im Käfig des schnöden Selbst eingesperrt zu sein.

Winston Smith 78700

26. Dezember 2016 22:59

 @ Der_Jürgen

Kann denn das Hobbessche Verträgewerk unter beliebigen Beteiligten auf einem Gebiet einsetzen? Nehmen wir den Zerfall der BRD an und ein vorzivilisatorisches Inferno. Könnte man mit all denen, die schon länger irgendwie hier sind und denen, die noch noch nicht so lange irgendwie hier rumlaufen, eine staatstheoretische Stunde Null ausrufen? (modellmäßig, klar - es gab diese Stunde Null nach einem hypothetischen Krieg aller gegen alle real nie, aber darin unterscheidet sich diese Anwendung des Modells nicht von der standardmäßigen) Wieviel von ihrem Türkentum oder ihrem Deutschtum kann man sie, um sie für das Modell erstmal gleichzumachen, vergessen lassen, ohne dass sie sich selbst veräßen und Ihre Individualität auch aufgäben, keine Menschen mehr wären? 

Kürzlich hat hier jemand Yuval Noah Harari erwähnt mit dessen These, dass die Organisation von Gruppen von mehr als 150 diese ominösen Narrative braucht: Mythen. Unter welchen Bedinungen aber können sich Menschen im Normalfall solche Geschichten überhaupt erzählen? Klar: kulturelle und phänotypische Ähnlichkeit. Dann kommt eine Umbewertung so macher egalitaristischen Theorie ins Spiel: diese seien lange mißverstanden worden und Hobbes und Jefferson eigentlich Rassisten (siehe etwa "The Racial Contract" von Charles W. Mills). (Frage: Wie verhält sich eigentlich der Grad an Homogenität der Bevölkerung zur Repression durch das Staatswesen?)  Kurzum: so gesehen hält Ihr Leviathan vielleicht auch nicht ohne das, worauf Meyer evtl. "zurück"fallen will als das letzte noch Verläßliche - und auf dessen Grundlage dann allerdings allzuviel Leviathan auch gar nicht nötig zu sein scheint - es sei denn zur Verteidigung nach Außen, geht es darum?

Arminius Arndt

26. Dezember 2016 23:05

"Ich hätte die Hanse jederzeit dem Reich vorgezogen."

Kann ich gut nachvollziehen - ich als Norddeutsch-Sudetendeutscher Mix hätte das katholische KuK-Reich dem protestantischen deutschen Reich vorgezogen und das Großdeutsche Reich beidem - aber Königgrätz kam leider dazwischen.

Wie Der_Jürgen schon richtig geschrieben hat, sehe ich den Deutschen auch zu assimilierungsfreudig und zu wenig deutschfreundlich, um ohne deutschen Staat als Halteklammer bestehen zu können. Das sieht man ja - neben den genannten Auswanderern in USA - z.B. recht gut an an den Nachbarn in Österreich, die sich ja mittlerweile zum großen Teil nicht mehr als Teil Deutschlands sehen. Überhaupt haben wenige ein Problem, sich als Bayer, Sachse oder Westfale zu bezeichnen, aber sich Deutscher zu nennen, da wird es dann oft erstaunlich distanziert.

Der Kampf um den deutschen Staat hat erst (wieder) begonnen - noch brauchen wir keine Klöster oder Ideenspeicher, um das ideelle Deutschland zu retten. Die Neigung, sich zu verpissen (sorry für den Ausdruck), wenn es eng wird, ist eben auch typisch deutsch. Wir sind, im Gegensatz zu bspw. Finnen, keine Einzelkämpfer. Wir brauchen Organisation, Masse und Material und das Gefühl, da ist noch was zu reißen, denn den Opfertod stirbt kein Deutscher - entgegen aller Propaganda - gerne. Im Moment beginnen sich die Lager zu füllen, eine Heerschau wird zeigen, wer nicht die meisten, aber viele und die besten in den Reihen hat. Hier bin ich guter Hoffnung.

Ich sehe das Glas also halb voll und nicht halb leer, auch wenn die Zumutungen, unter denen das Deutschsein stattfindet, immer größer werden.

Caroline Sommerfeld

26. Dezember 2016 23:17

Gerade wieder Diskussion mit H über "Deutschsein als Grundwert". Er kann sich - vorgeblich um mich zu provozieren, oder wirklich - darunter nichts vorstellen, das auch nur im Entferntesten attraktiv sein könnte.

Ich unterscheide zwei Ebenen: "Deutschsein" als Wert/Norm/Ideal, das entspricht ungefähr Ihrem Kulturbegriff. Mit Luhmann läßt sich sagen: "Normen sind kontrafaktische Verhaltenserwartungen." H sah sofort ein Argument gegen das Deutschsein, es sei "kontrafaktisch"! Nein, jedes Ideal, jeder Wert steht und fällt nicht mit denen, die gegen sie verstoßen oder ihnen nicht genügen.

Beispiel: Ich las soeben Heinz Strunks "Der Goldene Handschuh" zuende, ein entsetzliches Sittengemälde aus dem Subproletariat der 70er-Jahre-BRD, wahnsinnig gutes Buch, aber bestürzend brutal. Hs Kommentar: "Siehste, rein deutsch!". 

Dieser Begriff von "Deutschsein" ist hoch gehängt, wird und wurde historisch permanent unterboten von Deutschen, aber auch oft erreicht, er eint uns aber alle, und muß ganz spezifisch ausbuchstabiert werden, in Musik, Dichtung, Malerei, Architektur, Glaube, Pädagogik, Philosophie, Kochkunst etc.. Und für mein Verständnis gehört da nun der Deutsche Staat mit hinein, der eben kein beliebiges Konstrukt, kein rein statutarisches Gehäuse, kein bloßes Verfassungsorgan ist, sondern auch auf spezifische Weise deutsch, anders als z.B. der französische oder der US-amerkanische Staat.

Dann gibt es da noch den Abstammungsbegriff, "Deutschsein" als ethnische Substanz. Damit hat H die größten Probleme, weil er mich ständig auf den "Reinheitsgedanken" festnageln will, wen ich also alles aus dem "Deutschsein" ausgrenzen wollen würde. Daß es eine ethnische Typik, einen Phänotypen des Deutschen schlicht und ergreifend gibt, sieht er nicht so, das sei doch alles "eine gute Mischung". Ja, innerethnisch sehr wohl.

Ich glaube, auch auf diesen Begriff des Deutschseins kann man nicht verzichten, gerade der ihm zugrundeliegende "Substantialismus" trotzt allen konstruktivistischen Angriffen. Von daher: Ich fürchte mich vor allerlei "singularity"-Utopien, weil das Eigene nur von den (kulturell und ethnisch) Eigenen bewahrt werden kann.

Sven Jacobsen

26. Dezember 2016 23:25

Und wieder löst Lutz Meyer einen Schreibreflex aus; eine Spezialität dieser Webseite. Ähnlich wie Der_Jürgen wehrt sich in mir etwas nach der Lektüre. Zunächst blicke ich etwas neidisch auf den Staat Bismarcks nach 1871 zurück, dem ich mehr als dem derzeitigen attestieren würde, konsequent zu sein, seine Interessen verfolgt und zugleich außenpolitische Kooperation gepflegt zu haben. Auch innenpolitisch ist es unstrittig, dass die Gesellschaft ruppiger, viel zu ruppig womöglich, aber vielleicht deswegen auch deutlich unverkrampfter als heute der Fall hat diskutieren können. Kann sich denn jemand heute vorstellen, dass in einem Parlament des Jahres 2017 Parteien des kompletten Spektrums in der Auffassung sitzen könnten, es gehöre in dieser sicherlich unbequemen Vielfalt zur politischen Auseinandersetzung dazu? Ferner lohnt es darüber nachzudenken, ob der Nationalstaat an sich für außenpolitische Krisen Verantwortung trägt oder andere Faktoren wie z.B. zeitgenössische Auffassungen bezüglich dessen, was politisch normal ist. Der Nationalstaat schneidet in Debatten zu schnell schlecht ab. Allerdings sollte mit dem Blick auf den Umgang mit politischen Gegnern oder Minderheiten im Kaiserreich keine Idyllisierung der Vergangenheit stattfinden. Das wäre zu oberflächlich.  

Schneekette

26. Dezember 2016 23:35

KW hat es am schönsten und knappsten formuliert:

 

"Wenn ein jeder vor seiner Türe kehrt, so ist die ganze Straße am Ende gefegt".

 

Natürlich kann der Nationalstaat ein Friedensprojekt sein. Auch.

 

Aber ohne Nationalstaat ist gar nichts.

Fredy

27. Dezember 2016 00:36

Der Dialog, den LM anführt, habe ich so ähnlich auch durch, mit mir selbst, geistig. Nie eine abschließende Antwort gefunden. Ich fühl mich aber auch dort zuhause wo man das Undenkbare zu denken wagt. Ich weiß aber auch Argumente wie die Nordländers zu schätzen. Ja, die Gemeinschaft kann viel geben. Aber: Nicht jeder singt gern im Chor, manche tendieren zu anderem Liedgut, andere können gar nicht singen ... Gemeinschaft mit Zwang funktioniert auch nicht. Was wir für die Zukunft brauchen, war bisher einfach noch nicht da.

CCCED

27. Dezember 2016 01:27

Zur Ihrer Ablehnung des Nationalstaates: Mir drängt sich hier der Vergleich mit der künstlichen und überkommenen Organistationsform der Familie auf. Auch diese ist doch wahrhaft etwas, was überwunden werden muß um nun endlich Nachkommen in gänzlich neuer und befreiter Utopie aufziehen zu können.

Ist denn nicht die Familie eine gar künstliche Klammer für letzlich vielleicht gar nicht in entscheidender Weise in Beziehung stehende Personen? War sie nicht so oft schon Ursache für Streit, Ärger, Entfremdung und Enttäuschung?

"Ist sie nicht menscheitsgeschichtlich ein spätes Konstrukt? Warum sollte sie ewig währen? Ihre Existenz hat vor allem Ehekonflikte ausgelöst. Die Beziehungsschicht darunter ist das, worauf es mir ankommt. Ich will gar nicht zur Urhorde zurück, sonder eher im Sinne der Reduktion auf den Kern. Geht es nicht darum, eine gemeinschaftliche Lebensform zu finden, die es uns ermöglicht freie Beziehungsformen zu leben und dabeit gleichzeitig Nachkommen aufzuziehen?

Anmerkung Lutz Meyer: Mir ist bewußt, daß ich durchaus widersprüchlich lebe und argumentiere. Die Familie müsste ich "als Keimzelle des Staates" ablehnen - mache ich aber nicht, weil ich sie nicht vorrangig als solche sehe. Was den Staat angeht, bin ich zwiespältig - ich kann seine Notwendigkeit (Leviathan) in der Gegenwart anerkennen, ohne ihm damit sein Existenzrecht für alle Zeiten zu verbriefen.

 

Fredy

27. Dezember 2016 01:47

Übrigens: An Weihnachten kommt man ja mal dazu fernzusehen. Eben einen Streifen gesehen, der durchaus sehenswert ist. Aus BRD-Demokratensicht übelst faschistoid: "The Grey -unter Wölfen". Mehrfach zitiertes Grundmotto des Hauptdarstellers, Liam Neeson (ja, der gute Nazi aus Schindlers Liste): 

"Einmal noch in die Schlacht. Ein letztes gutes Gefecht. Lebe und stirb heute Nacht."

Harter auswegloser Kampf ums Überleben. Hollywood-untypisch: Ohne HappyEnd. Uhh, da bekommt mancher von uns ein feuchtes Höschen. Musste auch trocknen gehen ;-)

William Wallace

27. Dezember 2016 03:37

Ein Supercomputer im Sonnensystem soll den Nationalstaat obsolet machen aber das Deutschtum schützen.

Ähm... Ist in den letzten Tagen irgendeine große Sache an mir vorbeigegangen? :D

 

Tarapo

27. Dezember 2016 06:02

B könnte vorbringen:

 

Eine Stunde Geschichte in Norddeutschland, in einer Oberstufe, ende

der achtziger. Unser geliebter und zugleich gefürchteter Lehrer hat die Stunde eröffnet, nachdem er zum wachwerden etwas Bach gespielt hat, auf einem beeindruckendem schwarzen Flügel, der in seinem  Kursraum stand. Weil er nämlich auch Musiklehrer war.

Bach zum wachwerden, ist wie zähneputzen, war einer seiner Sprüche. Die deutsche Volksseele – gibt es so etwas )?) war das Thema der Stunde .

 

Für uns waren solche Themen nicht neu, eigentlich ungewöhnliche Themen, die er aber als Einstieg nur verwendend schnell umleitete auf den Lehrstoff. Das hieß konkret auf die Klausurethemen z.b. Reichsgründung durch Bismarck. Und seine Korrektur war fürchterlich, bzw. konnte liebevoll sein, aber meistens zerhackte er mit roter Tinte einen Aufsatz, mit kleinen bissigen Bemerkungen, gutmütig zwar, und pointierte, aber immer gnadenlos.  

 

Es hiess also: Aufpassen. Zu Beginn der Stunde wurde ein Arbeitsblatt ausgeteilt.

Zu sehen war ein Gemälde, in dem ein Mann in den Spiegel schaut,  dazu einige

Bemerkungen oder Zitate kluger Köpfe. So diskutierten wir also über einen Ausdruck der Volksseele.

 

An mehr kann ich mich nicht erinnern, es ist zulange her. Aber das Thema der Stunde werde ich nie vergessen. Ich habe mich neulich verstiegen, das isr richtig. aber ein völkisch-nationaler Ansatz zu dem Thema deutsche Grössse würden mich und meinen damaligen Lehrer zusammenzucken lassen. Ich habe diesen Begriff auch unvorsichtig verwendet. Der kulturelle Raum, die Sprachgemeinschaft, das ist in der Tat mein Ansatz. Ich war böse, und leicht gehässig. Ich war emotional. Siehe Fleischhauer. Aber nicht illegal. Danke Euch          

 

Der_Jürgen

27. Dezember 2016 08:18

@Winston Smith

Der von mir befürwortete starke Staat, den Thomas Hobbes im "Leviathan" zeichnet, würde in der Tat zunächst einmal die Aufgabe haben, die Existenz und die Interessen eines Volkes gegen aussen zu verteidigen. Darüber hinaus hätte er natürlich für Ordnung und ein Maximum an Gerechtigkeit im Inneren zu sorgen und den Fortbestand der einheimischen Kultur zu gewährleisten.

Selbstverständlich wird ein solcher Staat es um so leichter haben, je homogener im ethnischen und kulturellen Sinne seine Bevölkerung ist. Die Erfahrung zeigt, dass multiethnische und/oder multireligiöse Staaten instabiler sind, weit häufiger von Wirren und Bürgerkriegen heimgesucht werden und weitaus höhere Kriminalitätsraten aufweisen als homogene. Es ist schwerlich ein Zufall, dass Länder wie Japan, Korea oder Island, in denen es keine oder nur sehr kleine ethnischen und kulturelle Minderheiten gibt, sich durch ein hohes Mass an Stabilität und niedrige Kriminalitätsraten auszeichnen. 

Ein hypothetischer starker Nationalstaat auf deutschem Boden wird in der Anfangsphase zwangsläufig stark autoritär sein müssen, um die zur Repatriierung von vielen Millionen Kulturfremden notwendigen Massnahmen durchsetzen zu können. (Ja, ein Teil von ihnen wird bleiben können, aber kein allzu grosser.) Nach dem Abschluss dieser Rückführungsaktion wird der Staat dann die Zügel  zunehmend lockern können.

Ihre Frage, wie sich der Grad an ethnischer Homogenität einer Bevölkerung zum Ausmass der Repression im betreffenden Staat verhält, ist wichtig und würde einer eingehenden Studie bedürfen. Selbstverständlich steht die immer stärkere Überwachung des Bürgers in der heutigen BRD und anderswo in direktem Zusammenhang mit der wachsenden Gewalt und dem zunehmenden Terror, die der muslimischen und afrikanischen Masseneinwanderung entspringen. (Dass das System dadurch auch die Möglichkeit zur verschärften Überwachung und Unterdrückung von Dissidenten erhält, wird den Regierenden trefflich in den Kram passen. Man fragt sich manchmal tatsächlich, ob die wahnwitzige Einwanderungspolitik des BRD-Regimes nicht den Zweck verfolgt, ein unbeschreibliches Chaos heraufzubeschwören und dann gemäss dem Freimaurer-Motto "Ordo ab chao" einen koscheren Faschismus einführen zu können. Falls es einen solchen Plan gibt, wurde er natürlich nicht von Merkel und Gabriel entworfen, sondern von ganz anderen, sehr viel klügeren Leuten, die die Merkels und Gabriels als Werkzeuge benutzen.)

Allerdings entstanden manche der extremsten Totalitarismen der Geschichte in gänzlich oder weitgehend homogenen Staaten; das klassische Beispiel dafür ist Nordkorea. Die Gleichung "Je homogener, desto freier" geht also längst nicht immer auf.

Noch ein Punkt. Es gab und gibt multiethnische Staaten, die recht gut funktionier(t)en. Zwei Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit und der Gegenwart: Die UdSSR und Malaysia. Dies bedingt jedoch, dass es eine Leitkultur gibt, die in aller Regel mit der Kultur der stärksten Bevölkerungsgruppe identisch ist und die die Minderheiten respektieren müssen. In der UdSSR war diese Leitkultur ab den dreissiger Jahren die russisch geprägte Sowjetkultur. In Malaysia üben die Malayen als stärkste Bevölkerungsgruppe die politische Macht aus, während die Chinesen, die ein rundes Viertel der Einwohner stellen, im Wirtschaftsleben dominieren. Seit 1969 gab es dort keine nennenswerten ethnischen Konflikte mehr. Für die einzelnen Bevölkerungsgruppen gelten teils verschiedene Gesetze; so ist der Alkoholgenuss den durchwegs muslimischen Malayen verboten, den nicht-muslimischen Chinesen und Indern sowie Ausländern hingegen erlaubt. Falls sich der malayische Islam nicht radikalisiert, kann dieser ungewöhnlich glückliche Zustand als seltenes Beispiel einer funktonierenden multikulturelle Gesellschaft bestehen bleiben.

Ich hoffe, Ihre Fragen damit so gut beantwortet zu haben, wie dies auf beschränktem Raum möglich ist.

Hartwig aus LG8

27. Dezember 2016 09:29

@ Lutz Meyer

Vielleicht bin ich zu Deutsch, um den Gedanken von Lutz Meyer und einiger Kommentatoren hier folgen zu können bzw. zu wollen.  Ich habe das Deutschtum in mir drin – ein Hinterfragen, ein sich-selbst-ausfragen – es liegt mir fern.

Ein Wechsel vom linken ins rechte Lager ist doch nichts weiter als eine Heimkehr ins Wahre. Jeder Selbsterhaltungstrieb, jeder Behauptungswille, jeder Lebens – und Überlebenskampf, jede Fortpflanzung sind rechte Äußerungen.

Das Linke, ich verdamme es nicht, ist der Versuch, des Lebens Härten zu mildern. Es ist gut bis zu einem Grenzwert.  Darüber hinaus wird es existenzbedrohend.

Eine Grundsatzdebatte zwischen einem Rechten und Linken läuft immer dann verkehrt, wenn der Rechte antwortet um sich zu rechtfertigen. Der Begründungszwang liegt immer Links. Und dort, wo gut begründet wird, ist gegen Links auch nichts zu sagen.

Waldgänger aus Schwaben

27. Dezember 2016 10:24

 

Zum Deutschsein:

 

Ich habe mich nie wirklich als Deutscher, sondern immer vorrangig als Schwabe gefühlt. Das Schwäbische aber ist Geschichte. Weniger durch ausländische Überfremdung sondern mehr durch Arbeitsmigration aus anderen Teilen Deutschlands.

 

Die schwäbische Mentalität bestand beileibe nicht nur aus Kehrwoche und "schaffe-schaffe-Häuslebauen". Da ist die barocke Lebensfreude die noch in vielen herrlichen Kirchen bewahrt ist, da ist die herausragende Tapferkeit schwäbischer Truppen, die um nur eien Beispiel zu nennen, wohl in der Schlacht am Kahlen Berg den ersten entscheidenden Angriff gegen die Türken führten.

 

Und nicht zuletzt die zahllosche schwäbischen Dichter, Denker und Erfinder.

 

Das Schwäbische ist aus materialistischer Sicht vergangen, Dialekt und Abstammungslinien lösen sich auf. Es ist schon ziemlich selten, dass ein reinrassiger Schwabe und Schwäbin zu einander finden.

 

Als was die Zeit hervorbringt, verschlingt sie auch wieder. Das Vergehen meines Volksstammes und wohl auch anderer deutscher Stämme, kann aber kein Grund sein, nun das Aufgehen des Deutschen in einer Bevölkerung, die aus aller Welt stammt, forcieren zu wollen.

 

Das ist gerade meine Hauptkritik an den heutigen Eliten. Statt Geschichte einfach geschehen zu lassen, meinen sie diese beherrschen und steuern zu können. Eine Vorstellung die regelmäßig von Strömen von Blut und Tränen hinweg gespült wurde.

 

 

 

 

 

Sascha

27. Dezember 2016 11:33

Tja, Lutz  Meyer ist nicht der Einzige mit linksanarchistischem Hintergrund, der die Sezession interessant findet.  

Und ein Zurück hinter den deutschen Nationalstaat, in die Zeit der Kleinstaaterei, ist durchaus etwas, was die Rechte programmatisch genauer durchdenken sollte.  Es wäre ja durchaus auch eine Alternative für die verschiedensten Deutschen, wenn die hier schon lebenden Moslems weder vertrieben noch integriert werden, sondern in Kleinstaaten wie Kreuzberg ihr Leben aufbauen.  Es ist ja die Zeit der Kleinstaaterei, in der Deutschland zur intellektuellen Macht, zum Land der Dichter und Denker, wurde.  Genau wie die große Zeit Italiens, die Renaissance, ja nicht die Zeit des italienischen Nationalstaates ist.  

Der Nationalstaat wurde bedeutend aus militärischen Gründen.  Nur, welche Rolle spielen diese militärischen Gründe denn noch im Zeitalter der Atomwaffen?  

Ein Zurück zur Kleinstaaterei ist aber ein klassisch reaktionäres, und damit rechtes Projekt.  Kein konservatives, denn es ginge ja um Wiederherstellung, nicht Erhaltung, aber rechts, weil in keiner Weise fortschrittlich. 

Raskolnikow

27. Dezember 2016 11:38

Lieber Meyer,

was Sie da so an  Abgedroschenem durch die Tenne pusten ... so sind Sie doch ein richtiger Deutscher mit allem drum und dran! Deshalb fallen Sie auch sofort auf die Nase, wenn  Sie versuchen, das Erhabene anzurühren.  Wir Deutsche meistern den schmalen Grat zwischen Pathos und Lächerlichkeit äußerst selten.

Fern meines Haushalts mit seinen so beflissenen  Bediensteten stand mir einst der Sinn nach einem Schokoladengetränk.  Und ich entschied mich, eines der  Cafè-Restaurants zu betreten , die ich jahrelang aus ästhetischen Gründen und wegen seltsamer Betriebsabläufe ("Ultimate Space Coffe extralarge for Laeticia!"), gemieden hatte. Unsicher  schritt ich zum Verkaufstisch und bestellte meine Schokolade, dringend bemüht, distinguiert als Herr der Lage zu wirken.  Als ich, "Jerome Jr III.",  das erhaltene  Halbliter-Gemäß zum Munde führte,  tauchte ich unversehens meine Nasenspitze in den gigantischen Sahneberg der obenauf schwamm. Kitzeln, Niesen, Husten, Schokladenabsturz, Flucht, eines führte zum anderen und ich stand rotbackig mit Sahne im Bart auf der Straße! Gelächter und gutgelaunte Fratzen hinter dem Schaufenster lassend, stapfte ich wütend von hinnen.

So kommen Sie mir vor, wenn Sie, wie ein eitler Abiturient, sich über Autoritäten mokieren. Und schon ein paar Zeilen später bekennen Sie sich zur Hanse und zu einem geistigen Kulturdeutschtum, beide ohne angemaßte und echte Autorität nicht denkbar. Disziplin und Gehorsam in der Kunst, in der Wirtschaft, in den Hörsälen, in den Hansekontoren und sonstwo  sind, oder besser waren, der Boden auf dem alles, was uns Deutsche je groß und berümt gemacht hat, wachsen konnte. Die ungezogene Attitüde des verwöhnten Großstadtkindes können Sie sich nur dank des Gehorsams unserer Vorfahren leisten!

Und nun haben Sie Sahne an der Nase ...

Ich führe itzo stets lösliche Schokolade in den Manteltaschen mit mir!

Sie Schelm!

R.

Jürg_Jenatsch

27. Dezember 2016 11:48

Ich muß gestehen, daß ich bei dem Artikel erhebliche Bauchschmerzen bekommen habe, da er einerseits widersprüchlich und andererseits der heutigen Bedrohungslage nicht gerecht wird. Der Autor kann in mancher Hinsicht seiner anarchistischen Vergangenheit nicht gänzlich entkommen. In gewisser Weise kommt der Text in die Nähe der Überzeugungen von Hans Hermann Hoppe, aber ohne dessen Konsequenz zu ziehen.  Hoppe lehnt den Staat als repressive Form grundsätzlich ab. Unabhängig davon ob dieser deutsch, europäisch, links, rechts, liberal oder sonstwie organisiert. Ich finde den Gedanken nicht völlig uninteressant, bin aber zu einem anderen Schluß gekommen. Völlig herrschaftsfreie Zustände sind gerade in einer arbeitsteiligen Gesellschaft nicht möglich. Das ist der Pferdefuß des Libertarismuses. Ergo ist ein staatliches Gehäuse notwendig. Auf dieses kann nicht verzichtet werden. Wohl verzichte ich gerne auf die Staatsform BRD, nicht aber auf einen deutschen Staat. Was die Gründe für das Überleben der Polen und Juden ohne Staat sind, hat ja der_Jürgen bereits ausreichend ausgeführt. Ich kann das nur unterstreichen. Multiethnische Gebilde kommen um ein erhöhtes Maß an Repression nicht herum und sind durch ein erhöhtes maß an Instabilität gekennzeichnet. Gelegentlich werden auch die verschiedenen Gruppen gegeneinander ausgespielt.So hat die dahingehende Habsburger Monarchie im letzten Jahr ihrer Existenz grundsätzlich Soldaten fremder Nationalität zur Niederschlagung lokaler Unruhen kommandiert. @ Arminus Arndt. Diesen Vorschlag hat der österreichische Ministerpräsident Fürst Schwarzenberg um 1850 gemacht, als er das Ansinnen stellte, die komplette Habsburger Monarchie in den Deutschen Bund aufzunehmen. Aber auch das hätte durchgekämpft werden müssen. Oder glaubt irgendjemand, daß die Franzosen oder die Russen ein Reich von der Nordsee bis ans Schwarze Meer kampflos hingenommen hätten. Im 19. Jahrhundert hätte  aber zumindest kein außereuropäisches Eingreifen gedroht und Boykotte waren damals weniger wirkungsvoll für ein selbstversorgendes Reich.

Sascha

27. Dezember 2016 11:51

"Es gab und gibt multiethnische Staaten, die recht gut funktionier(t)en. "

Ich halte auch die Kutur des klassischen Zarismus hier für wichtig. Zwar gab es die russisch-orthodoxe Leitkultur, die verschiedensten muslimischen Kulturen wurden jedoch nicht christianisiert, weder im Kaukasus noch in Mittelasien.  Auch die heidnischen sibirischen Kulturen konnten weiterbestehen. Auch Abweicher vom Mainstream-Glauben wie die Altgläubigen wichen einfach nur in die Wälder aus.  Das Land war groß und der Zar weit weg - und durchaus bereit, die lokalen Gebräuche, welche auch immer das waren, zu tolerieren solange umgekehrt die militärische Herrschaft akzeptiert wurde.  

Man sollte nicht vergessen, dass der Sieg gegen den tschetschenischen Terrorismus auf der Wiederbelebung dieser Tradition besteht.  Hinter Kadyrow steht der traditionelle Islam, Sufismus, der sich mit Putin gegen den saudi-finanzierten terroristischen Wahabismus vereinigte.  Die Tschetschenen haben die Unabhängigkeit, die sie wollen, von Putin durchaus bekommen - es war die, die sie als Teil des russischen Reiches immer gehabt haben. 

Lutz Meyer

27. Dezember 2016 11:52

Ach, Raskolnikow,

ich bin mir der Widersprüchlichkeit meines Daseins unter der Narrenkappe wie auch der Dürftigkeit meiner Argumente durchaus bewußt. Doch ist es nicht gerade diese Zerrissenheit in uns, dieser Gegenentwurf zur strammen uniformen Geschlossenheit, der uns so - - - lebendig macht? Wenn ich auch naseweis (und nach all der Sahne wohl eher naseweiß) die Hanse zum Vorbild erhebe, können Sie sicher sein, daß ich doch stets mit Gödeke Michels und den Vitalienbrüdern unter der Flagge mit den gekreuzten Knochen segele (des wahrscheinlichen Endes eingedenk). Ahoi!

Dietrich Stahl

27. Dezember 2016 11:52

Jeder geht seinen Weg. Entsprechend viele Meinungen und Blickpunkte werden im Forum deutlich. Es gibt da wohl kein richtig oder falsch, was es kompliziert macht.

Einige Anmerkungen, lieber Lutz Meyer und Foristen.

Das Eigene. Deutschland. Was ist deutsch? Nationalstaat, ja oder nein? Wenn ja, wie? Wie geht es weiter?

Das sind sehr aktuelle und essentiell gewordene Fragen. Uns eint, dass uns diese Fragen (und sicherlich weitere) am Herzen liegen.

Einige Ideen

Modelle, die gut funktioniert haben und als Anregung für die Gestaltung des Zukünftigen dienen können, sind:

1. Ambet - Das Führer-Gefolge Prinzip der Germanen

Ambet ist vermutlich das älteste schriftlich aufgezeichnete deutsche Wort, das uns der römische Dichter Ennius ca. 200 v. Chr. überlieferte, schreibt G. Freytag. Ambet bedeutet unter anderem Dienst, Amt, Gefolgsmann, Beruf; auch Ritterdienst, Ritterstand, Amtsbezirk und Lehen.

Es bezeichnet, so G. Freytag, ein Treueverhältnis des Dienenden zu seinem Herrn, eine Beziehung, die den damaligen Römern unbekannt war. „Der Sinn", so Freytag, „welcher der Deutsche mit diesem Worte verbunden hat, ist bis zur Gegenwart bedeutsam für sein Gemüt gewesen."

2. Das Thing

Das Thing war die wichtigste und mächtigste Institution bei den germanischen Stämmen. Es fand periodisch statt. Hier wurde das für den Stamm und den Einzelnen Wichtige besprochen. Es wurde Recht gesprochen.

Die Stammesführer trafen sich zum Allthing.

3. Das (Heilige römische) Reich (deutscher Nation)

4. Gutes Recht ist altes Recht - Altes Recht geht vor neuem Recht.

Zu jedem dieser Punkte gibt es einiges mehr zu sagen. Sie können aber zumindest eine Idee vermitteln, was möglich ist, wenn man sich auf das Eigene besinnt und es im Lichte der Erfahrung anwendet.

Ein letzter, aber der vielleicht wichtigste Punkt.

 

@ L.M. „Deutsch zu sein ist vor allem eine geistige Existenzform, nicht notwendig eine politische.“

 

100ige Zustimmung. Dieses Geistige ist sicherlich schwer fassbar. Es ist aber das, um das es geht! Ich verkneife es mir, zwei weitere Ausrufungszeichen zu setzen, um die Wichtigkeit zu betonen.

 

Wenn es nachhaltige Veränderungen (nicht nur) in Deutschland geben soll, ist es notwendig, auf die geistigen Prinzipien zu fokussieren. Der über (mindestens) Jahrhunderte zu beobachtende allgemeine Verfall ist vor allem der immer weiteren Abkehr von spirituellen Prinzipien geschuldet.

 

Ja, es gibt die allseits bekannten mehr oder weniger sichtbaren Ursachen der gegenwärtigen Situation. Diese sekundären Ursachen können aber nur wirken aufgrund der Abkehr von geistigen Prinzipien. Die gewählte Alternative eines immer weiter wuchernden Materialismus, die vielfach bis zum Absinken der Menschen auf tierisches Niveau geführt hat, ist heute allüberall zu beobachten.

 

Was kann man tun? Wie kann man geistige Prinzipien in gelebte Praxis umsetzen?

 

Es gibt zwei einfache Prinzipien, deren Einhaltung zu prosperierenden Gesellschaften mit einem Höchstmaß an Freiheit führen:

 

1. Halte dein Wort.

 

2. Verletze nicht den Freiraum oder das Eigentum anderer Personen.

 

Diese beiden Gesetze der Freiheit könnten in eine frei zu wählende Verfassung Deutschlands aufgenommen werden.

 

Sascha

27. Dezember 2016 12:05

"Ferner lohnt es darüber nachzudenken, ob der Nationalstaat an sich für außenpolitische Krisen Verantwortung trägt oder andere Faktoren wie z.B. zeitgenössische Auffassungen bezüglich dessen, was politisch normal ist. "

Ich denke schon - es war ja wohl das Ziel der Nationalstaatsidee, dass der Nationalstaat die Basis ist für ein Kolonialreich.   Wie es ja die großen Nationalstaaten England, Frankreich, Russland vormachten.  Die deutschen Kleinstaaten waren einfach nicht stark genug dafür, und deshalb brauchte es den Nationalstaat, um im Vergleich mit englischen und französischen Kolonialreichen nicht chancenlos dazustehen.  

Und weil diese Funktion heutzutage ersatzlos entfällt, ist nicht der Nationalstaat das eigentliche antiglobalistische Projekt, sondern die darüber noch hinausgehenden Projekte von Schotten, Katalanen, Basken, die für ihre Unabhängigkeit von den Nationalstaaten kämpfen.

Auf der Flucht

27. Dezember 2016 12:11

Wenn ich das richtig verstehe, so schlagen wir uns also bloß die Ideologien los, um hernach wieder neurotisch nach dem "wahren Deutschen" in uns zu suchen? Es ist doch wirklich zum Davonlaufen. Dabei hält der wahre Deutsche aus: Nach der französischen Blutwurst auch noch den französischen Käse und den französischen Wein. In die andere Richtung gibts Ölsardinen und Wodka. Wird alles geschluckt ohne zu murren. Das ist deutsch und ich bins nicht. 

 

 

Fredy

27. Dezember 2016 12:12

@R

Ihr schreibt stehts schön, doch habt gerade Ihr auch nie eine andere Antwort gehabt (wenn das überhaupt eine ist) als "zurück", und das möglicht weit. Und das sieht nur aus heutiger Sicht deutsch und richtig aus. Die Antwort hieß fast zu jeder Zeit "vorwärts, mutig und voran". Und selbstverständlich muß es dann andere Antworten geben als früher, wenn man z.B. allein veränderte Umstände wie den Bevölkerungsumfang, die fortgeschrittene Globalisierung, den Umfang der Rüstung oder den technologischer Fortschritt berücksichtigen will.

Witzigerweise kann jeder der zurück will doch persönlich genau so leben. Es wird niemand daran gehindert, durch fast keinen Staat der Welt. Die meisten die zurück wollen, wollen dies aber nur in Gemeinschaft, und damit mit Zwang anderer. Sie können irgendwie alleine nicht glücklich werden.

Mit stets konservativen Leuten wäre deutsche Geschichte anders verlaufen. Mancher Germane würde heut noch im Ziegenfell in der Hütte sitzen, nach Odin brüllen und auf das, was sich seit der Zeit entwickelt hat, verächtlich fluchen.

massel tov

27. Dezember 2016 12:24

"die heraufbeschworene gefahr der islamisierung sehe ich übrigends eher als ablenkungsmanöver von den wahren akteuren, also großkonzernen, der finanzindustrie und den großen überstaatlichen stiftungen und institutionen." junge, junge...und wenn's so wäre: wer außer einem konsolidierten nationalstaat könnte dem wohl widerstehen, herr meyer?

 

Grobschlosser

27. Dezember 2016 12:54

ist mir alles zu komplex . sagt auch der Feind , jeden Tag , auf allen Kanälen .

 

ich stelle mal die Machtfrage : kann Hauptschulali eine PzH2000 herstellen und bedienen ? nein - und weil das so ist debattiere ich auch nicht .

Mein Waffensystem tut was ich sage . Ist der Feind erstmal vernichtet können wir auch in aller Ruhe den Venner studieren - bis dahin gilt : jeder an seiner Stelle , jeder mit seinen Mitteln . Deutschland bleibt deutsch . 

 

wenn in der großen grauen Stadt ein paar übermütige Hacker "Maßnahmen" gegen "RECHTS" ankündigen bin ich gedanklich schon wieder bei der cpu meiner PzH. 

 

Mitlesende Schlauberger sollten es nicht zu bunt treiben - ein Hinweis an die Kameraden in St.Petersburg reicht aus um das Treiben einer pol.mot. Hackerbande zu beenden . 

Annemarie Paulitsch

27. Dezember 2016 12:57

In spätestens 50 Jahren wird es nur noch einen funktionierenden Nationalstaat geben: Israel bzw. Eretz-Israel. Man arbeitet daran.

Waldgänger

27. Dezember 2016 13:28

Weiten Passagen von „Zwischen den Stühlen“ konnte ich rasch zustimmen. Wie so oft in Meyers Texten findet sich jedoch ein ganz wesentlicher und heikler Inhaltspunkt eher beiläufig und an untergeordneter Stelle.

 

Damit ist natürlich die Aussage gemeint, dass eine Kontinuität deutscher Kultur auch ohne den Fortbestand deutscher Staatlichkeit möglich sei.

 

Möchte der Kritik von @ Der_Jürgen und @ Sven Jacobsen   zustimmen, denn ein Fortbestand deutscher Kultur ohne Nationalstaat wäre nur unter Bedingungen möglich, die wir heute einfach nicht haben.

 

Weder ist in Deutschland ein Vermischungsverbot wie bei den Juden in Sicht noch die dauerhafte Existenz ethnisch-homogener Siedlungsgebiete, wie es etwa in Osteuropa öfters der Fall war.

 

Weder können wir von der quantitativen Beständigkeit des deutschen Bevölkerungsanteils ausgehen noch von einem Nachlassen des Einwanderungsdrucks landfremder Gruppen mit Prägungswillen.

 

Weder haben wir wir es mit einer kulturtreuen einheimischen Bevölkerung zu tun noch mit staatlichen und überstaatlichen Mächten, die darauf verzichten, bei uns prägenden Einfluss ausüben zu wollen. All das unterscheidet uns etwa von den Polen des 19. Jahrhunderts.

 

Hinsichtlich des Einflusses kleiner kulturbewusster Minderheiten in einem Umfeld, das staatlicherseits anders bestimmt wird, saollte man sich wenig Illusionen machen.   Zugespitzt formuliert:  Jehovas Zeugen  ist es auch nicht gelungen, in Dezutschland prägenden Einfluss zu erlangen ... !

 

Zu ergänzen wäre noch, dass ein staatsloser Fortbestand natürlich nur dann eine Chance hätte, wenn es auch genug Leute gibt, die das wollen. Es bedürfte kulturtragende Schichten innerhalb des Mainstreams, die mit Überzeugung deutsche Kulturmuster pflegen – also etwa ganz normale Trivialschriftsteller (die auch bei Rewe verkauft werden), TV-Redakteure, Journalisten von Lokalzeitungen, Lehrer, Bürgermeister, Kirchenleute. Wir wissen alle, dass dem nicht so ist und dass die „Vision“ der kulturellen Selbstauflösung in der angelsächsisch geprägten „Einen Welt“ nicht nur derzeitige Staatsraison ist, sondern tatsächlich auch das Credo von Millionen.

 

Wie schwer eine staatslose Tradierung deutscher Kulturmuster fallen würde wird ja bereits jetzt deutlich, da der deutsche Staat seine schützende Hand weggezogen hat und sich zum Handler fremder Mächte hat machen lassen. Nein, ohne ein nationalstaatliches Gehäse ist unter gegenwärtigen Bedingungen sehr wenig zu retten.

 

 

Übrigens gibt es für die heute zu beobachtende freiwillige Übernahme ausländischer Kulturmuster bekanntermaßen schon die Parallele der freiwilligen Annahme französischer Muster im 18. Jahrhundert. Man kann durchaus spekulieren, wie diese kulturelle Überfremdung weitergegangen wäre, wenn es nach der Überdehnung französischer Ansprüche unter Napoleon nicht zum Entstehen des deutschen Nationalgefühls nach 1800 gekommen wäre … Das entstehende deutsche Nationalgefühl zielte damals rasch auch auf staatliche Formen und konnte sich zu seinem Glück spätestens nach 1866 der Unterstützung durch die preußisch-deutsche Staatlichkeit sicher sein.

 

---

 

Vielleicht ist dieses Fremdeln von Meyer mit dem deutschen Nationalstaat, mit der Obrigkeit und den mitunter auch autoritären Seiten eines funktionierenden Nationalstaats das letzte Aufbäumen linksanarchistischer Reste in der Seele des Autors.

 

Nein, ich mache mich darüber nicht lustig, kann die inneren Kämpfe dessen, der von ganz woanders kommt, durchaus nachvollziehen.

 

 

Sven Jacobsen

27. Dezember 2016 14:44

Es schadet nicht, Bemerkungen zur „Nation“, zum „Deutschsein“ oder zur deutschen Identität mit dem Hinweis zu verbinden, dass die Verfasser des sog. Grundgesetzes unter den Augen der Siegermächte sowie unter dem Eindruck der Vergangenheit alle Formulierungen bzgl. des „deutschen Volkes“ dergestalt vorgenommen haben, es als eine historisch langsam gewachsene Gemeinschaft zu begreifen. Dies korrespondiert mit der in Stein gemeißelten Widmung „Dem deutschen Volke“ auf dem sog. Reichstagsgebäude, interessanterweise erst 1916 nach langem Streit angebracht. Es ist kaum anzunehmen, dass man 1948/49 die Migrationsbewegungen der heutigen Zeit antizipiert bzw. erhofft hatte oder, anders betrachtet, heute das „deutsche Volk“ so unverbindlich definiert, dass selbst das sprichwörtlich gewordene „Rendezvous mit der Globalisierung“ keine Fragen hinsichtlich der eigenen Identität aufwerfen könnte. 

Der_Jürgen

27. Dezember 2016 15:00

@Schwäbischer Waldgänger

Ein hervorragender, gedanken- und facettenreicher Kommentar, um dessen willen man Ihnen sogar nachsieht, dass Sie sich hartnäckig weigern, über den 11. September auch nur zu diskutieren.  Nein, ich mache ich darüber nicht lustig, denn ich kann die inneren Kämpfe dessen, der von ganz woanders kommt, durchaus nachvollziehen...

@Annemarie Paulitsch

"In spätestens 50 Jahren wird es nur noch einen funktionierenden Nationalstaat geben: Israel bzw. Erez Israel. Man arbeitet daran."

Damit ja kein Forist, der von ganz woanders kommt und dessen innere Kämpfe unser Verständnis verdienen, hier "Verschwörungstheorien, krude   Verschwörungstheorien!" plärrt,  will ich gleich eine namhafte Autorität anführen, die Ihre Aussage bestätigt. Am 9. Mai 2014 enthüllte der jüdische Schriftsteller Robert Manasse, welche Nation als einzige der Welt heutzutage noch eine Existenzberechtigung besitzt:

„Der Nationalismus hat buchstäblich abgewirtschaftet. Die Verteidigung der Nation als Idee und in Praxis [sic] hat vor der Geschichte jeden Vernunftgrund [sic] und Sinn verloren. Jeden? Nein, eine Nation gibt es, die am Stand der Dinge [sic] unbedingt verteidigt werden muss […]: Israel.  

 

Quelle: Diepresse.com  Das Gestern war noch nie so jung   Die Presse com


Wie man sieht, hat Herr Manasse offenbar nicht nur allen Nationalstaaten ausser dem jüdischen, sondern auch der deutschen Sprache den Krieg erklärt. Es liegt an uns, zu verhindern, dass die Träume dieses Herrn in Erfüllung gehen.

Langsax

27. Dezember 2016 15:16

Widerspruch:

 

"B: Der Nationalstaat ist menschheitsgeschichtlich ein ziemlich spätes Konstrukt. Warum sollte er ewig währen? Seine Existenz hat vor allem endlose Kriege ausgelöst. "

 

... die Nationenbildung ist die "Antwort der biologisch/kulturellen Evolution auf die Massengesellschaft".  

Metternicht erkannte, dass diese Entwicklung die gekrönten Familien ihrer Macht berauben würde und hat deshalb die Gedanken an die Nation unterdrücken wollen. Das Ergebnis ist bekannt. Und heute agieren die "Globalisten" wie weiland Metternich. Man will die Nation "überwinden", um den "Weltbürger" ("Alle Menschen sind gleich"). Und diese Globalisten behaupten auch, dass die Nationalstaaten "endlose Kriege" ausgelöst hätten. Auch das ist völlig falsch! Dass die europäischen Nationen im 20. aufeinander gehetzt wurden, hat nicht mit den Nationen, sondern mit den Machtgierigen in bestimmten Schaltzentren der Welt zu tun. Das sind genau auch die Kräfte, die heute den Orient destabilisieren. 

Wir sollten auch nie vergessen, dass unsere ethnische (völkische) Herkunft ein integraler Bestandteil unseres ICHs ist. Auch wenn Linke und Globalisten das leugnen. [sie leugnen das aber auch nur solange sie nicht selber von den Kämpfen der Zeit betroffen sind].

Nordlaender

27. Dezember 2016 15:53

@ Der_Juergen

"Götz Aly ist Historiker, er sorgt für Klarheit der Begriffe."

"Volk" und "Nation" sind gesellschaftliche Konstrukte, und als Nachschlag gibt es hier auch einen Auftritt des Marktreligiösen Robert Menasse zu sehen:

https://www.youtube.com/watch?v=SnH0yl1n1Rc

deutscher identitärer

27. Dezember 2016 16:25

Ich kann mit den Artikeln von Herrn Meyer oft nicht viel anfangen.

Präsentiert werden meist mit dem Gestus des Freidenkerischen vorgebrachte Banalitäten, die seit jeher zum Bestand rechten Denkens gehören, was Herrn Meyer qua Sozialisation nicht immer bekannt zu sein scheint.

So auch die Frage Nationalstaat ja/nein.

Grundsätzlich sehe ich mich auf der Seite, die auf die Wünschenswertheit eines starken deutschen Nationalstaats hinweisen. Das eigentliche Problem wurde aber mMn noch nicht genannt: Ein starker Nationalstaat, gerade wenn er erfolgreich ist, führt zur Degeneration seiner Einwohner. Der Staat sichert die Grenzen und innere Sicherheit und entwöhnt so die Einwohner der existentiellen Bedingungen des Lebens. Wer nicht gerade im Militär oder Grenzdienst tätig ist, vergisst die permanente Gefährdetheit funktionierender gesellschaftlicher Ordnung mit der Zeit. Also genau das was sich in der BRD zugetan hat. Man kann dieser Tendenz mit Propaganda, Erziehung entgegenwirken, aber es ist eben ein Anschwimmen gegen den Strom.

Die Masseneinwanderung  wird sich fortsetzen, das ist ein Fakt, der Ausgangspunkt jeder weiteren Lagebeurteilung sein MUSS. Fürchten wir uns nicht von der Veränderung, sondern sehen wir die Chance: Wenn es keine staatlichen Grenzen mehr gibt, ist es die Notwendigkeit der Selbstbehauptung wieder beim Einzelnen angekommen. Das ist der Selektionsdruck, der unserem Volk seit langem gefehlt hat. Die deutsche Identität wird sich im Konflikt mit den Eingewanderten wieder schärfen, um den Preis der Aufgabe der Hoheit über unser Land. Wir tauschen also Raum gegen die Möglichkeit uns wieder als Volksgemeinschaft zu begreifen.

Wenn das geschehen ist, ist auch eine Rückeroberung des Raums wieder möglich (aktuell ist sie vollständig unwahrscheinlich).

Waldgänger aus Schwaben

27. Dezember 2016 16:42

@Der_Jürgen

Vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Meine Weigerung über 9-11 zu diskutieren, ist erstens Zeitmangel geschuldet, ich müsste mich gründlich einlesen, und zweitens zwanzigjähriger Internet-Dikussion-Erfahrung.Es brächte nichts.

Inzwischen halte ich das auch nicht mehr für so wichtig, ob die damaligen Eliten in den USA nun 9-11 verursacht haben, billigend zugelassen haben, oder einfach nur als Anlass genommen haben, das zu tun was sie tun wollten.

Blicken wir nach vorne. Der Kampf um die großen politischen Linien der nächsten Jahrzehnte ist in einer kleinen Szene einfangen. 

Merkel hat sich den kompletten Auftritt Donald Trumps bei seiner Dankeschön-Tour in Pennsylvania angeschaut, berichtete die Kanzlerin am vergangenen Montag im CDU-Präsidium. Sie könne den Mitschnitt nur weiterempfehlen, sagte sie ihren Parteifreunden. "Es ist interessant zu sehen, in welcher Gedankenwelt er lebt."

...

Eine Passage blieb Merkel besonders im Gedächtnis haften, sie zitierte die Sätze [Trumps] wörtlich: "Es gibt keine Welthymne, keine Weltwährung und keine Weltbürger", sagte Trump. "Wir verneigen uns vor einer Flagge. Und das ist die amerikanische."

https://www.spiegel.de/spiegel/donald-trump-und-die-aussenpolitik-angela-merkel-rechnet-mit-dem-schlimmsten-a-1127238.html

Ufi

27. Dezember 2016 16:51

Warum verbringen wir hier unsere (kostbare) Zeit damit, Utopien durchzudiskutieren?

Schauen wir auf die Realität: Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte geht doch hin zu Nationalstaaten und nicht weg davon - beispielhaft der Zerfall der Sowjetunion, der Zerfall der Tschechoslowakei, der Zerfall Jugoslawiens, ... (Polen, Tschechen, Slowaken, Kroaten, Slowenen usw. werden wohl mehrheitlich nicht daran interessiert sein, ihre - mühevoll - erlangte Eigen-Staatlichkeit aufzugeben.)

Und was das Entstehen von Kriegen, insbesondere im 20. Jahrhundert, betrifft, so waren es doch gerade die Probleme im Vielvölkerstaat der Habsburger (der eben kein Nationalstaat war), die sowohl Anlass als auch Ursache für den Ersten Weltkrieg waren.

Nordlaender

27. Dezember 2016 17:05

@ deutscher Identitärer

"Fürchten wir uns nicht von der Veränderung, sondern sehen wir die Chance: Wenn es keine staatlichen Grenzen mehr gibt, ist es die Notwendigkeit der Selbstbehauptung wieder beim Einzelnen angekommen. Das ist der Selektionsdruck, der unserem Volk seit langem gefehlt hat."

Wenn Ihr Identitären die Türen Eures Hauses aushängt und verbrennt, dann lauft Ihr nicht Gefahr, nach täglichem wohligen Ruhen auf dem Kanapee mehr und mehr zu erschlaffen.  Das BUNTE Regime ist niemals ein Staat gewesen, aber schön, die Illusion mag es gegeben haben. 

Winston Smith 78700

27. Dezember 2016 17:47

@ deutscher identitärer

Sie schreiben: "... die Notwendigkeit der Selbstbehauptung wieder beim Einzelnen angekommen. Das ist der Selektionsdruck, der unserem Volk seit langem gefehlt hat."

Beim "Einzelnen"? Sie müssen ja noch sehr jung sein, um so etwas zu schreiben. Nur befürchte ich, dass dies ein schnelles Ende wäre - vielleicht nicht jedes dieser Einzelnen, aber doch des Volkes. In diesem Altersband sind die Türken und andere Landnehmer einfach überlegen, sowohl körperlich als auch technisch - und natürlich stärker aufgestellt. Ihre Überlegenheit als eines identitären Deutschen dürfte dagegen im Strategischen und Taktischen liegen, in der Überlegtheit und Organisation. Diese können Sie als Einzelner nicht zur Geltung bringen.

Martha

27. Dezember 2016 18:17

Der_Juergen

Sie meinen Robert Menasse, nicht Robert Manasse

deutscheridentitärer

27. Dezember 2016 19:12

"Wenn Ihr Identitären die Türen Eures Hauses aushängt und verbrennt, dann lauft Ihr nicht Gefahr, nach täglichem wohligen Ruhen auf dem Kanapee mehr und mehr zu erschlaffen."

Ganz richtig. Nur, dass die Entscheidung über das Unterlassen der kollektiven Grenzsicherung nicht in meiner oder ihrer Macht stand. Die Konsequenzen dieser Entscheidung betreffen nun also nolens volens alle Deutschen, ob identitär oder was auch immer.

"Beim "Einzelnen"? Sie müssen ja noch sehr jung sein, um so etwas zu schreiben. "

Immer weniger jünger mit der Zeit.

" In diesem Altersband sind die Türken und andere Landnehmer einfach überlegen, sowohl körperlich als auch technisch"

Ich gebe Ihnen völlig Recht, dass erstens eine aussichtsreiche Selbstbehauptung Organisation und Strategie verlangt und zum zweiten dass wir  den Landnehmern darin um ein Vielfaches überlegen sind. Aber es braucht eben den Willen zur Organisation und Eingliederung in eine Gruppe.

Der ist derzeit bei den Meisten nicht vorhanden, wird aber, sofern noch eine Restsubstanz an funktionierenden Trieben im Deutschen vorhanden ist, entstehen, wenn der Einzelne in seinem Behauptungskampf auf sich selber zurückgeworfen ist. Das von mir skizzierte Szenario, das ja im Grunde bereits die Realität darstellt, ist also als notwendiges Durchgangsstadium zu sehen.

Ein kürzlich zirkulierendes Meme drückt es so aus:

hard times create hard men
hard meen create good times
good times create weak men
weak men create hard times

 

 

Nordlaender

27. Dezember 2016 20:55

"Ganz richtig. Nur, dass die Entscheidung über das Unterlassen der kollektiven Grenzsicherung nicht in meiner oder ihrer Macht stand. Die Konsequenzen dieser Entscheidung betreffen nun also nolens volens alle Deutschen, ob identitär oder was auch immer."

Wenn sich Herr Sellner gegen den Nationalismus ausspricht, dann frage ich mich, ob die korrekte Beschreibung fehlender Grenzen wirklich nur deskriptiv ist und nicht aus begrüßt wird von den Identitären.

 

enickmar

28. Dezember 2016 11:28

"Seine Existenz hat vor allem endlose Kriege ausgelöst."

Gibt es dafür belastbare historischen Belege? Gab es vor dem Zeitalter der Nationalstaaten weniger Kriege? Hätten andere Staatsformen weniger Kriege ausgelöst?

Der_Jürgen

28. Dezember 2016 12:07

@Nordländer

Martin Sellner identifiziert "Nationalismus" mit Chauvinismus, der in der Tat abzulehnen ist. Ich finde dies ebenso wie Sie fragwürdig; vermutlich ist es eine Konzession an das herrschende politische Klima, die Sie und ich nicht machen würden. Die Identitären machen - dies sei bei aller Hochachtung vor diesen Menschen und ihren Aktivitäten gesagt - noch andere unsaubere Konzessionen, indem sie das Motto "Worüber man nicht die Wahrheit sagen darf, darüber schweige man" nicht beherzigen.

Dass das Fehlen von Grenzen von den Identitären begrüsst wird, ist sicherlich eine absurde Vorstellung. Ihr Handeln legt ja Zeugnis davon ab, dass sie sehr wohl Grenzen wollen.

Nordlaender

28. Dezember 2016 13:04

@ Der_Jürgen

Die Identitären sind universalistisch orientierte Ethnopluralisten. Dem Eigenen einen höheren Wert beizumessen als dem Fremden, ist ziemlich normal. Ganz trivial: Welcher leidenschaftliche Jazzmusiker heuchelt z.B. in der Öffentlichkeit, daß Folklore, Schlager oder Country für ihn gleichermaßen wertvoll seien?

Wo alles den gleichen Wert besitzt, gibt es keine Wertschätzung mehr. Von mir aus bin ich Chauvinist.

"Dass das Fehlen von Grenzen von den Identitären begrüsst wird, ist sicherlich eine absurde Vorstellung. Ihr Handeln legt ja Zeugnis davon ab, dass sie sehr wohl Grenzen wollen."

Stimmt auch wieder. Habe mir erlaubt, mal den advocatus diaboli zu geben. Das Handeln der Identitären ist mir übrigens zehn Male sympathischer als der weltanschauliche Überbau (z.B. "0 % Rassismus").

Sie haben recht, Reden ist oft noch nicht einmal Silber und Schweigen ist Gold. Wer samma denn? Zu ALLEM meinen, Stellung beziehen müssen? Bevor man Stellung bezieht, sollte man sich erst einmal eiskalt durchrechnen, welche Nach- und welche Vorteile man dadurch erreichen kann.

Fredy

28. Dezember 2016 13:47

Bin ja nun auch schon viele Jahre im Lager umhergewandelt. Zum ersten mal aber erlebe ich, dass Nordländer, äh Nationalisten, die Grenzen des Staates BRD schützen wollen obwohl doch ein solcher Staat offenkundig nur in der Einbildung existiert, wie wir hier lesen.

Wir haben uns früher, bei viel Bier, auch ständig um Grenzen unterhalten. Wir wollten aber die Grenzen der BRD nicht akzeptieren.

Es grüßt euch Fredy, nun vollends verwirrt.

Aristoteles.

28. Dezember 2016 13:56

@Waldgänger aus Schwaben

"Ich habe mich nie wirklich als Deutscher, sondern immer vorrangig als Schwabe gefühlt"

Es soll es auch in Israel Israelis geben, die sich nicht als Israelis fühlen, sondern als Angehörige des Stammes Ruben, Benjamin oder Asher. Ebenso habe ich von Lakota-Indianern gehört, die sich nicht zu den Sioux zählen.

"Das Schwäbische aber ist Geschichte."

Sind Sie Schwabe? Leben Sie noch? Ich meinerseits fühle mich WIRKLICH als Sachse und Deutscher. Wenn ich das Weihnachtsoratorium oder das Rheingold-Finale höre, ist mir dieses Gefühl durchaus gegenwärtig.

Obwohl ich ein Gegner der EU-Diktatur bin, fühle ich mich sogar WIRKLICH als Europäer. Als Europäer glaube ich, im Gegensatz zu den EU-Populisten, nicht, dass mit einer Abschaffung des Euro Europa abgeschafft ist.

Obwohl ein Gegner des Regenbogenrassismus fühle ich mich als Angehöriger meiner Familie, als Sachse, als Deutscher, als Europäer und auch wirklich als MENSCH.

Th Wawerka

28. Dezember 2016 14:33

https://www.spreeblick.com/wp-content/uploads/2009/01/europa_d.jpg

... eine traurige Vorstellung.

Th Wawerka

29. Dezember 2016 11:56

... dennoch, Herr Meyer, muss ich Ihnen nach reiflichem Überlegen zustimmen.

Der Nationalstaat ist nicht nur geschichtlich eine erst kürzlich eingeführte Einrichtung, sie ist im weltweiten Vergleich auch auf ein paar Staaten in Europa beschränkt. Ein Sonderweg, eine Inselsituation, möglicherweise ein Interludium. Die Zuwandererstaaten Amerikas kann man schlecht als Nationalstaaten europäischer Verfassung ansehen, sie sind schon seit der frühen Neuzeit durch Einwanderung und Sklavenhandel multiethnisch und multikulturell geworden. Afrika hat vielleicht intakte Ethnien, aber kaum funktionierende Staaten mit willkürlichen Grenzen. In Asien, im "Herzland" mischen sich die Völker spätestens seit Alexanders Völker-Vereinigungs-Politik. Japan ist vielleicht ein "Nationalstaat", wie wir ihn uns vorstellen - Inselsituation!

Multikulturalität war der Normalzustand im Römischen Reich, Im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation und im Zarenreich. Rein geschichtlich geurteilt waren diese Staatengebilde stabiler und dauerhafter als der Nationalstaat.

Der Nationalstaat - eine französische, napoleonische Erfindung?

Eins fällt mir noch auf: Die geschichtlichen Beispiele zeigen echte Multikulturalität und Multiethnizität, allerdings im Sinne eines durchaus traditions- und distanzbewussten Neben- und vielleicht auch Miteinanders, aber nicht im Sinne einer Aufhebung "natürlicher" Grenzen und Abstände. Was uns dagegen als Multikulturalität verkauft werden soll, ist eine Lüge: Es geht ja gar nicht um die Begegnung vieler verschiedener Kulturen resp. Völker, sondern immer nur um die Begegnung mit dem Islam, und in dieser Begegnung sollen wir die eigene Kultur verleugnen und abbauen und uns dem Islam immer weiter anpassen, sodass man richtiger Weise von einer kalten Monokulturalität sprechen muss.

Multikulturalität braucht scheinbar eine Klammer, wie etwa das Kaisertum oder die Religion - eine Homogenität, die nicht auf ethnischer Zugehörigkeit basiert. Aber Homogenität muss auf die eine oder andere Art und Weise für ein funktionierendes Gemeinwesen hergestellt werden, die Alternative dazu ist Chaos. 

Das alles ist im Angesicht der Lage natürlich Elfenbeinturm-Philosophirerey. Politisch wäre es ein Gewinn, wieder einen halbwegs souveränen und intakten Nationalstaat zu gewinnen, und so stehen die Zeichen, wenn man sich Ungarn, Polen, GB u.a. anschaut. Möglich, dass dies eine erste Stufe ist und es nach der verunglückten EU irgendwann zu einer neuen europäischen Reichsidee kommt ...

Waldgänger

29. Dezember 2016 15:49

Wenn @ Wawerka hier auf funktionierende multikulturelle Staaten der Vergangenheit verweist (z.B. Zarenreich, Osmanisches Reich, Heiliges Römisches Reich), so sind natürlich auch die Rahmenumstände zu berücksichtigen, die damals wirksam waren:

- wenig Kontakt zwischen unterschiedlichen Ethnien (getrennte Wohngebiete, archaische Kommunikationsmöglichkeiten, wenig Mischehen),

- Existenz einer unbestrittenen Leitkultur der herrschenden Gruppe,

- notfalls rabiate Durchsetzung dieser Leitkultur gegenüber aufmüpfigen Minderheiten,

- Existenz einer gedanklichen Klammer (z.B. Kalifat, Kaisertum),

- Abwesenheit von demokratischer Mitbestimmung, sodass es keinerlei Möglichkeit für eine Minderheit gab, etwa mittels demokratischer Wahlen eigene Anliegen zu realisieren.

Anders gesagt: Ein funktionierender multikultureller Staat funktionierte nur als ein autoritäres, undemokratisches  Gebilde mit Terndenz zur Despotie bei gleichzeitig vormoderner Technik.

Fredy

29. Dezember 2016 22:49

Sehr guter Beitrag vom Pfarrer TW.

Tatsächlich sollte der Nationalstaat nicht ein Fetisch sein, sondern eine Möglichkeit. Und viele der aufgezählten Varianten waren sicher attraktive Staatsformen für die jeweilige Zeit. Deshalb nochmals: Nachdenken. Wir leben in einer Zeit, die Lösungen braucht, die wahrscheinlich noch nicht da waren. Denn wir haben heute doch Probleme und Herausforderungen, die so noch nie waren. 

Ich zumindest, als ehemaliger Nationalist, aber mich immer noch dem rechten Lager zugehörig zählender Freiheitlicher (nein, nicht liberal, zur Freiheit gehört Verantwortung und Rechenschaft, nicht Egalitarismus), will heut zuerst ein Mensch sein, dann bin ich Sohn, Bruder, Vater, und ... Deutscher. Wenn das umgekehrt läuft, stimmt irgendetwas nicht. Das bedeutet nicht, dass ich als Mensch alles akzeptiere nur weil jemand Menschheit und Menschlichkeit ruft. Es ist die persönliche Ebene. Dort bin ich Mensch, nie jemand anders. Als politischer Mensch jedoch begebe ich mich auf eine andere Ebene, auf die eines Stammes, Volkes oder Staates. Zugegeben, das ist heute zudem schwierig.

Th Wawerka

30. Dezember 2016 12:35

Waldgänger:

Ja, stimmt - wird am Vergleich Russland und USA deutlich. Beide multiethnisch und multikulturell, Russland mit robustem Regime, USA mit liberaler Demokratie und nicht endendem racial war (man redet uns ein, es liege an den Waffen, aber die Waffendichte ist in der Schweiz vergleichbar).

Kanada wiederum ist ein Beispiel für eine liberale Demokratie mit multikultureller Gesellschaft.

Was den Nationalstaat betrifft: Man muss schon auch die negativen Seiten beachten. Der Druck auf die Deutschen in den jungen Nationalstaaten Polen, Tschechien usw. war eminent, sie sollten mit aller Gewalt polonisiert werden etc. Noch mein Großvater, der aus der Gegend von Brüx/Most im Sudetenland stammte, erzählte, dass die Deutschen systematisch benachteiligt und unterdrückt wurden, als Jugendlicher ist er immer verdroschen worden, weil er deutscher Abstammung war. Aus solchen Erfahrungen rührt ja das Sprichwort her: "Wenn das der Führer wüsste!"

Man sieht hier den Versuch, die Integrität des Staates durch ethnische/kulturelle  Homogenität herzustellen.

Anders der deutsche Nachkriegsstaat, der durch liberale Demokratie seine Minderheiten schützt - mit der Folge, dass es nun zum "Minderheitenwettlauf" kommt und jede Minderheit, die sich gefunden hat, ihre Forderungen stellt, und wenn die Minderheiten groß genug werden, driftet der Staat zum "Multiminoritätenstaat" hin ab, zum ethnisch-kulturell-religiösen Flickenteppich. 

Was macht Kanada eigentlich richtig?

waldgänger

31. Dezember 2016 18:27

@Th Wawerka

Zu Kanada:

1. Funktioniert das Multikulturelle in Kanada denn wirklich so gut?  Habe gehört, dass es dort neuerdings mit eben den Leuten, die sich bei uns nicht anpassen, zunehmend ganz ähnlich Probleme gibt.

2. Die bewusste Auswahl der Einwanderer nach beruflicher Qualifikation ist natürlich konfliktmindernd.   Es führt dazu, dass erstens nicht so viele Problemfälle reinkommen und zweitens,  dass vergleichsweise viele Einwanderer wirtschaftlichen Erfolg erleben und  gute Aufstiegschancen haben. Das mindert die Spannungen, die aus multikulturellem Zusammenleben entstehen. Andererseits funktioniert dieser Mechanismus eben nur in wirtschaftlich guten Zeiten …

3. Die räumliche Größe des Landes bewirkt, dass man sich eher aus dem Weg gehen kann. Ein enges multikulturelles Zusammenleben wie im Ruhrgebiet oder Berlin - mit all seinen Spannungen - ist eher die Ausnahme. Man bleibt unter sich – obwohl das in den bunten Werbebroschüren selten zugegeben wird.

4. Es spricht wenig dafür, dass Kanada auf Dauer jene Probleme erspart bleiben, die etwa für die USA charakteristisch sind. Kanada ist sozusagen bloß entwicklungsgeschichtlich noch nicht so weit.

Guten Rutsch!

 

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