Briefwechsel zwischen Claus Leggewie und Götz Kubitschek (Teil II)

Fortsetzung des Briefwechsels zwischen dem Politikwissenschaftler Claus Leggewie und mir – Teil I nebst Einleitung sind im vorherigen Beitrag veröffentlicht.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Essen, den 4. März 2016

Sehr geehr­ter Herr Kubitschek,

des einen Pro­gramm ist des ande­ren ideo­lo­gi­scher Ramsch, geschenkt, so viel Tole­ranz muss sein, und vom Ver­glei­chen wer­den sie mich kaum abbrin­gen, wohl eine défor­ma­ti­on pro­fes­sio­nel­le, die Sie ja gleich mit Ihrem Exkurs zur KR ange­nom­men haben. Auf das Gesell­schafts­expe­ri­ment, wie sie die Ein­wan­de­rung nen­nen, kom­men wir sicher noch ein­mal geson­dert zurück, da haben wir sicher die größ­ten Unter­schie­de. Und »Mul­ti­kul­ti« war eine Jazz­band aus erklär­ten Bas­tar­den, die Iro­nie die­ser Über­nah­me ist weder links noch rechts ver­stan­den worden.

Heu­te kom­me ich lie­ber auf die Bestän­de zu spre­chen, die sich dem Expe­ri­ment der plu­ra­len Auf­lo­cke­rung einer vor­ge­stell­ten Homo­ge­ni­tät ihrer Mei­nung nach ver­wei­gern. Da inter­es­siert mich erst mal nicht Unver­träg­lich­keit (der Trans­plan­ta­ti­on) und Durch­set­zungs­wucht (der Migran­ten, der Alt­ein­ge­ses­se­nen?), son­dern Glau­be. Damit mei­nen sie wohl nicht irgend­ei­nen und auch nicht den der ande­ren, son­dern den, der Pegi­da den Namen gege­ben hat und als christ­li­cher das angeb­lich auf dem Spiel ste­hen­de Abend­land ein­mal aus­ge­macht hat. Das ist lan­ge her und auch der Glau­be der meis­ten Mus­li­me ist weit weni­ger unver­brüch­lich, stark und dog­ma­tisch, als er scheint und aus­ge­malt wird. Die Glau­bens­fer­ne der Islam­kri­ti­ker ist ein Pro­blem, weil sie reli­gi­ös unmu­si­ka­lisch sind, was der Sozio­lo­gie gut tun mag, aber eben nicht der dis­kur­si­ven Aus­ein­an­der­set­zung, die bei­der­seits von pri­mi­ti­ven Ste­reo­ty­pen geprägt ist. Die pau­scha­le Rede von „dem Islam“ bestärkt im Übri­gen auf unheil­vol­le Wei­se den Anspruch der Sala­fis­ten, sie ver­kör­per­ten den „wah­ren Islam“. Was gro­ber Unfug ist, aber so schau­keln sich fana­ti­sche Mus­li­me und fana­ti­sche Geg­ner in ihren weit­ge­hen­den Unkennt­nis und Ver­dre­hung des „Gegen­stands“ gegen­sei­tig hoch.

Ich sage das als jemand, der zu wis­sen meint, was Glau­ben ist, nicht als der Athe­ist oder Agnos­ti­ker, aus dem die Pegi­da-Bewe­gung erwie­se­ner­ma­ßen zum über­wäl­ti­gen­den Teil besteht. In Pegi­da-Krei­sen ist man gegen Isla­mi­sie­rung, aber nicht für Jesus Chris­tus. Dort gibt es bei­des wenig: Chris­ten UND Frem­de. Das wäre mal ein Gesell­schafts­expe­ri­ment für Kath.net und IDEA, dem Volks­auf­stand von heu­te eine christ­li­che Note zu geben!

Mehr als die Christ­lich­keit der Abend­länd­ler (ein Titel, der Armin Moh­ler in den 1950er Jah­ren zu sar­do­ni­schem Lachen pro­vo­ziert und sei­ne Kri­tik am Gärt­ner­kon­ser­va­tis­mus Kon­rad Ade­nau­ers unter­stützt hat) ist die Fra­ge, wie Sie (um nicht indis­kret nach Ihrem per­sön­li­chen Bekennt­nis zu fra­gen) das Christ­li­che beur­tei­len. Das Chris­ten­tum unter­stützt gera­de nicht eine natio­na­lis­ti­sche Welt­an­schau­ung, da muss ich Ihnen nur sei­ne Auf­fas­sung der grenz­über­schrei­ten­den Men­schen­wür­de ins Gedächt­nis rufen, wozu der Vor­rang der indi­vi­du­el­len Frei­heit vor jed­we­der pro­fa­nen Gemein­schaft gehört. Dahin geht die katho­li­sche Verschärfung.

Und wenn Chris­ten his­to­risch all­zu oft auf der fal­schen Sei­te stan­den, wie die staats­treu­en Pro­tes­tan­ten unter Hit­ler, oder oppor­tu­nis­tisch schweigt, wie der Vati­kan zum Mord an den euro­päi­schen Juden, oder so bor­niert agiert wie immer neue Kle­ri­ker und Gemein­den, dann spricht das grund­sätz­lich nicht gegen den Trans­na­tio­na­lis­mus der Reli­gio­nen. Mit Recht schal­ten die Dom­her­ren das Licht aus, wenn sich Pegi­da vor ihren Häu­sern ver­sam­melt, und die­se authen­ti­sche­ren Ver­tre­ter des Abend­lan­des gehö­ren nicht zufäl­lig zu denen, die Asyl gewäh­ren, Flücht­lin­ge will­kom­men hei­ßen und für den angeb­li­chen Ver­fas­sungs­bruch von Frau Mer­kel Stel­lung nehmen.

Abwei­chen­de Mei­nun­gen im Kir­chen­volk sind mir bekannt, aber die sich da in Dres­den ver­sam­meln, gehö­ren kaum dazu (las­sen wir Pfar­rer Weiß­flog mal bei­sei­te), weil ihnen eine reli­giö­se Erzie­hung, Unter­wei­sung und Her­zens­bil­dung nie­mals zuteil gewor­den ist. Wenn Sie die „Betrei­ber des Staats­streichs“ und dabei die insti­tu­tio­nell Ver­ant­wort­li­chen ins Visier neh­men wol­len, müs­sen Sie sich auch eini­ge Bischö­fe und vie­le Kir­chen­funk­tio­nä­re vor­neh­men, die den arro­gan­ten staat­li­chen Sou­ve­rä­ni­täts­an­spruch wie den kul­tu­rel­len Homo­ge­ni­täts­an­spruch welt­weit auch in ande­ren Fra­gen unterlaufen.

Für die in der Sezes­si­on iro­ni­sier­te reli­giö­se Fra­ge heißt das: ein deut­sches Chris­ten­tum (NS, ana­log Polen, LePens Jean d’Arc)? Abend­land ohne Juden (Weiß­mann)? Neu-Neu­hei­den­tum (NR 2.0)? Eso­te­rik, Okkul­tis­mus à la Evo­la, Dugin et al.? Nur Islam­po­le­mik (Huma­nis­ti­sche Uni­on)? Oder strik­te Tren­nung von Staat und Kir­che (III. Repu­blik, Jef­fer­son)? Ver­mut­lich alles nicht. War­um dann nicht „reli­giö­ser Super­markt“ (Ruth­ven).

Gruß

Claus Leg­ge­wie

 

Schnell­ro­da, 28. III. 2016

Sehr geehr­ter Herr Pro­fes­sor Leggewie,

heu­te ist Oster­mon­tag, das Geschäft ruht, ich kann end­lich ant­wor­ten. Als Ver­le­ger, der sei­ne Autoren sehr ernst nimmt, viel von ihnen lernt und Manu­skrip­te nicht nach Ren­di­te ablehnt oder annimmt, kann ich für das von Ihnen nun neu eröff­ne­te The­ma das groß­ar­ti­ge Buch Kann nur ein Gott uns ret­ten? von Mar­tin Licht­mesz emp­feh­len – wir haben es 2014 publi­ziert. Bevor ich dar­aus zitie­re, fol­gen­de Grund­sätz­lich­kei­ten: Sie haben recht, wenn Sie einem gro­ßen Teil der PEGI­DA-Bewe­gung und vor allem den Prot­ago­nis­ten selbst das in Stel­lung gebrach­te “Abend­län­di­sche” dort abspre­chen, wo es auf geleb­tem Chris­ten­tum sich grün­den müß­te. Die­je­ni­gen PEGI­DA-Köp­fe, die die­ses Dilem­ma sehen, ver­su­chen radi­kal reli­gi­ons­kri­tisch, also strikt auf­klä­re­risch und kan­tisch zu argu­men­tie­ren – ein Ver­such, über den ich läch­le, weil er der (in Tei­len extrem mobi­li­sie­rungs­ge­eig­ne­ten) Hyperiden­ti­tät isla­mi­scher Glau­bens­aus­prä­gun­gen nur­mehr die dür­re Ver­nunft und das tro­cke­ne Papier ent­ge­gen­zu­set­zen hat und sich selbst die drin­gend not­wen­di­ge Rück­bin­dung an ein nicht Ver­han­del­ba­res abschnei­det. Aber den­noch: Selbst unse­re PEGI­DA-Kan­ti­a­ner sind ja his­to­risch christ­lich ein­ge­bet­tet, kön­nen das christ­li­che Abend­land als Iden­ti­täts­kor­sett nicht abstrei­fen und den­ken und han­deln im Gro­ßen und Gan­zen inner­halb eines christ­lich durch­wirk­ten Kul­tur­raums. Unbe­wußt christ­lich, so könn­te man das nen­nen. Und es ist scha­de: Wahr­haft christ­lich bekä­me die Ver­tei­di­gung des Abend­lan­des eine ganz ande­re geis­ti­ge Wucht, eine selbst­si­che­re Iden­ti­tät, und zwar ohne, daß man dadurch Reli­gi­on und Poli­tik plan­mä­ßig auf­ein­an­der set­zen müß­te. Die­ses Auf­ein­an­der­set­zen wür­de viel­mehr dem Glau­ben sei­nen durch das Poli­ti­sche nie erreich­ba­ren Raum neh­men und die Reli­gi­on zu einem stra­te­gi­schen Bau­stein herabwürdigen.

Nichts ande­res macht man auch dann, wenn man die mul­ti­kul­tu­ra­lis­ti­sche Poli­tik der offe­nen Gren­zen durch die christ­li­che Reli­gi­on (fast immer in einer säku­la­ren, also dog­ma­tisch ent­schärf­ten und auf­klä­re­risch ange­paß­ten Fas­sung) legi­ti­mie­ren will, oder mit ihrer Hil­fe deren Geg­nern ein schlech­tes Gewis­sen machen oder sie mora­lisch erpres­sen will.

Zu alle­dem nun Licht­mesz, der in dem Kapi­tel »Die Ohn­macht der christ­li­chen Nächs­ten­lie­be« die von Ihnen auf­ge­brach­ten Fra­ge­stel­lun­gen nicht zu beant­wor­ten, son­dern in ihrem his­to­ri­schen Wan­del als Dilem­ma zu beschrei­ben ver­sucht – nicht ohne unauf­ge­lös­ten Rest.

Licht­mesz argu­men­tiert – erwart­bar! – mit Arnold Geh­len und des­sen stren­ger Unter­schei­dung zwi­schen fami­liä­rem Ethos und Staats­ethos oder Haus­mo­ral und poli­ti­scher Moral. Der heu­te herr­schen­de Huma­ni­ta­ris­mus ver­men­ge bei­de Berei­che zum Scha­den der poli­ti­schen Sphä­re, und natür­lich sei auch die­se Ideo­lo­gie eine säku­la­ri­sier­te reli­giö­se Kate­go­rie. Licht­mesz: »Der Wert der Mensch­heit und der eige­ne Selbst­wert – das scheint zusam­men­zu­hän­gen, das scheint Teil einer unbe­wuß­ten Human­theo­lo­gie zu sein«, und von dort füh­re der Weg zu einem »ech­ten ethi­schen Dilem­ma, das ver­schärft wird durch das men­ta­le Erbe der christ­li­chen Ethik.« Als (christ­li­ches) Volk den eige­nen Unter­gang als einer his­to­ri­schen Grö­ße sin­gend und betend beglei­ten oder gar begrü­ßen? Oder doch den Raum für die irdi­sche Ver­wirk­li­chung christ­li­chen Lebens ver­tei­di­gungs­be­reit auf­ge­spannt hal­ten? Eher letz­te­res, oder? Das Gebot der Nächs­ten­lie­be ver­liert doch ange­sichts von unüber­schau­ba­ren Mas­sen von »Nächs­ten« sei­nen Sinn, und es ist so ver­ant­wor­tungs­los wie kin­disch, es zu einer abs­trak­ten poli­ti­schen Insti­tu­ti­on zu machen, die noch dazu allen ande­ren poli­ti­schen Insti­tu­tio­nen über­ge­ord­net sein soll und sie damit aufhebt.

Es gehen also von die­sem (ver­knappt wie­der­ge­ge­ben) christ­li­chen Kon­flikt drei Wege für die Ver­tei­di­ger des Abend­lan­des in drei ver­schie­de­ne Rich­tun­gen ab: Der eine ver­wirft das Chris­ten­tum zuguns­ten einer orts­ge­bun­de­nen, unter­ge­gan­ge­nen, mit­hin heid­ni­schen Reli­gi­on. Dem Chris­ten­tum wird dabei die Rol­le eines Okku­pan­ten zuge­wie­sen, der den euro­päi­schen Völ­kern seit andert­halb Jahr­tau­sen­den das Mark aus den Kno­chen sau­ge und des­sen man sich end­lich ent­le­di­gen müs­se. Der zwei­te Weg ist der einer Art tech­nisch-auf­klä­re­ri­schen Selbst­be­wußt­seins, das den welt­wei­ten Demo­kra­ti­sie­rungs­pro­zeß als Zivil­re­li­gi­on zu ver­kau­fen und in US-ame­ri­ka­ni­scher Manier durch­zu­set­zen bereit ist. Dies ist letzt­lich ein mis­sio­na­ri­scher Uni­ver­sa­lis­mus, also wie­der­um eine ins Säku­la­re gefal­le­ne, reli­giö­se Kate­go­rie, und viel­leicht erklärt dies einen teil jener Inbrunst, mit der die Alli­anz gegen »das Böse« zu Fel­de zieht.

Der drit­te Weg ist der für einen Gläu­bi­gen schwie­rigs­te. Wer ihn beschrei­tet, schei­det ein wah­res (und zugleich his­to­ri­sches) Chris­ten­tum von sei­ner heu­te schwäch­li­chen und irre­ge­hen­den Form. Über Jahr­hun­der­te waren Chris­ten bereit, sich mit Kreuz und Schwert ein­fal­len­den Inva­so­ren ent­ge­gen­zu­stel­len und christ­li­ches Land zu ver­tei­di­gen – mit­hin die Grund­vor­aus­set­zung für die Ent­fal­tung christ­li­chen Lebens und wei­te­rer Mis­si­on.  Ins­be­son­de­re ist selt­sam, wie wenig die Kir­chen heu­te gegen die Aus­brei­tung des Islams ein­zu­wen­den haben, ja die­se noch nach Kräf­ten för­dern. Der Islam steht dem Chris­ten­tum ja nicht nur theo­lo­gisch schroff ent­ge­gen, son­dern war über Jahr­hun­der­te hin­weg sein Erz­feind und ist bis heu­te Quel­le umfas­sen­der Christenverfolgungen.

Eine selbst­be­wuß­te, auch his­to­risch gespeis­te und gedeck­te Ver­tei­di­gungs- und sogar Durch­set­zungs­be­reit­schaft ist der über­wäl­ti­gen­den Mehr­heit der heu­ti­gen Chris­ten völ­lig fremd, vor allem natür­lich dort, wo sich die aus der Berg­pre­digt und dem Opfer­gang Chris­ti abge­lei­te­te Wehr­lo­sig­keit paart mit kul­tu­rel­lem Selbst­haß und his­to­ri­scher Infra­ge­stel­lung. Licht­mesz nennt das »den spä­ten Zustand der Völ­ker, die die his­to­ri­schen Trä­ger des Glau­bens waren: sie sind kin­disch, wehr­los, welt­fremd und auto­ag­gres­siv geworden.«

Ich sehe das genau­so und fra­ge mich, ob das hat so kom­men müs­sen und ob es revi­dier­bar sei. Jeden­falls scheint es mir sowohl aus Grün­den der Ver­tei­di­gungs­be­reit­schaft als auch aus Grün­den der Wür­de des Glau­bens not­wen­dig zu sein, den­je­ni­gen kirch­li­chen Amts­trä­ger ihre Auto­ri­tät abzu­er­ken­nen, die das Chris­ten­tum ver­ra­ten, indem sie ihm sei­ne Kom­pro­miß­lo­sig­keit, sei­nen Ort und sei­nen Durch­hal­te­wil­lens rau­ben und die Tore dem Islam öff­nen – han­delnd vor dem Hori­zont einer nai­ven und gefähr­li­chen Mensch­heits­uto­pie, die sie mit dem Chris­ten­tum verwechseln.

Jean Ras­pail, des­sen Mas­sen­ein­wan­de­rungs­ro­man Das Heer­la­ger der Hei­li­gen mein Ver­lag im ver­gan­ge­nen Jahr in der Neu­über­set­zung von Licht­mesz ver­öf­fent­lich­te, brach­te das (als gläu­bi­ger Katho­lik!) mit Blick auf den Zustand der Kir­chen in unse­rer Zeit unver­blümt auf den Punkt: »Die christ­li­che Nächs­ten­lie­be führt uns gewis­ser­ma­ßen ins Desas­ter.« Ja, möch­te ich ergän­zen, wenn wir zulas­sen, daß sie uns auf dem ihr nicht zuge­wie­se­nen Feld der Poli­tik und der Staats­ethik den Maß­stab setzt.

In die­se mehr als schwie­ri­ge Fra­ge nach der Selbst­be­haup­tung ist die nach dem Uni­ver­sa­lis­mus ein­ge­schlos­sen: Das Ultra­mon­ta­ne der römisch-katho­li­schen Kon­fes­si­on ist für die Selbst­auf­ga­be weit anfäl­li­ger als die volks­ge­bun­de­ne Ortho­do­xie, davon bin ich über­zeugt. Aber die­se Dis­kus­si­on führt in die­sem Rah­men zu weit. Daher zusam­men­ge­faßt soviel: Der Kampf des Abend­lan­des um sei­ne Selbst­be­haup­tung könn­te frag­los im Geis­te christ­li­cher Heils­er­war­tung geführt wer­den. Von die­sem Geist aber sind wir bis zur Unüber­brück­bar­keit geschieden.

Gruß aus Schnellroda!

Götz Kubit­schek

Essen, 30. März 2016

Sehr geehr­ter Herr Kubitschek,

Ihr poli­ti­sches All­tags­ge­schäft wird zwei­fel­los mit der Land­tags­wahl in Sach­sen-Anhalt zu tun gehabt haben. Einem Ihrer Online-Kom­men­ta­re zu die­ser Wahl war der gehö­ri­ge Stolz zu ent­neh­men, dass gera­de Ihre Gegend „blau“ gewor­den ist – eine Genug­tu­ung, die ich (kaum über­ra­schend) nicht tei­len kann, aber sport­lich als Her­aus­for­de­rung anneh­me. Doch was soll eigent­lich pas­sie­ren, wenn die AfD sich wie alle ande­ren Par­tei­en in ihrer Gegen­warts­fi­xie­rung auf die nächs­te Wahl aus­rich­tet und genau wie die viel geschmäh­ten Alt­par­tei­en über­wie­gend schmut­zi­ge Wäsche wäscht? Ich sage Ihnen – und zwar ohne jede Scha­den­freu­de – die bal­di­ge Ero­si­on der Frak­ti­on in Mag­de­burg vor­aus, auf das Boh­ren dicker Bret­ter sind die Depu­tier­ten gewiss nicht ein­ge­stellt, wäh­rend – zwei­te „evi­denz­ba­sier­te“ Vor­aus­sa­ge – Frau Petry das Schick­sal von Herrn Lucke erei­len wird.

Was mich viel mehr inter­es­siert, ist das Ver­hält­nis von Pegi­da und AfD, von par­la­men­ta­ri­schem All­tag und Stra­ßen­pro­test, und die Reak­ti­on der Stra­ße dar­auf, dass eine par­la­men­ta­ri­sche Reprä­sen­ta­ti­on weder wüten­de Res­sen­ti­ments stil­len kann noch eine ech­te Regie­rungs-Alter­na­ti­ve für Deutsch­land sich abzeich­nen wird – außer einer gewis­sen Unre­gier­bar­keit im Inland und dem Ver­fall deut­scher Pseu­do-Hege­mo­nie in der EU. Da kom­me ich zurück auf Fra­gen zu Beginn unse­res Brief­wech­sels. »Bleibt Wider­stand bei Ihnen ein ver­ba­ler Radi­ka­lis­mus, der die Gedan­ken schär­fen und zuspit­zen soll, oder ist da die Ver­su­chung, sich akti­ver in den Tumult ein­zu­mi­schen, sei es nun in einer rech­ten Par­tei oder in einer außer­par­la­men­ta­ri­schen Bewe­gung, bei Stra­ßen­de­mons­tra­tio­nen?« Und ich ergän­ze: bei Stra­ßen­blo­cka­den, wo Flücht­lin­ge unter­ge­bracht wer­den sol­len; an Gren­zen, wo sie an den Zäu­nen rüt­teln; in mus­li­mi­schen Vier­teln wie Molen­beek, wohin die Iden­ti­tä­re Bewe­gung am 2. April euro­pa­weit zur Demons­tra­ti­on auf­ruft, also nicht mehr Mul­ti­kul­tu­ra­lis­ten, son­dern die Mus­li­me selbst aufs Korn nimmt – eine neue Qualität?

Man kann kaum anneh­men, dass es an den drei Fron­ten fried­lich blei­ben wird, und es wird Ihnen die »Wider­stand!« skan­die­ren­de Men­ge nicht abneh­men, wenn Sie wei­ter Gewalt­frei­heit pre­di­gen. Offen ist auch die Ant­wort auf die Fra­ge, die Sie neu­lich sich selbst gestellt haben: »Was ist, wenn der ange­mes­se­ne Wider­stand wie­der­um unter­liegt, weil er zu zag­haft war, und dann tat­säch­lich ein gewalt­tä­ti­ger, punk­tu­ell bra­chia­ler und ent­hemm­ter Wider­stand gegen die Regie­rungs­po­li­tik sich Bahn bricht?« Ich habe die Geschich­te der außer­par­la­men­ta­ri­schen Bewe­gung zu gut stu­diert und mit­ver­folgt (auch inha­liert), um über die­sen unaus­ge­spro­che­nen Kon­junk­tiv nicht bit­ter zu lächeln. Die Gren­ze zwi­schen geis­ti­gem Bür­ger­krieg, den Sie ja wol­len, und rea­lem Tumult kön­nen Sie kaum defi­nie­ren und noch weni­ger prak­tisch ziehen.

Oder wie erklä­ren Sie ihren Kin­dern, soll­ten die es im Fern­se­hen mit­be­kom­men haben, war­um in Brüs­sel Hoo­li­gans die Blu­men­ge­bin­de und Lich­ter nie­der­tram­peln? Das ist nur ein Bei­spiel, wie Kräf­te in ihr Wider­stands-Sze­na­rio ein­wir­ken, die über ihre Sor­tie­run­gen eben­so hin­weg­tram­peln könn­ten. In der APO, mit der sie, ich weiß, nicht ver­gli­chen wer­den wol­len, war die Was­ser­schei­de die »Schlacht am Tege­ler Weg«, der Rubi­kon war schon am 4. Novem­ber 1968 über­schrit­ten, als »Rocker« den Enra­gier­ten mit einer Ladung Pflas­ter­stei­nen unter die Arme grif­fen und ihnen eine Durch­set­zungs­macht sug­ge­rier­ten, die sie nicht hat­ten. Als ich auf der Leip­zi­ger Buch­mes­se Elsäs­sers Com­pact-Stand in Augen­schein nahm, umge­ben von Fins­ter­lin­gen mit Knopf im Ohr, gru­sel­te mir vor der anste­hen­den Quer­front. Ich wüss­te ger­ne, was Sie in die­ses kom­plett ungeis­ti­ge, ex-lin­ke Milieu hinzieht.

Gruss

Claus Leg­ge­wie

 

Schnell­ro­da, 31. III. 2016

Sehr geehr­ter Herr Leggewie,

da Sie mei­ne online-Kom­men­ta­re lesen, wis­sen Sie, daß ich die Olig­ar­chi­sie­rung der AfD für unver­meid­bar hal­te. Sie wird außer­dem rascher ein­tre­ten, als das bei lin­ken Pro­jek­ten, den Grü­nen etwa, der Fall war. Die Nähe der Kon­ser­va­ti­ven zum Staat an sich ist da aus­schlag­ge­bend, die Revol­te ist nicht ihr Grund­im­puls. Ich will sogar wei­ter­ge­hen: Die Ein­pas­sung der AfD in das Par­tei­en­sys­tem könn­te ihre Ero­si­on (Ihre Sach­sen-Anhalt-Pro­gno­se) und Radi­ka­li­sie­rung (Ihre Petry-Pro­gno­se) ver­hin­dern, denn die Dau­er­span­nung als Bewe­gungs­par­tei oder »Par­tei neu­en Typs« ist eine Zer­reiß­pro­be, die das boden­stän­di­ge, an Gesell­schafts­expe­ri­men­ten nicht inter­es­sier­te AfD-Milieu nicht bestehen wird. Die Fra­ge lau­tet also nicht, ob das »sowie­so gefrie­ren­de Was­ser« dies­mal viel­leicht nicht sowie gefriert, son­dern allen­falls, wie lan­ge die AfD als Par­tei in Bewe­gung, mit­hin flüs­sig bleibt.

Vor Ihren ande­ren Fra­gen ste­he ich ach­sel­zu­ckend oder begriffs­stut­zig: Was ist pas­siert? Ein paar hun­dert Hoo­li­gans, die dem Ter­ror nicht mit noch mehr Lie­be und One-World-Trä­nen begeg­nen wol­len, wer­den in Brüs­sel von der Poli­zei abge­drängt, und das Gan­ze wird ein wenig rup­pig? Ein paar Saal­schüt­zer flan­kie­ren auf einer öffent­li­chen Buch­mes­se einen Stand, der täg­lich zum Ziel lin­ker Flash­mobs wird, und sind Ihnen in ihrem Auf­tre­ten nicht bür­ger­lich genug? Und Claus­nitz? Dort haben Bür­ger fried­lich getan, was an der EU-Außen­gren­ze trotz Mil­li­ar­den­in­ves­ti­tio­nen nicht gelingt und auch an der deut­schen Staats­gren­ze nicht mehr: ille­ga­le Ein­wan­de­rer auf­zu­hal­ten, wenigs­tens für drei Stun­den, und zwar an der Gren­ze, die augen­fäl­lig die letzt­mög­li­che ist: am Orts­schild. Kam jemand zu Scha­den? War das Gewalt? Ist es nicht viel­mehr eine Form von Gewalt, einem Dorf hun­dert, zwei­hun­dert, fünf­hun­dert völ­lig Frem­de aufzuzwingen?

Es kommt mir stets recht selt­sam vor, wenn ich jeman­dem wie Ihnen gegen­über quan­ti­ta­tiv, also mate­ria­lis­tisch argu­men­tie­ren muß, und ich gehe davon aus, daß auch Sie Ihren Gun­nar Hein­sohn gele­sen haben: Von einem Volk wie dem unse­ren, das über kei­ne drit­ten und vier­ten Söh­ne mehr ver­fügt, kann kei­ne Durch­set­zungs- oder All­tags­ag­gres­si­on mehr aus­ge­hen. Es gibt in Deutsch­land kei­nen Mob mehr. Es gibt uner­war­te­te Wahl­er­geb­nis­se, es gibt Städ­te, in denen bis zur Kari­ka­tur im Kreis gegan­gen wird, es gibt ech­te Ver­zweif­lung, ein gro­ßes Aus­wei­chen, Sach­be­schä­di­gung, sogar schwe­re Sach­be­schä­di­gung; es gibt Hoff­nung auf den Rechts­staat und eine Flücht­lings­in­dus­trie mit vol­len Auf­trags­bü­chern. Aber es gibt kei­ne Aus­schrei­tun­gen, kei­ne Pogro­me, kei­ne Exzes­se, kei­ne Zusam­men­rot­tun­gen, nichts, was die Poli­zei nicht rasch wie­der unter Kon­trol­le hät­te, nichts jeden­falls, das ver­gleich­bar wäre mit der “Schlacht am Tege­ler Weg”. Es gibt kei­ne Ban­ner und Papp­schil­der, auf denen, wie in der Zeit, die Sie “inha­lier­ten”, Mas­sen­mör­dern gehul­digt wür­de (Ho Tschi Minh, Lenin, Mao, Pol Pot), es gibt kei­ne Tota­l­ent­wür­fe für einen neu­en Staat, kein fer­nes Pro­blem (Viet­nam) und kei­ne Welt­ver­bes­se­rungs­ideo­lo­gie (Sozia­lis­mus, Kom­mu­nis­mus plus Unter­for­men), son­dern die Sor­gen und Ver­un­si­che­run­gen eines alt gewor­de­nen Vol­kes, das aus­ge­tauscht wer­den soll, und das sich nun mit ange­mel­de­ten Demons­tra­tio­nen wehrt, zu deren Absi­che­rung ein paar Dut­zend Ver­kehrs­po­li­zis­ten aus­rei­chen, falls nicht irgend­ein lin­ker Mob ein­mal mehr irgend­et­was mit Gewalt ver­hin­dern, stop­pen, “nazifrei” machen will.

Es gibt Leu­te wie uns, die wis­sen, daß man als Theo­re­ti­ker Ver­ant­wor­tung hat, aus die­sem Grund sogar halb und halb sich ins Prak­ti­sche begibt, um Maß hal­ten zu hel­fen; daß aber dann, wenn das Maß voll ist, kei­ner sich um unse­re Theo­rien mehr sche­ren wird (um die Blick­wen­dung nach innen auf unse­re selbst­ver­schul­de­te Iden­ti­täts­schwä­che etwa). Und des­halb fra­gen mich mei­ne Kin­der übri­gens nie nach den Hoo­li­gans von Brüs­sel, son­dern ab und an, ob die Gren­zen nun eigent­lich dicht sei­en und wie es mei­ner Mei­nung nach aus­se­hen wer­de in Deutsch­land, sagen wir mal: in drei­ßig Jahren.

Zuletzt: Ich lese aus dem Duk­tus Ihrer Fra­gen und Ihrer Ver­glei­che her­aus, daß Sie den Wider­stand unse­res Wider­stands­mi­lieus für läp­pisch hal­ten im Ver­gleich mit dem, wor­an Sie betei­ligt waren. So ist es doch, oder? Läp­pisch ist das, wenn es bloß um den Wunsch nach Augen­maß geht, um den Rechts­staat und die deut­sche Rest­i­den­ti­tät, läp­pisch im Ver­gleich zur Total­be­frei­ung und der tota­len Rück­sichts­lo­sig­keit Ihrer Zeit, nicht? Sie hal­ten sol­che Erup­tio­nen für das eigent­lich Ange­mes­se­ne und Lebens­wer­te, das merkt man Ihnen an, und Ihr Sen­so­ri­um für Ener­gie­zen­tren und Thy­mos­ver­stär­ker ist noch intakt. Aber nun dür­fen Sie ent­täuscht sein: ein kon­ser­va­tiv-revo­lu­tio­nä­rer Ansatz ist eben etwas ande­res als der “gro­ße Sprung nach vorn”. Zum Glück, Herr Pro­fes­sor, zum Glück.

Es grüßt

Götz Kubit­schek

Essen, 5. April 2016

Sehr geehr­ter Herr Kubitschek,

läp­pisch? Ach wo. Im Ver­gleich zu mei­nen Peers? Weit gefehlt. Der Maß­stab für sozia­le Bewe­gun­gen sind nicht (mehr) die 68er, und aus mei­nen Ver­glei­chen kön­nen sie eine Affir­ma­ti­on der­sel­ben wohl kaum her­aus­le­sen. Auf sie bin ich viel weni­ger fixiert als die Iden­ti­tä­ren, die (Bsp. Mar­kus Wil­lin­ger) immer noch mit ihnen abrech­nen zu müs­sen mei­nen. Die Revi­si­on der Kul­tur­re­vo­lu­ti­on (auch da sind Sie ganz nah bei Moh­ler) macht doch kein Pro­gramm, und das Ihre fin­de ich (mei­net­we­gen läp­pisch, eher) dünn, wenn es dar­um geht, nicht nur bestimm­ten „Gesell­schafts­expe­ri­men­ten“ eine Absa­ge zu ertei­len, son­dern gerech­te Lösun­gen für ech­te Pro­ble­me zu fin­den. Ihre Fixie­rung auf den Hei­mat­schutz und die Volks­ge­mein­schaft fin­de ich in der Tat intel­lek­tu­ell unin­ter­es­sant, weil das gan­ze völ­ki­sche Pathos, das Sie da her­ein­le­gen, für wenig ande­res taugt als Nost­al­gi­en. Oder, und das fin­de ich nun gar nicht läp­pisch, son­dern höchst bedroh­lich: Res­sen­ti­ments gegen Leu­te, die da nicht mit­ma­chen wol­len und nicht hin­ter die bür­ger­li­chen Revo­lu­tio­nen zurück­fal­len, die einen ande­ren als her­kunfts- und hei­mat­be­zo­ge­nen Volks­be­griff (Demos) her­vor­ge­bracht haben.

Neben­bei ist, was Sie vor­ha­ben, eines der größ­ten Gesell­schafts­expe­ri­men­te, die ich mir vor­stel­len kann – die Glo­ba­li­sie­rung zurück­dre­hen, die Gren­zen hoch­zie­hen, den »Aus­brei­tungs­typ« abwei­sen. Das kann ernst genom­men nur in einem Mas­sa­ker enden, in einer eth­ni­schen Säu­be­rung, bei der irgend­ein Hun­dert­fünf­zig­pro­zen­ti­ger sogar auf die Idee kom­men wird, Sie nach ihrem sla­wi­schen Migra­ti­ons­hin­ter­grund zu fragen.

Mich wun­dert ansons­ten, wie Sie die „Sor­gen und Ver­un­si­che­run­gen eines alt gewor­de­nen Vol­kes, das aus­ge­tauscht wer­den soll“ depri­mie­ren: »Von einem Volk wie dem unse­ren, das über kei­ne drit­ten und vier­ten Söh­ne mehr ver­fügt, kann kei­ne Durch­set­zungs- oder All­tags­ag­gres­si­on mehr aus­ge­hen.« Dabei stimmt Ihre Schluss­fol­ge­rung schon heu­te nicht: »Es gibt in Deutsch­land kei­nen Mob mehr.« Die Hoo­li­gans, die ich am Köl­ner Haupt­bahn­hof erlebt habe, ver­harm­lo­sen sie, die guten Men­schen von Claus­nitz ver­nied­li­chen Sie, und die Haß­mails, die unser­eins bekommt, wer­den Sie ver­mut­lich als Not­wehr cha­rak­te­ri­sie­ren. Es dürf­te Ihnen bekannt sein, dass es im ver­gan­ge­nen Jahr 1000 Atta­cken auf Flücht­lin­ge, dar­un­ter knapp 100 Brand­an­schlä­ge gege­ben hat, deren Urhe­ber sich über­wie­gend als besorg­te Bür­ger dekla­rie­ren. Und da fra­gen Sie: „Kam jemand zu Scha­den? War das Gewalt?“ und rech­nen auf: »Ist es nicht viel­mehr eine Form von Gewalt, einem Dorf hun­dert, zwei­hun­dert, fünf­hun­dert völ­lig Frem­de auf­zu­zwin­gen?« Schau­en Sie sich Ihr Volk bit­te wirk­lich »eth­no-logisch« an, also im Sin­ne einer ver­ste­hen­den, her­me­neu­ti­schen Sozio­lo­gie, und es zer­fällt Ihr Homo­ge­ni­täts­ide­al eben­so wie der­art pau­scha­le Behaup­tun­gen, oder wol­len Sie Men­schen, die mit durch Not und Elend der Welt auf­ge­zwun­ge­ne Flücht­lin­gen arbei­ten, leben, eine Zukunft bauen?

Lei­der ist der »geis­ti­ge Bür­ger­krieg«, in dem Sie sich befin­den, den Wider­stand, an des­sen For­mie­rung Sie sich »Maß hal­tend« betei­li­gen, alles ande­re als läp­pisch. Ich fürch­te als Deut­scher viel­mehr das schlimms­te für mein Land, und als Euro­pä­er, dass der­art zyni­sche Bür­ger­kriegs­spie­le­rei den Zusam­men­halt der poli­ti­schen Uni­on gefähr­det, deren Wach­sen ich auch als Teil mei­nes poli­ti­schen Lebens­wer­kes bezeichne.

Noch eine Fra­ge zum Abschluss heu­te: Das »thy­mo­ti­sche« Poten­zi­al, das Sie in mir schlum­mern sehen, war und ist gegen eine Wirt­schafts­ord­nung gerich­tet, die eine seit den 1960er Jah­ren vor allem welt­weit noch immens gestie­ge­ne Ungleich­heit ver­ur­sacht. (Da brau­che ich gar kei­ne Pana­ma Papers.) Vie­le AfD-Wäh­ler und Pegi­da-Beweg­te, dar­un­ter nicht weni­ge DDR-Nost­al­gi­ker und Kryp­to­kom­mu­nis­ten, füh­ren »die Glo­ba­li­sie­rung« als Anlaß für ihre Wut an. Nach mei­ner Auf­fas­sung ist die Aver­si­on gegen Flücht­lin­ge, von denen die meis­ten mehr Recht hät­ten, sich als Opfer der glo­ba­len Finanz­wirt­schaft zu dekla­rie­ren, ein fehl­ge­lei­te­ter Klas­sen­kampf, der sich kon­stant an die fal­sche Adres­se rich­tet. Wobei die Pro­gramm­ma­cher der AfD mit ihren wirt­schafts­li­be­ra­len Vor­schlä­gen das offen­bar noch gar nicht mit­be­kom­men haben. Was mich also inter­es­siert, ist, wel­che Posi­ti­on Sie zu die­sem ver­que­ren Anti-Kapi­ta­lis­mus bezie­hen. Und mich wei­ter wun­dert, was Sie mit dem kon­ver­tier­ten KB-Genos­sen Elsäs­ser am Hut haben – die Volks­in­itia­ti­ve gegen das raf­fen­de Kapi­tal oder die Bewun­de­rung für Wla­di­mir Putins Autokratie?

Gruss,

Claus Leg­ge­wie

 

Schnell­ro­da, 10. IV. 2016

Sehr geehr­ter Herr Pro­fes­sor Leggewie,

wir leben in unter­schied­li­chen Wel­ten. Für Sie ist meine/unsere Reak­ti­on auf das Ver­spie­len der deut­schen und abend­län­di­schen Zukunft das Schlimms­te, für mich ist’s eine gesun­de Reak­ti­on, und das Schlim­me ist zuvor gesche­hen und geschieht immer noch: Es bringt die gro­ße, in der Mit­te des Kon­ti­nents lie­gen­de Nati­on die not­wen­di­ge poli­ti­sche Här­te nicht auf, den Aber­mil­lio­nen Enrei­se­wil­li­gen zu sagen, daß sie hier nichts ver­lo­ren hät­ten, son­dern ver­lo­ren sei­en. Das ist näm­lich das Ergeb­nis, das elen­de Ergeb­nis einer wider­wär­ti­gen, selbst­ge­fäl­li­gen Schwä­che: ver­lo­re­ne, nicht wirk­lich will­kom­me­ne jun­ge Män­ner zu Hun­dert­tau­sen­den in Auf­fang­la­ger und Wohn­kon­tai­ner zu pfer­chen und wie in einer Lot­te­rie nur für ganz, ganz weni­ge das wahr­wer­den zu las­sen, was man allen ver­sprach und sug­ge­rier­te: Arbeit, Leben, Frau­en, Reich­tum. Nichts davon wird Rea­li­tät für den weit über­wie­gen­den Teil der Leu­te, und was sich an den Bahn­hö­fen schon andeu­te­te in Gestalt von Herz­chen­pla­ka­ten und Ted­dy­bä­ren, ist nun das deut­sche Wel­co­me-Kon­zept: Infan­ti­li­sie­rung. Jun­ge Män­ner wer­den zurück­ge­stuft auf das Niveau von Kin­der­gar­ten­kin­dern, mit Taschen­geld, Benimm­re­geln und 24/7‑Freizeit, abge­se­hen von den nerv­tö­ten­den Stuhl­krei­sen, in deren Ver­lauf die Tan­te etwas erzählt und ein paar Fleiß­bi­en­chen verteilt.

Wo sind die Wel­co­me-Klat­scher? Wo sind sie, ganz per­sön­lich, wo sind die lee­ren Zim­mer, die unbe­setz­ten Arbeits­stel­len, die demo­kra­ti­schen Ange­bo­te? Wo die Per­sön­lich­kei­ten, an denen sich auf­rich­tend die Neu­deut­schen Ori­en­tie­rung, Vor­bild, Halt und einen mög­li­chen Lebens­weg fänden?

Wo sind die Moral­welt­meis­ter? Doch wie­der in den zwei Mal vier Wän­den (vier im guten Wohn­vier­tel, die zwei­ten vier in der Tos­ca­na?), weil es wie immer gut tat, pro­gres­siv zu reden, jetzt aber gut tut, kon­ser­va­tiv zu leben? Ihr Euro­pa, Herr Pro­fes­sor, geht kaputt, weil die gro­ße Saug­pum­pe ange­wor­fen wur­de, und die klei­ne­ren Natio­nen ost­wärts zu Durch­gangs­län­dern wur­den, für uns Deut­sche zu Kor­ri­do­ren, zu Schleu­ser­plät­zen, am Ende dann (wie­der­um für uns, obwohl man hier­zu­lan­de auf­heul­te) zu einem Boll­werk. »Die Arbeit tun die ande­ren«, das ist der Leit­spruch Ihrer Kohor­ten. Das mach­te und macht uns kaputt, das ist so jäm­mer­lich und zynisch und ver­lo­gen, da ist mir jeder drei­mal lie­ber, der sich schnör­kel­los äußert: Ich will das nicht und ich muß es gar nicht groß begrün­den, denn: recht­fer­ti­gen muß sich der­je­ni­ge, der alles auf den Kopf stel­len will.

Wie lamm­fromm wir sind! Wie harm­los! Stel­len Sie sich bit­te vor, fünf­hun­dert Fans von Borus­sia Dort­mund hät­ten nach einem Cham­pi­ons-League-Spiel gegen Gala­ta­sa­ray Istan­bul vor der Hagia Sophia sich die Zeit damit ver­trie­ben, tür­ki­sche Frau­en anzu­tan­zen, zu bedrän­gen, zu berau­ben und zu betat­schen: Ich glau­be nicht, daß die tür­ki­schen Män­ner die­sen Abend ohne ein Blut­ver­gie­ßen hät­ten zuen­de gehen las­sen. Wir aber bli­cken auf die Köl­ner Dom­plat­te und wir wün­schen uns kein Blut­ver­gie­ßen, aber doch etli­che Hel­den­ge­schich­ten von deut­schen Män­nern, die sich nicht abdrän­gen lie­ßen, son­dern mit allem, was sie hat­ten, ihre Frau­en ver­tei­dig­ten. Indes: Wir sehen nur einen ein­zi­gen kroa­ti­schen Tür­ste­her, der zuge­langt hat. Und auch tags dar­auf: kein deut­scher Mob. Aber für Sie sind ja bereits ein paar tau­send Leu­te, die zusam­men­ste­hen und »Wider­stand« rufen, ein Mob, und weil das so ist, ver­lan­gen Sie Recht­fer­ti­gun­gen von mir, wo ich eher die Fra­ge stel­le, wer die­sem Land die Ver­tei­di­gungs­mus­keln abtrai­niert oder her­aus­ge­schnit­ten hat.

Was nun unse­ren Brief­wech­sel anbe­langt, so habe ich mitt­ler­wei­le die Ver­mu­tung, daß Sie sich Ihr Bild über mich, über uns zurecht­ge­legt haben, und zwar schon längst, und daß ich dar­an nichts ändern kann. Soll­te die­se Ver­mu­tung zutref­fen, fra­ge ich mich, wel­chen Sinn die Aus­ein­an­der­set­zung noch haben könn­te: Dis­kus­sio­nen, in denen sich der Kon­tra­hent in der Pose des Vor­wer­fens gefällt, begrei­fe ich als Zeitverschwendung.

Es grüßt

Götz Kubit­schek

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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Kommentare (82)

Nemo Obligatur

7. Januar 2017 12:26

Nachdem ich den Briefwechsel mehr überflogen als gelesen und einen Blick in den Artikel der taz getan habe, muss ich sagen, dass ich dadurch nicht klüger geworden bin. Das letzte Wort im zweiten Teil trifft es ganz gut: "Zeitverschwendung". Es gibt keine Möglichkeit der Verständigung zwischen den Alt-68ern und der Neuen Rechten, keine Brücke zwischen den Multikulti-Aposteln und der Identitätären Bewegung. Es mag eine Fraktion der Linken geben, der in nationalen Kategorien denkt oder nicht ständig sozial und international vermengt. Solches blitzte z.B. in Lafontaines Bemerkung von den "Fremdarbeitern" auf. Aber das ist wohl nur ein sehr kleiner Teil und der hat sich vermutlich längst von dort verabschiedet, wohin auch immer.

Man hat das alles aber schon vorher gewusst. Man sollte es dabei belassen und sich gelegentlich klar machen, dass die größere Gefahr womöglich nicht die Massen fehlgeleiteter und verlockter Jünglinge aus Nordafrika und dem arabischen Raum sind, sondern jene Ephialtes-Gestalten, die ihnen erst die Türen geöffnet haben und die Pfade durch unsere Sozialsysteme zeigen.

t.gygax

7. Januar 2017 13:02

Vorab: ich bewundere Kubitscheks Gründlichkeit, Sorgfalt und Fairneß, die er einem Kontrahenten entgegenbringt, der all das nicht verdient.

Es mag altbacken klingen, aber es ist eine Realität: es ist den Herrschenden ( und Leggewie gehört dazu!) vollkommen gleichgültig, was die andere Seite sagt, und wenn es noch so gut belegt ist. Die Schublade ist fertig, da ändert sich nie etwas.

In den 60er und 70er Jahren gab es einen  engagierten Mediziner, der sich sehr gegen Abtreibung einsetzte. Dieser Mann schrieb sein Leben lang gründlich fundierte Texte zum Thema , suchte das Gespräch mit den Politikern ( er war selbst Mitbegründer der CDU in Ulm) hielt Reden, Vorträge, war ein Kämpfer mit ungeheurem Einsatzwillen ( ich habe ihn als Jugendlicher zweimal gehört, das weiß ich noch wie heute!).

1998 habe ich ihn kurz vor seinem Tod im Krankenhaus besucht, ich sammelte Material für eine damals geplante historische Dissertation und fragte den alten Mann, ob er nie resigniert hätte angesichts der faktischen Erfolglosigkeit seines Mühens. Seine Antwort " nein, aufgeben, daß sei nie seine Sache gewesen, auch wenn er irgendwann einmal gemerkt habe, dass die angesprochenen Politiker und Kirchenfunktionäre seine Texte nie gelesen und immer nur mit formalen Eingangsbestätigungen beantwortet hätten."

Und dann sagte er mir noch etwas, das ich nie vergessen habe: " ich bin gescheitert, weil ich immer an die Einsicht und die Vernunft und das Mitgefühl der anderen appelliert habe. Wenn ich etwas hätte ändern wollen, hätte ich herrschen müssen,  das ist mir erst viel später klargeworden, und ich wollte damals nicht herrschen im Sinne der Machtspiele der Politiker. Die hatten ihren Plan und haben den durchgezogen, auch wenn er zum Untergang führte."

Der_Jürgen

7. Januar 2017 13:10

Ich habe in letzter Zeit selten etwas so Faszinierendes gelesen wie diesen Briefwechsel, obgleich ich dadurch keine neuen Erkenntnisse gewonnen habe.  @Nemo Obligatur (dem ich übrigens für seinen prächtigen Vergleich zwischen den Verrätern in Berlin und dem Thermopylen-Verräter Ephialtes danke) bringt es auf den Punkt: "Es gibt keine Brücke zwischen den Multi-Kulti-Aposteln und der Identitären Bewegung"; statt "und der Identitärer Bewegung" hätte er vielleicht besser "und jenen, die Deutschland bewahren wollen" geschrieben, denn die Identitären sind ja nur eine Speerspitze der patriotisch Gesinnten.

Claus Leggewie steht intellektuell und moralisch klar über einem Jakob Augstein, einem Micha Brumlik oder einer Liane Bednarz. Er ist immerhin dialogbereit und verzichtet auf allzu grobe Hetze. Dennoch kann er Götz Kubitschek, der sich hier in absoluter Topform zeigt, in keiner Weise das Wasser reichen (auch als Stilist nicht, aber das ist nicht das Entscheidende). Dass Leggewie bei dieser Debatte den Kürzeren zog und die Diskussion schliesslich abbrach, liegt in der Natur der Sache begründet. Auch ein intelligenter und belesener Mensch wie er kann eben die Quadratur des Zirkels nicht vollziehen und keine rationalen Argumente dafür anführen, dass es gut sein soll, Deutschland mit Immigrantenmassen zu überschwemmen, die, wie sich leicht empirisch nachweisen lässt, ihm nur Unheil bringen werden.

Einige Argumente Leggewies sind allerdings stichhaltig. Ebenso wie er glaube ich beispielsweise, dass Frauke Petry in der AFD das Schicksal Bernd Luckes teilen und dass der nationalkonservative Parteiflügel, für den Namen wie Höcke, Poggenburg und Tillschneider stehen, die Oberhand gewinnen wird. Dies ist in höchstem Grade wünschenswert, denn eine AFD, die sich als bessere CSU oder als bessere FDP sieht, braucht Deutschland nicht. Eine Opposition, die unter den heutigen Bedingungen keine Fundamentalopposition ist, ist keine Opposition.

Schlicht erbärmlich hingegen sind die Angriffe Leggewies auf Elsässer und Compact. Ja, Elsässer war Kommunist, doch er hat hinzugelernt. Allerdings hat er dabei nicht das Kind mit dem Bad ausgeschüttet und ist weder zum Werbetrommler des Finanzkapitalismus noch zum Russlandfeind geworden wie viele andere ehemalige Ultralinke, darunter Joschka Fischer. 

Für Anfänger ist dieser Briefwechsel der ideale Einstieg in das Denken der neuen Rechten, das Kubitschek hier geradezu brillant vertritt.

Arminius Arndt

7. Januar 2017 13:16

Nachdem ich damit jetzt "durch bin" möchte ich festhalten:

Das war doch kein Diskurs, dass war ein schriftliches Verhör.

Hajo Blaschke

7. Januar 2017 13:52

@ Der_Jürgen Auch ich begrüße und bewundere den Langmut von GK in diesem Schriftverkehr mit einem bornierten Pseudointellektuellen. Auch ich wünsche mir, dass sich der Deutschland, das deutsche Volk und die deutsche Kultur erhalten wollende Parteiflügel durchsetzt, weil zur Erhaltung des von mir Erwähnten eben die Durchsetzung der Zielsetzungen dieses Flügels erforderlich sind. Mir ist allerdings die Erwähnung von Tillschneider in Ihrer namentlichen Aufzählung schleierhaft und unerklärlich.

hubschrauberpilot

7. Januar 2017 13:56

@Götz K.: Ceterum censeo - ich verstehe ihn nicht. Warum läßt er sich immer wieder auf  Diskussionen mit Typen wie Leggewie ein, und das im Modus des Gesprächs? Leggewie ist einer dieser verbeamteten geisteswissenschaftlichen Lumpen, die schon seit langem nichts mehr wissen und damit schon gar nichts mehr risikieren wollen. Leggewie, Funke, Traughber usw., das sind lebende Tote, nicht einmal als Ideologieproduzenten ernst zu nehmen, provinziellste Nabelschau-Auguren, akademische 'Friedenswächter' im abgelegenen 11. Distrikt des Kapitols. Laß er solche Charaktermasken endlich unter ihresgleichen und spreche er, wenn schon, nur mit Persönlichkeiten oder Leuten aus dem Establishment, die noch Fragmente von Souveränität erkennen lassen.

H. M. Richter

7. Januar 2017 14:17

Ich habe beim Lesen des hier veröffentlichten Briefwechsels wiederholt den Eindruck gehabt, Klaus Leggewie war nicht an Antworten auf eigene Fragen interessiert, sondern er betrieb vorrangig "Gegnerforschung" (s. taz v. 11.09.2016, "Identitäre, Eurasier, Dschihadisten").

Offensichtlich empfand dies auch G. K., wenn er schließlich am 10. April zusammenfassend schrieb, "daß Sie [K. L., d. V.] sich Ihr Bild über mich, über uns zurechtgelegt haben, und zwar schon längst, und daß ich daran nichts ändern kann." 

Auch bin ich mir gewiß, daß selbst der unredliche Vergleich mit der Ulrike bereits vor der Gesprächseröffnung feststand und dafür die weitestgehende Untermauerung gesucht wurde. Dennoch sollte man den Gewinn des hier veröffentlichten Austauschs nicht geringschätzen, denn G. K. weiß zu überzeugen mit dem, was er zu sagen hat.

P.S. Wenn Leggewie sagt: "Und wenn Christen historisch allzu oft auf der falschen Seite standen [...] Mit Recht schalten die Domherren das Licht aus, wenn sich Pegida vor ihren Häusern versammelt" und nicht auf den Gedanken kommt, daß ersteres auch heutzutage der Fall sein könnte, ist dies bezeichnend.                          

Gefragt habe ich mich beim Lesen, ob Leggewie noch im Gespräch ist mit seinem einstigen, nur sechs Jahre älteren Doktorvater - Bassam Tibi.

Meier Pirmin

7. Januar 2017 14:25

Die Veröffentlichung dieses Briefwechsels war wohl einer der lehrreichtsten Texte von Sezession im Netz in den vergangenen drei Jahren. Die Auseinandersetzung sollte unzensuriert an den Hochschulen und Gymnasien vermittelt werden. Man sieht vieles besser und profilierter wiewohl keineswegs wie neu. Mit Sicherheit steht fest, dass sich Kubitschek weder vor Leggewie noch vor anderen Linken und sogenannten Linksliberalen (im amerikanischen und neudeutschen Sinne) verstecken muss und dass selbstverständlich die herbeigewünscht Parallele zu Baader-Meinhof in keiner Weise zutrifft, auch intellektuell nicht, weil bei Kubitschek und auch Lichtmesz und anderen sogar Empathie für den Gegner vorausgesetzt werden kann. Es ist sicher nicht so, dass man nicht bereit wäre, mit diesen Leuten zu diskutieren, zumal ja nicht wenige der Sezession-Autoren einen biographisch linken Hintergrund haben. Auch sind sie es, die in der Regel von Debatten ausgeschlossen werden, weil "Faschismus" (von den Linken definiert) aus Antifa-Sicht bekanntlich keine Meinung ist, sondern ein Delikt.

Es war nicht schlechthin sinnlos, diese Debatte zu führen, wie es gegen Schluss den Anschein macht. Es ist aus meiner Sicht nicht gqnz klar, wer wem die Türe zugeschlagen hat. Zu berücksichtigen bleibt sodann, dass Leggewie natürlich die Richtung verkörpert, die heute nicht nur in Deutschland geistig/intellektuell und in der geschützten veröffentlichten Meinung an der Macht ist. Biblisch gesprochen oder wenigstens mit Max Frisch gesprochen liegt das Problem des Bildes vor, das man sich vom andern macht, um ihn als Feind disqualfizieren zu können. Natürlich zeigt sich dies jeweils umso radikaler bei demjenigen, der sich in der öffentlich stärkeren institutionellen Position befindet.

Neben viel Zutreffendem bei Kubtischek gibt es die Gefahr des falschen Selbstbildes. Wiewohl ich Kubitscheks Bemerkung betreffend Religionskritik der vermeintlichen "Abendländer" sehr gut verstehe, kann ich den Begriff PEGIDA-Kantianer fast nur als krass unfrewillig komisch deuten, ernst zu nehmen bestenfalls als Ausdruck der nun mal noch vorhandenen philosophischen Unausgereiftheit sogar auch im Sezessions-Team, Ausdruck einer nicht gerade kleinen Selbstüberschätzung, wobei ich einigen von Sezession, zum Beispiel Sellner,  bedeutende geistige Fortschritte in der kritischen und selbstkritischen Arbeit zutraue. Der mit 204 Blog-Beiträgen hochumstrittene Beitrag Sellners von Anfang Jahr deutet es an und verweist auf eine unverzichtbare Debatte, ebenso wichtig wie der Briefwechsel Leggewie-Kubitschek.  Besonnen und gut war auch, was der glaubwürdige und integre Denker und Kämpfer Kubitschek im Briefwechsel mit Leggewie über den Unterschied zwischen der Konservativen Revolution und dem Nationalsozialismus ausgesagt hat. Es bestätigt indirekt alles, was ich in Blogs hier noch und noch über den 30. Juni 1934 schrieb: Ermordung Schleichers sowie zahlreicher konservativer Revolutionäre sowie auch noch von Ultramontanen, wie im Weissbuch zum 30. Juni festgehalten. Es war, nebst dem 20. Juli 1944, für die deutsche Rechte wirklich die Katastrophe der Katastrophen, es ging nicht bloss um die Ausschaltung des drögen Röhm. Wer ein solches Massaker unter den vermeintlich oder wirklich eigenen Leuten anrichten konnte, ein Justizmord ohnegleichen in der deutschen Geschichte, bei dem waren später ein paar Millionen mehr, wie es die Propaganda sieht, oder weniger, wie es die Beschöniger haben wollen, fast nur noch ein in die Proportionen zu rückendes "Detail", wie es der alte von seiner Tochter entmachtete le Pen zynisch ausgedrückt hat. Dabei beweist die historische Niederlage der Konservativen Revolution  so wenig wie die Niederlage der trotzkistischen Opposition gegen Stalin, dass die rechten oder linken Dissidenten "im Recht" gewesen wären. Von den Ausführungen Kubitscheks gegen Leggewie halte ich  diejenigen über den sogenannten Universalismus der sogenannten Ultramontanen nicht für ausgereift. Es ¨müsste da wohl schon der deutsche Kulturkampf von der Zeit Wessenbergs bis über Bismarck und über den Nationalsozialismus hinaus genauer angeschaut werden. Sowieso scheint mir die grösste Lücke der Sezessionisten in der Unkenntnis der Hegelschen Rechten und der Neukantianer vor und nach 1848 (z.B. F.A. Lange) zu bestehen, was mit der Denkaufgabe verbunden wäre, es müsste noch tiefer über die Möglichkeiten und Grenzen der Demokratie in einem neuen Deutschland nachgedacht und auch am Volksbegriff noch vertieft gearbeitet werden. Aber klar: der Aktivismus in Richtung "Widerstand", wobei immerhin von Thoreau viel zu lernen wäre, lässt kurzfristiges Schliessen dieser Lücken nicht zu. Dabei ist das gedruckte Heft "Sezession" nach wie vor Nummer für Nummer für eine positive Überraschung gut.

PS. Diejenigen unter den Bloggern, die mich als einen sie pathologisieren wollenden "Feind" sehen, sollen sich jetzt nicht gleich wieder auf mich stürzen. Aber eines scheint mir schon klar: Mit der Meinung meines Landsmannes Jakob Schaffner, die Röhm-Geschichte sei ein "Betriebsunfall" gewesen, kann man in den nächsten 500 Jahren in Deutschland keine Politik mehr machen. Hingegen finde ich es richtig, sich noch künftig mit Leggewie auseinanderzusetzen. Auch wenn es ihm selber gegenüber nichts nützt: Die Wissenslücken des Professors gehören erbarmungslos seziert.

Monika

7. Januar 2017 14:30

Ich sage das als jemand, der zu wissen meint, was Glauben ist, nicht als der Atheist oder Agnostiker, aus dem die Pegida-Bewegung erwiesenermaßen zum überwältigenden Teil besteht. In Pegida-Kreisen ist man gegen Islamisierung, aber nicht für Jesus Christus. Dort gibt es beides wenig: Christen UND Fremde. Das wäre mal ein Gesellschaftsexperiment für Kath.net und IDEA, dem Volksaufstand von heute eine christliche Note zu geben!

Claus Leggewie

Aus den Worten von Claus Leggewie spricht eine ungeheure Arroganz gegenüber  den in der DDR sozialisierten Landsleuten, denen er abspricht, zu wissen, was Glauben sei.

Ein Landsmann von Leggewie, fast gleich alt,  aber in der "gottlosen DDR" aufgewachsen, der Theologe und Karmelit Reinhard Körner,  schreibt über diese (zwangsweise) von marxistischem/ naturwissenschaftlichem  Denken her geprägten Atheisten und denen, die nie mit Religion näher in Berührung gekommen sind, folgendes:

Gewiss mangelt es vielen, vor allem nach dem zweiten Weltkrieg Geborenen, an fundamentalstem Wissen über die Bibel und die christliche Tradition, und damit ist ihnen auch der Zugang zu den Kulturschätzen Europas - zu den großen Werken der Literatur, der gestalteten Kunst, der Musik und der Architektur - erschwert, nicht selten zur abendländischen und deutschen Geschichte überhaupt.

Doch dafür sind so manche von ihnen beneidenswert frei von all den Verbogenheiten der Seele und des Geistes, die ein falsch verstandenes Christentum über Generationen hin in die Gemüter der Gläubigen geprägt hat. Viele unter den "Ungläubigen" haben ein Werte-Bewusstsein und leben eine Mitmenschlichkeit, durch die sie meinem Herzen näher sind als manchen Christ."

Richard Körner, in "Weisheit", die Spiritualität des Menschen

Kurz

Lieber ein selbsternannter Retter des Abendlandes, der unbeholfen Weihnachtslieder bei Pegida singt als ein von oben ernannter Retter des Abendlandes, der sein Kreuz ablegt oder am Dom das Licht ausschaltet, wenn Frauen vergewaltigt werden.

Das Dritte Silvester in Köln ( d.i. die neue Zeitrechnung) kann Kardinal Woelki gerne als Volksaufstand mit christlicher Note gestalten.

Der_Jürgen

7. Januar 2017 14:35

@Hajo Blaschke

Prof. Tillschneider ist ein Mann von Format. Er war mutig genug, bei Pegida aufzutreten, und vertritt in bezug auf den Islam eine viel differenziertere und klügere Haltung als Eiferer wie die Leute von PI (z. B. Michael Stürzenberger). Er dämonisiert den Islam - den er des Arabischen kundiger Islamwissenschaftler, dessen Studien als wissenschaftlich wertvoll gelten, gründlich kennt -, nicht, hält aber kategorisch fest, dass er nicht zu Deutschland gehört.

In anderen Worten: Er vertritt das neurechte Konzept, wonach keine Kultur einer anderen objektiv überlegen ist (um eine solche Überlegenheit nachzuweisen, braucht es ja Kritierien, und hier legt jeder zwangsläufig die Kriterien seiner eigenen Kultur an und argumentiert somit subjektiv), dass jedoch jede Kultur das Recht auf Selbstbehauptung hat und dass ein friedliches Nebeneinander der Kulturen am ehesten durch räumliche Trennung gewährleistet werden kann.

Dieses Konzept - das man über weite Strecken auch bei Alexander Dugin findet - dürfte wohl bei den meisten Sezessionisten Anklang finden.

https://www.n-tv.de/politik/Ich-will-Moscheen-lieber-im-Orient-sehen-article17604966.html

Deshalb nannte ich Tillschneider in einem Atemzug mit Höcke und Poggenburg (auch wenn ich in einem früheren Strang verhalten kritisierte, dass er sich in der Ausgrenzungsfrage hinter Sellner stellt).

Ein gebürtiger Hesse

7. Januar 2017 14:37

Ein Briefverkehr, der aufschlußreicher nicht sein könnte. Gut, daß er veröffentlicht wird! Leggewie betreibt das Geschäft des Teufels: er differenziert, seziert und zersetzt, und dies auf gewohnt links-saturierte und eitle Weise. Das, was GK mit den strahlenden Worten: Identität, Durchsetzungswucht, Glaube, Unverträglichkeit, historische Existenz, Irrationalität umschreibt, kann von Leggewie nur zur Unkenntlichkeit herunterdimmt und entkräftet werden. Es gibt in diesen Worten und Lebenswerten nichts, was ihn hinreißt, rumreißt, bei der Ehre und Würde packt. Und am Ende? Stehen da in der taz, letztlich als Ergebnis des Briefverkehrs, nurmehr diffamierende dürre Worte, die auf die ganze Auseinandersetzung nichts als Hohn und Gülle kippen. Dies schändlich zu nennen, dürfte einen wie Leggewie nicht weiter berühren (und Berührung ist eine Vorstufe zur Ergreifung, ohne die keiner von uns hier wäre), es dennoch zu tun, ist jedoch das mindeste.

quarz

7. Januar 2017 14:41

"Experiment der pluralen Auflockerung einer vorgestellten Homogenität"

Offenbar ohne es zu merken weist uns Leggewie einen genialen Weg zur Lösung des Problems. Wenn die Homogenität ohnehin nur vorgestellt ist, dann genügt es doch, wenn diejenigen, denen sie nicht gefällt, sie in ihrer Vorstellung auflockern, während sie den anderen ihre homogene Vorstellung lassen. Eine faktische Auflockerung durch faktische Immigration ist dann jedenfalls völlig überflüssig. Eine mustergültige Win-win-Situation!

P.S.: Wie kommt Herr Leggewie eigentlich mit der neuerdings in seinem Soziotop so hippen Kritik an der "Postfaktizität" zurecht, die, um eine argumentative Grundlage zu haben, mit all dem brechen muss, was in den vergangenen Jahrzehnten im geistigen Treibhaus seines ideologischen Stalls an Dekonstruktionsaufwand betrieben wurde?

Der_Jürgen

7. Januar 2017 15:13

@Hubschrauber-Pilot

Ihre Frage, warum sich Kubitschek in dergleichen Diskussionen mit "Typen wie Leggewie" einlasse, ist leicht zu beantworten. Erstens gibt es im feindlichen Lager herzlich wenige, die mit ihm oder anderen Spitzenfiguren der Neuen Rechten zu diskutieren bereit sind (Andre Lichtschlag, der eine Debatte mit Ellen Kositza führte, ist für mich kein Feind), und zweitens sind solche Meinungsaustausche doch ein wunderbares Mittel, die Überlegenheit der eigenen und die Schwäche der gegnerischen Position zu beweisen.

Ich weiss nicht mehr, von welchem linken oder liberalen Geistesriesen der Ausspruch stammt, man diskutiere zwar ÜBER  die Rechten, aber nicht MIT ihnen. Der Mann hatte recht;  jede solche Diskussion enthüllt die Erbärmlichkeit der linken bzw. liberalen Position schonungslos.

@Pirmin Meiers Bemerkung, dass dieser Briefwechsel es verdiene, an Hochschulen und Gymnasien erörtert zu werden, kann man also nur zustimmen.

Übrigens: Wer, lieber Hubschrauberpilot, sind denn die "Persönlichkeiten aus dem Establishment, die noch Fragemente von Souveränität erkennen lassen" und mit denen wir deshalb diskutieren dürfen? Mir fällt hier allenfalls noch die Wagenknecht ein, die sich aber vermutlich nicht auf einen Schlagabtausch mit Kubitschek einlassen wird, weil sie weiss, dass sie dabei auf die Nase fallen wird. Sie kann sich ja nicht dazu durchringen, die Schliessung der Grenzen und den Beginn der Remigration zu fordern.

Heinrich Löwe

7. Januar 2017 15:29

 Ganz großes "Kino" hier zum Wochenende!

Direkt lachen mußte ich bei dem Anwurf Leggewies, unsere Aversion gegen die Globalisierung sei "eines der größten Gesellschaftsexperimente" - wo wir jetzt einen demokratisch gewählten amerikanischen Präsidenten haben, der in genau diese Richtung wohl gehen wird.

Weltweit und aus unterschiedlichsten Motiven gibt es die Anti-Globalisierungsbewegung.

Hier zeigt sich wieder, daß die Linken in ihren selbstreferentiellen Blasen leben, anstatt die Welt herum, den Mitmensche, den Nachbarn wahrzunehmen. Man fragst sich unwillkürlich, wie das bei denen privat im Nahbereich aussieht...

Als starkes Argument -für mich das wichtigste- gegen die Masseneinwanderung hätte ich mir den Verweis auf die Empirie, den real exisierenden Multikulturalismus, seine innergesellschaftliche Gewalt gewünscht. Z.B. gut dargestellt in dem von Ellen Kositza vorgestellten Buch von Tenenbaum über die USA.

Dort wird das abgemildert durch den Umstand, daß das Land groß ist und jeder nach seiner Facon in eine Gegend ziehen kann, die ihm kulturell und ethnisch nahesteht. Segregation ist dort die natürliche Lösung.

Angesichts der Unvereinbarkeit solcher Positionen wie hier von Leggewie und Kubitschek vorgetragen müßte man in Deutschland in ähnliche Richtung gehen, etwa durch Ausdifferenzierung der Bundesländer und mehr Subsidiarität. Bei Unvereinbarkeit geht man lieber am Ende doch getrennte Wege, auch das kenn doch manche aus dem Nahbereich, daß dann die Chancen auf Frieden steigen.

treu

7. Januar 2017 15:31

Dieser Briefwechsel ist nicht nur ein intellektueller Hochgenuß von Kubitschek, sondern ein Lesemuß für alle um dieses Land Besorgte und Konservative! Das dieser Briefwechsel leider in der Tat letztlich Zeitverschwendung blieb lag allein an den von Kubitschek völlig zu recht genannten Gründen. Dennoch ist die Veröffentlichung wichtig und richtig.

Festzustellen bleibt, daß die Lage der Konservativen im Lande aus den im Briefwechsel genannten Gründen mehr oder weniger hoffungslos bleibt. Die jahrzehntelange permanente Gehirnwäsche, Weichspülung und Vollverkonsumierung der Gesellschaft, insbesondere der Jugend, zeigt in dieser kritischen Lage vollends ihre zerstörerische Wirkung, der Furor Teutonicus ist ausgetrieben und tot, die political-correctnis hat sich wie ein dunkles Leichentuch über dieses Land gelegt. Den Rest macht die berühmt-berüchtigte deutsche devote Obrigkeitshörigkeit und Blockwartmentalität. Außer dem kleinen Häuflein Aufrechter in Ostdeutschland gibt es keine als "Widerstand" zu bezeichnenden nennenswerte Gruppierung von Bürgern, Patrioten und freiheitlich-konservativen Demokraten in diesem Land.

Und anders als @Der_Jürgen bin ich davon überzeugt, daß sich in der AfD letztlich die Karrieristen durchsetzen werden, spätestens nach der BT-Wahl, die dann auch nur an den Trögen bleiben wollen, viele davon ja schon jetzt bis runter zu den Kreisverbänden chancenlose Wechsler aus den Altparteien und nun oftmals auf Führungspositionen oder zumindest aussichtsreichen Listenplätzen in der AfD. Dann wird das Angebiedere an die CDU losgehen. Und dann ist endgültig Gute Nacht, armes Deutschland angesagt.

Wir bräuchten ein Reset des ganzen kaputten, korrupten und undemokratischen Parteilobby-und Finanzierungssystem, wie nicht nur von Arnim in seiner Parteienkritik immer wieder fordert. Praktisch eine Bürgerrevolution, die es ermöglicht, daß ähnlich wie in der Restphase der DDR, eine Art Neues Forum als Bürgerbewegung direkt mit am Runden Tisch sitzt und als wahre und parteiunabhängige Volksvertreter unmittelbar Einfluß auf die Politik nehmen kann. Als eine Art der direkten Demokratie, wenn man schon keine Volksabstimmungen will.

Ansonsten wird und kann sich hier nichts mehr ändern und wird dieses Land weiter komplett an die Wand gefahren und skrupellos dem EU-Bürokratie-und Beamtenmoloch und der Islamisierung ausgeliefert.

Langsax

7. Januar 2017 15:56

Einige wenige Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Leggewie:

Was Soziologen  u.a. bezüglich menschlichen Verhaltens meinen zu wissen, befindet sich in großer Diskrepanz zu den Erkenntnissen der Humanethologie. Man sollte endlich zur Kenntnis nehmen, dass unsere ethnische Herkunft Teil unseres Ichs ist. [Auch wenn man den Eindruck haben könnte, bei westdeutschen Linken und Grünen wäre das nicht so]. 

Und die Nationenbildung ist die Antwort der Evolution auf die Massengesellschaften und entspringen nicht aus der Gedankenwelt von Philosophen. 

Wer wirklich eine multikulturelle Einwanderungsgesellschaft in Europa schaffen will, der arbeitet eine Agenda ab, die bereits Joseph Stalin verfolgt hat ("Internationalismus"). Das Ergebnis der Politik Stalins kennen wir. Und nun verfolgt man schon wieder diese Politik, allerdings unter anderem Namen. "Wer aus der Geschichte nicht lernt, ist verdammt, sie zu wiederholen".

Es wird niemals eine friedliche Koexistenz zwischen sehr verschiedenen Kulturen auf engsten Raum geben. Das Machtstreben (um Ressourcen) führt unweigerlich früher oder später  zum Bürgerkrieg. 

Der Islam ist nur das ideologische Band, die die in Mitteleuropa sich angesiedelten Turk- und Arabervölker eint, zum Kampf gegen die Einheimischen.  Das Schlachten hat bereits begonnen (H.-M. Enzensberger formuliere "molekularer Bürgerkrieg") und wir sollen still halten, wenn man uns verdrängt und erschlägt und schändet?  

Hartwig aus LG8

7. Januar 2017 15:59

Man möchte Herrn Professor Leggewie fragen, warum er sich nicht gleichermaßen vor den Globalisierungskritikern zu fürchten scheint, die bei der Neueröffnung der EZB halb Frankfurt in Angst und Schrecken versetzten und halbe Stadtviertel verwüsteten; dabei dutzenden Polizeibeamte verletzten.

Leute wie Leggewie scheinen aber ein beachtliches Gefühl dafür zu haben, auf wie wackligen Füßen das derzeitige Regime noch steht. Seine Befürchtungen, Teile "seines Lebenswerkes" schwinden zu sehen, sind berechtigt. Man kann ihm nur zurufen, dass dieser Fisch (sein Lebenswerk) ausschließlich vom Kopfe her stinkt.

Ansonsten zum Briefwechsel: Gut gemacht, Herr Kubitschek. Oder etwas differezierter: Zum Ende hin die richtige Kurve gekriegt.

Radbot

7. Januar 2017 16:09

Vielen Dank Herr Kubitschek!

Nordlaender

7. Januar 2017 16:21

@ Meier Pirmin

"PS. Diejenigen unter den Bloggern, die mich als einen sie pathologisieren wollenden "Feind" sehen, sollen sich jetzt nicht gleich wieder auf mich stürzen. Aber eines scheint mir schon klar: Mit der Meinung meines Landsmannes Jakob Schaffner, die Röhm-Geschichte sei ein "Betriebsunfall" gewesen, kann man in den nächsten 500 Jahren in Deutschland keine Politik mehr machen. "

Was verstehen Sie, "Herr" Meier, unter einem "Feind"?

Niemanden kann man zwingen, doch damit aufzuhören, die ad-hominem-Karte zu spielen und seinen Gegner mit nervenärztlichen Ferndiagnosen anzugreifen.

Johann Felix Baldig

7. Januar 2017 16:22

Wenn der im Fortschreiten des Briefwechsels immer grimmiger nur "Professor" geheißene Kombattant befürchtet, schlimmstes Gesellschaftsexperiment unternähme der, der sich entschließt "abzuweisen", dann sagt Leggewie doch nicht weniger als: "Wir verhandeln dem Grunde nach die Erfüllung eines Anspruchs." Denn den Dieb, den Räuber und Raubmörder, den Hausfriedensbrecher weise ich ja nicht ab. Keine Nation behauptet sich im Bescheidwesen. An ihm, dem Dieb etc., vollziehe ich vielmehr ein Kriminalrecht, deren objektive Wertungen vorgreiflich sind. In solchem Falle kann die Verwaltungssprache also keinen Raum beanspruchen. Leggewie sieht die Andrängenden indes als Antragsteller und ihre Aktivlegitimation auf Gedeih und Verderb mit seinem "Lebenswerk" verquickt. Daher sein Unglaube ob der Möglichkeit eines Elsässer.

Kubitschek hingegen sagt: "Ich will das nicht und ich muß es gar nicht groß begründen, denn: rechtfertigen muß sich derjenige, der alles auf den Kopf stellen will." Recht so! Bessers wärs nur, wir wären alle instinktsichere Katholiken! Könnten alle noch unsere Blockflöte mit verbundenen Augen spielen. Notfalls freilich, dem muss auch unbedingt zugestimmt werden, hat christliche unbewusste Durchwirktheit zu genügen.

Bei solch denkbar antagonistischer Lage wird es am Ende doch besser sein, die Aufrichtung der Nation alsbald "billigst" anzubieten. Diesmal aber, im Besitz des KR-Kanons und überdies seiner metapolitischen Durchformung und Rezeption, unter Vermeidung vormaliger Entartung ("Hitler"). Das sollte doch schaffbar sein.

ALD

7. Januar 2017 16:25

Sieg nach Punkten für Kubitschek, weil nicht zuletzt seine Hand aufrichtig ausgestreckt war und Leggewie mehr irgendwie mal schnuppern tun wollte.

der Gehenkte

7. Januar 2017 16:27

In aller Kürze: Leggewie war der Meinung, Kubitschek und also die Neue Rechte "stellen zu können", zu "entlarven - das hat man sich seit der kurzen Tauwetterperiode mittlerweile überall auf die Fahne geschrieben: stellen, entlarvern, demaskieren, statt denunzieren, verleumden und verschweigen.

Was ist passiert? Leggewie und damit die Linke wurde gestellt und entlarvt, er wollte Kubitsche begraben und hat ihn erweckt. Die Frohe Botschaft: Wir brauchen keinen Disput fürchten! Es kommt von Links nichts mehr, nichts, was unseren besten Köpfen gefährlich werden könnte.

Euphorisch
Der Gehenkte:

"Als man den hals mir in die schlinge steckte
Sah schadenfroh ich den triumf voraus:
Als sieger dring ich einst in euer hirn
Ich der verscharrte .. und in eurem samen
Wirk ich als held auf den man lieder singt ..."

Adorján Kovács

7. Januar 2017 16:32

Ich gratuliere Herrn Kubitschek zum souveränen Umgang mit Leggewies Unverschämtheiten.

Herr Leggewie war bei den letzten Frankfurter Römerberggesprächen zusammen mit u. a. Frau Münkler und Herrn Tibi zu erleben. Thema (so suggestiv formuliert wie die ganze Veranstaltung einseitig): „Sehnsucht nach Grenzen“. Tibi pries in billigster Weise das friedliche Multikulti seiner damaszener Schulzeit, ohne den syrischen Tyrannen zu erwähnen, dem der Vielvölker-Grabesfriede zu verdanken war. Frau Münkler durfte Sachsen beschimpfen und verbalen Müll über Dresden auskippen (nicht ganz unwidersprochen: Ein Freund sagte der Fassungslosen am Veranstaltungsende, ihre Rede sei ihm endgültig Ansporn, AfD zu wählen). Herr Leggewie wiederum ist ein Autorassist wie er im Buche steht, da ist wenig mehr zu sagen.

Zum Vergleich Leggewies mit der RAF fällt mir nur ein, dass beim damaligen Terrorismus kein einziger Politiker gesagt hat, man müsse sich an ihn gewöhnen - - kein Wunder, die Opfer waren ja Wirtschaftsbosse und Politiker. Hat Leggewie nur deshalb Sorge, dass die heutige politische Klasse wieder zum Ziel werden könnte, weil sie sein kulturmarxistisches Lebensprojekt umsetzt? War er anno 1977 ebenso besorgt um die damalige wirtschaftlich-politische Elite? Bereitet ihm die Tatsache ähnlich große Sorge, dass die heutigen Opfer des Terrors normale Bürger sind, oder rät er auch zur „mürrischen Indifferenz“? Warum erwähnt er die Opfer des NSU, nicht aber die vielen Deutschen, die migrantischer Gewalt zum Opfer fielen? Weil diese angeblich unorganisiert und darum „nur“ kriminell ist? Auch sein am Schluß des Briefwechsels vorgetragener Antikapitalismus ist eine Farce, solange er ein Europa unterstützt, das nichts anderes ist als die kapitalistisch-ökonomische Basis der NATO, die in Rheinland-Pfalz Atomsprengköpfe stationiert und gerade jetzt via Norddeutschland das Baltikum aufrüstet.

Meier Pirmin

7. Januar 2017 16:48

@_derjürgen. Finde Ihre Beiträge nunmehr konstruktiv. Unsere wirklichen nicht gerade harmlosen Meinungsverschiedenheiten können wir wohl mal besser persönlich austragen. Und dass selbst auch die geistig Anspruchsvollsten unter den Rechten in vieler Hinsicht noch analytisch und erfahrungspolitisch besser werden müssen, ist keine Schulmeisterei sondern eine notwendige und im Einzelfall hoffentlich gar weiterführende Kritik, je jünger die Leute sind, umso hoffnungsfroher. Falls es mal zu einer wirklichen Debatte kommt, hat man sie entgegen der hier formulierten Lager-Mehrheitsmeinung wirklich nicht schon automatisch gewonnen. Und ich würde die sogenannten Gemässigten z.B. unter der AfD keineswegs von der Kritik ausnehmen. Sowohl bei den sog. Gemässigten wie bei den Radikaleren liegt die Schwäche oft in der Ungenauigkeit. Klar freilich, dass bei Blog-Diskussionen niemand dieser Gefahr ganz entgeht, da darf ich mich selber im Einzelfall nicht ausnehmen. Sodann wäre noch zu untersuchen, ob Leggewie u.Co. in diesem oder jenem Nebensatz nicht doch teilweise sogar etwas recht haben könnten. Klar spielt er in einer anderen Liga als Bednarz oder die lächerlicherweise mit dem Dummheitspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnete E.  

calculus

7. Januar 2017 17:08

Hinter diesem Briefwechsel sehe ich genau dieselbe Strategie, wie auch hinter den gelungensten Aktionen der Identitären (in denen ich sowieso die Schüler Kubitscheks sehe): den Linken die Maske herunterreißen, ihnen den Spiegel vor Augen führen, sie ihre eigene Medizin trinken lassen. Dabei alles, entgegen dem stets gestreuten Klischee, vollkommen gewaltfrei. Dafür kenne ich nur ein Wort: perfekt.

der Gehenkte

7. Januar 2017 17:12

@ Monika

"Aus den Worten von Claus Leggewie spricht eine ungeheure Arroganz gegenüber  den in der DDR sozialisierten Landsleuten, denen er abspricht, zu wissen, was Glauben sei."

Nun, ich gehöre zu eben jenen, wurde in den Marxismus und den Atheismus hinein geworfen und fühle mich durchaus wohl damit! Und trotzdem, oder besser: deswegen bin ich hier gelandet und habe endlich eine geistige Heimat gefunden. Und auch wenn ich nicht glaube, so bilde ich mir doch ein, einiges über das Christentum (und andere Religionen) zu wissen und selbst das Numinose ist mir nicht fremd.

Kein vernünftiger Atheist, der im Westen - inkl. im "Osten" - aufgewachsen ist, kann negieren, daß sein innerstes Wesen christlich ausgerichtet ist. Es grenzt an Primitvismus, wenn Leggewie die christliche Konditionierung an einen aktiven Glauben binden will. Daß man derartige Offensichtlichkeiten einem Politikprofessor noch erklären muß, ist entlarvend.

Jesus (Christus) ist für mich der anthropologische Beweis der Wandelbarkeit des Menschen.

Auch ein Atheist oder Agnostiker und selbst ein Buddhist oder Muslim kann das abendländische christliche Erbe verteidigen wollen, ganze einfach weil es das ist, was hier ist. Das schließt nicht aus, daß er auf den Opium-Charakter, den Ideologiebestandteil oder auf kirchliche Mißstände etc. aufmerksam machen kann.

Und was die menschliche Wärme im Osten angeht – sie ist nun weitgehend konsumistisch verstrahlt, aber gehen sie nach Ungarn, Polen, Tschechien … dort finden sie das noch.

Caroline Sommerfeld

7. Januar 2017 17:14

Die genannten "zwei Welten" machen den Dialog so nötig wie unmöglich. Mit jemandem ernsthaft zu disputieren, der den Großen Austausch nicht "glaubt", ein Europa in Gefahr sieht, dessen Retterin Merkel ist, der Widerstand reflexartig mit Hooligans und Schlägertrupps assoziiert und einer sehr schlichten Kausaltheorie von Sprache und Tat anhängt (vulgo: rechte Schreibtischtäter bereiten den Boden für brennende Asylantenheime), mit so jemandem zu disputieren, ist das, was Lyotard den "Widerstreit" nannte: zwei einander ausschließende Aussagesysteme, in denen die Wörter anderes bedeuten und die Wirklichkeit nicht mehr kongruent ist.

Diesen Befund im Hinterkopf, kann man entweder resignieren und mit dem "Feind" nie wieder kollaborieren, ihn der grenzenlosen Dummheit zeihen und,  was dann? Kämpfen, ja, aber womit?

Oder man gibt die Rationalitätsunterstellung nicht auf, tut so (es ist ein "Als-Ob", anders geht's nimmer) als ob da noch einer Augen und Ohren hat wie man selbst, und lernen kann. Lernen kann man in Wirklichkeit nur selbst, nämlich lernen, wie man seine Argumente schleifen muß, und das lesende Publikum lernt, indem es die zwei Welten von innen kennenlernt.

Im übrigen wird es so weitergehen: immer öfter werden Linke sich hineinwagen in die Höhle des Löwen und mit den wilden Tieren reden wollen, und auch sie müssen ihre "Als-Ob"-Unterstellung im Forscherrucksack parat haben. Die Löwen halten indes nur solange still und erklären sich, bis sie Franziskus' wahre Motive wittern.

Jürg_Jenatsch

7. Januar 2017 17:14

@danke für Ihre Ausführungen der_Jürgen

Meinen Dank auch an Herrn Kubitschek, daß er sich den Tort angetan hat, mit einem selbst im eigenen Lager nicht unkritisch gesehenen Soziologen die Klinge zu messen. Immerhin ist er einbdeutig als Punktsieger vom Platz gegangen. Ich tue mir auch schwer Linke zu benennen, mit denen es sich lohnt zu diskutieren. neben Wagenknecht vielleicht Steins von der Roten Fahne.

Dietrich Stahl

7. Januar 2017 17:31

„Jedenfalls scheint es mir sowohl aus Gründen der Verteidigungsbereitschaft als auch aus Gründen der Würde des Glaubens notwendig zu sein, denjenigen kirchlichen Amtsträger ihre Autorität abzuerkennen, die das Christentum verraten, indem sie ihm seine Kompromißlosigkeit, seinen Ort und seinen Durchhaltewillens rauben und die Tore dem Islam öffnen – handelnd vor dem Horizont einer naiven und gefährlichen Menschheitsutopie, die sie mit dem Christentum verwechseln.“ [...] „Der Kampf des Abendlandes um seine Selbstbehauptung könnte fraglos im Geiste christlicher Heilserwartung geführt werden. Von diesem Geist aber sind wir bis zur Unüberbrückbarkeit geschieden.“

Anläßlich des ökumenischen Kirchentages, 2003 in Berlin, traf ich einen Jung-Pfarrer. Als ich ihn im Gespräch nach der Spiritualität in der Kirche fragte, stutzte er. Er wurde nachdenklich, ich spürte einen Anflug von Traurigkeit. Er stand mir die Berechtigung dieser Frage zu, ging dann aber doch schnell über sie hinweg. Diese Begegnung kam mir bei Kubitscheks obigen Ausführungen über die heutige christliche Kirche [und ihre Funktionäre] in den Sinn.

Jede Religion entsteht, weil ein starkes spirituelles Bedürfnis besteht. Die Gründerväter haben Antworten darauf, die mit den Menschen und der Zeit in Resonanz sind. Mit der Zeit entfernen sich die entstehenden Körperschaften [Kirchen etc.] und ihre Funktionäre immer mehr vom spirituellen Ursprung, vom lebendigen Wort [oder um mit Kubitschek zu sprechen vom „Geist des Christentums“]. Sie füllen die spirituelle „Lücke“ mit sozialen Aufgaben und sie werden zu [Macht] Politikern. Bei der katholischen Kirche führte das beispielsweise zu Verfall und Degeneration bis hin zu abscheulichsten Verbrechen. Bei anderen Religionen ist Ähnliches zu beobachten.

Erfüllen die Kirchen heute die spirituellen Bedürfnisse der Menschen? Mitgliederzahlen sprechen eine deutliche Sprache. Das soziale und politische Moment dominiert das spirituelle völlig. Die meisten Funktionäre der Kirchen, insbesondere die höheren, sind vor allem Machtpolitiker. Sie unterstützen die bekannte Agenda. Ohne eine tiefgreifende Erneuerung [mindestens von lutherischer Dimension] wird es schwer werden für die christlichen Kirchen.

Zum Briefwechsel prinzipiell geben Sie, lieber Götz Kubitschek, selbst die beste Antwort:

„wir leben in unterschiedlichen Welten.“ […] „frage ich mich, welchen Sinn die Auseinandersetzung noch haben könnte: Diskussionen, in denen sich der Kontrahent in der Pose des Vorwerfens gefällt, begreife ich als Zeitverschwendung.“

Ihre sorgfältige, wohlüberlegte, respektvolle und kämpferische Argumentation hat mich ansonsten beeindruckt.

Trouver

7. Januar 2017 17:45

Warum schreibt der Professor immer dieses "angeblich" darein? Warum leugnet er das Offensichtliche? Um eigene Existenz im diesen Preis weiterzubehalten?

calculus

7. Januar 2017 18:14

@Nordlaender
Was verstehen Sie, "Herr" Meier, unter einem "Feind"?

Volltreffer. Versenkt.

Holger

7. Januar 2017 18:18

Ich kann Sie nur bewundern, Herr Kubitschek, dass Sie sich das antaten. Nur eins: Der Briefwechsel wirkt so, als würde Leggewie sie interviewen, in der Tat wie Materialsammelei. Auf die Ausführungen geht er nicht ein, es interessiert ihn nicht, er hat schon wieder Neues im Kopf, mit dem er besser treffen zu glaubt. Ein postmodernes Krisensubjekt, dieser Leggewie, der Konsistenz in seinen Gedankengang weder bekommen kann, noch gar will.

Aber wir haben dafür diesen schönen Text von Ihnen bekommen. Danke dafür.

Referenzielles Selbst

7. Januar 2017 18:25

Ich habe die zweiteilige Korrespondenz zweier Akteure, die unterschiedlicher nicht sein könnten, nun sehr interessiert und vollständig gelesen. Es war mir eine vorzügliche intellektuelle Delikatesse. Hinzu gesellt sich hier umso mehr eine gewisse Vergnüglichkeit, da ich beiden bereits persönlich begegnen durfte: Sowohl Claus Leggewie in seinen Veranstaltungen noch als Student in Gießen, als auch Götz Kubitschek als Akademieteilnehmer im Refugium Schnellroda. Erstaunlich, wie „klein“ einem dann doch die Welt der bekannten Gesichter und Wortgeber der Gegenwart manchmal erscheint.

In der Bilanz dieses Austausches zeigt sich mehr als offensichtlich der Versuch Leggewies Götz Kubitschek eigentlich nur soweit zu provozieren, um ihm endlich die Billigung einer gewalttätigen Revolte, ein lautes Ja zum extremistischen Aktivismus unbedingt abringen zu wollen. Die Beharrlichkeit Kubitscheks an seine maßhaltende und tendenziell gandhianisch konzipierte Widerstandsform festzuhalten und diese gerade einer möglichen Eskalationsstufe entgegenzustellen, wird von Leggewie weder gebrochen noch akzeptiert. Zu bemüht wirkt die Intention des Politikwissenschaftlers vermeintliche Analogien zur APO-Bewegung der 70iger Jahre herzustellen und zu frappierend sind die inhaltlichen Sprünge, wie bspw. der Exkurs mit der christlich-abendländischer Authentizitätsfrage, um zu erkennen, dass Leggewie nicht wirklich an einer kohärenten Diskussion interessiert ist.

Sein Interesse liegt vielmehr darin begründet Kubitschek dazu zu benutzen genügend sozialwissenschaftliches „Auswertungsmaterial“ zu generieren, das dann ohnehin zur Verstetigung üblicher Annahmen und Meinungen im Gewande der Wissenschaft aufwarten darf. Man muß nicht mal Angehöriger der kultur- und sozialwissenschaftlichen Zunft sein, um zu wissen, daß gerade dieser Bereich der Geisteswissenschaften immer mehr jenseits aller gebotenen Neutralität rangiert und zur reinen Ideologieschmiede verkommen ist, die per Gefälligkeitsgutachten ihre links-grün versiffte Diskurshoheit auch weiterhin als „wissenschaftlich fundiert“ feilbieten möchte.

Dabei sollte Leggewie selbst allzu genau wissen, daß es innerhalb politischer Bewegungen immer zu Eigendynamiken kommt bzw. kommen kann, die sich einer kontrollierten Lenkung entziehen. Der subtil mitschwingende Vorwurf zwischen den Zeilen, nämlich, daß eventuell das neurechte Widerstandsmilieu hierbei die Büchse der Pandora öffnen könnte, ist genauso infam und billig, wie der ewige Vorwurf, die AfD würde ein fremdenfeindliches Klima schüren und sei ja sowieso indirekt für brennende Asylunterkünfte mitverantwortlich. Dieses anscheinend unausrottbare Argumentationsmuster vertauscht kontinuierlich die Reihenfolge von Aktion und Reaktion.

Dementsprechend müßte der ganze Fragekomplex vom Kopf auf die Füße gestellt und realitätsnah zugeschnitten werden. Vielmehr stellt sich doch eher die Frage, warum es bei der gegenwärtigen Gesamtsituation noch nicht schon längst zum „großen Knall“ gekommen ist? Warum die bundesdeutschen Steuerzahler weiterhin trotz jeglicher finanzieller, gesellschafts- und sicherheitspolitischer Zumutungen dennoch so stillhalten? Ist es eher die verinnerlichte, dekadente Übersättigungskultur oder mehr die zunehmend repressive, existenzbedrohende Gesinnungsschnüffelei eines postdemokratischen, fast schon prätotalitären Staates, welche die Lemminge in Paralyse hält?  

An den Fragen sollt Ihr sie erkennen!

Alexander Sorge

7. Januar 2017 18:35

Ich mach' mir die Welt (Widdewidde) wie sie mir gefällt...

Ralf Kaiser

7. Januar 2017 18:49

Lieber Herr Kubitschek.

Der größte Teil Ihrer Ausführungen zur Entkräftung von Leggewies Vorwürfen nötigt mir den größten Respekt ab. Nicht nachvollziehen kann ich aber Ihre Charakterisierung des Christentums. Da schreiben Sie über ein angeblich "wahres (und zugleich historisches) Christentum": "Über Jahrhunderte waren Christen bereit, sich mit Kreuz und Schwert einfallenden Invasoren entgegenzustellen und christliches Land zu verteidigen - mithin die Grundvoraussetzung für die Entfaltung christlichen Lebens und weiterer Mission."

Lassen wir einmal beiseite, daß diese christliche Mission in der Vergangenheit ebenfalls oft von Invasoren getragen wurde und noch heute, in ihrer friedlichen Variante, zur Zerstörung der ethnokulturellen Vielfalt der Welt beiträgt. Es ist kaum sinnvoll, das Christentum als spezifische Identität Europas zu preisen und sich gleichzeitig die ganze Menschheit christlich zu wünschen.

Doch ich will auf etwas anderes hinaus: Das einst bedeutende Christentum des Orients wurde von den islamischen Heeren größtenteils hinweggefegt. Allein Europa konnte diesem Siegeszug Einhalt gebieten. Liegt da nicht der Gedanke nahe, daß nicht das Christentum selbst, sondern etwas eingeboren Europäisches den Ausschlag für diese Wehrhaftigkeit gegeben hat? Das Christentum breitete sich in Europa auf dem Substrat des Imperium Romanum aus und wurde schließlich auch stark von der germanischen Kultur umgestaltet. Letzteren Prozeß hat der konservative Theologe James C. Russell in seinem Buch The Germanization of Early Medieval Christanity. A Sociohistorical Approach to Religious Transformation (Oxford University Press 1994) ausführlich dokumentiert.

Wenn Sie also schreiben, daß auch einheimische Nichtchristen "unbewußt christlich" dächten, dann könnte man ebensogut den Spieß umdrehen und Ihnen nachsagen, daß Sie "unbewußt heidnisch" denken. Zu Unrecht schreiben Sie von einer "ortsgebundenen, untergegangenen, mithin heidnischen Religion". Abgesehen davon, daß es seltsam anmutet, einerseits die ethnokulturelle und territoriale Identität der Völker gegen den Universalismus zu verteidigen und andererseits von Ortsgebundenheit zu sprechen, als wäre sie etwas Schlechtes, ist dieses "Heidentum" niemals völlig untergegangen. Die konservative Philosophin Sigrid Hunke hat in ihrem Buch Europas andere Religion (Econ-Verlag 1969) mit vielen Belegen gezeigt, wie sehr die großen Geister des "christlichen Abendlandes", oft unbewußt, von "heidnischem" Denken geprägt waren.

PS: Hunke ist für viele Linke und Rechte gleichermaßen zum Feindbild geworden. Um hier keine deplazierte Diskussion über ihre Person zu entfachen, verweise ich darauf, daß die einschlägigen politisch motivierten Vorwürfe schon an anderer Stelle (deutsche-unitarier.de/lib/kreuzfeuer.pdf) besprochen und widerlegt wurden.     

calculus

7. Januar 2017 18:51

@der Gehenkte

Nun, ich gehöre zu eben jenen, wurde in den Marxismus und den Atheismus hinein geworfen und fühle mich durchaus wohl damit! Und trotzdem, oder besser: deswegen bin ich hier gelandet und habe endlich eine geistige Heimat gefunden.

Geht mir ebenso. Die neuerliche Wende (von der ich überzeugt bin, daß sie kommen muß) wird überhaupt erst eine wirkliche Einheit ermöglichen (und die "Besserwessis" endgültig vom hohen Roß stoßen).

In diesem Zusammenhang sei noch einmal an den Vortrag von Björn Höcke erinnert, den er am IfS gehalten und der ihm sehr viel Ärger eingetragen hat. Nicht jedoch wegen der Anekdote, die er eingangs erzählt hat. Selbst wenn sie gelogen ist, ist sie sehr gut gelogen:

Ich möchte zu Beginn gerne eine kleine, ganz persönliche Episode aus meinem Leben zum Besten geben. Wer von Ihnen kann sich noch an den 9. November 1989 erinnern?

Ja, ich denke, das sind fast noch die meisten. Ich war damals 17 Jahre, und ich werde bis zu meinem Lebensende diesen Tag nicht vergessen. Um 20:00 Uhr begann damals die legendäre Tagesschausendung, und der erste Beitrag war betitelt mit "DDR öffnet Grenze". Das Politbüromitglied Günter Schabowski, das in der Zeit sehr regelmäßig Pressekonferenzen gehalten hat, hatte zum Ende seiner Pressekonferenz, so relativ nebenbei, von einer Grenzöffnung gesprochen. Er hatte die Grenzöffnung bekannt gegeben. Und die verdutzten Journalisten fragten natürlich nach. Ja, und befragt, eierte der Herr Schabowski so'n bißchen rum. Er wirkte richtig unsicher und etwas Halt suchend. Und dann sagte er diesen legendären Satz "Ja, nach meiner Kenntnis ist das sofort, unverzüglich."

Ich wohnte damals im Rheinland, liebe Freunde. Mein Vater und ich schauten uns diese Tagesschausendung gemeinsam an. Und diese Ankündigung hat uns damals gefühlsmäßig überwältigt. Wir lagen uns anschließend in den Armen, und ich fühlte die Tränen meine Wangen herunter laufen. Als wir uns voneinander lösten und uns anschauten, sagte mein Vater einen Satz, den ich niemals vergessen werde. Er sagte: "Das ist das Ende des deutschen Volkes."

Natürlich lehnte mein Vater die kommunistische Diktatur in der DDR ab. Aber er verfolgte auch die seit Jahrzehnten ablaufende Multikulturalisierung Westdeutschlands, und er sah das Anwachsen der nichtassimilierten Parallelgesellschaften in den Ballungsgebieten des Westens. Und die DDR war, trotz ihrer ideologischen Ferne zu uns, für ihn ein Staat, in dem noch diese über Jahrhunderte gewachsene und belastbare Vertrauensgemeinschaft intakt war.

Björn Höcke, Vortrag am Institut für Staatspolitik, Schnellroda, 21/22. November 2015, auf "youtube.de" mit passenden Suchbegriffen noch immer auffindbar

Monika

7. Januar 2017 19:06

"Die Frohe Botschaft: Wir brauchen keinen Disput fürchten! Es kommt von Links nichts mehr, nichts, was unseren besten Köpfen gefährlich werden könnte."

@Der Gehenkte

Das sehe ich genauso. Die normative Kraft des Postfaktischen wird den linken  Gesellschaftsexperimenten end-gültig den garaus machen. Was bedeutet, dass sich die besten rechten Köpfe miteinander beschäftigen müssen. Man darf gespannt sein.

der Gehenkte

7. Januar 2017 19:29

@ Kubitschek: "Es kommt mir stets recht seltsam vor, wenn ich jemandem wie Ihnen gegenüber quantitativ, also materialistisch argumentieren muß"

Das ist gut gekontert, aber nicht nur die (materialistische) Demographie, sondern auch der „Historische Materialismus“ als Theorie udn Methode, also Marx selbst, führt das dauernde Faschismus-Hergerede der Linken ad absurdum. Sie kennen ihren Marx offensichtlich nicht mehr. Hier wird das noch einmal vorgeführt: Marx/Engels und der kommende Faschismus

der Dachs

7. Januar 2017 19:54

Unter den zweiten Teil die summa meiner Meinung, die unter dem ersten Teil vielleicht als voreilig gelöscht wurde: hoffnungsloser Versuch, Leute vom Typ L. überzeugen zu wollen. Unsereiner ist in ihren Augen bestenfalls die Laborratte, die der Prof. im weißen Kittel im Terrarium springen läßt. Differente Lebenswelten wären noch  dem anderen zumindest skizzierbar, aber wo keine grundsätzliche gegenseitige Anerkennung auf Ebenbürtigkeit vorliegt, ist ein Gespräch unmöglich, sinnlos.

Zu der religiösen Frage lediglich noch ein Punkt: Bei allen Zügen der Fernstenliebe hat das Christentum doch jedenfalls immer eine absolute Grenze gezogen - dort, wo die Aufgabe, Verleugnung des Christentums gefordert wäre. Der Islam duldet in gewissem Rahmen, aber wenn zu seinen Anschauungen sich ein Konflikt zeigt, verlangt er genau diese Unterwerfung. Die nur schwarz verkleideten Amtstragenden im Lande leisten sie gerne, weil sie sie gar nicht mehr als solche empfinden, denn der Gott sei ja angeblich bei Juden, Christen, Moslems derselbe was selbstverständlich pure synkretistische Vergewaltigung ist. Spritualität allgemein gibt es m.E. durchaus noch, sie irrlichtert an den irrsten Stellen, von 'pc' über 'Zivilreligion' bis Veggidayveganismus - aber das alte christliche Grundaxiom der Dreieinigkeit ist, genau wie andere Dinge, an die man allein glauben müßte, weil sie im Alltag nicht erweisbar sind- etwa Jungfrauengeburt Mariae, vor allem: Jüngstes Gericht - auf historisierendem Wege generalentsorgt worden.

Th Wawerka

7. Januar 2017 20:01

Kubitschek:

... ohne, daß man dadurch Religion und Politik planmäßig aufeinander setzen müßte. Dieses Aufeinandersetzen würde vielmehr dem Glauben seinen durch das Politische nie erreichbaren Raum nehmen und die Religion zu einem strategischen Baustein herabwürdigen.

Nichts anderes macht man auch dann, wenn man die multikulturalistische Politik der offenen Grenzen durch die christliche Religion (fast immer in einer säkularen, also dogmatisch entschärften und aufklärerisch angepaßten Fassung) legitimieren will ...

Sehr gut auf den Punkt gebracht! Ich meine, es war Schleiermacher, der einmal vom "Heiligen als Milchkuh" schrieb - die Vernutzung, Funktionalisierung, Instrumentalisierung des Unbedingten. Die Sünde des Simon Magus, die schwerer wiegt als der Unglaube.

PB

7. Januar 2017 20:02

Meiner Erinnerung nach schien Leggewie nicht immer so vernagelt gewesen zu sein, jedenfalls glaubte ich von ihm in den 1990er Jahren auch Vernünftiges gelesen zu haben, mutmaßlich in der "Wochenpost" (die bald darauf von Mathias Döpfner in der Beliebigkeit versenkt wurde).

Leider finde ich bei GOOGLE keine Beweise dafür, nur einen Hinweis darauf, dass er wohl schon immer so gedacht haben muss:

"„Der 89er Geist ist aus der Flasche und weht von rechts?“ fragt auch, rhetorisch bang, der Gießener Politikwissenschaftler Claus Leggewie, der versucht hat, die 89er Generation zu porträtieren*. Man komme nicht umhin, räumt der Linkskatholik verschnupft ein, „rechten Jugendlichen eine gewisse Vorreiterrolle zuzusprechen“ – wobei allerdings rechts und rechtsradikal für Leggewie ziemlich dasselbe ist." (Michael Klonovski, FOCUS, 09.10.95)

William Wallace

7. Januar 2017 20:29

Claus Leggewie wohnt im Hardthof in Gießen in einem 250m² Loft. Sein Wohnumfeld wird in der Welt Online wie folgt beschrieben:

"Rechts steht ein gepflegter Ferrari GTB, links die abstrahierende Skulptur einer üppigen Frau. Eine Treppe führt vom Foyer zum Wohn- und Arbeitszimmer, dessen Bauhaus-Ausstattung hinter der vollverglasten Front wie die Auslagen eines noblen Möbelhauses wirken."

https://www.welt.de/print-welt/article487748/Mit-dem-Flair-der-Boheme-und-dem-Ferrari-im-Zimmer.html

Also ja: Der Herr lebt in seiner eigenen Welt. Es ist eine deutsche, eine elitäre Welt.
Würde er zu dem stehen was er propagiert, dann müsste er in Duisburg-Marxloh oder Dortmund-Nordstadt leben.

@ Claus Leggewie
Ganz egal wie die Geschichte in Deutschland weitergeht, Sie werden stets ein Negativbeispiel sein.
->Sollten sich die Deutschen noch einmal zusammenraffen und eine politische Wende einleiten, dann werden Sie als Propagandist eines gescheiterten Konzepts in die Geschichte eingehen.
->Sollte sich politisch nichts mehr tun, dann tut sich dennoch einiges: Die demographische Entwicklung sorgt dafür, dass es in Deutschland binnen weniger Jahrzehnte zu einer muslimischen Bevölkerungsmehrheit kommt, die über kurz oder lang auch die Führung des Staates übernimmt. Und dann gilt: Der König liebt den Verrat, aber nicht den Verräter.

Mal ganz davon abgesehen: Sie sind in der tausendjährigen Geschichte Deutschlands die erste Generation, die es zustande bekommen hat, in einer Friedenszeit das Land den eigenen Kindern in einem verschlechterten Zustand zu übergeben. Glückwunsch!

jack

7. Januar 2017 21:02

Besser als aus diesem Briefwechsel ersichtlich läßt sich die Irrationalität der Linken nicht mehr dokumentieren. Der Mann ist vor 50 Jahren in seinen Denkmustern stecken geblieben. Er konnte nur im stickigen Terrarium der Ideologie überleben.  Deckel  schliessen und abwarten bis sich das Problem auf natürlichem Wege löst.

CCCED

7. Januar 2017 21:05

Ein Briefwechsel auf hohem geistigem Niveau. Die Argumente werden routiniert von beiden Kombattanten gekreuzt.

Beim Lesen hatte ich oft den Gedanken: Warum so defensiv, Herr Kubitschek? Es sind Individuen wie Professor Claus Leggewie, die ihre Ideologie im geistigen und auch im politischen Raum vorantreiben und damit auch konkrete Verantwortung für die Fehlentwicklungen und Verbrechen tragen. Warum ihn nicht auf seine Verantwortung hinweisen? Weil er gesprächsbereit ist?

Hajo Blaschke

7. Januar 2017 21:07

@ Adorjan Kovacs Sie erwähnten hier in durchschlagender Propagandamanier den dyrischen Tyrannen, ohne den das von Tibi beschriebene friedliche Leben in Syrien nicht möglich gewesen wäre. Das gleiche könnten Sie für den Irak oder Libyen schreiben. Es wird immer dss gleiche herauskommen: der von Ihnen als Tyrann bezeichnete Präsident dieser Länder hat ein friedliches Zusammenleben garantiert. Mit den einzigen Mitteln, die in diesen Ländern ein friedliches Zusammenleben ermöglichen. Und nun definieren Sie mal Tyrann. Wie sagte Scholl-Latour aus seiner langjährigen Erfahrung heraus: Frieden ist im Nahen Osten nur möglich in einer Militädiktatur oder in einem Gottestaat. Wobei, wie man am Beispiel Saudi-Arabiens mit den freitäglichen Köpfungen sehen kann, man in einem Gottesstaat sein Leben sehr viel schneller verlieren kann als in einer arabischen Militärdiktatur. In Nahost Tyrann zu sein, scheint somit etwas Positives zu sein.

Petrus

7. Januar 2017 21:33

"Das »thymotische« Potenzial, das Sie in mir schlummern sehen, war und ist gegen eine Wirtschaftsordnung gerichtet, die eine seit den 1960er Jahren vor allem weltweit noch immens gestiegene Ungleichheit verursacht."

Das sagt er als unkündbarer Professor mit üppigem Gehalt und Beamtenprivilegien. Einer von vielen typischen Vertretern der "gauche caviar", die erstens wenig bis gar nichts von Ökonomie verstehen und auch nicht verstehen wollen, und zweitens, deren Lebenswirklichkeit natürlich nicht von "Ungleichheiten" geprägt ist. Denn über das Prekariat des deutschen akademischen Mittelbaus etc. sieht man bei einem Glas Rotwein, gerne aus der Toskana (den schon Fischer und Schröder zu schätzen wussten), bequem hinweg, während man über Höheres diskutiert.

Und ja, der Briefwechsel war natürlich ein schlecht getarntes "schriftliches Verhör", ein Sammeln von "belastendem Material" zur Veröffentlichung in den einschlägigen Publikationen, die immer weniger Menschen lesen.

Westpreuße

7. Januar 2017 21:36

1) Der persönliche Weg nach "demokratisch Rechts" ist ja ein verschlungener. So ist es mir ergangen: Breite Straßen, schmale Straßen, Sandwege, Holzwege, gepflastert, sumpfig, Irrwege, Dickicht, plötzlich weg-los... usw. und so fort. Irgendwann findet man dann seinen Weg und merkt: Oh, da sind ja noch andere unterwegs, wie schön...! Man muß auch nicht mit allem von allen einverstanden sein und übereinstimmen. Die große Richtung muß aber überein-stimmen...

2) Der "Gefälligkeitsartikel" in der taz darf nicht vergessen werden. Was will der Schreiber der linken Postille uns denn damit sagen? Nehmen wir ihn beim Wort: Der Herr Professor zeigte sich in Plauschlaune...im taz Café...ja, ist das denn nicht mit Asylbewerbern belegt?...Solidarität, Genossen!...Dazu ein redegelaunter Moderator...Wie immer bei Herrn Professor üblich, gedankliche Erörterung im Monolog, aha...vorgelesene Einleitung...wie spannend...dann der Rückbezug auf die virtuellen Resonanzräume der Rechten, die im Internet frei verfügbar  seien...zum Glück oder leider?...Schließlich der Hinweis auf den spannenden Mailwechsel...nur spannend, nicht intellektuell redlich und erkenntnisfördernd...!? Ach, ich hätte doch noch gerne gewußt: Gab es anschließend noch Schnittchen mit Schinken und Rotwein und Mineralwasser, über die Alpen gekarrt gar? Ich werde es wohl nie erfahren...

3) Gottfried Benn, im Dritten Reich mit Schreib- und Publikationsverbot belegt, ganz oben auf Goebbels Abarbeitungsliste, der sich Verfolgung oder Schlimmerem nur entziehen konnte, indem er als Arzt freiwillig und schutzsuchend  in die Wehrmacht eintrat (viel später er: 70 Jahre und zwei Weltkriege erlebt und mitgemacht: Das ist zuviel...), hatte wohl recht, als er an den Herausgeber einer süddeutschen Monatsschrift, der den Kontakt zu ihm suchte, schrieb:

4) "Das Abendland geht nämlich meiner Meinung nach (...) "an dem hündischen Kriechen seiner Intelligenz vor den politischen Begriffen" zugrunde. "Das Zoon politikon, dieser griechische Mißgriff, diese Balkanidee - das ist der Keim des Untergangs, der sich jetzt vollzieht...". Und dann: "Die Lage ist bedauerlich, denn neue Elemente sind vorhanden, das Abendland möchte einen neuen Absprung wagen." (Quelle: in meiner Benn-Ausgabe, dtv, Band 7: Vermischte Schriften: Berliner Rede. Das war 1948. Da durfte er immer noch nichts veröffentlichen, nahm sich aber dann selbst das Recht auf freie Meinungsäußerung...).

5) Zu  Mitteldeutschland und christlicher Tradition, gar Bekenntnis: Es ist wahr, es mangelt daran. Aber: Meine Erfahrung ist, daß im Unterbewußtsein, in den Wurzeln weiter Teile des Volkes das Christliche weiter fortwirkt. Und es, "das Pack", so meine Ansicht, ist eine Anfrage an das satte und träge Christentum des Westens. Und eine Anfrage an das ganze Organisationsgebäude der Kirche(n): Wie haltet Ihr es denn mit dem, auf den Ihr Euch beruft? Insofern sind die Unchristlichen eine Anfrage, ein Stachel im Fleich der Amtskirche, denn..:

6)  "Ihr seid das Salz der Erde. Wo nun das Salz dumm wird, womit soll man's salzen? Es ist hinfort zu nichts nütze, denn daß man es hinausschütte und lasse es die Leute zertreten." (Matthäus 5, 13; Bergpredigt. Meine Lieblingsübersetzung: Luther - Textfassung von 1912).

7) Mir hat immer das Bonhoeffer - Wort von dem Rad, dem man in die Speichen greifen muß, imponiert. Ausdrücklich: Das heutige Deutschland ist nicht mit dem Dritten Reich vergleichbar. G.K. ist auch nicht Bonhoeffer. Er ist einfach ein patriotischer Verleger, Publizist. Nicht mehr, nicht weniger...Und doch finde ich, auf unsere Zeit und unsere jetzigen Probleme bezogen, das Bonhoeffer - Wort irgendwie zutreffend, wenn man es mal ganz lebens- und gegenwartspraktisch verwendet:

8) Wenn ein Betrunkener Auto fährt, dann genügt es nicht, das Opfer zu verbinden, man muß dem Rad selbst in die Speichen greifen...! So ungefähr heißt es, daher nicht als wörtliches Zitat gekennzeichnet. (Muß irgendwo im Band 12 der Werkausgabe zu finden sein. Hg. Carsten Nicolaisen und noch jemand. Habe ich aber nicht hier bei mir.)

9) Ich habe mal einer sehr klugen und attraktiven Litauerin, Germanistin, fühlte mich geschmeichelt, Deutschland etwas gezeigt. Auch zwei linke Zeitgeist - Vorträge bekannter Leute geboten.  Sie: Das war interessant. Diese Sichtweise kennt man bei uns gar nicht. Ich: Ja, es gibt schon eloquente linke Arschlöcher bei uns. Sie, die Augenbrauen hochziehend: Wie meinst du das? Ich: Ach, laß man...

10) Herr Kubitschek: Gut gemacht, gut geschlagen! Danke für die Veröffentlichung. : Grüße von der Weichsel.

Obi Wan Kenobi

7. Januar 2017 21:38

Der Schriftwechsel zwischen Götz Kubitschek und Claus Leggewie ist ein erschütterndes Dokument der geradezu unfassbaren Borniertheit der Träger des heutigen Zeitgeists. Wer von einem der elementarsten Grundrechte - der Versammlungsfreiheit - Gebrauch macht, und nach Auffassung dieses Linksintellektuellen diese Freiheit "falsch" gebraucht und eine patriotische Demonstration besucht, wird umstandslos und ohne jede weitere Differenzierung mit den Terroristen der RAF gleichgesetzt. Schade um diesen Claus Leggewie, der einstmals mit seinem "Der Geist steht Rechts" eines der lesenswertesten Bücher über die 80er-Jahre-Rechte veröffentlicht hat. Darin warf Leggewie einen zwar ironisierenden, aber durchaus präzisen Blick auf die damalige bundesdeutsche Rechte, von Weikersheim bis Armin Mohler. Vor allem war diese Arbeit noch völlig frei von kaum verhohlenem Hass auf den Meinungsgegner.

Westpreuße

7. Januar 2017 22:59

@ William Wallace, 7. Januar, 19:29 Uhr

Dankeschön für den Hinweis welt.de auf die Wohnverhältnisse von dem Herrn Professor. Es war, ist und bleibt wohl so: "Nur wer im Wohlstand lebt, lebt angenehm." Bertolt Brecht: Vom angenehmen Leben, Refrain. - Der lebte auch gerne angenehm...

: Patriotische Grüße von der Weichsel

Seneca

7. Januar 2017 23:35

Hut ab, GK. Der Langmut hat sich ausgezahlt. Leggi steht da wie ein begossener altmodischer Labradoodle...Seine wahre Absicht war von Beginn an natürlich sehr durchsichtig: Intellektuell blossstellen und in der TAZ- Gallerie ausstellen. Es lief jedoch mächtig vice versa !

Fernmelder

7. Januar 2017 23:42

Bravo Herr Kubitschek, immer wieder beeindruckend ihre Texte zu lesen. Dieses Streitgespräch zeigt eben wieder einmal, daß Gespräche mit diesen Leuten zu nichts führen. Ich habe damals, als es um die Wiedervereinigung ging, mit Grünen diskutiert. Es ist zwecklos. Diese sind nicht von dieser Welt.

Stein

7. Januar 2017 23:43

Was mir bei dem Briefwechsel sauer aufstößt, ist die Fixierung beider Seiten auf das Christentum (Leggewie erklärt Ossies zu degenerierten Ungläubigen, die Religion nicht verstehen können; Kubitschek erklärt die Ossis zu "christlich Geprägten", die von ihrem Glück nichts wissen). Die Religion war ein wichtiger Prägungsfaktor der europäischen Entwicklung, jedoch wahrlich nicht der Einzige. Ich wär´mir nicht mal sicher, ob das gesamte Christentum in seiner Bedeutung an die Erfindung des Buchdruckes durch Gutenberg heranreicht (welcher ironischerweise erstmal dafür verwendet wurde, um Bibeln zu drucken). Die Tatsache, daß der gesamte, nicht nur ungläubige, sondern hochgradig (!) religionsfeindliche, Osten immun gegen alle Arten modernistische Ideologien ist, sollte zu denken geben.

hubschrauberpilot

8. Januar 2017 00:10

@Jürgen: ad 1 - Der Typus Leggewie diskutiert doch nicht mit Herrn K.; es handelt sich hier zunächst einmal um einen - pragmatisch gesehen: privaten - Briefwechsel, den der Beamte abbricht, um dann sein festgefügtes Weltbild öffentlich, in einschlägigen Organen, für sein gewohntes Publikum in einschlägiger Weise zu reproduzieren. Die Publikation durch Herrn K. ist ex post richtig und wichtig, aber das ändert nichts am ceterum censeo. Herr K. dürfte sich jetzt durchaus in der Stellung wissen, wählerisch sein zu können, auf wessen Anschreiben er in der hier gezeigten Güte antworten will und auf wessen nicht.

Die Frage muß doch stets lauten: Wozu lasse ich mich auf eine zeitraubende Debatte ein und wie. Will ich ein Gegenüber von irgendetwas, wenn ja: was, überzeugen?  Will ich beobachtende Dritte überzeugen, indem ich das Gegenüber demontiere? Will ich an Erkenntnis dazugewinnen, mich gar selbst überzeugen lassen? Kann ich also mit einer ergebnisoffenen und freien Entwicklung des Gesprächs rechnen? Dann ist es zweitens der entsprechenden Zielbestimmung gemäß wichtig, den medialen Ort der Auseinandersetzung bzw. deren Modus selbst zu bestimmen oder beeinflussen, d.h. auch eine Diskussion nach den Spielregeln des Gegners einfach nicht anzunehmen. Wir müssen nicht mit denen reden wollen, wozu auch? Aber ich mein ja nur.

Ad 2 - Sahra Wagenknecht ist ohne Zweifel eine der Persönlichkeiten, mit denen wir ein Gespräch akzeptieren und wo möglich auch suchen sollten, der CDU-Politologe Patzelt, der grüne Palmer,  immer noch der Philosophieentertainer Schlotterdeick, der Sachse und Maler Gerhard Richter, der Franzos und Schriftsteller Hullebeck, mancher Russ, Amerikanerer und Araberer, hier nur kurz aus der Hüfte geschossen. Und wenn die Genannten halt (noch) nicht wollen, wollen sie halt nicht: Чёрт возьми. Es hängt auch immer vom Themenbereich ab, zu dem und mit wem gesprochen werden soll. Warum aber mit zweit- und drittklassigen BRD-Zombies sprechen wollen?

Hartwig aus LG8

8. Januar 2017 00:20

Herr Kubitschek,

nach nochmaliger Lektüre möchte ich mein flappsiges "gut gemacht" korrigieren.

Sie haben mit einem Florett gegen einen Degen gewonnen. Sie ließen sich auf den Disput ein, und bezeichneten ihn als "überfällig". Vielleicht war das ein Fehler, vielleicht auch nicht. Jedenfalls befand sich der Degenfechter von Anbeginn im Vorteil und drängte Sie in die Position desjenigen, der sich zu rechtfertigen hatte. Auf die Dauer setzten Sie aber einen Stich nach dem anderen, während der Degenfechter nur noch um  sich schlug. Bravo.

Dennoch ein Tipp für alle, die das Florett nicht so beherrschen: Gegen Typen wie Leggewie tritt man mit dem Langschwert oder einem schweren Säbel  an. Sie verdienen nicht den fairen Kampf.

ene

8. Januar 2017 00:24

@ H.M. Richter

Zur Beziehung Tibi-Leggewie dies Zitat  - aufschlußreich genug: In seinem Buch „Europa ohne Identität?“ beklagt sich Tibi über Leggewie: „Als Doktorvater, dem Leggewie als Assistent zugeordnet war, ist es mir nicht gelungen, ihn bei der Anfertigung seiner Dissertation über Algerien zu überzeugen, wie wichtig der Islam für die Analyse ist (politische Ökonomie galt damals mehr); heute belehrt mich dieser deutsche Multikulturalist über die Zivilisation, in der ich aufgewachsen bin, den Islam!“ (Bassam Tibi: „Europa ohne Identität? Leitkultur oder Wertebeliebigkeit“, Siedler/Goldmann, Januar 2001, S. 360)

der Dachs

8. Januar 2017 00:34

Herr Wawerka,
Schiller war das mit der Milchkuh:

Wissenschaft
Einem ist sie die hohe, die himmlische Göttin, dem andern
eine tüchtige Kuh, die ihn mit Butter versorgt.

Aber Wissenschaft oder das Heilige zu prostituieren, das ist bei L.scher Gesinnungsdetektion einerlei.

Freilich zeigt sich hier ein Punkt, der sowohl im jetztzeitigen Christentum wie Islam die Verbindung der schwarz Verkleideten mit den Einheitsparteilern erklären kann: Oligarchisierung gibt es nicht nur bei politischen Parteien, sondern auch bei religiösen Organisatoren; Dostojewskis "Großinquisitor" zeigte es.

@Stein u.ä.
Erstens ist auch im Osten die christliche Grundprägung vorhanden.
Zweitens widerlegt schon Polen die angebliche hochgradige Christentumsabstinenz des Ostens. Vollends unvergeßlich sind mir aber die Massen vor allem auch jüngerer Menschen, die man in Rußland in den Kirchen findet.
Drittens haben gerade die ruinösen neueren Ideologien, sei es Turbokapitalismus, Gendermainstreaming oder Leggewiesche Denke eines gemein - daß sie das Christentum allenfalls noch als pathetisch verkleidete Sozialfürsorge oder als traditionelle Folklore dulden.

Fredy

8. Januar 2017 01:13

Naja, nun genug der Lobhudelei. GK hat die Auseinandersetzung hier eingestellt um möglichen Angriffen durch Dokumentierung zuvorzukommen, nicht um Applaus zu generieren.

Zum Christentum soviel: Als Nichtchrist akzeptiere ich die weitgehend freiwillige Entscheidung unserer Ahnen für das Christentum. Das Christentum ist offenbar so flexibel, dass sich heutige Schwach- und Dummheit als auch historische Stärke und große kulturelle Leistung dadurch begründen lassen. Dem Odinskult mangelte es an einer Heilsoption für heute 99% aller Volkszugehörigen, den Nichtkriegern. Der Schwachsinn ging zu recht ein.

Rudolf

8. Januar 2017 01:55

Der Islam in Europa? Eine Geschichte noch sehr am Anfang. Einige wollten den LKW des Anschlags von Berlin ja schon ins Museum stellen. Wie einfältig. Man weiss doch gar nicht wieviele LKWs da noch dazukommen. Und die Antänzer gehen auch noch nicht ins Museum.

usf.

Adorján Kovács

8. Januar 2017 01:57

@Hajo Blaschke

Ich stimme Ihnen völlig zu, dass im Nahen Osten nur säkulare Diktatoren Sicherheit und Ordnung für alle, also auch für Minderheiten garantieren können. Ich glaube aufgrund der empirischen Erfahrung mit dem Islam auch nicht, dass sich das auf mittlere Sicht ändern läßt. Beim Garanten der schulischen Multikulti-Idylle Tibis handelte es sich übrigens noch um den Vorgänger von Assad senior, einen General. Aber natürlich ist orientalische Despotie, sei sie auch säkular, kein wünschenswertes Optimum, nur das kleinere Übel; da sollten wir uns vielleicht einig sein. Das Wort „Tyrann“ habe ich nicht aus Propagandagründen benutzt, sondern um deutlich zu machen, dass auch bei uns ein multiethnisches und -kulturelles Staatswesen nur mit immer mehr staatlicher Repression wird zusammengehalten werden können. Das ist mit ein Grund, warum ich gegen ungebremste und wahllose Einwanderung bin.

quarz

8. Januar 2017 01:57

@ C. Sommerfeld

"Oder man gibt die Rationalitätsunterstellung nicht auf, tut so ... als ob da noch einer Augen und Ohren hat wie man selbst, und lernen kann."

Man tut's ja nicht ausschließlich mit dem Ziel, den Gegner zu überzeugen, sondern auch (und hier wohl vor allem), um den Zeugen des Disputs die Augen zu öffnen.

Hugo

8. Januar 2017 02:24

Leggewie führt einen Monolog mit nur einem Thema: "Die Neue Rechte, das sind Terroristen in Warteposition! Sie werden wie die RAF enden!  Und Kubitschek ist für alles verantwortlich!" 

gähn. MaasAugsteinMerkelGöringscher Einheitsbrei. Ohne Nährwert, stark krebserzeugend und unendlich fade im Geschmack. 

Da konnten Sie, verehrter Herr Kubitschek, nur als Stichwortgeber auftreten. Ein Dialog war das nicht. Ich frage mich zwar, warum Sie es für notwendig befunden haben, dem Leggewie diese Plattform für seine Rede zu bieten, aber von solcherart intellektuellen Feinheiten verstehe ich nichts. Mein Tip: löschen Sie den Schwachsinn des Herrn L. und lassen Sie nur Ihre Briefe stehen, die fühlen sich gut und richtig an.

Paule

8. Januar 2017 05:08

@ Stein 07. Januar 2017 22:43

"Die Tatsache, daß der gesamte, nicht nur ungläubige, sondern hochgradig (!) religionsfeindliche, Osten immun gegen alle Arten modernistische Ideologien ist, sollte zu denken geben."

Das Volk im Osten war und ist nie religionsfeindliche gewesen, sondern religiös-tolerant. Die Preußen mit Schlesiern, Sorben und Fischköppen sowie so und die Sachsen waren halt wie die katholischen Österreicher, eigentlich evangelisch. Große Teile Thüringers und des Eichsfeld waren und sind erzkatholisch und lutherisch. („Nur anständige Leute müssen sie sein und Untertage ihren Mann stehen und im Licht Brot, Speck und einen Korn vertragen.“)

Die politische Elite hatte es sich gerne anders gewünscht, aber sich doch nicht getraut. Und für die Pfarrer waren die Sorge und die Solidarität von und mit dem Volk lebenswichtig.

Immun sind/waren(?) sie gegen (politische und religiöse) Lügen und falsche (Heils-)Versprechen. Der tägliche Abgleich zwischen Lüge(npresse) und Realität fiel leicht entweder die Ladenregale waren voll oder leer.

Kurze Erinnerung zum Heidentum in Deutschland, unter dem christlich-öffentlichen Glauben, in meinem Haushalt gibt es immer noch das Päckchen für den Hausgeist. (Ganz oben hinten im Schrank Brot, Salz und eine Münze.) oder die Walpurgisnacht, Pfingstbäume oder Maibäume.

Es gibt und gab sie zuhauf, die Sagen von Gernegroß, Rübezahl, Berggeister, Feen, Riesen und Zwerge, Teufelsmauern und Riesensteine, Wunscheichen und Zaubererlen. Ich empfehle eine Harzwanderung auf den Spuren Johann Wolfgangs mit kundiger lokaler Begleitung. Nicht die Alpen sind das „deutsche“ Gebirge, sondern die Heimat der Ottonen.

Der_Jürgenverme

8. Januar 2017 07:58

 @William Wallace

Sie schneiden einen äusserst wichtigen Punkt an. In der Hoffnung, dass Herr Leggewie hier mitliest, möchte ich diesen Punkt etwas vertiefen:

Leggewie ist, im Gegensatz zu den meisten anderen linken Ideologen, weiss Gott nicht dumm. Es ist darum wahrhaft erstaunlich, dass er die Konsequenzen seiner Multikulti-Ideologie für seinesgleichen nicht sieht, bzw. nicht sehen will. Dass Deutschland und Europa mitsamt der europäischen Kultur (dass diese nicht nur christliche Wurzeln hat und dass viele Züge des antiken Heidentums im Christentum, im katholischen weit mehr als im protestantischen, weiterleben, lässt sich unmöglich bestreiten;  @Ralf Kaiser rennt hier also offene Türen ein) durch eine Fortsetzung der Einwanderung zerstört werden, muss Leggewie klar sein; dies ist eine simple Folge der demographischen Entwicklung. Zwei und zwei ergeben auch für einen linken Professor vier.

Doch wird es in einem islamisierten Europa nicht nur den bösen Konservativen, Identitären und Nationalisten an den Kragen gehen, sondern in gleichem Masse den Geistesverwandten eines Herrn Leggewie. Oder glaubt dieser etwa, dass ein Kalifat Deutschland die Schwulenehe, das Gender Mainstreaming, den Feminismus und die Abtreibung dulden wird? Gar mancher Gesinnungsgenosse Leggewies wird dann um einen Kopf kürzer gemacht oder auf noch wesentlich unangenehmere Weise zu Tode gebracht werden.

Diese Blindheit gegenüber dem Schicksal der eigenen Gesinnungs- und Glaubensgenossen findet man übrigens nicht nur bei Linken, sondern auch bei Juden. Es sei daran erinnert, dass alle bedeutenden jüdischen Organisationen und fast alle bekannten jüdischen Persönlichkeiten Gift und Galle gegen die nationalen Kräfte speien, welche der Islamisierung Einhalt gebieten wollen. (Auf diesem Blog würden bei früheren Debatten so viele Beispiele und Zitate angeführt, dass man sich eine Wiederholung wohl schenken kann.) Es sei ferner in Erinnerung gerufen, dass Umvolkerin Merkel mit jüdischen Preisen geradezu überhäuft wird.

Vielleicht tröstet sich Leggewie mit dem Gedanken, dass er selbst die Islamisierung nicht mehr miterleben wird. Vielleicht ist sein Hass auf Deutschland so unbeschreiblich, dass er die in einem islamistischen Deutschland unvemeidliche Vernichtung der deutschen Linken, Grünen, Schwulen und Feministinnen als bedauerlichen Kollateralschaden achselzuckend in Kauf nimmt. Dann steht er moralisch auf der gleichen Stufe wie die Antifa und unterscheidet sich von dieser nur dadurch, dass er weniger primitiv und weniger radikal formuliert und die Schmutzarbeit, das Steinewerfen und Auto-Anzünden, dem Fussvolk überlässt.

Leggewies Argument, die Muslime seien ja in ihrer Mehrheit keine Extremisten und würden sich mit der Zeit schon integrieren, ist auf Sand gebaut. Es gibt genügend Meinungsumfragen, die auf die fortwährende Radikalisierung gerade der jungen muslimischen Einwanderer hinweisen. Auch in den arabischen Ländern selbst ist, wie z. B. Prof. Tillschneider in dem von mir verlinkten Interview hervorhebt, eine starke Reislamisierung in Gange.

@Adorjan Kovacs

Ihren Beiträgen kann man meist ungeteilt zustimmen, aber ihre billige, im BILD-Stil betriebene Propaganda gegen Assad löst Kopfschütteln aus. Wenn Bürgerkrieg, Chaos und Abschlachtung religiöser Minderheiten nur unter einem autoritären System vermieden werden können, dann ein Hoch auf dieses autoritäre System (das übrigens unter Assad junior weit milder war als unter seinem Vater Hafiz oder gar unter Saddam im Irak).

Wotan

8. Januar 2017 09:00

Dieser Briefwechsel spiegelt, wenngleich auf deutlich höherem Niveau, den politischen Disput zwischen mir und zwei linkslinken Abeitskolleginnen. Es hat absolut keinen Sinn mit solchen gutmenschlich-antifaschistischen Flintenweibern zu diskutieren, weil schon die grundlegenden Annahmen diametral sich gegenüberstehnd andere sind. Für mich sind Rasse, Volk und Nation die nicht verhandelbaren Grundkonstanten. Für die Gegenseite sind das schon Feindbegriffe. Und jede darauf aufbauende Diskussion endet in gegenseitigem Haß.
Ich habe es also aufgegeben, mit der Gegenseite irgendwelche Diskussionen zu führen, um sie für unsere Postitionen zu begeistern und diese Volksfeinde aufzuklären.

Ich will sie nur noch mit allem was ich habe bekämpfen und unserer Seite zum Sieg verhelfen.

Anbei....mir fällt auf, daß die Linken immer wieder mit dem Pseudoargument der angeblich 1000 Angriffe auf Asylantenheime kommen. Davon sind unzählige Angriffe von Asylanten selbst vorgenommen (zündeln an Matratzen, der dicke Asylant Hamza der um 04.00 Uhr nachts keinen Schoko-Pudding bekam und sich bis 06.30 Uhr hätte gedulden müssen und daraufhin das ganze Heim anzündete, usw).

Aber hört man mal irgendwo wie viele Angriffe es auf rechts stehende Personen, ihre Fahrzeuge, Wohnungen, Geschäfte, etc gab und gibt?
Dazu zählen auch gesprengte Briefkästen, linke Schmierereien im Wohnumfeld, das Denunzieren beim Arbeitgeber, Angriffe auf Infostände, Beschädigen von Wahlplakaten, Stehlen und Zerstören von Wahlmaterial, Angriffe auf rechte Druckereien u. DDos-Attacken auf nationale Netzseiten, etc.

Zählt man dies mal zusammen - und diese Fleißarbeit sollte mal irgendwo gesondert erfolgen, und zwar gegenüber allen rechts stehenden, also auch gegenüber sog. echten Rechtsextremisten/Nazis, nicht nur AfD, Pegida, usw. - dann kommt man wohl auch zigtausende wenn nicht hunderttausende Angriffe von links, allein im letzen Jahr wohl rund 5.000 Attacken. Aber wie gesagt, weder der Staat noch unsere eigenen Leute sind da systematisch am auswerten, was aber wichtig wäre. Meines Wissens macht die AfD so was im Ansatz, aber nur gegenüber Gewalt die der AfD selbst entgegengebracht wird.

Dann könnte man den Bahnhofs-Klatschern mal etwas empirisch entgegenhalten.

Winston Smith 78700

8. Januar 2017 09:30

Ich fand den beharrlichen Dresdner Kreislauf auch komisch, entdecke aber gerade, dass er eine sowohl symbolische, als auch in übertragener Form das Volk materiell rettende Idee von Bewegung anschaulich machen könnte. Mehr dazu auf Anfrage.

Hajo Blaschke

8. Januar 2017 09:37

@Stein Ich weiß nicht, was dieses Ossi-Bashing in Fragen Religionsfeindlichkeit soll? Unbewiesene Verleumdung? Leute, die sowas behaupten, sollten mal lieber von ihrem Lokalr

Rassismus gegen die Bürger aus Mitteldeutschland lassen und sich wichtigeren Dingen beim Kampf um den Erhalt unserer deutschen Heimat zuwenden.

Waldgänger aus Schwaben

8. Januar 2017 10:34

Zeitverschwendung sind solche Diskussionen solange nicht, solange sie dazu führen die eigene Position besser und tiefer zu durchdenken.

Claus Leggewie bringt größtenteils absurde und wenig durchdachte Argumente. Kubitscheks Argumente dagegen sind im Feuer der Kritik gehärtet.

Leggewies Vergleich mit der RAF ist lächerlich - nichts würde dem neuen Aufbruch mehr schaden ein Anschlag auf ein "Flüchtlings"heim mit vielen Toten, wo möglich noch Kinder. Niemand mit einem Funken Verstand aus dem Umfeld Pegdia/AfD und den zugehörigen Medien wird sich dies wünschen. Es zeugt von der erstaunlichen Disziplin der deutschen Rechten, dass Anschläge, abgesehen von Dummen-Jungen-Streichen bislang ausgeblieben sind. Disziplin aber ist die Vorausetzung für den Erfolg.

In der Frage nach dem Christentum fertigt Kubitschek Leggewie ab. Leggewie hätte das alles vorgängig nachlesen können, zum Beispiel im Buch von Lichtmesz, das ich gerade zum zweiten Mal lese. Dass er dies nicht tat, zeugt davon, dass er seine Positionen wenig durchdacht hat, weil er sich mit der Kritik daran nicht befasst.

Was auf unserer Seite noch durchdacht werden muss, ist ein Einwand, den Leggewie gegen Ende bringt:

Die Revision der Kulturrevolution ... macht doch kein Programm, und das Ihre finde ich ... dünn, wenn es darum geht, nicht nur bestimmten „Gesellschaftsexperimenten“ eine Absage zu erteilen, sondern gerechte Lösungen für echte Probleme zu finden.

Wir müssen in der Tat in der öffentlichen Wahrnehmung etwas mehr bieten als nur Dagegen-Sein.

Xerorx

8. Januar 2017 11:16

Die Tatsache, daß der gesamte, nicht nur ungläubige, sondern hochgradig (!) religionsfeindliche, Osten immun gegen alle Arten modernistische Ideologien ist, sollte zu denken geben.

Stimmt, kann man ja besonders schön in Polen bewundern....

Zum Briefwechsel: Die Vorgestrigkeit von seinem Vokabulars, passt gut zu seiner gesamten Vergangenheitsfixierung.  Stoph in Kassel und Aktion W, das sind für mich Geschichten, die hören sich so fern an, wie Stalingrad und Tannenberg. Typisch alter, linker Zausel, der den 70érn nachtrauert.

 

Th Wawerka

8. Januar 2017 11:25

Kubitschek:

... ohne, daß man dadurch Religion und Politik planmäßig aufeinander setzen müßte. Dieses Aufeinandersetzen würde vielmehr dem Glauben seinen durch das Politische nie erreichbaren Raum nehmen und die Religion zu einem strategischen Baustein herabwürdigen.

Nichts anderes macht man auch dann, wenn man die multikulturalistische Politik der offenen Grenzen durch die christliche Religion (fast immer in einer säkularen, also dogmatisch entschärften und aufklärerisch angepaßten Fassung) legitimieren will ...

Sehr gut auf den Punkt gebracht! Ich meine, es war Schleiermacher, der einmal vom "Heiligen als Milchkuh" schrieb - die Vernutzung, Funktionalisierung, Instrumentalisierung des Unbedingten. Die Sünde des Simon Magus, die schwerer wiegt als der Unglaube.

 

edit:

Das Heilige natürlich, nicht der Heilige.

Um es ironisch zu überspitzen: Wie wenn der Bundesfinanzminister mit dem Verweis auf Christi Gleichnis vom "Scherflein der Witwe" die Renten drastisch kürzte und sich damit als treuer Christ präsentierte ...

Ebensowenig statthaft ist natürlich die Instrumentalisierung des Glaubens für den Krieg. Deshalb wollte Luther den gebotenen Kampf gegen die Osmanen ja ausdrücklich nicht als Kreuzzug bzw. Glaubenskrieg verstanden wissen, sondern als staatsbürgerliche Pflicht aus Treue zum Reich und Gehorsam zum Kaiser: "Das Reich muss uns doch bleiben!" aus dem Lied "Ein feste Burg ist unser Gott" gehört in diesen Zusammenhang. 

Dennoch ist Kubitscheks Hinweis richtig: Die Kirche müsste von Rechts wegen allermindestens ihr Interesse daran formulieren, dass ein Staat und eine Gesellschaftsordnung erhalten werden, in denen der Glaube ohne Einschränkungen verkündigt und gelebt werden kann. 

Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche 2.0 ...

Andrenio

8. Januar 2017 11:40

Bei Amazon sind die Preise für gebrauchte Bücher ein Indiz dafür, dass die Zeit über den Autor längst hinweggegangen ist: € 1,80 für "Der Geist denkt rechts".

Wer eine Zusammenfassung lesen will: 1987 Zeit online, wo er despektierlich über "Wiedervereinigungsgläubige" schwadroniert, die im Umfeld der CDU ihr Unwesen trieben.

Man möge mir den Tagtraum entschuldigen: Eine Gruppe von Einzelfalltätern lauert ihm vor dem Loft in Gießen auf und demoliert seine Designumgebung. Die Sonderkommission der Kripo wird abgezogen, nachdem der rechte Hintergrund der Tat sich nicht verifizieren ließ (Die Hakenkreuze waren spiegelverkehrt aufgesprüht). Die Kopftuch-Assistentin aus dem Lehrstuhl übersetzt die arabischen Parolen: Lerne zu teilen!

Nordlaender

8. Januar 2017 13:07

@ Hajo Blaschke

"Rassismus gegen die Bürger aus Mitteldeutschland lassen und sich wichtigeren Dingen beim Kampf um den Erhalt unserer deutschen Heimat zuwenden."

Oh weh, oh weh, oh weh. Die Mitteldeutschen eine Rasse? Haben Sie sich von Herrn Professor Heitmeyer erklären lassen, was unter Rassismus zu verstehen ist, nämlich gruppenbezogene Möntschenfeindlichkeit?

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Bin nach sorgfältiger Lektüre des Briefwechsels tief beeindruckt vom bestechenden intellektuellen Niveau Kubitscheks. Vortreffliche Reklame für unsere Sache. Thema Christentum: überaus schwierig, sowohl - als auch, sollte nur vorsichtig angefaßt werden, um im eigenen Lager keine unnötigen Gräben aufzureißen.

Sven Jacobsen

8. Januar 2017 13:07

Da hat man diesen Briefwechsel gelesen und was bleibt neben dem Eindruck, dass das Ganze irgendwie nicht vom Fleck kommt? Beiden ist es hoch anzurechnen, die Form gewahrt und sich Zeit genommen zu haben, und Götz Kubitschek schneidet weitaus besser ab. Claus Leggewie ist beherrscht von Bildern, die sich nach einem Auslöser abspulen. Der Begriff „Widerstand“ ist so einer und lässt ihn an Enthemmung, brennende Straßenbarrikaden, Vertierung und Gewalt denken; er glaubt nicht, dass es anders sein kann. Er geht zu keinem Zeitpunkt auf die von Götz Kubitschek beschriebene Probleme ein, indem er sich Gedanken über die von der Merkel-Regierung auf die Schienen gesetzte Entwicklungen machen oder Lösungswege andenken würde. Er könnte das durchaus, aber er tut es nicht. Er fragt Kubitschek lieber mit Blick auf die Leute beim Compact-Stand einer Messeveranstaltung oder bei den Pegida-Demonstrationen, die ihn verunsichern und an die schlimmste Vergangenheit denken lassen, was er dort eigentlich wolle. Als wäre der Anblick der Antifa-Kampfgruppen beruhigender, als flöße es mehr Zuversicht ein, sich zu fügen, wenn über Parallelgesellschaften gesprochen wird oder sich in den deutschen Großstädten in den Silvesternächten Migranten und Polizisten gegenüberstehen und die Polizei mittlerweile in die Millionen gehende Überstunden angehäuft hat. 

Adorján Kovács

8. Januar 2017 13:42

@Der_ Jürgenverme

Siehe meine Antwort auf Hajo Blaschke. Danke.

Stil-Blüte

8. Januar 2017 14:38

Dank dieses Briefwechsels - der ja, jeder notorische Briefschreiber weiß das - als E-Mail-Ping-Pong einen anderen Charakter im Geiste hervorbringt als der klassische Briefwechsel - , bin ich auf RAF und APO gestoßen worden. Da fielen mir doch auch gleich 'Sympathisanten' und 'Studentenbewegung/-unruhen' ein, ohne diese Sympathieträger die RAF ja undenkbar gewesen wäre.

Kamen die nicht allesamt aus der durch die CIA hochfinanzierten 'Frankfurter Schule, die zur freiheitlichen, demokratischen re-eduction Indoktrination installiert wurde? Sind die linken Rebellen nicht eigentlich unfreiwillig ins offene Messer gelaufen? Einige (Joschka Fischer, Trittin, Leggewie, Cohn-Bendit...) waren schlau genug, sich auf diese gutfinanzierte sichere Seite zu schlagen. Ein Heinrich Böll als linker katholischer Säulenheiliger hat Machenschaften, auch diese, wohl bis zu seinem Tode nicht durchschaut.

Beneidenswert die Völker, die ihrem untrüglichen Instinkt folgen und der Reflexionsebene abhold sind. (Autor unbekannt)

Da irren manche hier in der Runde:

Vor allem die protestantische Kirche, die traditionell in Ost-und Mitteldeutschland zu Hause ist, war in der DDR zu großen Teilen durch Rituale der Taufe, Konfirmation, Hochzeit, Weihnachten, Weihnachtslieder, Bach, Luther, Kirchen, Glockengeläute weiterhin existent. Schon damals war es so, daß viele junge Menschen sich zur 'Jungen Gemeinde' allein dadurch hingezogen fühlten, weil sie anders als das stupide Funktionärs-Ein-mal-Eins war.

Was aber stimmt ist Faustens Verzweiflungsschrei:

Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!

Die Vertreter der Kirche, Ost wie West wurden unglaubwürdig, diese innere Not überspielt zu habern. Funktionieren war alles. 

Sicher, die protestantische Kirche hat hunderttausenden jungen Menschen ihre Türen für Friedensgebete Schwerter zu Pflugscharen geöffnet. Aber - es waren alles Atheistendie da beteten.  Die protestanische Kirche hat sich, so gesehen, mißbrauchen lassen. Diese Sekularisierung hat sie nie wieder abstreifen können. Die  katholische Kirche, die noch lange mit dem Glauben allein an Jesus Christus, ihren gereiften Ritualen und dem Erbe des Petristuhles standhielt, hat sich nach dem 2. Vatikanischen Konzil auch in diese Richtung gewendet.

Ohne es zu wollen, bin doch ausschließlich beim Christlichen gelandet. Ja. Deutschland eine reichere Tradition hat als ausschließlich das Christliche, finde auch ich. Vor allem griechische Philosophie/Tragödie (Klassik), Römisches Recht, französisches Esprit, italienische Eis mit 'amore, amore', die Sonne von Mallorca, die russische Melancholie und Knute, die preußische Pflicht, die Nibelungentreue, die Grimmschen (heidnischen) Märchen, der Struwwelpeter, nicht zu vergessen der Wald, der den Grünen noch als 'Waldsterben' vorschwebte, kurz und gut das, was jede europäische Nation modifiziert als 'Abendland' bezeichnet. Da Deutschland in der Mitte liegt, hat es automatisch am meisten amalganisiert bzw. amalganisieren müssen.

Diese Amalganisierung ist vielleicht der Deutschen Merkmal. Daraus kann niemals Gold werden. Aber symbolisch gesehen, Porzellan. Wie schön, aber wie leicht zerbrechlich. Und doch ist auf dem Meißner Porzellan das Symbol die Blauen Schwerter. Ein Widerstandsymbol. Wer nachvollziehen kann, wie aus der Alchemie, Gold herzustellen, edelstes Porzellan wurde, der ahnt, daß es auch in anderen Bereichen möglich ist: Idealismus: Gold herstellen wollen, aber Prozellan herstellen. Damit eineMarke eingehalten wird, keine Inflationierung stattfindet, gibt es reichlich aussortierten Ausschuß. Da werden die 'Blauen Schwerter' durchgestrichen (bis zu vier Querstrichen). Mitarbeiter können das unbemahlte Porzellan mit kleinen Fehlern erwerben. Da es ihr  e i g e n e s  Porzellan wird, bemalen sie es besonders liebevoll. Ausschuss wird mithin für Liebhaber was ganz Kostbares, kostbarer als reguläres Porzellan.  Für mich ein Ansatz für gelungene Metapolitik. 

Danke, Götz Kubitschek.  Ich finde Sie sind ein Aufklärer dahingehend, daß Sie die Empathie für das    E i g e n e   stärken. Ich finde, daß dafür auch Gegner, ja Feinde anfällig sind.

Noch ein anderer Gedanke: Ob ein Haus links oder rechts von meinem Haus steht - unwichtig. Wichtig - der Gartenzaun. Und über den Gartenzaun miteinander über den Apfelstecher quatschen. Ziviles hat das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) seit über 100 Jahren geregelt; es hat Kaiserreich, Weimarer Republik, 3. Reich, BRD, DDR, Deutschland in Grundzügen überstanden, danach haben sich die Bewohner des linken und des rechten Hauses und auch diejenigen, die kein Haus besaßen, gerichtet. So soll es bleiben, bitteschön.  

deutscheridentitärer

8. Januar 2017 14:39

"Doch wird es in einem islamisierten Europa nicht nur den bösen Konservativen, Identitären und Nationalisten an den Kragen gehen, sondern in gleichem Masse den Geistesverwandten eines Herrn Leggewie. Oder glaubt dieser etwa, dass ein Kalifat Deutschland die Schwulenehe, das Gender Mainstreaming, den Feminismus und die Abtreibung dulden wird?"

Wenn ich mich versuche in den Feind hinein zu versetzen, glaube ich, dass der "mittleren Ebene", also denen, die keine bloßen Mitläufer sind, aber auch nicht zu der Elite derer gehören, die die ganze linksliberale Ideologie skrupellos als Machtinstrument einsetzen, dieses Dilemma durchaus in Teilen bewusst sind.

Nur ist es verständlich, dass sie die drohende Aussicht einer Islamisierung nicht durch einen "Rückfall" auf ihnen mindestens genauso schlimmen rechten Positionen entkommen wollen, die sie ja, auch wenn sie ausnahmsweise mal nicht in einem NS enden würden, schon für sich genommen als menschenfeindlich und inakkzeptable gesehen werden.

Der Linke hofft und glaubt  deshalb, dass es innerhalb der Eingewanderten genügend "emanzipatorisches" Potential gibt, um den Islamismus in seine Schranken zu weisen. Anlass zu dieser Hoffnung findet er in linken Kurden und Türken, die in seinem Umfeld natürlich stark überrepräsentiert sind. Außerdem ist natürlich drüben wie hüben oft der Wunsch der Vater des Gedanken, und so verschließt der Linke die Augen von der zu erwartenden Gruppendynamik, die auch eine relativ kleine Gruppe Radikaler in einem mehr oder weniger sympathisierenden Umfeld entfalten kann.
 

Meier Pirmin

8. Januar 2017 14:43

Las nach Neujahr nebst dem Heft "Sezession" das seit vielen Jahren abonnierte vor allem im Illustrationsteil schön-gediegene Heft "Mut". Wintzek und die besseren unter den Mitarbeitern scheinen klar zu sehen, dass Deutschlands Politik wohl nicht erst seit "Köln" auf die schiefe Ebene geraten ist, doch überwiegt in jenem Mitte-Rechts-Magazin (auch Leggewie wird mal genannt oder zitiert) der akademische Opportunismus, was zum Beispiel im Interview des Politwissenschafters Tom Mannewitz mit Klaus von Beyme zum Ausdruck kommt. "Populismus" ist nun mal kein wissenschaftsfähiger Ausdruck, und als Extremismusforscher kommt man nur unter der Bedingung zu einer pensionsberechtigten Planstelle, dass man die Idiotie der Konsensobjektivität mitmacht. Der schwächste Artikel, den Kolonialismus betreffend, stammt aus der Feder von Peter Fritzsche. Die reine Ausbeutungsthese betreffend Afrika stimmt einfach nicht. Immerhin versteckt er gegen Schluss des Beitrags noch einen wahren wenngleich simplifizierten Satz: "Heute droht Europa das Schicksal, zu einer Kolonie islamischer Gotteskrieger und deren nicht selten kriminellen Grossfamilien zu degenerieren." Solche Sätze liest man regelmässig in "Mut", doch fehlt dann doch der Mut, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen, z.B. wenn es um die "Kirche, die AfD und die kirchlichen Rechtsausleger" geht. Auch mit Schlagworten wie "Trump in uns" analog zu Picards (der kein Schweizer war, wie fälschlicherweise geschrieben steht) "Hitler in uns selbst" kann man keine vernünftigen Debatten führen. Noch brillant und sehr gut der Essay von Matthias Hilbert über Heinrich Heines Taufe und sein opportunistisches Verhältnis zum Christentum sowie seiner späten Kritik an der Hegelschen Linken. Eindrucksvoll zitiert Gymnasiallehrer Josef Zellner Thomas von Aquin: Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit sei "Grausamkeit", Barmherzigkeit aber ohne Gerechtigkeit die "Mutter der Auflösung". Von diesem ethischen Niveau könnte in der Tat wohl auch Papst Franziskus noch Gewinn ziehen. Typisch für "Mut" ist, dass das Heft eigentlich nur zwischen Zeilen wagt, "rechts" durchschimmern zu lassen. Man hat sich nun mal über Jahrzehnte mit dem Juste-Milieu des Establishments gemein gemacht.  Zu diesem Juste-Milieu gehört schon länger auch Leggewie.

Paracelsus

8. Januar 2017 15:02

Danke für die Veröffentlichung dieses Gedankenaustausches. Er dokumentiert in meiner Wahrnehmung sehr gut, warum das geistige, intellektuelle Niveau der gesellschaftlichen Eliten in Deutschland so niedrig ist. Leggewie als bekannter Vertreter dieser gesellschaftlichen Eliten versus Kubitschek, einem Vertreter einer weitgehend an den Rand gedrängten geistigen Denkrichtung:

Während Kubitschek den Widerpart als Möglichkeit begreift, etwas Neues entstehen zu lassen, Begegnung werden zu lassen, verweigert Leggewie die Anerkennung des Anders-Denkenden als (für ihn selbst!) notwendiges Gegenüber; er behandelt Kubitschek wie ein (Untersuchungs-)Objekt; nicht als ein Subjekt (Mensch).

Aus meiner Sicht zeigt sich darin eine Grundpathologie unserer gesellschaftlichen Gegenwart, die von Leggewie und Co. zu verantworten ist: statt die Polarität als Grundbedingung von Befruchtung, Weiterentwicklung, weiterem Leben überhaupt zu würdigen, wird das Gegenüber als etwas zu Bekämpfendes, Niederzuringendes betrachtet und entwürdigt. Diese Haltung ist sehr teuer für die Menschheit. Sie ist der Grundirrtum, der Revolutionen hervorbrachte, wo Evolution die Menschen weitergeführt hätte… Denn alles Austilgen von etwas, was man für Bekämpfenswert hält, führt nicht wie gedacht zum Guten… Die Französische Revolution usw. usf., das kennen viele Gesprächsteilnehmer hier besser als ich…

Die Achtung vor dem Andersdenkenden, ja geradezu polar anders denkenden…   vor den anders Fühlenden und wollenden…. jeder, der in dieser Art wirklich weltoffen ist, hat schon so manches Glück dadurch erleben können.

Nero

8. Januar 2017 15:06

@ Sven Jacobsen

Der Begriff „Widerstand“ ist so einer und lässt ihn an Enthemmung, brennende Straßenbarrikaden, Vertierung und Gewalt denken; er glaubt nicht, dass es anders sein kann.

Man drängt uns in eine Ecke, in der wir gar nicht anders können als uns mit Gewalt zu befreien. Wie will man denn eine friedliche Wende herbeiführen, mit demokratischen Mitteln, wenn immer mehr Afghanen, Türken, Araber usw.  die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen und damit auch das Wahlrecht erhalten? Jedes Jahr werden zwischen 100.000 und 190.000 Ausländer eingebürgert. Wenn man die Menge an Einwanderern und Asylforderern analysiert stellt man fest, dass eine große Menge aus dem nahen Osten und Vorderasien stammt (Flüchtlinge sind bekanntermaßen gekommen um zu bleiben). Hmmm... wen werden die wohl wählen? Hier wird unsere Demokratie zerstört und es wird uns unmöglich gemacht eine politische Änderung auf friedlichem Wege herbeizuführen. Das wissen die Globalisierer ganz genau. Deswegen auch deren freudig-nervöses Nachfragen bezüglich unserer Radikalisierungstendenzen. Die kackfreche Art und diese Borniertheit sich mit logisch falschen Aussagen auch noch zu rühmen und als Begründung für Forderungen zu gebrauchen, findet man hier: 

https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/doppelte-staatsbuergerschaft-ein-klares-bekenntnis-zu-diesem-land-14607698.html

Nordlaender

8. Januar 2017 15:12

@ Meier Pirmin

"Populismus" ist nun mal kein wissenschaftsfähiger Ausdruck, und als Extremismusforscher kommt man nur unter der Bedingung zu einer pensionsberechtigten Planstelle, dass man die Idiotie der Konsensobjektivität mitmacht."

Wenn wirklich inhaltlich argumentiert wird, warum eigentlich nicht? Der viel versprechende (man achte auf die Getrenntschreibung!), aber diese Versprechen dann nicht haltende Politiker, der dem Volke süßen Brei um den Mund schmiert.

"Dem Begriff Populismus (von lateinisch populusVolk‘) werden von den Sozialwissenschaften mehrere Phänomene zugeordnet. Einerseits handelt es sich um ein unspezifisches Schlagwort, teils auch um einen spezifischen Politikstil, eine Form der politischen Rhetorik bzw. Strategie zum Machterwerb; andererseits wird Populismus in der Forschung auch als Teil verschiedener Ideologien eingestuft. 

...

Populismus betont häufig den Gegensatz zwischen dem „Volk“ und der „Elite“ und nimmt dabei in Anspruch, auf der Seite des „einfachen Volkes“ zu stehen. Populismus hat hingegen kein bestimmtes, eigenes Wertesystem, das seinen ideologischen Kern ausmachen und ihn von anderen Ideologien abgrenzen würde. Er kann daher mit ganz unterschiedlichen politischen Richtungen und Zielsetzungen einhergehen."

https://de.wikipedia.org/wiki/Populismus

Mohler formulierte schärfer, sprach sogar von Demagogen (sowohl H. Frahm als auch FJS zählte er zu diesen), hätte über jemanden, der eine demagogiefreie Politik postuliert, nur müde gelächelt.

Heinrich Brück

8. Januar 2017 15:16

Wenn die Identitären gewinnen (oder verlieren), gibt es keine Leggewies mehr. Solche „Europäer“ sind dann Geschichte. Deshalb ist sein „Gegnerstück“ nicht verwunderlich. Das Deutschland der Leggewies schafft sich ab; und es zählt wie immer in solchen historischen Wechseln, nicht mitabgeschafft zu werden.

Und die Lehre aus der Geschichte?

„Wo keine biologische Reproduktion ist, muss soziale Reproduktion her.“

„Es gab nie ein deutscheres Deutschland als die DDR.“ (Herfried Münkler)

Wird die Geschichte Mitleid haben? Nein, wird sie nicht. Deshalb war dieser Briefwechsel wohl keine Zeitverschwendung. Das „Gegnerstück“ als Dokument lückenlos überliefert, und so den Nachkommen die Lernfähigkeit bewiesen wurde.

Wurde die DDR bundesrepublikanisiert? Die DDR hatte eine Verfassung, mit dieser ein Umgang wie dem GG der BRD nicht möglich gewesen wäre! Wird die DDR endgültig zur BRD, hat sie es geschafft, und ihre biologische Reproduktion gegen eine soziale Reproduktion eingetauscht. Ein Sklavenvolk bezahlt seine eingetausche Reproduktion, verliert Land und Leute, und bildet sich ein auf der richtigen Seite zu stehen.

Zum Christentum eine Bemerkung: dieses hat in der Politik nichts verloren. Gebt dem Kaiser usw., schließlich ist Politik nicht auf das Christentum angewiesen.

Als die katholische Donaumonarchie unterlag, hätte das protestantische Preußen die Reihenfolge der Auflösung deutscher Reiche verstehen müssen, denn die konfessionellen Brücken waren politisch nicht haltbar. Aus dem Dreißigjährigen Krieg wurde nichts gelernt.

1989 wurde die DDR einkassiert.

Christlich auf den Hund gekommen, politisch eine Niete, wirtschaftlich mit der EU geschlagen, werden die letzten Reserven der BRD aufgeboten.

Die BRD wird immer mehr zu dem, wofür sie ursprünglich konzipiert wurde. Und mit der EU werden auch andere Länder unterworfen, wenn sie sich nicht wehren. Dabei hat die EU ein Transfersystem geschaffen, welches auch nach der abschöpfenden Eurowährung auf Enteignungskurs bleiben wird.

Die EU suggeriert demokratische Politik, in Wirklichkeit befindet sich ihre Gemeinschaftsseele, als Inspirationsausschlag des Pendels, in den Großrechnern der Zentralbanken. Den Leggewies und Münklers sind diese Dinge klar, ihre Unterwerfung die Akzeptanz der Schwäche, die eigene Globalisierung anders nicht mitsteuern zu können. In diesen politischen Vorstellungen sind Kulturausformungen regional relativierbare Größen, gut genug für die soziale Reproduktion, in Machtfragen aber ohne Entscheidungsgewalt bzw. Machtbefugnis.

Deplorable

8. Januar 2017 15:30

,,gerechte Lösungen für echte Probleme zu finden’’

Remigration wäre doch eine gerechte Lösung für echte Probleme.

Zumal wenn man diese mit mit dem Stop der westlichen Interventionen und “regime changes“ im Nahen Osten, entsprechender Re-Säkularisierung und einer Verständigung mit Rußland verbindet (Trump).

Zur gescholtenen „Wirtschaftsordnung seit den 60er Jahren“ gehört die liberalistische Globalisierung deren Bestandteil auch die Migrationspolitik ist.

Konservative Grenzen und Regeln in den Internationalen Beziehungen würden auch hier Lösungen bieten. Teils auch gar nicht so weit von linken Vorstellungen entfernt.

Das ist allerdings alles schon lange artikuliert. Man muß es nur zur Kenntnis nehmen.

Andrenio

8. Januar 2017 17:08

@Meier Pirmin

Leggewie: Stammt der nicht eigentlich aus Ruechenstein?

Falls ja, dann hätte GK ihm nicht artig entgegnen, sondern ihm vorab die sechs Rutenstreiche verabreichen sollen. Besser noch vielleicht die lange Nase schwarz färben aus dem Topf "freundlicher Nachbar"? Gleich den tapferen Seldwylern sollten wir uns mit den großen Pinseln bewaffnen, von denen uns Gottfried Keller berichtet und von denen die Ruechensteiner Ausreiss nahmen.

Eine Brise Ihres Landsmannes Andreas Thiel würde unserem Lager guttun.

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